L 11 KA 170/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 204/99
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 170/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16.10.2002 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten auch im Berufungsverfahren. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Teilnahme an der seit dem 01.07.1997 geltenden Vereinbarung über die ambulante Behandlung chronisch schmerzkranker Patienten (Schmerztherapie-Vereinbarung).

Der Kläger, der seit dem 22.04.1998 Facharzt für Chirurgie und seit dem 01.01.1999 in E zugelassen ist, war vom 03.08.1992 bis zum 31.12.1998 als Stationsarzt in der chirurgischen Abteilung des T-Hospitals in E-C tätig. Außer der Abteilung für Chirurgie hielt das T-Hospital noch Abteilungen für Innere Medizin, Gynäkologie, Radiologie, Kinderheilkunde und Physiotherapie sowie die Abteilung für Anästhesie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie vor. Deren Chefarzt, der Zeuge Dr. T, war u.a. in der Zeit vom 01.01.1997 bis zum 31.12.1998 ermächtigt zur Durchführung und Abrechnung von schmerztherapeutischen Leistungen (Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte, B, vom 11.12.1996). Als Oberärztin war in dieser Abteilung die inzwischen verstorbene Ärztin Dr. E tätig, die seit etwa 1980 die Schmerzambulanz des T-Hospitals leitete und darüberhinaus innerhalb des Krankenhauses interdisziplinär für Schmerztherapie zuständig war. Frau Dr. E ist Verfasserin des vom Kläger im Berufungsverfahren zu den Akten gereichten "Kompendium für Schmerztherapie" (1996). Die Abteilung für Anästhesie verfügte über keine eigenen Betten für chronisch Schmerzkranke. Vielmehr wurden die entsprechenden Patient(inn)en (jährlich etwa 50) in den Abteilungen für Innere Medizin bzw. Chirurgie stationär betreut. Außerdem hielt Frau Dr. E zweimal wöchentlich Nachmittags in ihrem Sprechzimmer eine ambulante Schmerzsprechstunde ab. Der Kläger wurde von Frau Dr. E z.T. an der Behandlung der Schmerzpatienten beteiligt. Insbesondere während des Jahres 1998 erlernte er unter ihrer Anleitung die Pharmakotherapie, die therapeutische Lokal- und Leitungsanästhesie, Stimulationstechnik, Sympathikusblockaden sowie plexus- und rückenmarksnahe Anästhesie. Eine institutionalisierte Schmerzkonferenz existierte am T-Hospital nicht. Gegebenenfalls auftretende Fragen wurden von Frau Dr. E konsiliarisch beantwortet.

Der Kläger beantragte am 17.12.1998 die Genehmigung zur Teilnahme an der Schmerztherapie-Vereinbarung. Hierzu legte er 50 Dokumentationen und ein Zeugnis des Leitenden Arztes der Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin des T-Hospitals, des Zeugen Dr. T, vom 07.12.1998 vor, demzufolge der Kläger während seiner Anstellung dort regelmäßig schmerztherapeutisch tätig war. Zum einen habe er als Stationsarzt die postoperative Schmerztherapie regelmäßig suffizient durchgeführt, zum anderen habe er besonders im Rahmen der chirurgischen Ambulanz, in der er völlig selbstständig tätig gewesen sei, auch chronische Schmerzpatienten häufig behandelt und beraten. Sein Wissen über Analgetika bzw. Komedikationen sei als absolut überdurchschnittlich zu betrachten. Ferner sei er nicht zuletzt wegen seiner anatomischen Kenntnisse in der Lage, versiert schwierige Blockadetechniken durchzuführen. Die Beklagte lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 01.02.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.1999), weil der Kläger keine zwölfmonatige Tätigkeit in einer qualifizierten interdisziplinären Fortbildungsstätte nachgewiesen habe (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 Schmerztherapie-Vereinbarung). Eine solche zeichne sich dadurch aus, dass sie sich mit der Prävention, Diagnostik und Therapie chronischer Schmerzkrankheiten befasse und durch eine Person geleitet werde, die die Qualifikationsanforderungen zum Algesiologen erfülle. Es müssten dabei mindestens zwei medizinische Fachgebiete vollzeitig in der Einrichtung zusammenarbeiten, zusätzlich algesiologisch qualifizierte Psychologen und Physiotherapeuten, wobei ein konsiliarischer Dienst nicht ausreiche. Alle diese Voraussetzungen seien beim T-Hospital während der Beschäftigung des Klägers dort nicht erfüllt gewesen.

Mit der Klage zum Sozialgericht Düsseldorf (SG) hat der Kläger vorgetragen, die genannten persönlichen Voraussetzungen seien in Gestalt des Zeugen Dr. T erfüllt gewesen. Im T-Hospital hätten mindestens zwei medizinische Fachgebiete vollzeitig schmerztherapeutisch gearbeitet. Zudem seien dort algesiologisch qualifizierte Psychologen und Physiotherapeuten beschäftigt gewesen. Der Kläger hat darüberhinaus zwei Bescheinigungen der Oberärztin Dr. W, Leiterin der Schmerzambulanz der Klinik für Anästhesiologie am Universitätsklinikum B vorgelegt, derzufolge er in den Jahren 2000 und 2001 an der dort monatlich stattfindenden interdisziplinären Schmerzkonferenz regelmäßig teilgenommen hat. Ferner hat der Kläger vorgetragen, er führe im Rahmen seiner Praxis selbst Pharmakotherapien, therapeutische Lokal- und Leitungsanästhesien, Stimulationstechniken, Sympathikusblockaden, plexus- und rückenmarksnahe Anästhesien, Kurzwellen- und Reizstromtherapie, Elektrophorese und Ultraschall durch. Entzugsbehandlung und psychosomatische Grundversorgung, Denervationsverfahren, rückenmarksnahe Opioidapplikationen, Psychotherapie und manuelle Therapie stelle er durch Kooperation mit näher benannten anderen Leistungserbringern sicher. Zur Verdeutlichung hat er 50 weitere Schmerzdokumentationen beigefügt.

Der Kläger hat beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides vom 1. Februar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. November 1999 die Beklagte zu verurteilen, ihm die Teilnahme an der Vereinbarung über die ambulante Versorgung chronisch schmerzkranker Patienten zu genehmigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides berufen und ergänzend bestritten, dass der Kläger die in § 2 Nr. 6 und 7 Schmerztherapie-Vereinbarung genannten Verfahren im erforderlichen Umfang selbst vorhalte. Jedenfalls ergebe sich dies nicht aus den von ihm überreichten Schmerzdokumentationen, die nahezu sämtlich lediglich die Durchführung von paravertebralen Lumbal- bzw. Cervikalblockaden mit Novocain, Elektrolytlösung und zusätzlicher Reizstrombehandlung belegten.

Das SG hat eine schriftliche Auskünfte des Zeugen Dr. T vom 30.11.2001, 06.05.2002, 20.06.2002 und 02.09.2002 eingeholt, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

Mit Urteil vom 16.10.2002 hat es die Klage abgewiesen. Die mit zwei Vertragsärzten fachkundig besetzte Kammer könne nicht erkennen, dass der Kläger im Rahmen seiner Fortbildung überwiegend chronisch schmerzkranke Patienten im Sinne von § 1 Abs. 3 Schmerztherapie-Vereinbarung behandelt habe. Aus den vom Kläger überreichten Dokumentationen gehe das Vorhandensein der für solche Patienten wesenstypischen psychopathologischen Veränderungen und die gezielte psychiatrische oder psychologische Behandlung des entsprechenden Krankheitsbildes nicht hervor. Es fehlten Mitteilungen über flankierende psychotherapeutische Maßnahmen (§ 2 Nr. 7 Schmerztherapie-Vereinbarung) und Angaben zu psychosomatischen Auswirkungen und Verlauf (§ 2 Nr. 8 Schmerztherapie-Vereinbarung). Darüberhinaus bestünden Bedenken, ob es sich bei der Abteilung für Anästhesie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie des T-Hospitals E um eine entsprechend qualifizierte Fortbildungsstätte im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 2 Schmerztherapie-Vereinbarung gehandelt habe. Nach den Richtlinien des Schmerztherapeutischen Kolloquiums e.V. sowie der Deutschen Gesellschaft für Schmerzforschung und Schmerztherapie e.V. müsse hierzu der fachlich verantwortliche Leiter die Qualifikation zum Algesiologen erfüllen. Soweit die Fachgebiete Neurologie und Psychiatrie in der Einrichtung nicht vertreten seien, müssten mindestens zwei unterschiedliche ärztliche Berufsgruppen und ein klinischer Psychologe mit algesiologischer Qualifikation vollzeitig tätig sein. Diese Voraussetzungen hätten sich trotz mehrfacher Nachfrage bei Herrn Dr. T nicht nachweisen lassen.

Mit der Berufung trägt der Kläger vor, die von ihm ausgefüllten Schmerzanamnesebögen enthielten keine Anforderung der Angaben, deren Fehlen das SG beanstandet habe. Unbeschadet dessen halte er aber schmerztherapeutische Leistungen in der erforderlichen Bandbreite vor. Zum Beleg hat er weitere Schmerzdokumentationen überreicht. Ergänzend weist er darauf hin, dass der Zeuge Dr. T die Weiterbildungsermächtigung der Ärztekammer für die Ausbildung zum Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin besessen habe, deren Inhalt sich auch auf die Schmerztherapie erstrecke.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16.10.2002 abzuändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verbleibt bei ihrer erstinstanzlich vertretenen Rechtsauffassung. Die ergänzend vom Kläger überreichten Dokumentationen genügten den Anforderungen des § 2 Nr. 8 Schmerztherapie-Vereinbarung nicht.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Zeugnis des Dr. T. Wegen der Einzelheiten sowie weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Niederschrift des Erörterungstermins vom 10.12.2003 Bezug genommen. Die Verwaltungsakte der Beklagten ist beigezogen worden. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Der Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die der Kläger für den Fall angeregt hat, dass es darauf ankomme, ob die von ihm nachgereichten Schmerzdokumentationen die Anforderungen des § 2 Nr. 8 Schmerztherapie-Vereinbarung erfüllten, bedarf es nicht. Zwar sind diese Dokumentationen insofern zu beanstanden, als sie keine Angaben zur Schmerzstärke enthalten (Ziff. 7 des standardisierten Anamnesebogens). Hierauf kommt es für die Entscheidung des Senates jedoch nicht an. Vielmehr stützt diese sich ausschließlich auf die bis zum Schluss des Erörterungstermins vom 10.12.2003 und damit vor der Erklärung des Einverständnisses mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Kläger gewonnenen Erkenntnisse.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist nicht rechtswidrig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Teilnahme an der Schmerztherapie-Vereinbarung.

Die Anforderungen, die der Kläger erfüllen muss, richten sich nach §§ 3 ff. Schmerztherapie-Vereinbarung. Die Übergangsvorschrift des § 10 Schmerztherapie-Vereinbarung, die den von ihr begünstigten Ärzten unter leichteren Voraussetzungen die Teilnahme ermöglicht, findet auf ihn keine Anwendung. Weder hat der Kläger an der 1994 in Kraft getretenen Vereinbarung im Wege der Kostenerstattung teil genommen (§ 10 Abs. 2 Schmerztherapie-Vereinbarung), noch war er bei Inkrafttreten der jetzt geltenden Vereinbarung am 01.07.1997 schmerztherapeutisch tätig (§ 10 Abs. 3 Schmerztherapie-Vereinbarung).

Der Anspruch des Klägers auf Teilnahme an der Schmerztherapie-Vereinbarung scheitert daran, dass er keine zwölfmonatige Tätigkeit in den in § 2 Schmerztherapie-Vereinbarung genannten fachgebietszugehörigen speziellen Untersuchungs- und Therapieverfahren "in einer entsprechend qualifizierten interdisziplinären Fortbildungsstätte" nachgewiesen (§ 3 Abs.1 Nr. 2 Schmerztherapie-Vereinbarung) und dass er kein Zeugnis des Leiters dieser Fortbildungsstätte im Sinne von § 3 Abs. 3 Schmerztherapie-Vereinbarung vorgelegt hat.

Da als Fortbildungsstätte insoweit, wenn überhaupt, nur die Abteilung für Anästhesie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie des T-Hospitals in E-C in Betracht kommt, ist dieses Merkmal bereits im Ansatz deshalb nicht erfüllt, weil der Kläger zu keinem Zeitpunkt in dieser Abteilung tätig gewesen ist. Es steht vielmehr außer Zweifel, dass er während des gesamten in Betracht kommenden Zeitraums, insbesondere während des Jahres 1998, als Stationsarzt in der Abteilung für Chirurgie beschäftigt war. Das ergibt sich bereits aus seinem eigenen Vortrag und ist darüberhinaus von dem Zeugen Dr. T bestätigt worden. Der Umstand, dass er von der in der Abteilung für Anästhesie Dr. E zu Schmerztherapien hinzugezogen und auch darin angeleitet worden ist, ändert hieran nichts. Denn der Begriff der "Tätigkeit" im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 2 Schmerztherapie-Vereinbarung setzt erkennbar eine vollzeitige Eingliederung in die betreffende Fortbildungsstätte voraus, an der es hier indessen gefehlt hat.

Unabhängig davon ist aber auch die Abteilung für Anästhesie selbst keine Fortbildungsstätte im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 2 Schmerztherapie-Vereinbarung gewesen. Der Senat braucht dabei nicht abschließend zu entscheiden, welche Anforderungen im Einzelnen an eine solche Fortbildungsstätte zu stellen sind, insbesondere, über welche Qualifikation ihre Leiterin bzw. ihr Leiter verfügen muss. Denn jedenfalls ergibt sich schon aus dem Begriff "interdisziplinäre Fortbildungsstätte", dass es sich dabei um eine eigene organisatorische Einheit bzw. Abteilung handeln muss, in der mindestens zwei medizinische Fachgebiete zusammenarbeiten. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit mehrerer Abteilungen reicht hierfür auch dann nicht aus, wenn sie unter der Federführung des Leiters einer dieser Abteilungen erfolgt (Senat, Urt. v. 20.06.2003 - L 11 KA 266/01 - www.sozialgerichtsbarkeit.de m.w.N.). Nur mit dem Erfordernis einer organisatorisch verselbstständigten Einheit ist nämlich gewährleistet, dass die Voraussetzungen des § 2 Schmerztherapie-Vereinbarung, der auf eine umfassende Begleitung der Schmerzpatient(inn)en abhebt, in der Fortbildungsstätte und damit "aus einer Hand" erfolgt.

Diese Voraussetzungen waren jedenfalls im Jahr 1998 bei der Abteilung für Anästhesie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie des T-Hospitals nicht erfüllt. Wie der Zeuge Dr. T bekundet hat, war innerhalb der Abteilung die Anästhesistin Dr. E federführend verantwortlich. Soweit Patienten stationär behandelt worden sind, ist dies auf den Abteilungen für Chirurgie bzw. Innere Medizin geschehen, wobei die alleinige Verantwortung jedoch in den Händen der Abteilung für Anästhesie verblieben ist. Dort haben aber Angehörige anderer Fachgebiete nicht gearbeitet. Insbesondere hat der Zeuge Dr. T klar gestellt, dass die gegebenenfalls zu Rate gezogenen Psychologen nicht etwa Angestellte der Abteilung für Anästhesie, sondern vielmehr üblicherweise in der Kinderklinik tätig waren. Neurologische Fragestellungen sind nicht einmal innerhalb des Hauses, sondern vielmehr konsiliarisch im Krankenhaus Lendersdorf oder im Landeskrankenhaus abgeklärt worden. Soweit umgekehrt vorrangig chirurgische oder internistische "Fälle" schmerztherapeutische Fragen aufgeworfen haben, ist Frau Dr. E von den entsprechenden Abteilungen lediglich konsiliarisch hinzugezogen worden. Der Senat hat keine Bedenken, den glaubhaften Bekundungen des Zeugen zu folgen, zumal der im Erörterungstermin am 10.12.2003 anwesende Kläger ihnen nicht widersprochen hat.

Des weiteren hat der Kläger kein vom Leiter der Fortbildungsstätte ausgestelltes Zeugnis vorgelegt, das den Anforderungen des § 3 Abs. 3 Schmerztherapie-Vereinbarung genügt. Es kann insoweit dahingestellt bleiben, ob der Zeuge Dr. T, der die den Kläger betreffenden Bescheinigungen ausgestellt hat, tatsächlich als "Leiter" im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden könnte, nachdem er zwar die arbeitsvertragliche Weisungsbefugnis gegenüber Frau Dr. E hatte und auch Inhaber der Ermächtigung zur Durchführung der ambulanten Schmerztherapie war, die entsprechenden Leistungen jedoch zumindest in erster Linie eigenverantwortlich von Frau Dr. E erbracht worden sind. Denn jedenfalls bestätigen die Zeugnisse nicht die monatliche Teilnahme an einer interdisziplinären Schmerzkonferenz und vermögen dies auch nicht, weil eine entsprechende Schmerzkonferenz nach den Bekundungen des Zeugen Dr. T im T-Hospital nicht stattgefunden hat. Gegebenenfalls auftretende Fragestellungen seien vielmehr ausschließlich durch Frau Dr. E konsiliarisch geklärt worden. Dass der Kläger in den Jahren 2000 und 2001 an interdisziplinären Schmerzkonferenzen der Universitätsklinik B regelmäßig teil genommen und hierüber auch Zeugnisse vorgelegt hat, führt zu keinem anderen Ergebnis, weil eine entsprechende Teilnahme nach der eindeutigen Fassung des § 3 Abs. 3 Schmerztherapie-Vereinbarung bereits während der zwölfmonatigen Ausbildung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 Schmerztherapie-Vereinbarung stattgefunden haben muss.

Im Hinblick darauf kann der Senat zunächst dahinstehen lassen, ob im T-Hospital überwiegend chronisch schmerzkranke Patienten gemäß § 1 Abs. 3 und 4 Schmerztherapie-Vereinbarung unter den Voraussetzungen des § 2 Schmerztherapie-Vereinbarung, d.h. im vollen Umfang des dort genannten Therapiespektrums und entsprechend den prozeduralen Anforderungen behandelt worden sind. Ebenso bedarf keiner Entscheidung, ob die vom Kläger vorgelegten Schmerzdokumentationen, die sich auf Schmerzanamnesebögen beschränken und damit ersichtlich keine Angaben über die psychosomatischen Auswirkungen und den Verlauf der Erkrankung sowie dessen Kontrolle nach standardisierten Verfahren enthalten (§ 2 Nr. 8 2. und 4. Spiegelstrich Schmerztherapie- Vereinbarung), trotzdem deshalb den Anforderungen des § 3 Abs. 2 Schmerztherapie-Vereinbarung genügen, weil die Beklagte entsprechend dem Bekunden ihrer Bevollmächtigten im Erörterungstermin den Antragstellern in ständiger Verwaltungspraxis diese Anamnesebögen zur Dokumentation aushändigt und ihre (vollständige) Ausfüllung als ausreichend ansieht. Der Senat kann weiter offen lassen, ob die vom Kläger überreichten Dokumentationen ein ausreichendes schmerztherapeutisches Spektrum erkennen lassen bzw. welche Voraussetzungen sonst insoweit erfüllt sein müssten. Schließlich ist es nicht notwendig, abschließend zu entscheiden, ob der Kläger die Behandlungsverfahren gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 Schmerztherapie-Vereinbarung im vorgeschriebenen Umfang selbst vorhält bzw. im Wege der Kooperation sicherstellt.

Mit dem gegenwärtigen Ausschluss von der Teilnahme an der Schmerztherapie-Vereinbarung werden Grundrechte des Klägers nicht verletzt.

§§ 3, 10 Schmerztherapie-Vereinbarung enthalten eine Berufsausübungsregelung im Sinne von Art 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG), die einer verfassungsrechtlichen Prüfung standhalten (im Ergebnis ebenso bereits Senat a.a.O. m.w.N.):

Nach ständiger Rechtsprechung liegt statt einer Berufsausübungsregelung ein Eingriff in den Zulassungsstatus mit dem Schweregrad einer Berufswahlregelung nur dann vor, wenn eine Regelung den Arzt von der Berechnungsfähigkeit solcher Leistungen ausschließt, die sein Fachgebiet wesentlich prägen und ohne die er es nicht vollwertig ausüben kann (vgl. BSG, Urt. v. 20.01.1999 - B 6 KA 23/98 R - SozR 3-2500 § 72 Nr. 8; Urt. v. 08.03.2000 - B 6 KA 12/99 R - SozR 3-2500 § 72 Nr. 11; Urt. v. 06.09.2000 - B 6 KA 36/99 R - SozR 3-2500 § 135 Nr. 16; Urt. v. 31.01.2001 - B 6 KA 24/00 R - SozR 3-2500 § 135 Nr. 16; Urt. v. 15.05.2002 - B 6 KA 22/01 R - SozR 3-2500 § 72 Nr. 14). Dabei kommt es nicht etwa auf den Zuschnitt der einzelnen Arztpraxis an, sondern die typische Praxis eines Arztes mit entsprechender Gebietsbezeichnung. Eine typische chirurgische Praxis kann jedoch auch ohne die Teilnahme an der Schmerztherapievereinbarung vollwertig betrieben werden. Die Teilnahme hieran ist nämlich nicht etwa Voraussetzung für die Erbringung bestimmter Leistungen, sondern sie ermöglicht nur deren spezielle Abrechnung. Entsprechend der Empfehlung der Parteien der Vereinbarung sollen danach für den zusätzlichen Aufwand bei der Erhebung und Dokumentation der Patientendaten im Zusammenhang mit der Durchführung einer Schmerzanalyse und der differentialdiagnostischen Abklärung der Schmerzkrankheit sowie die Aufstellung eines inhaltlich und zeitlich gestuften Therapieplans einmal im Krankheitsfall 81,81 EUR und für den zusätzlichen Behandlungsaufwand je Behandlungsfall 61,36 EUR gezahlt werden (Empfehlungsvereinbarung in der Fassung vom 13.08.2001). Ebenso hängt von der Teilnahme gegebenenfalls der Anspruch auf das bedarfsabhängige Zusatzbudget "Schmerztherapie" ab (Abschn. A I. Teil B Ziff. 4.2 Einheitlicher Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen). Die Versagung der Teilnahmegenehmigung führt für den betroffenen Arzt daher nicht zum Ausschluss von einem sein Fachgebiet prägenden Marktsegment, sondern reduziert lediglich die Möglichkeit, in diesem Segment einen höheren Umsatz zu erwirtschaften.

Die Partner der Schmerztherapie-Vereinbarung sind nach § 72 Abs. 2 i.V.m. § 82 Abs. 1 SGB V berechtigt, qualitätssichernde Regelungen wie diejenigen in §§ 3, 10 Schmerztherapie-Vereinbarung zu treffen (vgl. im Einzelnen BSG, Urt. v. 20.01.1999 und 08.03.2000 a.a.O.). Hierzu gehören auch Bestimmungen, welche die Abrechnung schmerztherapeutischer Komplex- oder Betreuungsleistungen solchen Ärzten vorbehalten, die von ihrer theoretischen Qualifikation her die von den Vertragspartnern für erforderlichen gehaltenen Standards erfüllen. Sie dienen damit dem Ziel des Gesundheitsschutzes, einem Gemeinwohlbelang von hohem Gewicht.

Die in der Schmerztherapie-Vereinbarung genannten Anforderungen verstoßen weder allgemein noch bezogen auf den Kläger gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit.

Da es vorrangig Aufgabe der Parteien der Bundesmantelverträge und der Gesamtverträge ist zu entscheiden, welche Maßnahmen im Interesse des Gemeinwohls zur Qualitätssicherung erforderlich sind, beschränkt sich die gerichtliche Prüfung darauf, ob die Regelung zum Erreichen des angestrebten Gemeinwohlziels schlechterdings ungeeignet, offensichtlich nicht erforderlich oder selbst bei Anerkennung eines Beurteilungsspielraums unangemessen ist (vgl. BSG, Urt. v. 18.03.1998 - B 6 KA 37/96 R - BSGE 82, 41, 44 - und B 6 KA 23/97 R - BSGE 82, 55, 60 f.; vgl. außerdem BSG, Urt. v. 20.01.1999 und 08.03.2000 a.a.O.). Dies lässt sich hier jedoch nicht feststellen.

Dass die Regelungen in §§ 3, 10 Schmerztherapie-Vereinbarung zur Erreichung des mit ihnen erstrebten Ziels der Qualitätssicherung nicht ungeeignet sind, bedarf dabei keiner näheren Darlegung. Ebenso wenig sind sie offensichtlich nicht erforderlich. Insbesondere waren die vertragschließenden Parteien nicht gezwungen, alle diejenigen Ärzte zur Teilnahme zuzulassen, die nach Landesrecht die Zusatzbezeichnung spezielle Schmerztherapie" führen dürfen. Weiterbildungsrecht und bundesmantelvertragliche Regelungen stehen insoweit nicht in einem unauflösbaren Zusammenhang. Kraft des Weiterbildungsrechts steht nur fest, welche ärztlichen Leistungen der einzelne Vertragsarzt erbringen darf bzw. muss (vgl. § 41 Abs. 1 des Heilberufsgesetzes Nordrhein-Westfalen). Eine Bindung für die Abrechenbarkeit dieser Leistungen entsteht hieraus durch die Fachgebietsgrenzen nur insoweit, als Vertragsärzte fachfremde Leistungen nicht erbringen und allein aus diesem Grunde auch nicht abrechnen dürfen. Umgekehrt gibt es jedoch keine Verpflichtung des Bewertungsausschusses oder der Partner des Bundesmantelvertrages, allen Ärzten mit gleicher Gebiets-, Schwerpunkt- oder Zusatzbezeichnung ohne Ansehen weiterer Voraussetzungen zwingend gleichen Zugang zur Teilnahme an bestimmten Vereinbarungen zu ermöglichen. Vielmehr obliegt es dem Beurteilungsspielraum der Vertragspartner, ob sie an Vorgaben des Weiterbildungsrechts anknüpfen (wie in § 3 Abs. 1 Nr. 1 Schmerztherapie- Vereinbarung) oder eigenständig Qualifikationsanforderungen formulieren (wie in §§ 3 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 und 3, 10 Abs. 2 und 3 Schmerztherapie- Vereinbarung).

Hieraus entsteht auch keine unangemessene Benachteiligung der betroffenen Ärzte und in Sonderheit des Klägers.

Die Schmerztherapie-Vereinbarung schließt keinen Vertragsarzt auf Dauer von der Teilnahmeberechtigung aus. Vielmehr bleibt es grundsätzlich jedem Arzt überlassen, die Teilnahmevoraussetzungen herbeizuführen. Gewiss stellt dies für solche Ärzte, die bereits in freier Praxis niedergelassen sind, vor allem im Hinblick auf das in § 3 Abs. 1 Nr. 2 Schmerztherapie-Vereinbarung geregelte Erfordernis der zwölfmonatigen Tätigkeit in einer Fortbildungsstätte eine faktisch erhebliche Hürde dar. Die Partner der Schmerztherapie-Vereinbarung waren jedoch vor dem Hintergrund des bei jeder Normgebung bestehenden Gestaltungs- und Typisierungsspielraums nicht gehalten, für jedes individuelle Zugangserschwernis teilnahmeerleichternde Ausnahmetatbestände zu schaffen.

Aus den genannten Gründen liegt auch kein Verstoß gegen den in Art 3 Abs. 1 GG geregelten Gleichheitssatz dahingehend vor, dass §§ 3, 10 Schmerztherapie-Vereinbarung den nicht von ihnen erfassten Ärzten die Teilnahmeberechtigung sachwidrig verwehrten. Vielmehr beinhalten die aufgestellten Qualifikationsanforderungen einleuchtende und sachgerechte Differenzierungskriterien.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in der bis zum 01.01.2002 geltenden Fassung. Anlass, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), besteht nicht. In Bezug auf die Schmerztherapie-Vereinbarung wirft der Fall keine Auslegungsfragen auf, die grundsätzlich klärungsbedürftig wären. Die angesprochenen verfassungsrechtlichen Probleme sind in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits mehrfach entschieden worden.
Rechtskraft
Aus
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