Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 2 RA 3955/00-14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 17 RA 39/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. März 2002 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die 1948 geborene Klägerin verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Sie war nach ihren gegenüber der Beklagten zum beruflichen Werdegang gemachten Angaben von 1964 bis April 1967 als Schuhverkäuferin, Fabrikarbeiterin und Bürogehilfin tätig. Von November 1967 bis April 1972 arbeitete sie als Sachbearbeiterin bei einer Versicherung. Ausweislich des Arbeitszeugnisses vom 27. September 1972 war sie in der Bestandsverwaltung vorwiegend damit beschäftigt, Grundblätter zu ziehen und abzustellen sowie Veränderungen mittels Lochvorlagen an die elektronische Datenverarbeitung zu melden. Später wurde ihr die Einweisung der Verträge in das Lastschriftverfahren sowie die Bearbeitung der maschinell erstellten Fehler- und Hinweislisten übertragen. Außerdem erledigte sie den damit verbunden formularmäßigen Schriftverkehr und führte die sich im Zusammenhang mit der Lastschriftbearbeitung ergebenden Telefongespräche mit Versicherungsnehmern. Nach Beendigung dieser Beschäftigung war die Klägerin nicht mehr berufstätig, sondern widmete sich der Pflege ihres behinderten Kindes.
Im Juli 1999 meldete sich die Klägerin beim Arbeitsamt für eine leichte Bürotätigkeit arbeitsuchend. Gleichfalls im Juli 1999 beantragte sie Rente wegen Berufsunfähigkeit/Erwerbsunfähigkeit und machte dazu unter Vorlage eines Attestes ihres behandelnden Orthopäden Dr. R vom 20. Mai 1999 geltend, sie leide an ständigen Beschwerden der Hals- und Lendenwirbelsäule. Die Beklagte stellte fest, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die beantragte Rentenart vorliegen, und veranlasste eine Untersuchung der Klägerin durch die Fachärztin für Orthopädie Dr. F. Diese gelangte in ihrem Gutachten vom 13. September 1999 zu der Einschätzung, die Klägerin könne noch leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten ohne Heben und Tragen von Lasten und ohne Zwangshaltungen sowie einseitige Körperhaltung unter Vermeidung ungünstiger klimatischer Einflüsse vollschichtig verrichten.
Mit Bescheid vom 27. September 1999 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag mit der Begründung ab, die Klägerin könne noch in ihrem bisherigen Berufsbereich vollschichtig tätig sein. Außerdem bestehe ein vollschichtiges Leistungsvermögen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes.
Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte Befundberichte vom Facharzt für Orthopädie Dr. R, von den Urologen Dr. K und Dr. M sowie vom Arzt Dr. V ein. Zudem wurde durch den Nervenarzt und Psychoanalytiker Dr. K im Auftrag der Beklagten am 8. März 2000 ein neurologisches Fachgutachten erstattet. Darin heißt es, aus nervenärztlicher Sicht fänden sich keine entscheidenden Einschränkungen der beruflichen Leistungsfähigkeit.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 2000 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch zurück.
Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin am 24. August 2000 Klage erhoben und zu deren Begründung geltend gemacht, sie leide schon ohne Belastung unter ständigen Schmerzen im gesamten Rücken bzw. Bewegungsapparat und könne aus diesem Grund keine Arbeiten von wirtschaftlichem Wert mehr verrichten. Darüber hinaus müsse sie aufgrund einer urologischen Erkrankung häufig die Toilette aufsuchen, wodurch ihr Leistungsvermögen zusätzlich erheblich eingeschränkt werde. Nach den von der Beklagten eingeholten Gutachten könne sie keine körperlich schweren oder auch einseitig belastenden Arbeiten mehr ausüben. Auch eine überwiegend sitzende Tätigkeit als Sachbearbeiterin sei ihr nicht mehr möglich, denn längeres Laufen und Sitzen falle ihr schwer. Zudem müsse in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden, dass ihre letzte Berufstätigkeit 30 Jahre zurückliege und sie deshalb über keinerlei anwendungsbereite Erfahrungen und Kenntnisse verfüge.
Das Sozialgericht hat Befundberichte eingeholt von den Fachärzten für Orthopädie Dr. Z und Dr. T vom 5. Januar 2001, dem Arzt Dr. V vom 10. Januar 2001, vom Arzt für Urologie Dr. M vom 29. Januar 2001 und vom Facharzt für Orthopädie Dr. R vom 22. März 2001. Sodann hat das Sozialgericht den Chefarzt der urologischen Abteilung der St. H K B Dr. K zum Sachverständigen ernannt. Im urologischen Fachgutachten vom 1. August 2001 hat er die Diagnosen motorische Dranginkontinenz mit Detrusorhyperreflexie, degenerative funktionelle Wirbelsäulenbeschwerden gestellt und zum Leistungsvermögen der Kläger ausgeführt, sie könne täglich noch leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen unter Ausschluss von Hitze, Kälte, Staub, Feuchtigkeit oder Zugluft verrichten. Wegen der Wirbelsäulenbeschwerden sei eine einseitige körperliche Belastung zu vermeiden und ein regelmäßiger Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen anzuraten. Die Klägerin benötige alle 60 bis 90 Minuten eine kurze Pause von ca. 5 Minuten, um eine Toilette aufzusuchen. Ansonsten bestünden keine Bedenken gegen einen festgelegten Arbeitsrhythmus, gegen Arbeiten auch unter Zeitdruck und an laufenden Maschinen. Das Heben und Tragen von Lasten über 5 kg müsse vermieden werden. Auszuschließen seien auch Arbeiten auf Leitern und Gerüsten. Die Belastbarkeit der Arme/Hände und der Beine/Füße sei nicht eingeschränkt. Die Klägerin sei nicht in der Ausübung einfacher geistiger Arbeiten entsprechend ihrer Ausbildung eingeschränkt. Der Weg zur Arbeitsstelle müsse auf 90 Minuten (Toilettenintervall) begrenzt werden. Ansonsten seien hinsichtlich der Wegefähigkeit keine Besonderheiten zu beachten. Das verbliebene Leistungsvermögen reiche noch für die volle übliche Arbeitszeit von mindestens 8 Stunden aus. Abweichend von der hausärztlichen Einschätzung bestünden auf urologischem Gebiet keine weitergehenden Einschränkungen, zumal insoweit noch bislang nicht genutzte bzw. gewünschte therapeutische Möglichkeiten bestünden.
Nachdem die Klägerin eine fachärztliche Stellungnahme von Dr. R vom 22. Oktober 2001 zum Verfahren gereicht hat, wonach ihr nur noch eine tägliche Arbeitszeit von bis zu 4 Stunden möglich sei, hat das Sozialgericht den Arzt für Orthopädie Dr. E zum Sachverständigen ernannt. In seinem orthopädischen Fachgutachten vom 11. Dezember 2001 hat er folgende Krankheiten und Gebrechen genannt:
rezidivierende Cephalgien im Sinne einer Migräne,
ein Halswirbelsäulensyndrom im Sinne von Hinterkopf-Nacken-Schulterschmerzen und Brachialgien rechts auf dem Boden von im Computertomogramm nachgewiesenen Bandscheibenvorwölbungen bei röntgenologisch deutlichen degenerativen Veränderungen,
ein Kapselreizzustand des linken Schultergelenkes ohne Funktionseinschränkung,
eine diskrete Sehnenansatzentzündung im Bereich beider Ellenbogengelenke, als Tennis-Golfellenbogen zu bezeichnen,
ein rezidivierendes LWS-Syndrom im Sinne von belastungsabhängigen Lumboischialgien auf dem Boden einer im Computertomogramm nachgewiesenen deutlichen Bandscheibenvorwölbung bei beginnenden degenerativen Veränderungen,
Bewegungsknacken am rechten Kniegelenk ohne funktionelle Auswirkungen,
eine unkomplizierte Fußfehlform im Sinne eines geringen Senk-Spreizfußes mit beginnender Ballenbildung.
Zum Leistungsvermögen hat er ausgeführt, die Klägerin könne ohne auf Kosten ihrer Gesundheit zu arbeiten, täglich regelmäßig körperlich leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen unter Vermeidung von klimatischen Einflüssen ausüben. Es sei eine häufig wechselnde Körperhaltung erforderlich. Einseitige körperliche Belastung, Arbeiten unter Zeitdruck, Akkord- und Fließbandarbeiten, Arbeiten in festgelegtem Arbeitsrhythmus sowie an laufenden Maschinen seien nicht mehr zumutbar. Die Klägerin könne noch Lasten von bis zu 5 kg heben und tragen. Arbeiten mit Absturzgefahr (auf Leitern und Gerüsten) seien nicht mehr zumutbar. Die Fingergeschicklichkeit sowie die Möglichkeit, die Hände kraftvoll einzusetzen sei nicht beschränkt. Die Belastbarkeit der oberen Extremitäten sei für den kraftvollen Dauereinsatz eingeschränkt und Überkopfarbeiten seien nur noch selten zumutbar. Auch die Belastbarkeit der unteren Extremitäten sei herabgesetzt. Die festgestellten Leiden beschränkten die Klägerin nicht in der Ausübung geistiger Tätigkeiten entsprechend ihrer Ausbildung. Die Wegefähigkeit sei erhalten. Das verbliebende Leistungsvermögen reiche noch aus für die volle übliche Arbeitszeit von 8 Stunden täglich.
Mit Urteil vom 25. März 2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung der Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, die medizinischen Voraussetzungen für die beantragte Rente lägen nicht vor. Die Klägerin sei weder erwerbs- noch berufsunfähig, da sie ihren bisherigen Beruf als Versicherungsangestellte mit Bürotätigkeit noch vollschichtig ausüben könne. Dies folge aus den sorgfältig und nachvollziehbar begründeten Gutachten von Dr. K und Dr. E.
Letzterer habe ausgeführt, dass eine sitzende Tätigkeit mit der Möglichkeit des gelegentlichen Haltungswechsel aus arbeitsmedizinischer Sicht zumutbar bleibe. Die festgestellten urologischen Beschwerden begründeten keine weitergehenden Leistungseinschränkungen. Zur Bewältigung dieser Beschwerden im Arbeitsleben reichten bereits die üblichen Pausenzeiten aus. Im Übrigen könne die Klägerin keinen Berufsschutz für sich in Anspruch nehmen, so dass sie sich zumutbar auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisen lassen müsse. Eine konkrete Verweisungstätigkeit müsse nicht benannt werden.
Gegen das ihr am 25. Juni 2002 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit der am 23. Juli 2002 eingelegten Berufung. Zu deren Begründung macht sie geltend, dem Gerichtsgutachter Dr. E könne nicht gefolgt werden, soweit er im Gegensatz zum behandelnden Orthopäden Dr. R ihre Leistungsfähigkeit trotz der vielfältigen Schmerzzustände und deren Wechselwirkungen nur qualitativ aber nicht quantitativ eingeschränkt sehe. Dies gelte insbesondere in Bezug auf ihre letzte Tätigkeit als ungelernte Versicherungsangestellte. Eine derartige Tätigkeit werde heute fast ausschließlich am Computer verrichtet, so dass es sich um eine einseitig den Körper belastende, bewegungsarme Arbeit handele. Auch die gutachterliche Feststellung, sie könne noch Lasten von bis zu 5 kg heben und tragen sei aus ihrer Sicht nicht richtig. Zudem seien die sich aus der Harninkontinenz ergebenden Behinderungen nicht ausreichend festgestellt worden. Diese schränkten ihre Wegefähigkeit ein. Schließlich führten bereits mehrfach aufgetretene Reizungen des Gesichtsnervs und Tinnituserkrankung zu einer weiteren Einschränkung des Wohlbefindens und ihres Leistungsvermögens. Dazu hat die Klägerin einen Arztbrief des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. L vom 27. Mai 2002 überreicht.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. März 2002 und den Bescheid der Beklagten vom 27. September 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 2000 aufzuheben sowie diese zu verurteilen, ihr seit 1. Juli 1999 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie macht geltend, aus den von Dr. L genannten Diagnosen lasse sich eine weitergehende Leistungseinschränkung nicht ableiten.
Die die Klägerin betreffenden Rentenakten der Beklagten sowie die Prozessakten des Sozialgerichts Berlin zum Az.: haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das angefochtene Urteil vom 25. März 2002 ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit nach den §§ 43, 44 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch -SGB VI- in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung. Ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung ergibt sich gleichfalls nicht aus der seit dem 1. Januar 2001 geltenden Neufassung des § 43 SGB VI oder aus § 240 SGB VI.
Das vor dem 1. Januar 2001 geltende Recht kann hier auch angewendet werden, weil die Klägerin den Rentenantrag bereits im Juli 1999 gestellt hat und Leistungen seither begehrt (vgl. §§ 300 Abs. 2, 302 b Abs. 1 SGB VI).
Nach § 44 Abs. 1 SGB VI a.F. haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn sie
1. erwerbsunfähig sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Die Klägerin ist nicht erwerbsunfähig. Erwerbsunfähig sind nach Abs. 2 Satz 1 der genannten Vorschrift Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebentel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt. Diese gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht; sie erfüllt nicht einmal die weniger strengen Kriterien der Berufsunfähigkeit.
Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 43 Abs. 2 SGB VI a.F.).
Zutreffend hat bereits das Sozialgericht erwähnt, dass die Klägerin keinen Berufsschutz beanspruchen kann und daher sozial zumutbar auf alle Tätigkeiten des sogenannten allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden kann. Ausgangspunkt für die Prüfung der Berufsunfähigkeit ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts -BSG- der "bisherige Beruf", den der Versicherte ausgeübt hat. In der Regel ist dies die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, von der auch bei nur kurzfristiger Ausübung auszugehen ist, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben gewesen ist.
Die Klägerin hat keine Berufsausbildung. Sie war zuletzt etwa 4 ½ Jahre bei einer Versicherung tätig und mit Büroarbeiten betraut. Anhaltspunkte dafür, dass sie während dieser Tätigkeit eine über die bloße Einweisung und Einarbeitung hinausgehende echte betriebliche Ausbildung von mehr als 12 Monaten durchlaufen hat, bestehen nicht. Nach dem vom Bundessozialgericht (vgl. BSG SozR 3-2600 § 43 Nr. 15 m.w.Nachw.) zur Konkretisierung des Verweisungsrahmens entwickelten und auch vom Senat zu Grunde gelegten Mehrstufenschema ist die Klägerin mangels Ausbildung und qualifizierter beruflicher Tätigkeit allenfalls als Angestellte mit einer Anlernzeit von 3 bis zu 12 Monaten anzusehen. Die Wertigkeit des bisherigen Berufes bestimmt die soziale Zumutbarkeit von Verweisungstätigkeiten in der Weise, dass ein Versicherter im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf nur auf die nächst niedrigere Stufe (hier: Angestellte ohne Ausbildung bzw. mit einer Anlernzeit von weniger als 3 Monaten) verwiesen werden darf. Sind Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sozial zumutbar, bedarf es grundsätzlich nicht der Bezeichnung einer konkreten Verweisungstätigkeit.
Zumindest für derartige Tätigkeiten des sogenannten allgemeinen Arbeitsmarktes verfügt die Klägerin nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen noch über ein vollschichtiges Leistungsvermögen, das ihr Arbeiten unter betriebsüblichen Bedingungen ermöglicht, ohne auf Kosten der Gesundheit tätig zu sein. Hinsichtlich der Beurteilung der Leistungsfähigkeit schließt sich der Senat den im Gerichtsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. K und Dr. E an. Die Gutachter haben nach Untersuchung und Befragung der Klägerin die bei ihr vorhandenen Erkrankungen ausführlich benannt und überzeugend dargelegt, zu welchen Einschränkungen sie in Bezug auf eine berufliche Tätigkeit führen. Danach kann die Klägerin noch körperlich leichte Arbeiten mit den bereits im Tatbestand bezeichneten weiteren qualitativen Einschränkungen vollschichtig verrichten. Die festgestellten Leistungseinschränkungen sind nicht derart gewichtig, dass sie Zweifel an der betrieblichen Einsatzfähigkeit der Klägerin rechtfertigen. Insbesondere liegt weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor, so dass die Benennung einer die konkreten Leistungseinbußen berücksichtigenden Verweisungstätigkeit nicht erforderlich ist.
Die gegen die Gutachten vorgebrachten Einwendungen vermögen nicht zu überzeugen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass Dr. E als erfahrener Gutachter nicht in der Lage gewesen sein könnte, die Wechselwirkungen der bei der Klägerin auf seinem Fachgebiet vorliegenden Erkrankungen und Beschwerden zu beurteilen. Er legt überzeugend dar, dass eine zeitliche Beschränkung der Arbeit nicht zu erfolgen hat, weil keine Wurzelreizsymptomatik nachgewiesen werden konnte und auch kein außergewöhnliches Schmerzsyndrom vorliegt. Die fachärztliche Stellungnahme des behandelnden Orthopäden Dr. R vom 22. Oktober 2001 vermag demgegenüber nicht zu überzeugen, soweit darin der Klägerin bescheinigt wird, nur noch im Umfang von bis zu 4 Stunden täglich arbeiten zu können. Es erfolgt weder eine Begründung für diese erhebliche quantitative Leistungseinschränkung noch lässt sich diese aus den von dem behandelnden Arzt genannten Funktionseinschränkungen herleiten. Beispielsweise gibt er nur endgradige Funktionseinschränkungen der Halswirbelsäule und der Lendenwirbelsäule an und beurteilt etwa hinsichtlich der Fähigkeit, Lasten zu heben, das Leistungsvermögen der Klägerin sogar weniger eingeschränkt als die Gerichtsgutachter. Da der behandelnde Arzt die Klägerin sogar noch für fähig erachtet, Gewichte von bis zu 10 kg zu heben und tragen, sieht das Gericht ihre Einlassung, sie könne entgegen den Feststellungen des Gerichtsgutachters keine Lasten von bis zu 5 kg mehr heben und tragen, als widerlegt an.
Da die Klägerin zumutbar auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden kann, ist es unerheblich, ob ihr Leistungsvermögen noch für die Arbeit einer Versicherungsangestellten ausreichend ist. Nach den Feststellungen von Dr. E, an deren Richtigkeit der Senat keinen Anlass zu zweifeln hatte, kann die Klägerin jedoch auch eine Tätigkeit im Sitzen verrichten, sofern die Möglichkeit zu einem gelegentlichen Haltungswechsel gegeben ist. Dies ist bei einer Bürotätigkeit regelmäßig der Fall. Denn diese wird zwar überwiegend, aber nicht ausschließlich in sitzender Körperhaltung verrichtet.
Auf urologischem Fachgebiet sieht der Senat den Sachverhalt durch das Gutachten von Dr. K, dem auch der Arztbrief des Universitätsklinikums Benjamin Franklin vom 16. Dezember 1999 zur Beurteilung vorlag, als geklärt an. Aufgrund der Dranginkontinenz muss die Klägerin zwar alle 60 bis 90 Minuten eine Toilette aufsuchen, dies bedingt aber weder einen Verlust der Wegefähigkeit noch eine ungewöhnliche Leistungseinschränkung. Insbesondere in großstädtischen Ballungsräumen sind Fahrzeiten zum Arbeitsplatz von nicht mehr als einer Stunde die Regel. Eine Vielzahl von Arbeitsplätzen gewährleistet darüber hinaus, dass sich in zumutbarer Entfernung eine Toilette befindet. Die durch einen - auch wiederholten - Toilettengang eintretenden sehr kurzzeitigen Arbeitsunterbrechungen schränken die Einsatzfähigkeit der Klägerin zumindest dann nicht entscheidend ein, wenn sie in Abständen von 60 bis 90 Minuten anfallen. Die Klägerin selber hat im Übrigen im Schriftsatz vom 11. Oktober 2001 erklärt, aus ihrer Sicht ließe allein die urologische Erkrankung eine regelmäßige Arbeit zu. Dafür, dass der aus dieser Erkrankung resultierende Leidensdruck nicht sehr groß ist, spricht im Übrigen die Tatsache, dass die Klägerin ihren behandelnden Urologen zum Zeitpunkt der Einholung des Befundberichts im Januar 2001 bereits seit mehr als einem Jahr nicht mehr aufgesucht hatte. Auch der Gerichtsgutachter sprach insoweit von noch ungenutzten therapeutischen Möglichkeiten.
Schließlich sah sich der Senat wegen der von Dr. L im Arztbrief vom 27. Mai 2002 genannten Diagnosen nicht zur Durchführung weiterer medizinischer Ermittlungen gedrängt. Die Arachnoidalzyste führt ebenso wie die Trigeminusreizung nicht zu bedeutsamen Leistungseinschränkungen, denn nach den festgestellten Befunden konnte die Klägerin sämtliche Koordinationsprüfungen ausreichend sicher durchführen und es fanden sich keine Sensibilitätsstörungen oder Zeichen für eine erhöhte cerebrale Erregbarkeit. Die Reizung des Gesichtsnervs führt zwar zu einer Einschränkung des Wohlbefindens (so auch die Klägerin in der Berufungsbegründung) hat aber keine nennenswerten Auswirkungen auf das Leistungsvermögen. Dies entspricht auch der Einschätzung des Ärztlichen Dienstes der Beklagten. Zudem wurde von Dr. L eine Behandlungsbedürftigkeit der Erkrankung zum Zeitpunkt seiner Untersuchung nicht festgestellt, so dass auch keine Anhaltspunkte für eine erhebliche Einschränkung des Wohlbefindens aufgrund dieser Beschwerden vorliegen.
Der Einwand der Klägerin, sie verfüge aufgrund ihrer langen Nichterwerbstätigkeit nicht über ausreichende fachliche Kenntnisse, um ins Erwerbsleben (ihre letzte Tätigkeit) zurückzukehren, ist rechtlich unbedeutend. Denn eine Erwerbsminderung ist nach den gesetzlichen Bestimmungen nur dann für die beantragte Rente bedeutsam, wenn sie aufgrund einer Krankheit oder Behinderung eintritt. Eine Rentengewährung wegen Erwerbsunfähigkeit kommt nicht in Betracht, wenn lediglich infolge mangelnder beruflicher Qualifikation eine Arbeitsaufnahme nicht möglich ist.
Es besteht auch kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung seit dem 1. Januar 2001 nach § 43 SGB VI oder § 240 SGB VI in der geltenden Fassung. Die Klägerin ist nicht teilweise oder erst recht nicht voll erwerbsgemindert und auch nicht berufsunfähig, weil sie noch leichte Arbeiten vollschichtig ausüben kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz -SGG-.
Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die 1948 geborene Klägerin verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Sie war nach ihren gegenüber der Beklagten zum beruflichen Werdegang gemachten Angaben von 1964 bis April 1967 als Schuhverkäuferin, Fabrikarbeiterin und Bürogehilfin tätig. Von November 1967 bis April 1972 arbeitete sie als Sachbearbeiterin bei einer Versicherung. Ausweislich des Arbeitszeugnisses vom 27. September 1972 war sie in der Bestandsverwaltung vorwiegend damit beschäftigt, Grundblätter zu ziehen und abzustellen sowie Veränderungen mittels Lochvorlagen an die elektronische Datenverarbeitung zu melden. Später wurde ihr die Einweisung der Verträge in das Lastschriftverfahren sowie die Bearbeitung der maschinell erstellten Fehler- und Hinweislisten übertragen. Außerdem erledigte sie den damit verbunden formularmäßigen Schriftverkehr und führte die sich im Zusammenhang mit der Lastschriftbearbeitung ergebenden Telefongespräche mit Versicherungsnehmern. Nach Beendigung dieser Beschäftigung war die Klägerin nicht mehr berufstätig, sondern widmete sich der Pflege ihres behinderten Kindes.
Im Juli 1999 meldete sich die Klägerin beim Arbeitsamt für eine leichte Bürotätigkeit arbeitsuchend. Gleichfalls im Juli 1999 beantragte sie Rente wegen Berufsunfähigkeit/Erwerbsunfähigkeit und machte dazu unter Vorlage eines Attestes ihres behandelnden Orthopäden Dr. R vom 20. Mai 1999 geltend, sie leide an ständigen Beschwerden der Hals- und Lendenwirbelsäule. Die Beklagte stellte fest, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die beantragte Rentenart vorliegen, und veranlasste eine Untersuchung der Klägerin durch die Fachärztin für Orthopädie Dr. F. Diese gelangte in ihrem Gutachten vom 13. September 1999 zu der Einschätzung, die Klägerin könne noch leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten ohne Heben und Tragen von Lasten und ohne Zwangshaltungen sowie einseitige Körperhaltung unter Vermeidung ungünstiger klimatischer Einflüsse vollschichtig verrichten.
Mit Bescheid vom 27. September 1999 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag mit der Begründung ab, die Klägerin könne noch in ihrem bisherigen Berufsbereich vollschichtig tätig sein. Außerdem bestehe ein vollschichtiges Leistungsvermögen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes.
Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte Befundberichte vom Facharzt für Orthopädie Dr. R, von den Urologen Dr. K und Dr. M sowie vom Arzt Dr. V ein. Zudem wurde durch den Nervenarzt und Psychoanalytiker Dr. K im Auftrag der Beklagten am 8. März 2000 ein neurologisches Fachgutachten erstattet. Darin heißt es, aus nervenärztlicher Sicht fänden sich keine entscheidenden Einschränkungen der beruflichen Leistungsfähigkeit.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 2000 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch zurück.
Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin am 24. August 2000 Klage erhoben und zu deren Begründung geltend gemacht, sie leide schon ohne Belastung unter ständigen Schmerzen im gesamten Rücken bzw. Bewegungsapparat und könne aus diesem Grund keine Arbeiten von wirtschaftlichem Wert mehr verrichten. Darüber hinaus müsse sie aufgrund einer urologischen Erkrankung häufig die Toilette aufsuchen, wodurch ihr Leistungsvermögen zusätzlich erheblich eingeschränkt werde. Nach den von der Beklagten eingeholten Gutachten könne sie keine körperlich schweren oder auch einseitig belastenden Arbeiten mehr ausüben. Auch eine überwiegend sitzende Tätigkeit als Sachbearbeiterin sei ihr nicht mehr möglich, denn längeres Laufen und Sitzen falle ihr schwer. Zudem müsse in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden, dass ihre letzte Berufstätigkeit 30 Jahre zurückliege und sie deshalb über keinerlei anwendungsbereite Erfahrungen und Kenntnisse verfüge.
Das Sozialgericht hat Befundberichte eingeholt von den Fachärzten für Orthopädie Dr. Z und Dr. T vom 5. Januar 2001, dem Arzt Dr. V vom 10. Januar 2001, vom Arzt für Urologie Dr. M vom 29. Januar 2001 und vom Facharzt für Orthopädie Dr. R vom 22. März 2001. Sodann hat das Sozialgericht den Chefarzt der urologischen Abteilung der St. H K B Dr. K zum Sachverständigen ernannt. Im urologischen Fachgutachten vom 1. August 2001 hat er die Diagnosen motorische Dranginkontinenz mit Detrusorhyperreflexie, degenerative funktionelle Wirbelsäulenbeschwerden gestellt und zum Leistungsvermögen der Kläger ausgeführt, sie könne täglich noch leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen unter Ausschluss von Hitze, Kälte, Staub, Feuchtigkeit oder Zugluft verrichten. Wegen der Wirbelsäulenbeschwerden sei eine einseitige körperliche Belastung zu vermeiden und ein regelmäßiger Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen anzuraten. Die Klägerin benötige alle 60 bis 90 Minuten eine kurze Pause von ca. 5 Minuten, um eine Toilette aufzusuchen. Ansonsten bestünden keine Bedenken gegen einen festgelegten Arbeitsrhythmus, gegen Arbeiten auch unter Zeitdruck und an laufenden Maschinen. Das Heben und Tragen von Lasten über 5 kg müsse vermieden werden. Auszuschließen seien auch Arbeiten auf Leitern und Gerüsten. Die Belastbarkeit der Arme/Hände und der Beine/Füße sei nicht eingeschränkt. Die Klägerin sei nicht in der Ausübung einfacher geistiger Arbeiten entsprechend ihrer Ausbildung eingeschränkt. Der Weg zur Arbeitsstelle müsse auf 90 Minuten (Toilettenintervall) begrenzt werden. Ansonsten seien hinsichtlich der Wegefähigkeit keine Besonderheiten zu beachten. Das verbliebene Leistungsvermögen reiche noch für die volle übliche Arbeitszeit von mindestens 8 Stunden aus. Abweichend von der hausärztlichen Einschätzung bestünden auf urologischem Gebiet keine weitergehenden Einschränkungen, zumal insoweit noch bislang nicht genutzte bzw. gewünschte therapeutische Möglichkeiten bestünden.
Nachdem die Klägerin eine fachärztliche Stellungnahme von Dr. R vom 22. Oktober 2001 zum Verfahren gereicht hat, wonach ihr nur noch eine tägliche Arbeitszeit von bis zu 4 Stunden möglich sei, hat das Sozialgericht den Arzt für Orthopädie Dr. E zum Sachverständigen ernannt. In seinem orthopädischen Fachgutachten vom 11. Dezember 2001 hat er folgende Krankheiten und Gebrechen genannt:
rezidivierende Cephalgien im Sinne einer Migräne,
ein Halswirbelsäulensyndrom im Sinne von Hinterkopf-Nacken-Schulterschmerzen und Brachialgien rechts auf dem Boden von im Computertomogramm nachgewiesenen Bandscheibenvorwölbungen bei röntgenologisch deutlichen degenerativen Veränderungen,
ein Kapselreizzustand des linken Schultergelenkes ohne Funktionseinschränkung,
eine diskrete Sehnenansatzentzündung im Bereich beider Ellenbogengelenke, als Tennis-Golfellenbogen zu bezeichnen,
ein rezidivierendes LWS-Syndrom im Sinne von belastungsabhängigen Lumboischialgien auf dem Boden einer im Computertomogramm nachgewiesenen deutlichen Bandscheibenvorwölbung bei beginnenden degenerativen Veränderungen,
Bewegungsknacken am rechten Kniegelenk ohne funktionelle Auswirkungen,
eine unkomplizierte Fußfehlform im Sinne eines geringen Senk-Spreizfußes mit beginnender Ballenbildung.
Zum Leistungsvermögen hat er ausgeführt, die Klägerin könne ohne auf Kosten ihrer Gesundheit zu arbeiten, täglich regelmäßig körperlich leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen unter Vermeidung von klimatischen Einflüssen ausüben. Es sei eine häufig wechselnde Körperhaltung erforderlich. Einseitige körperliche Belastung, Arbeiten unter Zeitdruck, Akkord- und Fließbandarbeiten, Arbeiten in festgelegtem Arbeitsrhythmus sowie an laufenden Maschinen seien nicht mehr zumutbar. Die Klägerin könne noch Lasten von bis zu 5 kg heben und tragen. Arbeiten mit Absturzgefahr (auf Leitern und Gerüsten) seien nicht mehr zumutbar. Die Fingergeschicklichkeit sowie die Möglichkeit, die Hände kraftvoll einzusetzen sei nicht beschränkt. Die Belastbarkeit der oberen Extremitäten sei für den kraftvollen Dauereinsatz eingeschränkt und Überkopfarbeiten seien nur noch selten zumutbar. Auch die Belastbarkeit der unteren Extremitäten sei herabgesetzt. Die festgestellten Leiden beschränkten die Klägerin nicht in der Ausübung geistiger Tätigkeiten entsprechend ihrer Ausbildung. Die Wegefähigkeit sei erhalten. Das verbliebende Leistungsvermögen reiche noch aus für die volle übliche Arbeitszeit von 8 Stunden täglich.
Mit Urteil vom 25. März 2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung der Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, die medizinischen Voraussetzungen für die beantragte Rente lägen nicht vor. Die Klägerin sei weder erwerbs- noch berufsunfähig, da sie ihren bisherigen Beruf als Versicherungsangestellte mit Bürotätigkeit noch vollschichtig ausüben könne. Dies folge aus den sorgfältig und nachvollziehbar begründeten Gutachten von Dr. K und Dr. E.
Letzterer habe ausgeführt, dass eine sitzende Tätigkeit mit der Möglichkeit des gelegentlichen Haltungswechsel aus arbeitsmedizinischer Sicht zumutbar bleibe. Die festgestellten urologischen Beschwerden begründeten keine weitergehenden Leistungseinschränkungen. Zur Bewältigung dieser Beschwerden im Arbeitsleben reichten bereits die üblichen Pausenzeiten aus. Im Übrigen könne die Klägerin keinen Berufsschutz für sich in Anspruch nehmen, so dass sie sich zumutbar auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisen lassen müsse. Eine konkrete Verweisungstätigkeit müsse nicht benannt werden.
Gegen das ihr am 25. Juni 2002 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit der am 23. Juli 2002 eingelegten Berufung. Zu deren Begründung macht sie geltend, dem Gerichtsgutachter Dr. E könne nicht gefolgt werden, soweit er im Gegensatz zum behandelnden Orthopäden Dr. R ihre Leistungsfähigkeit trotz der vielfältigen Schmerzzustände und deren Wechselwirkungen nur qualitativ aber nicht quantitativ eingeschränkt sehe. Dies gelte insbesondere in Bezug auf ihre letzte Tätigkeit als ungelernte Versicherungsangestellte. Eine derartige Tätigkeit werde heute fast ausschließlich am Computer verrichtet, so dass es sich um eine einseitig den Körper belastende, bewegungsarme Arbeit handele. Auch die gutachterliche Feststellung, sie könne noch Lasten von bis zu 5 kg heben und tragen sei aus ihrer Sicht nicht richtig. Zudem seien die sich aus der Harninkontinenz ergebenden Behinderungen nicht ausreichend festgestellt worden. Diese schränkten ihre Wegefähigkeit ein. Schließlich führten bereits mehrfach aufgetretene Reizungen des Gesichtsnervs und Tinnituserkrankung zu einer weiteren Einschränkung des Wohlbefindens und ihres Leistungsvermögens. Dazu hat die Klägerin einen Arztbrief des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. L vom 27. Mai 2002 überreicht.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. März 2002 und den Bescheid der Beklagten vom 27. September 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 2000 aufzuheben sowie diese zu verurteilen, ihr seit 1. Juli 1999 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie macht geltend, aus den von Dr. L genannten Diagnosen lasse sich eine weitergehende Leistungseinschränkung nicht ableiten.
Die die Klägerin betreffenden Rentenakten der Beklagten sowie die Prozessakten des Sozialgerichts Berlin zum Az.: haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das angefochtene Urteil vom 25. März 2002 ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit nach den §§ 43, 44 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch -SGB VI- in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung. Ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung ergibt sich gleichfalls nicht aus der seit dem 1. Januar 2001 geltenden Neufassung des § 43 SGB VI oder aus § 240 SGB VI.
Das vor dem 1. Januar 2001 geltende Recht kann hier auch angewendet werden, weil die Klägerin den Rentenantrag bereits im Juli 1999 gestellt hat und Leistungen seither begehrt (vgl. §§ 300 Abs. 2, 302 b Abs. 1 SGB VI).
Nach § 44 Abs. 1 SGB VI a.F. haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn sie
1. erwerbsunfähig sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Die Klägerin ist nicht erwerbsunfähig. Erwerbsunfähig sind nach Abs. 2 Satz 1 der genannten Vorschrift Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebentel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt. Diese gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht; sie erfüllt nicht einmal die weniger strengen Kriterien der Berufsunfähigkeit.
Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 43 Abs. 2 SGB VI a.F.).
Zutreffend hat bereits das Sozialgericht erwähnt, dass die Klägerin keinen Berufsschutz beanspruchen kann und daher sozial zumutbar auf alle Tätigkeiten des sogenannten allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden kann. Ausgangspunkt für die Prüfung der Berufsunfähigkeit ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts -BSG- der "bisherige Beruf", den der Versicherte ausgeübt hat. In der Regel ist dies die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, von der auch bei nur kurzfristiger Ausübung auszugehen ist, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben gewesen ist.
Die Klägerin hat keine Berufsausbildung. Sie war zuletzt etwa 4 ½ Jahre bei einer Versicherung tätig und mit Büroarbeiten betraut. Anhaltspunkte dafür, dass sie während dieser Tätigkeit eine über die bloße Einweisung und Einarbeitung hinausgehende echte betriebliche Ausbildung von mehr als 12 Monaten durchlaufen hat, bestehen nicht. Nach dem vom Bundessozialgericht (vgl. BSG SozR 3-2600 § 43 Nr. 15 m.w.Nachw.) zur Konkretisierung des Verweisungsrahmens entwickelten und auch vom Senat zu Grunde gelegten Mehrstufenschema ist die Klägerin mangels Ausbildung und qualifizierter beruflicher Tätigkeit allenfalls als Angestellte mit einer Anlernzeit von 3 bis zu 12 Monaten anzusehen. Die Wertigkeit des bisherigen Berufes bestimmt die soziale Zumutbarkeit von Verweisungstätigkeiten in der Weise, dass ein Versicherter im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf nur auf die nächst niedrigere Stufe (hier: Angestellte ohne Ausbildung bzw. mit einer Anlernzeit von weniger als 3 Monaten) verwiesen werden darf. Sind Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sozial zumutbar, bedarf es grundsätzlich nicht der Bezeichnung einer konkreten Verweisungstätigkeit.
Zumindest für derartige Tätigkeiten des sogenannten allgemeinen Arbeitsmarktes verfügt die Klägerin nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen noch über ein vollschichtiges Leistungsvermögen, das ihr Arbeiten unter betriebsüblichen Bedingungen ermöglicht, ohne auf Kosten der Gesundheit tätig zu sein. Hinsichtlich der Beurteilung der Leistungsfähigkeit schließt sich der Senat den im Gerichtsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. K und Dr. E an. Die Gutachter haben nach Untersuchung und Befragung der Klägerin die bei ihr vorhandenen Erkrankungen ausführlich benannt und überzeugend dargelegt, zu welchen Einschränkungen sie in Bezug auf eine berufliche Tätigkeit führen. Danach kann die Klägerin noch körperlich leichte Arbeiten mit den bereits im Tatbestand bezeichneten weiteren qualitativen Einschränkungen vollschichtig verrichten. Die festgestellten Leistungseinschränkungen sind nicht derart gewichtig, dass sie Zweifel an der betrieblichen Einsatzfähigkeit der Klägerin rechtfertigen. Insbesondere liegt weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor, so dass die Benennung einer die konkreten Leistungseinbußen berücksichtigenden Verweisungstätigkeit nicht erforderlich ist.
Die gegen die Gutachten vorgebrachten Einwendungen vermögen nicht zu überzeugen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass Dr. E als erfahrener Gutachter nicht in der Lage gewesen sein könnte, die Wechselwirkungen der bei der Klägerin auf seinem Fachgebiet vorliegenden Erkrankungen und Beschwerden zu beurteilen. Er legt überzeugend dar, dass eine zeitliche Beschränkung der Arbeit nicht zu erfolgen hat, weil keine Wurzelreizsymptomatik nachgewiesen werden konnte und auch kein außergewöhnliches Schmerzsyndrom vorliegt. Die fachärztliche Stellungnahme des behandelnden Orthopäden Dr. R vom 22. Oktober 2001 vermag demgegenüber nicht zu überzeugen, soweit darin der Klägerin bescheinigt wird, nur noch im Umfang von bis zu 4 Stunden täglich arbeiten zu können. Es erfolgt weder eine Begründung für diese erhebliche quantitative Leistungseinschränkung noch lässt sich diese aus den von dem behandelnden Arzt genannten Funktionseinschränkungen herleiten. Beispielsweise gibt er nur endgradige Funktionseinschränkungen der Halswirbelsäule und der Lendenwirbelsäule an und beurteilt etwa hinsichtlich der Fähigkeit, Lasten zu heben, das Leistungsvermögen der Klägerin sogar weniger eingeschränkt als die Gerichtsgutachter. Da der behandelnde Arzt die Klägerin sogar noch für fähig erachtet, Gewichte von bis zu 10 kg zu heben und tragen, sieht das Gericht ihre Einlassung, sie könne entgegen den Feststellungen des Gerichtsgutachters keine Lasten von bis zu 5 kg mehr heben und tragen, als widerlegt an.
Da die Klägerin zumutbar auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden kann, ist es unerheblich, ob ihr Leistungsvermögen noch für die Arbeit einer Versicherungsangestellten ausreichend ist. Nach den Feststellungen von Dr. E, an deren Richtigkeit der Senat keinen Anlass zu zweifeln hatte, kann die Klägerin jedoch auch eine Tätigkeit im Sitzen verrichten, sofern die Möglichkeit zu einem gelegentlichen Haltungswechsel gegeben ist. Dies ist bei einer Bürotätigkeit regelmäßig der Fall. Denn diese wird zwar überwiegend, aber nicht ausschließlich in sitzender Körperhaltung verrichtet.
Auf urologischem Fachgebiet sieht der Senat den Sachverhalt durch das Gutachten von Dr. K, dem auch der Arztbrief des Universitätsklinikums Benjamin Franklin vom 16. Dezember 1999 zur Beurteilung vorlag, als geklärt an. Aufgrund der Dranginkontinenz muss die Klägerin zwar alle 60 bis 90 Minuten eine Toilette aufsuchen, dies bedingt aber weder einen Verlust der Wegefähigkeit noch eine ungewöhnliche Leistungseinschränkung. Insbesondere in großstädtischen Ballungsräumen sind Fahrzeiten zum Arbeitsplatz von nicht mehr als einer Stunde die Regel. Eine Vielzahl von Arbeitsplätzen gewährleistet darüber hinaus, dass sich in zumutbarer Entfernung eine Toilette befindet. Die durch einen - auch wiederholten - Toilettengang eintretenden sehr kurzzeitigen Arbeitsunterbrechungen schränken die Einsatzfähigkeit der Klägerin zumindest dann nicht entscheidend ein, wenn sie in Abständen von 60 bis 90 Minuten anfallen. Die Klägerin selber hat im Übrigen im Schriftsatz vom 11. Oktober 2001 erklärt, aus ihrer Sicht ließe allein die urologische Erkrankung eine regelmäßige Arbeit zu. Dafür, dass der aus dieser Erkrankung resultierende Leidensdruck nicht sehr groß ist, spricht im Übrigen die Tatsache, dass die Klägerin ihren behandelnden Urologen zum Zeitpunkt der Einholung des Befundberichts im Januar 2001 bereits seit mehr als einem Jahr nicht mehr aufgesucht hatte. Auch der Gerichtsgutachter sprach insoweit von noch ungenutzten therapeutischen Möglichkeiten.
Schließlich sah sich der Senat wegen der von Dr. L im Arztbrief vom 27. Mai 2002 genannten Diagnosen nicht zur Durchführung weiterer medizinischer Ermittlungen gedrängt. Die Arachnoidalzyste führt ebenso wie die Trigeminusreizung nicht zu bedeutsamen Leistungseinschränkungen, denn nach den festgestellten Befunden konnte die Klägerin sämtliche Koordinationsprüfungen ausreichend sicher durchführen und es fanden sich keine Sensibilitätsstörungen oder Zeichen für eine erhöhte cerebrale Erregbarkeit. Die Reizung des Gesichtsnervs führt zwar zu einer Einschränkung des Wohlbefindens (so auch die Klägerin in der Berufungsbegründung) hat aber keine nennenswerten Auswirkungen auf das Leistungsvermögen. Dies entspricht auch der Einschätzung des Ärztlichen Dienstes der Beklagten. Zudem wurde von Dr. L eine Behandlungsbedürftigkeit der Erkrankung zum Zeitpunkt seiner Untersuchung nicht festgestellt, so dass auch keine Anhaltspunkte für eine erhebliche Einschränkung des Wohlbefindens aufgrund dieser Beschwerden vorliegen.
Der Einwand der Klägerin, sie verfüge aufgrund ihrer langen Nichterwerbstätigkeit nicht über ausreichende fachliche Kenntnisse, um ins Erwerbsleben (ihre letzte Tätigkeit) zurückzukehren, ist rechtlich unbedeutend. Denn eine Erwerbsminderung ist nach den gesetzlichen Bestimmungen nur dann für die beantragte Rente bedeutsam, wenn sie aufgrund einer Krankheit oder Behinderung eintritt. Eine Rentengewährung wegen Erwerbsunfähigkeit kommt nicht in Betracht, wenn lediglich infolge mangelnder beruflicher Qualifikation eine Arbeitsaufnahme nicht möglich ist.
Es besteht auch kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung seit dem 1. Januar 2001 nach § 43 SGB VI oder § 240 SGB VI in der geltenden Fassung. Die Klägerin ist nicht teilweise oder erst recht nicht voll erwerbsgemindert und auch nicht berufsunfähig, weil sie noch leichte Arbeiten vollschichtig ausüben kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz -SGG-.
Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved