S 13 AS 2433/14

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 13 AS 2433/14
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
I. Der Bescheid vom 8.5.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.6.2014 wird aufgehoben.

II. Der Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Bescheides zur Feststellung einer Minderung und eines damit in Zusammenhang stehenden Aufhebungsbescheides.

Der 1983 geborene Kläger bezog nach einem Umzug seit dem 1.9.2013 vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) (Arbeitslosengeld II – Alg II). Der Kläger verfügt über einen Hauptschulab-schluss, eine Berufsausbildung absolvierte er nicht. Mit Bescheid vom 10.9.2013 bewilligte der Beklagte dem Kläger Alg II für den Zeitraum 1.9.2013 bis 28.2.2014 sowie mit Bescheid vom 17.2.2014 für den Zeitraum 1.3.2014 bis 31.8.2014 unter Berücksichtigung des jeweils geltenden Regelbedarfs sowie der Unterkunftskosten. Mit Bescheid vom 24.2.2014 stellte der Beklagte gegenüber dem Kläger eine erste Pflichtverletzung in Höhe von 30 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs für den Zeitraum 1.3.2014 bis 31.5.2014 fest. Zur Begründung führt der Beklagte aus, dass der Kläger nicht die in einer Eingliederungsvereinbarung vom 15.10.2013 vereinbarten Bewerbungsbemühungen nachgewiesen habe. Der Bescheid ist bestandskräftig.

Am 11.2.2014 schlossen die Beteiligten eine Eingliederungsvereinbarung mit Gültigkeit bis zum 10.8.2014 ab. Darin war vorgesehen, dass der Beklagte dem Kläger Vermitt-lungsvorschläge unterbreitet, soweit geeignete Stellenangebote vorlägen. Er verpflichtete sich zur Unterstützung von Bewerbungsbemühungen in Form von Übernahme von Bewerbungskosten und Fahrtkosten zu Vorstellungsgesprächen. Der Kläger verpflichtete sich zur Vorlage von Nachweisen über Bewerbungsbemühungen in einem festgelegten Turnus von 2 Monaten. Ferner verpflichtete er sich, sich auf Vermittlungsvorschläge zeitnah zu bewerben und festgelegte Nachweise vorzulegen. Die Eingliederungsvereinbarung enthält eine Rechtsfolgenbelehrung.

Mit Vermittlungsvorschlag vom 21.3.2014 bot der Beklagte dem Kläger einen Ausbil-dungsplatz für eine Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann an. Eintrittstermin sei der 1.9.2014. Der Kläger sollte sich umgehend schriftlich oder per E-Mail bei dem im Vor-schlag genannten Ansprechpartner bewerben und das Ergebnis der Bemühungen dem Beklagten gegenüber schriftlich oder telefonisch mitteilen. Am Ende des Vermittlungsvorschlags bat der Beklagte um Beachtung der beigefügten Rechtsfolgenbelehrung. Diese befand sich auf demselben Blatt in einem eingerahmten Kasten. Die Schriftgröße der Rechtsfolgenbelehrung ist gegenüber der Schriftgröße im Anschreiben erheblich herab-gesetzt, inhaltlich enthält sie keine Absätze. Auf den Vermittlungsvorschlag wird Bezug genommen (Blatt 215 der Beklagtenakte). Eine Rückmeldung auf den Vermittlungsvorschlag erfolgte nicht. Nach ergebnisloser Anhörung hierzu vom 24.4.2014 stellte der Be-klagte mit Bescheid vom 8.5.2014 gegenüber dem Kläger eine wiederholte Pflichtverletzung und eine Minderung des Alg II monatlich in Höhe von 60 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs für den Zeitraum 1.6.2014 bis 31.8.2014 fest. Zugleich ob der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 17.2.2014 in Höhe der Minderung auf. Zur Begründung führt er aus, dass der Kläger trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen durch sein Verhalten das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses aus dem Vermittlungsvorschlag vom 21.3.2014 von vornherein verhindert habe. Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 5.6.2014 Widerspruch ein und trug hierzu unter anderem vor, dass seine Unterschrift unter der Eingliederungsvereinbarung nichtig sei. Ferner sei ihm ein Bewer-bungskurs verwehrt worden. Aufgrund einer Gefängnisstrafe und mehrerer Zeiten der Obdachlosigkeit sei er nicht geübt darin, die üblichen Bewerbungsmappen zu erstellen, was nicht bedeute, dass er arbeitsunwillig sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.8.2014 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück (W 150/14). Der Beklagte bewilligte dem Kläger für den gesamten Minderungszeitraum auf Antrag hin ergänzende Sachleistungen (Bescheide vom 6.6.2014, 8.7.2014 und 19.8.2014) und erbrachte ihm im Übrigen die geminderten Leistungen.

Am 24.9.2014 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf den Widerspruch vom 5.6.2014, im Übrigen sei die Eingliederungsvereinbarung vom 11.2.2014 nicht anzuerkennen. Hierzu beruft er sich auf sein Schreiben vom 13.3.2014 an seinen Sachbearbeiter.

Der Kläger beantragt sinngemäß, den Bescheid vom 8.5.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.8.2014 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er verteidigt seine Entscheidung unter Berufung auf den Widerspruchsbescheid vom 21.8.2014. Insbesondere habe der Vermittlungsvorschlag dem Wunsch des Klägers entsprochen, eine Qualifikation zum Sport- und Fitnesskaufmann zu erlangen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze, die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Verfahrensakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht durfte den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil der Sachverhalt geklärt ist und die Rechtssache keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher Art aufweist. Die Beteiligten sind vor Erlass angehört worden (§ 105 Sozialgerichtsgesetz – SGG) und haben ihr Einverständnis erklärt.

Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid vom 8.5.2014 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheids vom 21.8.2014 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rech-ten.

Streitgegenständlich ist die mit Bescheid vom 8.5.2014 in der Gestalt des Widerspruchs-bescheids vom 21.8.2014 festgestellte Minderung des Alg II sowie die zugleich erfolgte teilweise Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 17.2.2014 für den Zeitraum 1.6.2014 bis 31.8.2014 in Höhe von monatlich 234,60 EUR. Statthafte Klageart ist daher die Anfechtungsklage, § 54 Abs. 1 SGG, denn der Kläger kann allein durch die Aufhebung der belastenden Verwaltungsakte sein Klageziel erreichen (vgl. zum Streitgegenstand BSG v. 29.4.2015 - B 14 AS 19/14 R - SozR 4-4200 § 31a Nr. 1, juris Rn. 13 ff.).

Klagegegenstand ist der Bescheid vom 8.5.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 21.8.2014. Der Beklagte stützt seine Entscheidung darin auf § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II. Im Rahmen der Anfechtungsklage hat das Gericht daher zu überprüfen, ob dessen Tatbestandsvoraussetzungen vorlagen. Gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II verletzen erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis sich weigern, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit nach § 16 d SGB II oder ein nach § 16e SGB II gefördertes Arbeitsverhältnis aufzunehmen, fortzuführen oder deren Anbahnung durch ihr Verhalten verhindern. Gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II gilt dies nicht, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen. § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II regelt unter anderem das Vorliegen einer Pflichtverletzung wegen eines Nichtbefolgens von Vermittlungsvorschlägen unabhängig von der Verletzung von Vereinbarungen aus einer Eingliederungsvereinbarung. Letztere können wiederum eine Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II begründen. Auf einen darauf zu stützenden Sachverhalt bezieht sich der Beklagte in seiner Entscheidung jedoch nicht, ein solcher ist daher nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Daher kommt es auch auf die Ausführungen des Klägers zur Nichtigkeit der Eingliederungsvereinbarung vom 11.2.2014 nicht an.

Der Bescheid vom 8.5.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.8.2014 begegnet zwar keinen formellen Bedenken, insbesondere wurde der Kläger zuvor ange-hört, § 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Allerdings ist die Entscheidung mate-riell rechtswidrig, denn die Voraussetzungen einer Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II lagen nicht vor. Zum Einen ist nach Aktenlage bereits fraglich, ob dem Vermittlungsvorschlage eine zumutbare Ausbildung zugrunde lag. Unabhängig davon fehlt es jedoch zum Anderen an einer rechtmäßigen Rechtsfolgenbelehrung, die auch nicht durch eine positive Rechtsfolgenkenntnis des Klägers aufgehoben wird. Schließlich enthält der Bescheid keine Entscheidung darüber, ob der Beklagte eine Direktüberweisung der Unterkunftskosten vornehmen werde.

Die angebotene Ausbildungsstelle musste zumutbar sein. Der Begriff der Zumutbarkeit bestimmt sich danach § 10 SGB II. Danach ist einer erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person im Grundsatz jede Arbeit zumutbar, § 10 Abs. 1 SGB II. Dies gilt unter anderem jedoch nicht, wenn die Person zu der bestimmten Arbeit körperlich, geistig oder seelisch nicht in der Lage ist, § 10 Abs. 1 Nr. 1 SGB II. Nach Aktenlage reichte der Kläger am 30.10.2014 beim Beklagten eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung seit 6.12.2013 wegen eines Kniescheibenbruchs vor. Ob dies zu einer körperlichen Unzumutbarkeit des Ausbildungsangebotes zum Sport- und Fitnesskaufmann nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 SGB II führt, kann jedoch dahinstehen, denn die Minderung und Leistungsaufhebung ist jedenfalls aus anderen Gründen rechtswidrig.

Eine Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II setzt eine Rechtsfolgenbelehrung oder eine entsprechende positive Kenntnis beim Leistungsberechtigten voraus. Der Rechtsfolgenbelehrung kommt eine Warnfunktion zu, sie soll dem Leistungsberechtigten in verständlicher Form erläutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen eine Pflichtverletzung auf seinen Leistungsanspruch haben werde (vgl. BT-Drucks. 15/1516, S. 61). Das Bundessozialgericht (BSG) hat im Hinblick auf die Sperrzeittatbestände des SGB III entschieden, dass die Rechtsfolgenbelehrung konkret, richtig, vollständig und verständ-lich sein muss und zeitnah im Zusammenhang mit einem Arbeitsangebot ergehen muss (BSG v. 10.12.1981 – 7 Rar 24/81 – BSGE 53, 13, 15 = SozR 4100 § 119 Nr. 18). In Fort-führung dieser Rechtsprechung haben die für das Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG betont, dass der Warnfunktion der Rechtsfolgenbelehrung im Bereich des SGB II eine noch größere Bedeutung zukomme als im Bereich der Arbeitsförderung. Der soziale Schutzzweck, aus dem das BSG die Anforderungen an die Rechtsfolgenbelehrung herleitet, spielt bei existenzsichernden Sozialleistungen, wie denen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, typischerweise eine noch größer Rolle als bei den klassischen Leistungen des Arbeitsförderungsrechts. Dies ist auch aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09, 3/09, 4/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr. 12) abzuleiten (vgl. nur BSG v. 16.12.2008 – B 4 AS 60/07 RBSGE 102, 201 = SozR 4-4200 § 16 Nr. 4, juris Rn. 36; BSG v. 18.2.2010 – B 14 AS 53/08 RBSGE 105, 297 = SozR 4-4-200 § 31 Nr. 5, juris Rn. 20; BSG v. 15.12.2010 – B 14 AS 92/09 R – juris Rn. 24). Die verfassungsrechtliche Bedeutung der Rechtsfolgenbelehrung hat das BVerfG wiederholt betont (vgl. BVerfG v. 6.5.2016 – 1 BvL 7/15 – juris). Im Hinblick auf diese Funktion und Bedeutung der Rechtsfolgenbelehrung muss sie die Anforderungen insbesondere einzelfallbezogen erfüllen.

Die dem Vermittlungsvorschlag vom 21.3.2014 angefügte Rechtsfolgenbelehrung wird dieser Warnfunktion nicht gerecht. Worüber zu belehren ist, ergibt sich aus § 31a SGB II. Zwar ist die Rechtsfolgenbelehrung inhaltlich noch an den Anforderungen des BSG aus-gerichtet. So zeigt sie dem Kläger einzelfallbezogen konkret auf, dass unter Nennung der ersten Pflichtverletzung vom 24.2.2014 eine weitere Pflichtverletzung zu einer Kürzung um 60 Prozent führen werde (§ 31a Abs. 1 Satz 2 SGB II). Sie ist vollständig, weil sie auf die ergänzenden Sachleistungen ebenso hinweist wie auf die regelmäßige Direktüberweisung der Miete an den Vermieter (§ 31a Abs. 3 Satz 1, 3 SGB II). Allerdings ist sie formal nicht ausreichend verständlich. Diese Anforderung umfasst nach dem Sinn der Rechtsfolgenbelehrung, den Leistungsberechtigten die Rechtsfolgen warnend vor Augen zu führen, nicht nur inhaltliche Aspekte, sondern auch formale. Der Leistungsträger hat bei der Ausübung seiner gesetzlichen Aufgaben auf den Kreis der Leistungsbezieher abzustellen und muss hierbei berücksichtigen, dass diese in Verwaltungsangelegenheiten keine ihm gegenüber vergleichbare Übung besitzen. Dies gilt insbesondere für Leistungsbezieher wie den Kläger, dem es an einer Berufsausbildung und Berufstätigkeit fehlt. Daher muss der Leistungsträger dafür Sorge tragen, dass Warnhinweise, die er zu erteilen hat, von einem Leistungsberechtigten üblicherweise auch wahrgenommen werden. Dem ist der Beklagte nicht nachgekommen. Durch die deutlich kleinere Schrift ist bereits das Lesen der Rechts-folgenbelehrung erheblich erschwert, so verschwimmen auf den ersten Blick die einzelnen Zeilen. Ohne Absätze ist die inhaltliche Strukturierung für den Lesenden und die Realisierung des Inhaltes zudem deutlich erschwert. Insgesamt führt die formale Ausgestaltung der Rechtsfolgenbelehrung eher dazu, sie unbeachtet zu lassen anstatt die darin enthaltenen Warnungen zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen.

Die ungenügende Rechtsfolgenbelehrung wird nicht durch eine positive Rechtsfolgen-kenntnis des Klägers obsolet. Zwar erhielt die Eingliederungsvereinbarung vom 11.2.2014 ebenfalls eine Rechtsfolgenbelehrung. Allerdings bezieht sich diese nach ihrem Wortlaut ausdrücklich nur auf Folgen bei Verstößen gegen die Eingliederungsvereinbarung, somit kann sie keine positive Kenntnis bezogen auf Verstöße gegen Vermittlungsvorschläge vermitteln.

Schließlich ist der Minderungsbescheid vom 8.5.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.8.2014 rechtswidrig, weil er keine Entscheidung darüber enthält, ob der Beklagte die Unterkunftskosten an den Vermieter direkt überweist oder nicht. Gemäß § 31a Abs. 3 Satz 3 SGB II soll bei einer Minderung des Alg II um mindestens 60 Prozent des für den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs das Alg II, soweit es für den Bedarf für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II erbracht wird, an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden. Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, Obdachlosigkeit zu vermeiden. Es soll sichergestellt werden, dass der Anteil der Leistungen, der für die Unterkunft und Heizung gedacht ist, auch tatsächlich bei Vermietern und anderen Empfangsberechtigten (zum Beispiel Energieversorgungsunternehmen) ankommt. Ferner trägt die Regelung dem Grundrecht der Leistungsberechtigten auf informationelle Selbstbestimmung Rechnung, welches verfassungskonform eingeschränkt wird (vgl. BT-Drucks. 17/3404, S. 112). Zwar hat der Beklagte den Kläger inhaltlich über die Rechtsfolge nach § 31a Abs. 3 Satz 3 SGB II belehrt. Er hätte jedoch im Zusammenhang mit der Minderung auch hierüber entscheiden müssen. Denn nur so kann der mit § 31a Abs. 3 Satz 3 SGB II verbundene Zweck erreicht werden. Der Leistungsempfänger muss Gewissheit darüber erhalten, ob die Unterkunftskosten für den Minderungszeitraum direkt an den Vermieter überwiesen werden oder nicht. Im letz-teren Fall muss der Leistungsempfänger wissen, dass er für die Erbringung an den Ver-mieter weiterhin verpflichtet ist. Trifft der Leistungsträger hierüber keine Entscheidung, vermittelt er den Eindruck, die Miete – wie in der Rechtsfolgenbelehrung angekündigt – direkt an der Vermieter zu überweisen. Damit tritt jedoch die Lage ein, die § 31a Abs. 3 Satz 3 SGB II verhindern will, nämlich die Gefahr der Entstehung von Mietrückständen. Sie ist dann allerdings veranlasst durch die fehlende Entscheidung hierüber im Minderungsbescheid dahin, dass eine Direktüberweisung unterbleibt. Eine Entscheidung über die Vornahme oder das Unterbleiben der Direktüberweisung im Zusammenhang mit der Feststellung der Minderung ist daher erforderlich. Dies gilt auch für den Fall, dass der Leistungsberechtigte, wie vorliegend, nach Erlass des Minderungsbescheides die Erbringung von ergänzenden Sachleistungen beantragt und diese gewährt werden. Ergeht die Entscheidung im Sinne des Regelfalls nach § 31a Abs. 3 Satz 3 SGB II und erfolgt eine Direktüberweisung, muss dieser Regelfall nicht gesondert begründet werden. Trifft der Leistungsträger dagegen die Entscheidung, keine Direktüberweisung vorzunehmen, hat er dies gesondert zu begründen, weil es sich hierbei um eine Ermessensentscheidung handelt, die vom Regelermessen das § 31a Abs. 3 Satz 3 SGB II abweicht, § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X. Das Fehlen einer Begründung führe in diesem Fall zur Rechtswidrigkeit des Bescheides (vgl. Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 35 Rn. 21a). Vorliegend hat der Beklagte jedoch gar keine Entscheidung getroffen.

Da die Feststellung der Minderung wegen einer Pflichtverletzung nach §§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 31a Abs. 1 Satz 2 SGB II rechtswidrig erfolgte, lag auch keine zur Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 17.2.1014 berechtigende wesentliche Änderung nach § 48 Abs. 1 SGB X vor.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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