L 3 U 37/92

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 207/90
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 37/92
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 29. Oktober 1991 und der Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 1990 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin wegen der obstruktiven Atemwegserkrankung als Berufskrankheit nach Ziffer 4302 der Anlage 1 zur BKVO eine Verletztenrente nach einer MdE von 40 v.H. ab 9. Mai 1983 zu gewähren.

II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin für beide Instanzen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin streitet um die Anerkennung und Entschädigung einer Atemwegserkrankung als Berufskrankheit (BK).

Die mittlerweile 66jährige Klägerin wandte sich am 5. bzw. 16. November 1987 an die Beklagte mit dem Antrag, eine Atemwegserkrankung als BK anzuerkennen, die sie auf ihre Tätigkeit als Büglerin zurückführte. Ihren Angaben vom 16. November 1987 folgend war sie vom 10. Juli 1967 bis 29. Februar 1968 als Büglerin bei der Firma C. in C-Stadt tätig gewesen, anschließend in derselben Funktion bei der D. Kleider - und Wäschefabrik in C-Stadt vom 24. Januar 1972 bis 29. März 1974, sodann als Arbeiterin in einer Schaumstoffabrik, der Firma E. in E-Stadt, vom 16. März bis 30. Juni 1976, als Bügerlin bei der Firma F. Kleiderfabrik ebenfalls in E-Stadt und schließlich vom 25. April 1977 bis 25. Mai 1982 wiederum als Bügerlin bei der Rockfabrik G. KG in C-Stadt. Am 26. Mai 1982 trat sie wegen ihres Atemwegsleidens ein sechswöchiges Heilverfahren auf Veranlassung der LVA Hessen in St. Peter-Ording an, aus dem sie als nicht arbeitsfähig und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr einsetzbar entlassen wurde, wie dem Bericht des sozialärztlichen Dienstes der LVA Hessen vom 10. August 1982 zu entnehmen ist. Im Anschluß daran kehrte die Klägerin nicht mehr ins Erwerbsleben zurück und erhielt von der LVA Hessen die Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit mit Versicherungsfall vom 26. Mai 1982.

Die Beklagte zog Berichte des behandelnden Lungenarztes H. vom 15. Dezember 1987 und des behandelnden Internisten Dr. J. vom Januar 1988 bei, dem Fremdbefunde zugefügt waren, des weiteren Berichte des Kreiskrankenhauses Eschwege über zwei stationäre Krankenhausaufenthalte nach Asthmaanfällen in den Jahren 1988 und 1989. Sie ließ ein Vorerkrankungsverzeichnis der AOK Werra-Meißner erstellen und zog die Rentenakte der Klägerin von der LVA Hessen bei. Sodann ließ sie ein internistisch-allergologisches Fachgutachten bei Prof. K., Institut für Arbeits- und Sozialmedizinische Allergiediagnostik an der Universität Münster, erstatten. Das in Zusammenarbeit mit der Assistenzärztin L. am 1. Juni 1988 erstattete Gutachten diagnostiziert bei der Klägerin ein chemischirritatives Asthma bronchiale bei Empfindlichkeitssteigerung gegenüber Bügeldämpfen, eine ausgeprägte unspezifische bronchiale Hyperirritabilität, eine Lungenüberblähung, einen labilen Bluthochdruck sowie ein Übergewicht. Es empfiehlt, das Atemwegsleiden der Klägerin als BK nach Ziffer 4302 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 40 v.H. ab 9. Mai 1983 anzuerkennen. Dies rechtfertige sich aus dem Ergebnis eines arbeitsplatzbezogenen Expositionstestes mit tätigkeitstypischem Wasserdampf. Wenngleich die kurze Exposition gegenüber Bügeldämpfen unter den dort gegebenen Bedingungen nicht geeignet gewesen sei, eine Bronchoobstruktionsreaktion bei der Versicherten auszulösen, so stelle doch die intensivere Inhalation von Wasserdampf einen unmittelbaren und eindeutigen Obstruktionsreiz für die tieferen Atemwege der Versicherten dar. Es sei davon auszugehen, daß die Bügeldampfkonzentration mit ihren weiteren Inhaltsstoffen am Arbeitsplatz unter den geschilderten ungünstigen ergonomischen Bedingungen bei unzureichender Be- und Entlüftung erheblich gewesen und für die Entwicklung des obstruktiven Atemwegsleidens als wesentliche Ursache anzusehen sei. Auch nach Berufsaufgabe sei es unter Meidung der krankheitsauslösenden Berufsnoxen nicht zu einer Besserung gekommen. Das hyperreagible Bronchialsystem sei für die spontane Anfallsbereitschaft verantwortlich. Die Atemwegserkrankung habe aufgrund ihres langjährigen Verlaufs bereits zum Auftreten von cardio-pulmonalen Folgen geführt, die sich im Sinne eines Lungenemphysems mit begleitendem Cor pulmonale nachweisen ließen. Die labile Hypertonie sei möglicherweise auch durch den langjährigen Cortisoneinfluß mitverursacht. Infolge der Atemwegserkrankung sei die Klägerin vorzeitig berentet worden. Der Landesgewerbearzt stimmte mit Stellungnahme vom 9. Februar 1989 dem Gutachten zu, empfahl aber evtl. ein zusätzliches Gutachten zur Zusammenhangsfrage, das die Beklagte als Aktengutachten beim Internisten Dr. M. am 12. Dezember 1989 erstellen ließ. Dieser schlug vor, die schwere obstruktive Atemwegserkrankung der Klägerin nicht als BK nach Ziffern 4301 oder 4302 anzuerkennen, da sie lediglich physikalisch-irritativ durch Wasserdampf verursacht sei. Wasserdampf beinhalte keine chemisch-irritativen oder toxisch wirkenden Inhaltsstoffe, so daß eine berufsbedingte Allergisierung bei der Klägerin letztlich nicht festzustellen sei. Der Expositionstest mit nativen Bügeldämpfen sei bei Prof. K. ohne Beschwerdeauslösung geblieben. Die Beschwerden durch den Bügeldampf seien danach nicht Ursache sondern Folge der Atemwegserkrankung. Mit Bescheid vom 18. Januar 1990 lehnte die Beklagte unter Hinweis auf das Gutachten des Dr. M. die Anerkennung des Leidens der Klägerin als BK nach Ziffern 4301 bzw. 4302 der Anlage 1 zur BKVO ab.

Die Klägerin erhob am 8. Februar 1990 vor dem Sozialgericht Kassel (SG) Klage und berief sich auf das Gutachten des Prof. K. Das SG beauftragte Prof. N. mit der Erstellung eines weiteren Gutachtens zur streitigen Zusammenhangsfrage, der zunächst Ermittlungen der Beklagten zur Schadstoffbelastung der Klägerin am Arbeitsplatz forderte. Die Sicherheitsabteilung der Beklagten teilte daraufhin am 26. Juni 1991 mit, bei der Klägerin habe neben einer Hydrazinbelastung am Arbeitsplatz durch das Korrosionsschutzmittel im Bügeleisen keine weitere Gefahrstoffexposition bestanden. Im Gutachten vom 5. August 1991, das Prof. N. zusammen mit Dr. O. erstattete, diagnostizierten sie eine obstruktive Atemwegserkrankung verbunden mit einer Störung des respiratorischen Gasaustausches sowie mit deutlich ausgeprägten obstruktiven Verteilungsstörungen. Das Krankheitsgeschehen der Klägerin sahen sie als schicksalhaft an beginnend mit einer Infektbronchitis. Der Beginn der Erkrankung lasse sich zurückverfolgen bis zu einer Zeit, als die Klägerin erst kurzzeitig als Büglerin tätig gewesen sei. Die von seiten der Beklagten mitgeteilte Einwirkung von Hydrazin reiche nicht aus, um als wesentlicher mitverursachender Kausalfaktor in Betracht zu kommen. Die Anerkennung des Leidens als BK werde nicht empfohlen. Die Klägerin leide an einer primär vorliegenden unspezifischen Hyperreagibilität des Bronchialsystems, das ebenso wie durch die Einwirkung von Wasserdampf auch durch andere Reize zu beeinflussen sei.

Mit Urteil vom 29. Oktober 1991 hat das SG die Klage abgewiesen, da nach den Gutachten des Prof. N. und des Dr. M. eine BK nach Ziffer 4302 der Anlage 1 zur BKVO nicht anzuerkennen sei. Das Gutachten des Prof. K. überzeuge nicht. Der arbeitsplatzbezogene Test unter Bügelbedingungen sei negativ verlaufen. Erst die intensive Exposition mit heißem Wasserdampf habe ein positives Ergebnis gezeigt, sei aber nicht arbeitsplatzadäquat, so daß die Annahme des Prof. K. letztlich spekulativ bleibe.

Gegen das ihr am 18. Dezember 1991 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 15. Januar 1992 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt zu deren Begründung sie ein Attest des Lungenarztes H. vom 27. Juli 1992 vorgelegt hat. Allein das Gutachten des Prof. K. komme zum zutreffenden Ergebnis, da er die in Bügeldämpfen enthaltenen Schadstoffe und die besonders belastenden Arbeitsumstände der Klägerin hinreichend würdige. Mit Schriftsatz vom 31. Mai 1994 hat die Klägerin die Arbeitsumstände während ihrer Tätigkeit beim Bügeln und Plissieren in den Firmen G. und D. im einzelnen geschildert, die bearbeiteten Stoffe angegeben und weitere Angaben zu den Arbeitsumständen bei den Firmen E. und C. gemacht.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 29. Oktober 1991 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Januar 1990 zu verurteilen, ihre obstruktive Atemwegserkrankung als Berufskrankheit nach Ziffer 4302 der Anlage 1 zur BKVO anzuerkennen und Verletztenrente nach einer MdE von 40 v.H. ab 9. Mai 1983 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Auf Anregung des Senats hat die Beklagte ihren Technischen Aufsichtsdienst eingeschaltet, um weitere Einzelheiten zur Schadstoffbelastung der Klägerin festzustellen. Ihr Gefahrstoffreferent hat hierzu am 31. Januar 1995 mitgeteilt, bei den Bügel- und Plissierarbeiten der Klägerin sei die Einwirkung von Formaldehyd sowie von Konservierungsmitteln (beispielsweise PCP) durchaus möglich. Die Exposition habe aber mit Wahrscheinlichkeit unterhalb des gültigen Grenzwertes gelegen, wobei eine konkretere Aussage wegen der Vielzahl der bearbeiteten Stoffe und der fehlenden Rekonstruierbarkeit der Arbeitsumstände nicht möglich sei. Bei einer derartigen Einwirkung sei in der Regel nicht mit einer Gesundheitsgefährdung der Beschäftigten zu rechnen, was man allerdings anders sehen müsse bei bestehender Sensibilisierung gegenüber Formaldehyd.

Der Senat hat eine Auskunft der Firma G. GmbH vom 27. Mai 1994 eingeholt, wonach der frühere Arbeitgeber der Klägerin, die Firma G. KG, in Konkurs gegangen sei. Die Produktion sei zu 98 % ins Ausland verlagert worden. Im Inland befinde sich nur noch Lager und Versandt sowie zuschnitt, so daß solche Arbeitsplätze, wie sie die Klägerin innegehabt habe, heute nicht mehr bestünden. Seinerzeit seien Polyestergewebe, Baumwollstoffe, Mischgewebe aus Kunststoffen und Baumwolle verarbeitet worden. Das Forschungsinstitut Hohenstein hat am 1. August 1994 zur Schadstoffbelastung der von der Klägerin bearbeiteten Stoffe mitgeteilt, man müsse davon ausgehen, daß die Stoffe eine Formaldehyd-Harzausrüstung aufgewiesen hätten, die bei den von der Klägerin verrichteten Arbeitsvorgängen zum Teil freigesetzt worden sei. Früher sei die Belastung der Stoffe mit derartigen Chemikalien weitaus stärker gewesen als heute.

Sodann hat der Senat weitere Stellungnahmen des Prof. K. in Zusammenarbeit mit Dr. P. vom 25. Oktober 1993 sowie vom 23. Mai 1995 eingeholt und des Prof. N. vom 30. Dezember 1993 und vom 5. Juli 1995. Prof. K. hat ausgeführt, der detaillierten Arbeitsplatzschilderung der Klägerin sei zu entnehmen, daß sie bei ihrer Arbeit als Dampfbüglerin einem Innenraumklima ausgesetzt gewesen sei, das sich im Hinblick auf ihre Disposition zu Atemwegsinfekten ungünstig habe auswirken müssen. Die mit Wasserdampf erfüllte Raumluft habe alle Bestandteile enthalten, die beim Dampfbügeln der verschiedenen Stoffe und beim Plissieren aus den Textilien freigesetzt worden seien, im wesentlichen Appreturen und ihre Inhaltsstoffe. Als bei der Veredelung von Textilstoffen verwendete Chemikalien kämen Hydroxymethyl-Verbindungen, Chlorisocyanursäuren, Farbstoffe und Pigmente, Druckfarben, Silikone, perfluorierte Verbindungen, Polymerdispersionen, kationaktive Textilhilfsmittel, Tenside und Flammschutzmittel in Betracht. Erhitze man die trockenen Fasern, so gäben Wolle, Seide, Kasein- und Polyamid-Fasern alkalische Dämpfe und Baumwolle, Bastfasern sowie regenerierte Cellulose saure Dämpfe ab. Er habe in seiner Beurteilung nicht auf allergisierende Inhaltsstoffe als einwirkende Ursachen der Arbeitsmittel der Klägerin abgehoben sondern auf deren chemisch-irritative Wirkungen. Für das Gefahrenpotential dieser Verbindungen sei von einem Stoffgemisch auszugehen. Sein Expositionstest mit Bügeldämpfen habe der arbeitsplatzbezogenen Exposition der Klägerin an den früheren Arbeitsplätzen nicht entsprochen, so daß sich seine Argumentation in entscheidendem Umfang auf Vorgeschichte und Arbeitsanamnese stützten, die mit der Bewertung des Krankheitsbildes als eines berufsbedingten obstruktiven Atemwegsleidens in Einklang stünden. Die Belastung der Klägerin durch Formaldehyd am Arbeitsplatz sei nicht nur möglich sondern mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erfolgt. Der vom Technischen Aufsichtsdienst der Beklagten verwendete Begriff der "Auslöseschwelle" beziehe sich auf medizinische Erhebungen bei Atemwegsgesunden und sei auf Atemwegskranke nicht anwendbar, gleichgültig ob es sich um MAK-Werte oder um TRK-Werte handele. Bei der vorbelasteten Klägerin habe sich ein manifestes obstruktives Bronchialleiden entwickelt, für das die Gesetzmäßigkeiten von Grenzwerten im Hinblick auf die Entstehung von obstruktiven Bronchialerkrankungen nicht anwendbar sei. Auch unterschwellige, Grenzwerte nicht erreichende Schadstoffemissionskonzentrationen am Arbeitsplatz der Klägerin seien in der Lage gewesen, auf der Grundlage eines vorgeschädigten Bronchialsystems und einer durch den chronischen bronchitischen Erkrankungszustand verursachten unspezifischen bronchialen Hyperirritabilität ein obstruktives Atemwegsleiden zur Entwicklung kommen zu lassen. Sie hätten seinerzeit die Testung aus zeitlichen Gründen nicht auf Formaldehyd ausdehnen können. Letztlich sprächen mehr Tatsachen für als gegen die Annahme einer beruflich bedingten obstruktiven Atemwegserkrankung. Prof. N. hatte zunächst in seiner ersten Stellungnahme ausgeführt, er halte an seiner erstinstanzlichen Beurteilung fest, da die Klägerin eine Neigung zu einem letztlich chronischen Bronchialleiden bereits vorberuflich aufgewiesen habe. Berufliche Einflüsse seien für dessen Verschlimmerung nicht ausreichend wahrscheinlich und auch ein zeitlicher Bezug der Symptomatik zur Tätigkeit als Büglerin nicht gesichert. In seiner letzten Stellungnahme hat er diese Beurteilung aufgrund der Ermittlungsergebnisse des Berufungsverfahrens revidiert und vorgeschlagen, von einer ungünstigen Einwirkung der mittlerweile bekannten Schadstoffe auf den Atemtrakt bei einem zuvor schicksalsbedingt gegebenen obstruktiven Atemwegsleiden auszugehen. Das Vorliegen einer entschädigungspflichtigen BK nach Ziffer 4302 sei ab Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit zu vertreten und die MdE mit 20 v.H. einzuschätzen. Stelle man für die Tätigkeit der Klägerin eine Exposition sowohl gegenüber Formaldehyd als auch PCP in Rechnung, sei bei deren Einwirkung als inhalative Schadstoffe mit Reizwirkungen auf die Schleimhäute, darunter auch auf die Atemwege, zu rechnen.

Die Beklagte hat abschließend eine Stellungnahme des sie beratenden Arbeitsmediziners und Internisten Dr. Q. vom 16. August 1995 vorgelegt, der die schwere Asthmaerkrankung der Klägerin nach rezidivierenden Infekten zwar in einem zeitlichen aber nicht in einem ursächlichen Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als Büglerin sieht. Die Formaldehydbelastung habe nur in niedrigen Konzentrationen bestanden. Ein chemisch-irritativ ausgelöstes obstruktives Atemwegsleiden gehe auch nicht mit einer starken Bluteosinophilie einher wie bei der Klägerin. Der Verlauf der Erkrankung spreche gegen ein primär oder wesentlich chemisch-irritativ ausgelöstes Krankheitsbild, das bei Fortfall der Exposition im allgemeinen keinen weiteren progredienten Verlauf nehme wie bei der Klägerin. Wolle man das Leiden als BK nach Ziffer 4302 anerkennen, sei aufgrund der zurückliegenden klinischen Untersuchungen eine MdE von 40 v.H. angemessen, wobei das Leiden sich möglicherweise mittlerweile schicksalhaft weiter verschlechtert habe. Einen abgrenzbaren Vorschaden im Sinne einer vorbestehenden obstruktiven Ventilationsstörung, die durch Bügeldämpfe verschlimmert worden wäre, sehe er nicht. Eine vorbestehende Infektneigung lasse sich medizinisch vom jetzigen Krankheitsbild nicht hinreichend abgrenzen. Das von Prof. N. angenommene schicksalsbedingte obstruktive Atemwegsleiden sei für ihn nach Durchsicht der Gutachten nicht nachvollziehbar und sein MdE-Vorschlag nicht begründet. Anzuerkennen wäre eine mittelschwere obstruktive Ventilationsstörung mit nicht vollständiger Reversibilität und hochgradig gesteigerter bronchialer Empfindlichkeit auf unspezifische inhalative Reize. Der Senat hat eine abschließende Stellungnahme des Prof. K. und des Dr. P. vom 8. September 1995 eingeholt, die das Leiden diagnostisch als chemisch-irritatives Bronchialasthma bei Empfindlichkeitssteigerung gegenüber Bügeldämpfen mit ausgeprägter unspezifischer bronchialer Hyperreagibilität und bestehender Lungenüberblähung bezeichnet haben. Dieses Atemwegsleiden sei als genuines Leiden "dem Grunde nach anzuerkennen. Die beruflichen Einflüsse seien wesentlich ursächlich für die Entstehung der gesamten Lungenfunktionseinbuße gewesen, die eine MdE-Bewertung von 40 v.H. rechtfertige. Die Auffassung des Dr. Q., chemisch-irritativ ausgelöste Atemwegserkrankungen gingen nicht mit einer starken Bluteosinophilie einher, sei nicht haltbar, da keine statistisch abgesicherten Untersuchungen hierzu bestünden. Die Bluteosinophilie sei ein unspezifisches Merkmal, das nicht ausschließlich bei allergischem Krankheitsablauf beobachtet werde und schon gar nicht als klassisch für ein endogenes Asthma zu gelten habe. Die Entwicklung eines chemisch-irritativ ausgelösten Asthmas sei nach Expositionskarenz im Einzelfall aufgrund ihrer eigenen Beobachtung in einer Vielzahl von Fällen nicht vorhersehbar. In Übereinstimmung mit Dr. Q. lasse sich eine vorbestehende Infektneigung medizinisch nicht vom jetzigen Krankheitsbild sinnvoll abgrenzen.

Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Während die Klägerin der Beurteilung des Prof. K. beitritt, hat die Beklagte geäußert, es seien allenfalls minimale Konzentrationen von Hydrazin, Formaldehyd und PCP in den Bügeldämpfen nachgewiesen und bei Abwägen aller Umstände könne nicht davon ausgegangen werden, daß die auf eine berufliche Verursachung hindeutenden Faktoren so stark überwögen, daß darauf die Entscheidung gestützt werden könne. Der Zusammenhang sei zwar möglich aber nicht mit Wahrscheinlichkeit nachzuweisen. Ein Obergutachten sei einzuholen.

Wegen des weiteren Verbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand des Verfahrens gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige (§§ 151 Abs. 1, 143, 144 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 SGG), ist begründet, da ihre Atemwegserkrankung als BK im Sinne der Entstehung anzuerkennen und antragsgemäß zu entschädigen ist, so daß die erstinstanzliche Entscheidung vom 29. Oktober 1991 und der entgegenstehende Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 1990 aufzuheben waren.

BKen sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die eine Versicherte bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 Reichsversicherungsordnung (RVO) genannten Tätigkeiten erleidet. Die Bundesregierung ist durch § 551 Abs. 1 Satz 3 RVO ermächtigt, in einer Rechtsverordnung solche Krankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht worden sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Dies ist in Ziffer 4302 der Anlage 1 zur BKVO für durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen geschehen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Zur Gewährung einer Verletztenrente ist erforderlich, daß eine solche BK eine MdE von zumindest 20 v.H. hervorruft (§§ 580 Abs. 1, 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO).

Die Klägerin leidet an einem Bronchialasthma, einer ausgeprägten unspezifischen bronchialen Hyperreagibilität und einer Lungenüberblähung, wie zuletzt Prof. K. in seiner Stellungnahme vom 8. September 1995 dargelegt hat und worüber zwischen den im Verfahren gehörten Sachverständigen und den Beteiligten kein Dissens besteht. Diese Erkrankung hat die Klägerin gezwungen, aus dem Erwerbsleben auszuscheiden. Sie war bis Mai 1982 als Büglerin bei der Firma G. KG beschäftigt, trat anschließend auf Veranlassung der LVA Hessen wegen ihrer Atemwegsbeschwerden ein Heilverfahren in St. Peter-Ording an, aus dem sie als nicht arbeitsfähig entlassen wurde. Der sozialärztliche Dienst der LVA Hessen hielt sie im Bericht vom 10. August 1982 für außer Stande, weiterhin lohnbringende Arbeit von wirtschaftlichem Wert zu verrichten, und die Klägerin kehrte anschließend nicht mehr ins Berufsleben zurück.

Die Atemwegserkrankung der Klägerin ist mit Wahrscheinlichkeit wesentlich ursächlich auf deren berufliche Schadstoffexposition zurückzuführen. Bei Beurteilung dieser Streitfrage war auf die in der gesetzlichen Unfallversicherung herrschende Theorie von der wesentlichen Bedingung abzustellen, wonach als ursächlich nur diejenigen Bedingungen anzusehen sind, die im Verhältnis zu anderen Bedingungen nach der Auffassung des praktischen Lebens wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Haben weitere Bedingungen zumindest annähernd gleichwertig zum Erfolg beigetragen, ist jede von ihnen Ursache im Rechtssinne (LauterbachWatermann, Gesetzliche Unfallversicherung, Kommentar, Anm. 8 zu § 548 RVO m.w.N. auch aus der Rechtsprechung). Dieser Kausalzusammenhang muß mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erwiesen sein, wovon auszugehen ist, wenn bei Abwägung aller für und gegen den Zusammenhang sprechende Erwägung insbesondere die medizinischen Gründe so stark überwiegen, daß hierauf die richterliche Überzeugung vernünftigerweise gestützt werden kann (BSG in SozR § 542 RVO a.F. Nr. 20; Lauterbach-Watermann, aaO).

Prof. K./Dr. P. folgend und entgegen Dr. Q. entwickelte sich dieses Leiden nicht nur zeitlich sondern auch in wesentlich ursächlichem Zusammenhang mit beruflichen Einflüssen, denen die Klägerin beim Bügeln und Plissieren an verschiedenen Arbeitsplätzen ausgesetzt war. Die für den Zusammenhang sprechenden medizinischen Gründe überwiegen die dagegen sprechenden deutlich. Krankheits- und Arbeitsanamnese sind mit der Bewertung des Krankheitsbildes als eines berufsbedingten obstruktiven Atemwegsleidens gut vereinbar. Die Klägerin wies nach dem Entlassungsgutachten der Kurklinik Weißes Haus vom 24. Dezember 1976 anläßlich eines Heilverfahrens im November/Dezember 1976 und ihren eigenen Angaben gegenüber Prof. K. anläßlich des Gutachtens vom 1. Juni 1988 von Kindheit an eine Neigung zu Erkältungsinfekten auf. Dem Vorerkrankungsverzeichnis der AOK Werra-Meißner, das bis zum Beginn der fünfziger Jahre zurückreicht, ist eine erste Arbeitsunfähigkeitszeit wegen Bronchitis in den Monaten Februar/März 1969 zu entnehmen, der weitere folgen, bis im Juni/Juli 1976 erstmals eine asthmoide Bronchitis als Grund für eine sechswöchige Arbeitsunfähigkeit genannt wird. Die Klägerin hatte bereits vorher eine erste Arbeitsstelle als Büglerin in den Jahren 1967/68 bei der Firma C. in C-Stadt, wo sie nach Angaben im Schriftsatz vom 31. Mai 1994 überwiegend gewaschene Stoffe bügelte. Offenbar führte die sechswöchige Arbeitsunfähigkeit von 1976 zur Aufgabe der Tätigkeit als Büglerin bei der Kleiderfabrik F., da dieses Arbeitsverhältnis zur Jahresmitte 1976 endete. Eine erste Arbeitsunfähigkeit infolge status asthmaticus enthält das Vorerkrankungsverzeichnis für den Monat November 1977 mit der begleitenden Diagnose einer chronischen asthmoiden Emphysembronchitis. Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin gerade ein halbes Jahr bei der Firma G. KG als Büglerin und mit Plissieren beschäftigt. Eine Besichtigung des Arbeitsplatzes war nach dessen Abriß und der Verlagerung vergleichbarer Arbeitsplätze ins Ausland nach Mitteilung der Beschäftigungsfirma vom 27. Mai 1994 nicht mehr möglich. Die dort herrschenden Arbeitsumstände hat die Klägerin indessen im Schriftsatz vom 31. Mai 1994 eingehend und für den erkennenden Senat glaubhaft beschrieben. Beim Bügeln und vor allem beim Plissieren in der nur mit Oberlichtern beleuchteten und lediglich über einen Ventilator entlüfteten umgebauten Autowerkstatt war die Klägerin einem das Bronchialsystem belastenden Schadstoffgemisch ausgesetzt. Sie bearbeitete dort Kleiderstücke aus Flanell, Baumwolle, Polyester und Nylon, wobei die beiden letztgenannten Stoffe im allgemeinen bunt und die anderen schwarz, dunkelblau oder kräftig rot gefärbt waren, wie dem vorgenannten Schriftsatz der Klägerin und der Auskunft der Beschäftigungsfirma vom 24. Mai 1994 zu entnehmen ist. Beim Bügeln und Plissieren wurden die Stoffe durch Dampfeinwirkung feucht und heiß und es entstanden stechende Gerüche, so daß die Klägerin regelmäßig nach einigen Stunden Kopfschmerzen und Atemprobleme bekam.

Nach den Feststellungen des Forschungsinstituts Hohenstein in der Auskunft vom 11. August 1994 hatte der Senat davon auszugehen, daß die Stoffe damals eine erhebliche Formaldehyd-Harzausrüstung aufwiesen, die beim Bügeln und Plissieren teilweise freigesetzt wurde. zu demselben Ergebnis gelangte der Gefahrstoffreferent der Beklagten in der Auskunft vom 31. Januar 1995. Nach seinen Feststellungen ist neben einer Formaldehydbelastung der Stoffe auch von einer Belastung mit Konservierungsmitteln auszugehen, wobei entsprechende Untersuchungen in einzelnen Stoffproben eine PCP-Belastung ergab. Hinzu kommt die vom Technischen Aufsichtsdienst der Beklagten bereits in der Auskunft vom 26. Juni 1991 übermittelte Verwendung von Hydrazin als Korosionsschutzmittel im verwendeten Bügelwasser. Die Stoffe wiesen mit hoher Wahrscheinlichkeit weitere Chemikalien auf, die zur Textilveredelung eingesetzt wurden und von Prof. K. in dessen Stellungnahme vom 25. Oktober 1993 näher aufgelistet sind, ohne daß insoweit qualitativ oder quantitativ ins Detail gehende Feststellung möglich wären, da entsprechende Messungen von der Beklagten offenbar bisher nicht angestellt sind und dahingehende Forschungsergebnisse fehlen.

Diese Fragestellung konnte der Senat indessen offenlassen, da die nicht nur möglicherweise sondern mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehende Belastung der Bügeldämpfe mit Formaldehyd, Hydrazin und Konservierungsmitteln wie PCP in dem der Stellungnahme des Gefahrstoffreferenten dargelegten Umfang angesichts der konkreten Vorbelastung der Klägerin ausreichten, um wesentlich zur Herausbildung und Fortentwicklung ihres Atemwegsleidens beizutragen, wie Prof. K. und Dr. P. überzeugend dargelegt haben. In der Arbeits- und Unfallmedizin ist anerkannt, daß Formaldehyd als leicht flüchtiger organischer Stoff einen chemisch-irritativ und toxisch wirkenden Gefahrstoff darstellt, der als Inhalationsnoxe an zahlreichen Arbeitsplätzen vorkommt, u.a. zu Desinfektionszwecken Verwendung findet und zu akuten Reizerscheinungen der Schleimhäute führt (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 5. Aufl., S. 920, 923, 924). PCP läßt als inhalativer Schadstoff gleichfalls eine Reizwirkung auf die Schleimhäute und auch auf die Atemwege erwarten, wie Prof. N. in seiner Stellungnahme vom 5. Juli 1995 ausdrücklich festgestellt hat. Genau dieser Mechanismus war Prof. K. folgend wesentlich ursächlich für die Entstehung des Atemwegsleidens bei der Klägerin. Es war zu erwarten, daß sich auf die durch Einwirkung von Formaldehyd und Konservierungsmitteln wie PCP sowie Hydrazin gereizten und letztlich geschädigten Bronchialschleimhäute bei einer seit Kindheit bestehenden Abwehrschwäche virale und bakterielle Infekte leichter aufsetzen konnten und so das Krankheitsgeschehen nachhaltig beschleunigt wurde. Angesichts der bei der Klägerin erwiesenen Vorbelastung kann Prof. K. folgend nicht zur Feststellung einer gesundheitlichen Unbedenklichkeit der Einwirkung auf MAK- oder TRK-Werte abgehoben werden, wie dies die Stellungnahme des Gefahrstoffreferenten vom 31. Januar 1995 tut, die aber am Ende selbst einräumt, daß bei bestehender Sensibilisierung gegenüber Formaldehyd andere Maßstäbe anzulegen sind. Diese im konkreten Fall der Klägerin allein relevanten Beurteilungskriterien entnimmt der Senat den Ausführungen des Prof. K., wonach in ihrem Falle auch nur unterschwellige, Grenzwerte nicht erreichende Schadstoffemissionskonzentrationen am Arbeitsplatz in der Lage waren, angesichts des vorgeschädigten Bronchialsystems und einer durch den chronischen bronchialen Erkrankungszustand verursachten unspezifischen bronchialen Hyperirritabilität ein obstruktives Atemwegsleiden zur Entstehung kommen zu lassen. Die darin begründete wesentliche Ursächlichkeit der beruflichen Schadstoffbelastung der Klägerin für die Entwicklung ihrer Atemwegserkrankung hat zuletzt auch Prof. N. in seiner Stellungnahme vom 5. Juli 1995 grundsätzlich befürwortet, indem er sich dafür ausspricht, von einer ungünstigen Einwirkung der Schadstoffe für die Entwicklung der Bronchialerkrankung auszugehen, nachdem er die Ermittlungsergebnisse des Berufungsverfahrens ausgewertet hatte.

Die gegen die Auffassung des Prof. K. erhobenen Einwände greifen nach Überzeugung des Senats nicht durch. Prof. K. hat entgegen Dr. M. im Aktengutachten vom 12. Dezember 1989 seine Beurteilung nicht maßgeblich auf die bei Einwirkung von Wasserdampf erkennbaren Beschwerden der Klägerin gestützt. Er hat entscheidend auf die chemisch-irritativen Inhaltsstoffe der Bügeldämpfe abgehoben. Der von ihm selbst durchgeführte Inhalationstest mit Bügeldämpfen entsprach nicht den Gegebenheiten an den früheren Arbeitsplätzen der Klägerin. Die in der Gutachtensituation verwendeten Bügeldämpfe wiesen insbesondere nicht die bei der Klägerin anzunehmende Formaldehydbelastung auf. Auch die Einwände des Dr. Q. greifen nicht durch. Die Entwicklung eines obstruktiven Atemwegsleidens nach Expositionsende ist nach den überzeugenden Feststellungen des Prof. K. im Einzelfalle nicht vorhersehbar und kann durchaus einen progredienten Verlauf nehmen wie bei der Klägerin. Die von Dr. Q. als uncharakteristisch angesprochene Bluteosinophilie ist ein unspezifisches Merkmal, das nicht ausschließlich bei allergischen Krankheitsabläufen zu beobachten ist und schon gar nicht als klassisch für ein endogenes Asthma gilt, wie Prof. K. mit Stellungnahme vom 8. September 1995 näher ausgeführt hat.

Das danach bei der Klägerin als BK nach Ziffer 4302 der Anlage 1 zur BKVO anzuerkennende Atemwegsleiden hatte aufgrund seines langjährigen Verlaufs bereits anläßlich der gutachterlichen Untersuchung durch Prof. K. im Mai 1988 zum Auftreten cardio-pulmonaler Folgen im Sinne eines Lungenemphysems mit Cor pulmonale geführt. Dr. N. hatte im August 1991 eine Störung des respiratorischen Gasaustausches und eine deutlich ausgeprägte obstruktive Verteilungsstörung als Folge der Atemwegserkrankung beschrieben. In seiner Stellungnahme vom 25. Oktober 1993 hat Prof. K. ein ausgeprägtes Bronchialasthma diagnostiziert, nachdem die Klägerin wegen akuter Atemnot wiederholt auf der Intensivstation behandelt werden mußte. Das Leiden der Klägerin ist nach den überzeugenden Feststellungen des Prof. K. in dessen abschließender Stellungnahme vom 8. September 1995 in dieser Ausprägung durch die beruflichen Einflüsse nicht nur verschlimmert sondern "genuin", d.h. dem Grunde nach, zur Entstehung gebracht worden, da die vorbestehende Infektneigung der Klägerin sich vom jetzigen Krankheitsbild nicht sinnvoll abgrenzen läßt. Dieser Auffassung hat auf Seiten der Beklagten Dr. Q. in seiner Stellungnahme vom 16. August 1995 zugestimmt, der die Annahme eines abgrenzbaren Vorschadens im Sinne einer vorbestehenden obstruktiven Ventilationsstörung, die durch die Bügeldämpfe verschlimmert sein solle, ablehnt. Der Senat vermochte Prof. N. nicht zu folgen, der in der gutachterlichen Stellungnahme vom 5. Juli 1995 von einem schicksalhaften obstruktiven Atemwegsleiden der Klägerin ausgeht, das durch berufliche Schadstoffbelastungen verschlimmert sei. Dem steht entgegen, daß das Vorerkrankungsverzeichnis der AOK Werra-Meißner durch Bronchitis bedingte Arbeitsunfähigkeitszeiten erst ab 1969 nach Aufnahme der Tätigkeit einer Büglerin im Jahre 1967/68 widergibt und eine asthmatische Ausprägung des Leidens erstmals 1976/77 aufzeichnet, als die Klägerin bereits unter extremen Arbeitsverhältnissen bei der Firma G. KG tätig war. Die Annahme einer schicksalhaft und vorberuflich entstandenen obstruktiven Atemwegserkrankung ist mit dieser Leidensentwicklung und der parallel verlaufenden beruflichen Belastung nicht vereinbar.

Der Senat hatte schließlich keine Bedenken, Prof. K. zu folgen und die berufskrankheitsbedingte MdE mit 40 v.H. einzuschätzen, was auch der Landesgewerbearzt in der Stellungnahme vom 9. Februar 1989 und auf Seiten der Beklagten Dr. Q. in der Stellungnahme vom 16. August 1995 angenommen haben. Die Einschätzung ist unter Berücksichtigung des in der Unfallmedizin üblichen Bewertungsrahmens sicher nicht zu hoch ausgefallen. So schlagen Schönberger/Mehrtens/Valentin, aao, S. 884 schon bei mäßiggradig eingeschränkter Ventilation und Atemmechanik und zyanotischen Erscheinungen unter Belastung ohne Arterialisationsstörungen und Rechtsherzbelastung eine MdE von 30 bis 50 v.H. vor. Dr. Q. hat darauf verwiesen, daß angesichts des schicksalhaft sich verschlechternden Krankheitsverlaufes möglicherweise mittlerweile eine höhere MdE-Bewertung in Betracht komme, worüber der Senat aber im Hinblick auf das den Antrag der Klägerin ausschöpfende Urteil keine weiteren Ermittlungen anzustellen hatte. Prof. K. hat die Annahme einer MdE von 40 v.H. ab 9. Mai 1993 befürwortet, dem entspricht der Antrag der Klägerin und das antragsgemäß ergangene Urteil des Senats. Weitere Ermittlungen waren nach umfassender Aufklärung des Sachverhalts nicht geboten, insbesondere ein weiteres von der Beklagten gefordertes "Obergutachten" nicht einzuholen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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