L 5 RA 49/02

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 35 RA 1512/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 5 RA 49/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 5. August 2002 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten hat die Beklagte der Klägerin auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1947 in O geborene Klägerin hat in P den Beruf einer Friseurin erlernt und ausgeübt. Ferner war sie dort als Lageristin tätig. Im August 1988 kam die Klägerin als Aussiedlerin in die Bundesrepublik Deutschland. Sie ist im Besitz des Ausweises A für Vertriebene und Flüchtlinge. Von April 1994 bis 15. Juni 1998 war sie mit Unterbrechungen bei der Firma G H P T GmbH als Kassiererin beschäftigt, nachdem sie vom 12. Dezember 1992 bis 7. März 1994 an einem kaufmännischen Lehrgang für Aussiedler und Asylbewerber teilgenommen hatte. Seit dem 16. Juni 1998 war sie arbeitsunfähig krank und stellte am 22. Juli 1998 bei der Beklagten einen Rentenantrag mit der Begründung, wegen orthopädischer, internistischer und seelischer Leiden könne sie keine Arbeiten mehr verrichten.

Auf Veranlassung der Beklagten erstattete der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. T unter dem 28. Dezember 1998 ein Gutachten, in dem er bei der Klägerin wegen familiärer Belastungen eine reaktiv-depressive Symptomatik mittleren Grades feststellte, die ihr Leistungsvermögen für sich genommen nicht wesentlich beeinträchtige. Wegen eines radikulären Schmerzsyndroms könne sie jedoch schwere körperliche Arbeiten, die mit Bücken, Heben und langanhaltender Zwangshaltung verbunden seien, nicht mehr verrichten, während ihr körperlich leichte Arbeiten in wechselnder Haltung vollschichtig möglich seien. Der Chirurg Dr. H führte in seinem Gutachten vom 22. Dezember 1998 die Diagnosen Lumbalsyndrom mit degenerativen Veränderungen an Zwischenwirbelscheiben und -gelenken, Cervikobrachialsyndrom bei Osteochondrose mehrerer Halswirbelkörper, Uncovertebralarthrosen, Heberden-Arthrosen beider Hände sowie Verdacht auf chronische Polyarthritis auf und kam zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin keine über das Altersmaß hinausgehenden Leistungseinschränkungen festzustellen seien. In ihrer letzten Tätigkeit als Kassiererin im Gartencenter sei sie derzeit nicht eingeschränkt.

Daraufhin lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 19. Februar 1999 ab, weil die Klägerin in ihrem bisherigen Beruf und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig tätig sein könne. Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch und machte u.a. geltend, dass sie überdies an einer unheilbaren Schuppenflechte erkrankt sei. Nachdem hierzu ein weiteres Gutachten von dem Hautarzt Dr. K vom 16. Dezember 1999 vorgelegt wurde, der einen nur mäßiggradigen Befall beider Hände und des linken Fußgewölbes festgestellt und eine weitere vollschichtige Tätigkeit der Klägerin als Kassiererin bei Vermeidung schwerer und mittelschwerer Arbeiten und starker Hautreizungen durch Kälte und Nässe für zumutbar gehalten hatte, wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2000 zurück. Mit dem festgestellten Leistungsvermögen sei sie weder berufs- noch erwerbsunfähig im Sinne der §§ 43, 44 Sozialgesetzbuch - SGB - VI.

Nach Zustellung dieses Bescheides am 31. März 2000 hat die Klägerin ihr Rentenbegehren mit der am 5. April 2000 erhobenen Klage weiterverfolgt und darauf verwiesen, dass das Versorgungsamt sie mit Bescheid vom 17. Februar 2000 als Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung von 50 anerkannt habe.

Das Sozialgericht hat daraufhin die Schwerbehindertenakte beigezogen und ausgewertet, Befundberichte von den behandelnden Ärzten der Klägerin angefordert, und zwar von dem Internisten und Rheumatologen Prof. Dr. Dr. S, dem Allgemeinmediziner Z, der Hautärztin Dr. K, der Nervenärztin Dr. H und dem Orthopäden Dr. R, sowie eine Arbeitgeberauskunft eingeholt, derzufolge die Klägerin als Kassiererin mit Pflanzenpflege eine angelernte, mittelschwere Tätigkeit ausgeübt habe.

Am 8. März 2001 wurde die Klägerin wegen einer seit Jahren bekannten lumbalen Stenose mit Wirbelgleiten bei L4/L5 ambulant im Sankt G Krankenhaus von Prof. Dr. V untersucht, der eine Stabilisierungsoperation empfahl, der sich die Klägerin wegen der damit verbundenen Belastungen und Risiken jedoch nicht unterzog.

Auf Antrag der Klägerin hat das Gericht ein psychosomatisches Fachgutachten von dem Arzt für Psychotherapeutische und Innere Medizin und Leiter der psychosomatischen Orthopädie in der Zentralklinik E von B Dr. A eingeholt. Der Sachverständige hat aufgrund der Untersuchung der Klägerin am 19. Dezember 2001 folgende Diagnosen gestellt:

Mittelgradige depressive Episode mit somatischen Symptomen in Form von chronifizierten wirbelsäulenbetonten Schmerzen und Gelenkschmerzen sowie vegetativer Somatisierung mit Magensymptomatik und neurotischer Entwicklung
Psoriasis (Schuppenflechte)
Spondylosisthisis L4/L5
anamnestisch Verdacht auf rheumatoide Arthritis
Struma nodosa
Diabetes mellitus
Nikotinabusus
Katarakt bds. (grauer Star)
Alopecia areata (Haarausfall)

Nach Auffassung des Gutachters sprach für eine vor allem im Rahmen der Somatisierung bestehende Schmerzsymptomatik u.a. die Tatsache, dass die Klägerin die 75 Minuten dauernde Untersuchung im Sitzen ohne Schmerzangabe durchgestanden habe. Nach eigenen Angaben leide sie an lumboischialgieformen Schmerzen links mit Ausstrahlung in die Wade und brennenden Dysästhesien in beiden Füßen nach einstündigem Laufen, ohne Beschwerden könne sie 30 Minuten gehen, so bei ihren täglichen Spaziergängen mit dem Hund, und brauche für 500 m ca. 10 bis 15 Minuten. Das Leistungsvermögen der Klägerin hat der Sachverständige dahin eingeschätzt, dass sie noch täglich 8 Stunden körperlich leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen - im Freien nur bei trockener und warmer Wetterlage - ohne Einfluss von Hitze, Kälte, Staub, Feuchtigkeit oder Zugluft im Wechsel von Gehen, Stehen oder Sitzen verrichten könne. Einseitige körperliche Belastung, Zeitdruck (durch Akkord- oder Fließbandarbeiten), der Einsatz an laufenden Maschinen, auf Leitern und Gerüsten sowie das Heben und Tragen von Lasten über 3 kg seien zu vermeiden. Durch die Leiden seien das Sehvermögen sowie näher aufgeführte geistige Fähigkeiten beeinträchtigt. Besonderheiten für den Weg zur Arbeitsstelle seien nicht zu berücksichtigen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten vom 22. Februar 2002 (Bl. 105 bis 119 GA) verwiesen.

Die Klägerin ist diesem Gutachten mit einem Attest ihres Hausarztes Z entgegengetreten und hat die Beantragung eines weiteren orthopädischen Gutachtens nach § 109 Sozialgerichtsgesetz - SGG - angekündigt.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 5. August 2002 abgewiesen und in den Entscheidungsgründen, auf die Bezug genommen wird, im Wesentlichen sinngemäß ausgeführt, die zulässige Klage sei unbegründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung. Maßgebend seien noch die §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung. Die Klägerin sei schon nicht berufsunfähig im Sinne des § 43 SGB VI. Ihr sei jedenfalls noch eine Tätigkeit als Büro- oder kaufmännische Hilfskraft oder Registraturkraft zumutbar. Solche Büroarbeiten gehörten zu den körperlich leichtesten Tätigkeiten, die es auf dem Arbeitsmarkt gebe. Sie würden überwiegend im Sitzen verrichtet, ließen jedoch auch den Wechsel der Haltungsarten Sitzen, Gehen und Stehen zu, wodurch sich auch Zwangshaltungen vermeiden ließen. Gebückte Tätigkeiten sowie schweres Heben und Tragen fielen regelmäßig nicht an. Ferner sei der Klägerin auch noch eine vollschichtige Beschäftigung als Kassiererin an Sammelkassen in Kaufhäusern möglich und zumutbar. Auch hierbei handele es sich um leichte Arbeiten im Wechsel der drei Haltungsarten. Sämtliche Gutachter des Verwaltungsverfahrens hätten übereinstimmend festgestellt, dass die Klägerin noch zu solchen körperlich leichten Tätigkeiten in der Lage sei. Die Klägerin habe zwar die Richtigkeit dieser Begutachtungen im Klageverfahren angezweifelt, jedoch habe auch der von ihr benannte Sachverständige Dr. A eine entsprechende berufliche Leistungsfähigkeit bestätigt. Es lägen keine besonderen Gründe vor, die eine erneute Begutachtung der Klägerin nach § 109 SGG gebieten würden. Zwar gebe der Allgemeinarzt Z in seinem Attest vom 22. April 2002 eine vom Sachverständigen abweichende Einschätzung der Leistungsfähigkeit der Klägerin ab, die von ihm zitierten Befunde belegten jedoch keine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes seit der gerichtlichen Begutachtung. Der von der Klägerin vorgelegte Bericht der Radiologenpraxis Dr. E vom 19. April 2002 stelle vielmehr ausdrücklich fest, dass im Vergleich zu den Voraufnahmen vom 12. August 2002 (richtig 1998) kein wesentlicher Befundwandel eingetreten sei. Im Übrigen werde von keinem Sachverständigen in Zweifel gezogen, dass die Klägerin tatsächlich unter gesundheitlichen Einschränkungen zu leiden habe. Deshalb sei sie z.B. gehindert, eine Arbeit zu verrichten, die mit schwerem Heben und Tragen oder längeren Zwangshaltungen verbunden sei. Ein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit bestehe aber nicht, weil sie jedenfalls noch die bereits benannten anderen Tätigkeiten ausüben könne. Falls sie auf dem Arbeitsmarkt tatsächlich keine entsprechende Stelle finden könne, sei nicht die Beklagte, sondern die Bundesanstalt für Arbeit für entsprechende Lohnersatzleistungen zuständig. Ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit sei ebenfalls nicht gegeben, weil dieser noch weitergehende gesundheitliche Einschränkungen voraussetze.

Gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 12. August 2002 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 12. September 2002 eingegangene Berufung der Klägerin, zu deren Begründung sie geltend macht, dass sich ihr Gehvermögen seit der Untersuchung im Sankt G-K vom März 2001 verschlechtert habe, da sie nur noch ca. 5 Minuten gehen und etwa 300 m Wegstrecke zurücklegen könne. Sie habe sich deshalb nun auch in fachorthopädische Behandlung begeben. In dem von der Klägerin überreichten Attest des Orthopäden Z vom 19. Dezember 2002 heißt es hierzu u.a., dass sich bei einer radiologischen Untersuchung am 2. des Monats eine bereits bekannte spondylarthrotisch bedingte Spinalkanalstenose in Höhe L4/5 gezeigt habe, mit zusätzlicher Einengung durch Hypertrophie der Ligamenta flava und flacher Protrusion der Bandscheibe L4/5, wodurch die geklagte kurze Gehstrecke eindeutig zu erklären sei; es bestehe gegenwärtig kein ausreichendes Leistungsvermögen für eine berufliche Tätigkeit.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 5. August 2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. Februar 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 1. August 1998 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat von dem Facharzt für Orthopädie Dr. S ein fachorthopädisches Gutachten eingeholt, das dieser unter dem 14. Mai 2003 erstattet hat. In seinem Gutachten, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, führt der Sachverständige folgende Diagnosen auf:

chronisch rez. Lumboischialgie beidseits,
Spinalkanalstenose L4/5,
Spondylarthrose L 4 bis S 1,
chronisch rez. HWS-Syndrom,
V.a. Spannungskopfschmerz,
Heberden-Arthrose der Langfinger beidseits,
Rhizarthrose beidseits,
anamnestisch V.a. seropositive rheumatoide Arthritis,
V.a. somatisierte Depression,
V.a. somatoforme Schmerzstörung,
Diabetes mellitus.

In seiner zusammenfassenden Beurteilung heißt es u.a., die Klägerin gebe an, fast täglich unter Schmerzen im Bereich der LWS mit Ausstrahlung auf die Rückseite beider Beine zu leiden. Die Beschwerden würden beim Gehen zunehmen und sich beim Hinsetzen wieder bessern, wobei die Gehstrecke nach eigenen Angaben und Messungen der Klägerin ca. 300 m betrage. Bei der Untersuchung hätten sich Muskelverspannungen im Bereich der paravertebralen Muskulatur der LWS mit Herabsetzung der Beweglichkeit der Haut sowie ein Druckschmerz über den Dornfortsätzen L4 Und L5 gezeigt. Die Beweglichkeit der LWS sei altersentsprechend frei, der Finger-Bodenabstand betrage 10 cm, bei allen Bewegungen würden jedoch Schmerzen angegeben. Radiologisch und durch Funktionsaufnahmen der LWS lasse sich eine Spondylolisthesis (Wirbelgleiten) sowie eine Spinalkanalstenose im Bereich L4/5 nachweisen. Die von der Klägerin angegebenen Beschwerden seien für eine Spinalkanalstenose typisch. Die von ihr genannte Gehstrecke sei gutachterlicherseits nicht eindeutig nachzuvollziehen und überprüfbar, während des Gutachtens werde keine Schonhaltung eingenommen. Die in der Akte nachweisbare Erhöhung der Rheumafaktoren als Zeichen einer rheumatoiden Arthritis sei derzeit nicht relevant, dies gelte auch für die Psoriasis, denn entsprechende Hautveränderungen seien aktuell nicht feststellbar und nach Angaben der Klägerin auch bereits seit längerer Zeit nicht mehr vorhanden.

Das Leistungsvermögen der Klägerin hat der Sachverständige dahingehend beurteilt, dass sie noch 8 Stunden täglich leichte Arbeiten mit der Möglichkeit zum Haltungswechsel von Gehen, Stehen und Sitzen ohne Zwangshaltungen wie Bücken verrichten könne. Zu vermeiden seien Witterungseinflüsse wie Zugluft und Kälte, einseitige körperliche Belastungen im Sinne einer überwiegend stehenden Tätigkeit, Zeitdruck wie bei Akkord- und Fließbandarbeiten, Tätigkeiten in festgelegtem Arbeitsrhythmus, an laufenden Maschinen, auf Leitern und Gerüsten und solche, die eine besondere Fingergeschicklichkeit im Sinne erhöhter Feinmotorik und den Einsatz grober Kraft erforderten. Lasten über 10 kg könnten nicht gehoben und getragen werden. Tätigkeiten mit einer überwiegend statischen Belastung der Wirbelsäule, mit vermehrter Rumpfvorbeuge oder Rotationsbewegungen der Wirbelsäule sowie längere Gehbelastungen könnten nicht durchgeführt werden. Gegen den Einsatz in Wechsel- und Nachtschicht bestünden keine Bedenken. Die üblichen Pausen reichten aus. Die Klägerin könne Wegstrecken mit öffentlichen Verkehrsmittel zurücklegen, die Wegefähigkeit betrage 300 m.

Die Angaben stützten sich auf die anamnestischen Daten der Klägerin. Eine eigene Überprüfung der Wegefähigkeit habe nicht durchgeführt werden können. Es sei jedoch aufgrund der Spinalkanalstenose und der hierdurch bedingten Claudicatio spinalis wahrscheinlich, dass die Klägerin tatsächlich nicht mehr als 300 m zurücklegen könne. Er gehe davon aus, dass die Leistungseinschränkungen seit dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit 1998 bestünden. Abgesehen von der Besserung der Psoriasis hätten seitdem keine wesentlichen Änderungen mehr stattgefunden.

Auf Anfrage des Senats hat der Sachverständige mit Schreiben vom 30. Mai 2003 klargestellt, dass die Klägerin eine Tätigkeit mit überwiegendem Sitzen und der Möglichkeit, gelegentlich aufzustehen und einige Schritte zu gehen, vollschichtig durchführen könne. Die von der Klägerin angegebene Minderung der Gehstrecke müsse als wahrscheinlich angesehen werden, da aus klinischer Tätigkeit bekannt sei, dass Engen des Spinalkanals beim Gehen durch eine Zunahme der Lordosierung der Lendenwirbelsäule verstärkt würden. Die Benutzung von Gehstützen ändere an der eingeschränkten Gehstrecke nichts. Die Beschwerden würden durch eine Pause im Sitzen gebessert, wobei deren Dauer wie auch die Länge der möglichen Gehstrecke nur aus den subjektiven Angaben gewonnen werden könnten, da eine unter Aufsicht durchgeführte Gehprobe ebenfalls keine objektiven Messergebnisse erwarten lasse. Eine Feststellung, dass die Klägerin 500 m innerhalb von 20 Minuten zurücklegen könne, könne nicht eindeutig vorgenommen werden.

Die Beklagte ist den Ausführungen des Gutachters mit einer Stellungnahme ihres Beratenden Arztes Dr. B vom 26. Juni 2003 entgegengetreten, derzufolge die Beschwerden beim Gehen durch einen engen Spinalkanal nicht durch eine Pause im Sitzen, sondern durch Vorbeugen des Körpers gelindert werden könnten, das auch auf der Straße möglich sei, so dass Wegeunfähigkeit nicht gegeben sei.

Der Sachverständige Dr. S hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 6. September 2003 unter Zitierung orthopädischer Fachliteratur erwidert, dass die Beschwerden beim Syndrom des engen Spinalkanals, die beim Stehen und Gehen durch eine lordotische Haltung der Lumbalwirbelsäule aufträten, durch Kyphose in der Regel rasch wieder verschwänden, etwa beim Sitzen oder bei vornüber geneigter Haltung, wobei eine leichte Rumpfvorbeugung um ca. 30o ausreichend sei. Die notwendige Dauer dieses Manövers könne unterschiedlich lang sein, eine genaue Zeitangabe sei hierzu nicht möglich. Dr. B sei zuzustimmen, dass diese Manöver wie Nachvornebeugen und Sitzen auch auf der Straße durchgeführt werden könnten. In zentraler Wohnlage in Berlin sei dies sicher zu bewerkstelligen, in zentrumsferneren Lagen ergäben sich jedoch Schwierigkeiten wegen nicht ausreichender Sitzmöglichkeiten.

Die Beklagte hat daraufhin die Auffassung geäußert, dass die Klägerin nicht rentenberechtigt sei, weil sie über ein vollschichtiges Leistungsvermögen verfüge und keine relevante Einschränkung der Wegefähigkeit bestehe. Sie könne 501 m mit Pausen, in denen sie stehen bleibe und sich gering nach vorn beuge, in 20 Minuten zurücklegen.

Der Senat hat von anderen Sozialgerichten eingeholte Auskünfte des Bekleidungsgeschäftes Peek & Cloppenburg zu den Anforderungen und die tarifliche Eingruppierung einer Tätigkeit als Kassiererin in das Verfahren eingeführt (Bl. 260 - 265 GA).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen. Die die Klägerin betreffende Rentenakte der Beklagten zur Versicherungs-Nr. hat vorgelegen und ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Die Beklagte und das Sozialgericht haben zutreffend entschieden, dass der Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung nicht zusteht, weil ihr Leistungsvermögen nicht in dem dafür erforderlichen Maße herabgesunken ist.

Der von der Klägerin grundsätzlich für die Zeit ab 1. August 1998 geltend gemachte Anspruch auf Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit ist gemäß § 300 Abs. 2 SGB VI nach den noch anzuwendenden §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung zu beurteilen. Nach dem jeweiligen Abs. 1 der genannten Vorschriften haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit, wenn sie berufs- bzw. erwerbsunfähig sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Die letztgenannten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung hat die Klägerin - bezogen auf den Zeitpunkt sowohl des Rentenantrages im Juli 1998 als auch der im Dezember 2002 attestierten Verschlechterung des Gehvermögens - erfüllt, wie sich aus dem von der Beklagten erstellten aktuellen Versicherungsverlauf vom 7. November 2003 ergibt. Es fehlt jedoch an den gesundheitlichen Voraussetzungen.

Erwerbsunfähigkeit besteht nach § 44 Abs. 2 SGB VI a.F. bei Versicherten, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das monatlich 630,- Deutsche Mark übersteigt; nicht erwerbsunfähig ist u.a., wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Berufsunfähig sind nach § 43 Abs. 2 SGB VI a.F. Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Ausgangspunkt für die Beurteilung von Berufsunfähigkeit ist danach der "bisherige Beruf", den der Versicherte ausgeübt hat (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BSG, Urteil vom 24. März 1983, 1 RA 15/82, SozR 2200 § 1246 Nr. 104). In der Regel ist dies die letzte nicht nur vorübergehende versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit. Der bisherige Beruf der Klägerin in diesem Sinne ist die Tätigkeit einer Kassiererin im Einzelhandel, die die Klägerin von April 1994 bis Juni 1998 als Saisonangestellte bei der Firma G H Pflanzencenter GmbH verrichtet hat. Die dort konkret ausgeübte Tätigkeit ist ihr entgegen der Auffassung der Beklagten im Verwaltungsverfahren zwar nicht mehr zumutbar, weil sie ausweislich der vom Sozialgericht eingeholten Arbeitgeberauskunft auch mit Pflanzenpflege im Freien verbunden und als vorwiegend im Stehen zu verrichtende, mittelschwere Arbeit einzustufen war, während der Klägerin nach Einschätzung aller Gutachter nur noch leichte Arbeiten vollschichtig zugemutet werden können, bei denen Hautreizungen u.a. durch Nässe zu vermeiden sind.

Allein deshalb besteht aber noch keine Berufsunfähigkeit. Eine solche liegt nämlich erst vor, wenn es nicht zumindest eine andere berufliche Tätigkeit gibt, die der Klägerin sozial zumutbar und für sie sowohl gesundheitlich als auch fachlich geeignet ist. Diese soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufes. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat das Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung (vgl. nur Urteil vom 11. Mai 2000 - B 13 RJ 43/99 R - m.w.N.; Urteil vom 24. März 1998 - B 4 RA 44/96 R -, jeweils zitiert nach juris) die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufes haben, gebildet worden. Die Gruppen werden in der Angestelltenversicherung charakterisiert durch die Leitberufe, deren hohe Qualität regelmäßig auf einem Hochschulstudium oder einer vergleichbaren Qualifikation beruht (6. Stufe), die zwar ein abgeschlossenes Studium voraussetzen, jedoch Kenntnisse und Fertigkeiten unterhalb der obersten Stufe erfordern (5. Stufe), die eine Meisterprüfung oder den vergleichbaren Besuch einer Fachschule voraussetzen (4. Stufe), der Angestellten mit einer längeren Ausbildung als zwei Jahre (3. Stufe), der angelernten Angestellten mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren (2. Stufe) und der ungelernten Angestellten (1. Stufe). Grundsätzlich darf der Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf die nächst niedrigere Gruppe verwiesen werden.

Die Klägerin, die sich von dem in Polen erlernten Beruf einer Friseurin gelöst hat, ist im Hinblick auf den von ihr absolvierten kaufmännischen Lehrgang für Aussiedler und Asylbewerber und ihrer anschließend verrichteten Kassierertätigkeit als angelernte Angestellte der 2. Stufe zu beurteilen. Eine gleichwertige, ihr auch gesundheitlich zumutbare Tätigkeit kann die Klägerin als Kassiererin in einem großen Bekleidungsgeschäft verrichten, die ebenfalls der 2. Stufe zuzuordnen ist.

Der Gesundheitszustand und das Leistungsvermögen der Klägerin sind durch die Beweisaufnahmen in erster und zweiter Instanz zur Überzeugung des Senats geklärt. Ihr Krankheitsbild wird im Wesentlichen durch die im Tatbestand aufgeführten orthopädischen Leiden vorwiegend im Bereich der Lendenwirbelsäule sowie durch eine mittelgradige depressive Episode mit verschiedenen psychosomatischen Symptomen geprägt, wobei die Wechselwirkung dieser körperlichen und seelischen Leiden entgegen der Auffassung der Klägerin in dem Gutachten des von ihr benannten Sachverständigen Dr. A schlüssig und hinreichend gewürdigt worden sind. Diese Leiden sowie die latent bestehende, aber seit längerer Zeit nicht mehr aktive Schuppenflechte schließen zwar mittelschwere Arbeiten mit Nässeeinwirkungen aus, wie sie die Klägerin zuletzt verrichtet hat. Leichte Arbeiten in wechselnder Haltung bzw. überwiegend im Sitzen mit der Möglichkeit zum gelegentlichen Haltungswechsel hat der Sachverständige Dr. A aber in nachvollziehbarer Weise als der Klägerin noch vollschichtig zumutbar angesehen, wenn dabei einseitige Belastungen, Zeitdruck, der Einfluss ungünstiger klimatischer Bedingungen, insbesondere der Kontakt mit Nässe, das Heben und Tragen von Lasten über 3 kg sowie der Einsatz auf Leitern und Gerüsten und an laufenden Maschinen vermieden werden. Das Sozialgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin unter Berücksichtigung dieser qualitativen Leistungseinschränkungen u.a. noch an der Sammelkasse eines Kaufhauses einsetzbar ist. Diese Beurteilung steht in Einklang mit den detaillierten berufskundlichen Unterlagen zur Tätigkeit einer Kassiererin bei der Bekleidungsfirma Peek & Cloppenburg, die der Senat in dem sehr ähnlich gelagerten Fall einer leistungsgeminderten gelernten Einzelhandelskauffrau zur Grundlage seines rechtskräftigen Urteils vom 29. August 2003 - L 5 RA 34/01 - gemacht hat und die den Beteiligten im vorliegenden Verfahren zur Kenntnis gegeben worden sind. In diesen heißt es u.a., Kassiererinnen seien für die ordnungsgemäße Bezahlung der von den Kunden ausgewählten Ware verantwortlich. Sie nähmen Bargeld oder Schecks an oder erstellten bei Einkäufen mit Euroscheckkarte den Abbuchungsbeleg. Die Ware werde mit dem Handscanner erfasst und nach Bezahlung der Kassenbon an den Kunden übergeben. Die Kassiererin gebe Wechselgeld heraus, nehme Fremdwährungen an und lasse per Computer das herauszugebende Wechselgeld ausrechnen. Zuständigkeit bestehe auch für die Barauszahlung bei Rückgabe gekaufter und bezahlter Ware. Die Tätigkeit einer Kassiererin werde in sitzender Körperhaltung verrichtet und gehe mit einer leichten körperlichen Belastung einher. Sofern die Kassiererin auch am Packtisch eingesetzt werde, arbeite sie im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen. Besondere körperliche Anforderungen bestünden nicht, Zwangshaltungen kämen nicht vor. Zwar beträgt die Anlernzeit entsprechend der Auskunft der Firma Peek & Cloppenburg vom 5. August 1998 nur etwa eine Woche, die Tätigkeit einer Kassiererin an Kassen in größeren Bekleidungsgeschäften ist jedoch tarifvertraglich dem Leitberuf des Angestellten mit einer Ausbildungsdauer von bis zu zwei Jahren gleichgestellt. In Berlin wird die Kassierertätigkeit der Vergütungsgruppe K 2 des Einzelhandelstarifvertrages zugeordnet, die für Angestellte mit Tätigkeiten gilt, für die in der Regel eine abgeschlossene zwei- oder dreijährige Ausbildung im Beruf erforderlich ist. Entsprechende Arbeitsplätze sind in ausreichendem Maße vorhanden, nach der zitierten Auskunft der Firma Peek & Cloppenburg nämlich bundesweit 550.

Auf eine solche Kassierertätigkeit ist die Klägerin auch nach dem Ergebnis der weitergehenden medizinischen Beweisaufnahme im Berufungsverfahren verweisbar. Es besteht entgegen dem Berufungsvorbringen der Klägerin weder Veranlassung, die Richtigkeit der Leistungsbeurteilung durch Dr. A in Zweifel zu ziehen, noch ist seit seiner Begutachtung eine entscheidungsrelevante Verschlechterung eingetreten.

Der vom Senat beauftragte Sachverständige Dr. S hat in seinem ausführlichen, sorgfältig begründeten fachorthopädischen Gutachten vom 14./30. Mai 2003 bestätigt, dass das Leistungsvermögen der Klägerin nach wie vor für eine achtstündige leichte Tätigkeit überwiegend im Sitzen mit der Möglichkeit, gelegentlich aufzustehen und einige Schritte zu gehen, ausreicht. Die von ihm im Einzelnen aufgeführten qualitativen Einschränkungen, die bei einer der Klägerin zumutbaren Tätigkeit zu beachten sind, gehen nicht über diejenigen hinaus, die Dr. A angegeben hat. Neue schwerwiegende Befunde hat Dr. S entsprechend seinem ausdrücklichen Hinweis nicht erhoben. Entgegen der Behauptung der Klägerin war im Übrigen nicht nur ihre Spinalkanalstenose in Höhe L4/5 bereits seit Jahren bekannt, sondern auch eine zusätzliche Recessus-Einengung sowie eine flache allseitige Protrusion, wie sich aus dem in den Akten befindlichen CT-Befund des Dr. S vom 12. Mai 1997 ergibt.

War und ist die Klägerin mit dem gutachterlich festgestellten Leistungsvermögen nicht berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI a.F., liegen erst recht nicht die noch weitergehenden Voraussetzungen für die Anerkennung von Erwerbsunfähigkeit gemäß § 44 Abs. 2 SGB VI a.F. vor.

Eine entscheidungsrelevante Verschlechterung besteht auch nicht hinsichtlich der Wegefähigkeit der Klägerin.

Nach ständiger Rechtsprechung des BSG gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen des Versicherten, eine Arbeitsstelle aufzusuchen, denn eine Tätigkeit zum Zweck des Gelderwerbs ist in der Regel nur außerhalb der Wohnung möglich. Hat der Versicherte, wie hier die Klägerin, keinen Arbeitsplatz und wird ihm ein solcher auch nicht konkret angeboten, bemessen sich die Wegstrecken, deren Zurücklegung ihm möglich sein müssen, nach einem generalisierenden Maßstab, der zugleich den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung trägt. Dabei wird angenommen, dass ein Versicherter für den Weg zur Arbeitsstelle öffentliche Verkehrsmittel benutzen und von seiner Wohnung zum Verkehrsmittel sowie vom Verkehrsmittel zur Arbeitsstelle und zurück Fußwege zurücklegen muss. Erwerbsfähigkeit setzt danach grundsätzlich die Fähigkeit des Versicherten voraus, viermal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 m mit zumutbarem Zeitaufwand (also jeweils innerhalb von 20 Minuten) zu Fuß bewältigen und zweimal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu können (ständige Rechtsprechung, vgl. nur Urteil des BSG vom 14. März 2002 - B 13 RJ 25/01 R - m.w.N., zitiert nach juris).

Diese Rechtsprechung behält ihre Gültigkeit auch für die Beurteilung von Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1827).

Bei den Begutachtungen im Verwaltungsverfahren wurde die Wegefähigkeit der Klägerin zu Recht jeweils ohne weiteres bejaht, und auch zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. A am 19. Dezember 2001 war diese noch nicht ernsthaft in Zweifel zu ziehen. Zwar machte die Klägerin dabei lumboischialgieforme Schmerzen mit Ausstrahlung in die Beine geltend, konnte nach ihren eigenen Angaben jedoch ohne Beschwerden 30 Minuten gehen, z.B. um ihren Zwergpudel auszuführen, und benötigte für 500 m 10 bis 15 Minuten.

Demgegenüber hat die Klägerin in der Berufungsbegründung eine wesentliche Verschlechterung ihres Gehvermögens geltend gemacht, deretwegen sie sich im November 2002 in fachorthopädische Behandlung begeben habe. Ausweislich des Attestes des Orthopäden Z vom 19. Dezember 2002 hat sie angegeben, nur noch ca. 5 Minuten gehen und ca. 300 m Wegstrecke zurücklegen zu können, was seiner Meinung nach eindeutig durch die nachgewiesene Spinalkanalstenose in Höhe L 4/5 zu erklären sei. Diese - seit Jahren bekannte - Einengung des Spinalkanals sieht auch der Gutachter Dr. S als Ursache für die von der Klägerin nunmehr geklagte Beeinträchtigung ihres Gehvermögens an. Die von ihm im Gutachten angenommene Wegstrecke von 300 m beruht jedoch ausschließlich auf den Angaben der Klägerin, objektive Feststellungen hierzu konnte der Sachverständige selbst nicht treffen. Das Gehvermögen der Klägerin war während der Untersuchung in seiner Praxis unauffällig, was Dr. S damit erklärt hat, dass beim Syndrom des engen Spinalkanals Veränderungen des Gangbildes bzw. Schmerzen erfahrungsgemäß erst nach einer Gehstrecke von mehr als 50 m zu erwarten seien. Von der Durchführung einer Gehprobe auf der Straße unter seiner Aufsicht mit Messung der Gehstrecke hat der Sachverständige zu Recht abgesehen, da auch hierdurch eindeutige Ergebnisse nicht erzielt werden können, weil Schmerzen nicht objektiv messbar sind.

Es bedurfte aber insoweit auch keiner weitergehenden Beweisaufnahme, denn selbst wenn zugunsten der Klägerin als zutreffend unterstellt wird, dass sie wie von ihr angegeben nur noch 300 m in 5 Minuten gehen kann, ist daraus nicht ihre Wegeunfähigkeit im rentenrechtlichen Sinne abzuleiten, weil dies nicht die gesamte ihr mögliche Wegstrecke darstellt. Dr. S hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 30. Mai 2003 ausgeführt, dass die Schmerzen und radikulären Ausfälle, die beim Syndrom des engen Spinalkanals durch eine Zunahme der Lordosierung der Lendenwirbelsäule beim Gehen auftreten, durch eine Pause im Sitzen gebessert werden. Aufgrund der Einwendungen des Beratenden Arztes der Beklagten Dr. B hat der Gutachter unter dem 6. September 2003 darüber hinaus eingeräumt, dass die Beschwerden auch durch ein Innehalten in nach vorn um ca. 30 Grad gebeugter Haltung wieder aufhören. Zwar konnte er die dafür erforderliche Zeitdauer nicht exakt angeben, zitiert aber aus der von ihm benannten orthopädischen Fachliteratur Folgendes:

"Es sind Schmerzen, neurologische, meist radikuläre Ausfälle wie Hyp- und Parästhesien, Schwäche der Beine, Krämpfe usw., welche typischerweise vorübergehend sind und als radikuläre Schmerzen beim Stehen oder als typische Claudicatio intermittens beim Gehen in Erscheinung treten, beim Sitzen, Liegen bzw. Anhalten in der Regel rasch wieder verschwinden. Ausgelöst werden die Attacken durch eine lordotische Haltung der Lumbalwirbelsäule, wie sie beim Stehen oder Abwärtsgehen normalerweise eingenommen wird, während die Kyphose Erleichterung bringt, etwa beim Sitzen oder bei vornübergeneigter Haltung."

Der Senat hält in Übereinstimmung mit Dr. B und auch Dr. S ein derartiges Manöver zur Schmerzlinderung auch auf der Straße für zumutbar. Dabei ist die Klägerin keineswegs darauf angewiesen, sich auf eine Bank zu setzen (was möglicherweise nicht immer nach ihren Bedürfnissen möglich sein dürfte), denn eine leichte Rumpfvorbeugung um ca. 30 Grad kann sie jederzeit und überall auch im Stehen vornehmen. Unter Zugrundelegung ihrer eigenen Angaben ist sie auf diese Weise in der Lage, in 20 Minuten mehr als 500 m zu Fuß zurückzulegen, wobei sie zwischen zwei Etappen von 300 m 10 Minuten pausieren kann.

Die Berufung konnte nach alledem nicht zum Erfolg führen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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