L 5 KR 133/02

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Koblenz (RPF)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 5 KR 133/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 13.11.2002 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Kostenerstattung für eine dem Kläger im Rahmen einer Krankenhausbehandlung privat in Rechnung gestellte Leistung.

Der am 1951 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Anfang August 2001 beantragte er bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine im Rahmen eines stationären Aufenthaltes im beigeladenen Krankenhaus, das als Vertragskrankenhaus zugelassen ist, geplante Autologe Chondrozytentransplantation (ACT). In einer beigefügten Stellungnahme vom 27.7.2001 führte Dr. S , Chefarzt der Abteilung für Chirurgie, Unfallchirurgie und Sportmedizin im beigeladenen Krankenhaus, aus, beim Kläger bestehe ein lokaler Knorpelschaden nach einem vor vielen Jahren eingetretenen Distorsionstrauma des rechten Sprunggelenkes. Beim Kläger zeigten sich eine ausgeprägte Schmerzsymptomatik bei jeglicher Belastung im rechten Sprunggelenk und auch deutliche Ruheschmerzen. Zudem komme es zu rezidivierenden Schwellneigungen in Abhängigkeit von der Belastung. Aufgrund dieses Befundes bestehe trotz des fortgeschrittenen Alters die eindeutige Indikation zu einer ACT im Bereich des rechten oberen Sprunggelenkes. Dieses Verfahren sei relativ neu, zeige aber bei den bisher vorliegenden Nachuntersuchungen sehr gute Ergebnisse. Diese Operationstechnik werde nur an einigen Spezialkliniken Deutschlands durchgeführt. Es handele sich um ein medizinisch anerkanntes Verfahren, das auch weltweit durchgeführt werde. Das Verfahren sei aufwändig und kostspielig. Zur Herstellung des Transplantats werde mit dem Institut für M M , B und T E ( AG) zusammengearbeitet. Am 27.7.2001 sei beim Kläger eine Entnahme von gesunden Knorpelstücken aus dem rechten Kniegelenk erfolgt. Dieser stationäre Aufenthalt habe etwa zwei bis drei Tage umfasst. Die gewonnene Knorpelmasse werde in dem genannten Institut kultiviert und nach ca. zwei bis drei Wochen über eine bestimmte Operationstechnik in den lokalen Defekt des rechten Sprunggelenkes in flüssiger Form wieder implantiert. Dieser zweite stationäre Aufenthalt werde ca. 14 Tage umfassen, postoperativ werde der Patient zunächst mit einem Unterschenkelgehgips für fünf Wochen versorgt. Anschließend erfolge eine intensive krankengymnastische Behandlung bis zu Vollbelastung und Mobilisierung. Es werde um eine Kostenübernahme in Bezug auf eine Einzelfallentscheidung gebeten. Der Kläger legte weiterhin ein Schreiben der AG vom 30.7.2001 vor, in dem er zur Klärung der Kostenübernahme gebeten wurde, einen entsprechenden Antrag bei seiner Krankenkasse zu stellen.

Nachdem der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) in einer Stellungnahme vom 13.8.2001 unter Hinweis auf Nr. 28 Anlage B der Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (BUB-Richtlinien) ausgeführt hatte, dass es sich bei der ACT um keine Kassenleistung handele, lehnte die Beklagte mit dieser Begründung mit Bescheid vom 14.8.2001 den Antrag ab.

Im Widerspruchsverfahren erklärte sie sich mit Bescheid vom 28.8.2001 bereit, die Kosten der vertraglich vereinbarten Pflegesätze während des stationären Aufenthaltes im beigeladenen Krankenhaus zu übernehmen, zusätzliche Kosten für die Operation und die Knorpelherstellung könnten nicht übernommen werden. Den weitergehenden Antrag des Klägers, auch die Kosten für die Herstellung der Knorpelzelltransplantate zu übernehmen, lehnte die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.10.2001 ab.

Der Kläger befand sich vom 2.9.2001 bis zum 14.9.2001 in stationärer Behandlung im beigeladenen Krankenhaus. Im Rahmen des stationären Aufenthaltes wurden die von der Firma AG hergestellten Knorpelzellentransplantate dem Kläger implantiert. Die Beklagte zahlte an das beigeladene Krankenhaus die vertraglich vereinbarten Pflegesätze. Ein schriftlicher Vertrag zwischen dem Kläger und der Firma AG wurde nicht geschlossen, der Kläger hat sich aber nach eigenen Angaben gegenüber der Firma AG bereit erklärt, die Kosten der Herstellung der Transplantate zu tragen, wenn die Beklagte diese Kosten nicht übernehme. Die Rechnung vom 18.9.2001 über 6.672,37 EUR (13.050,00 DM) wurde deshalb vom Kläger gezahlt.

Mit Urteil vom 13.11.2002 hat das Sozialgericht Koblenz (SG) die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch gegen die Beklagte, von den Kosten für die ACT freigestellt zu werden. Der Kläger habe weder eine Rechnung über die Behandlung vorgelegt noch nachgewiesen, Zahlungen an den Hersteller des Transplantats erbracht zu haben. Er könne ebenfalls nicht verlangen, von anfallenden Kosten für die ACT gemäß § 13 Abs 3 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) freigestellt zu werden. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift lägen nicht vor. Dass es sich bei der ACT nicht um eine unaufschiebbare Leistung gehandelt habe, ergebe sich schon daraus, dass der Kläger zunächst Ende Juli 2001 einen entsprechenden Kostenübernahmeantrag bei der Beklagten gestellt habe, bevor er die Behandlung im September 2001 habe durchführen lassen. Die Beklagte habe die Übernahme der ACT auch nicht zu Unrecht abgelehnt, denn dem Kläger stehe kein Anspruch auf diese Leistung in Form einer Sach- bzw. Dienstleistung zu. Die Behandlung eines Knorpelschadens mittels ACT sei schon von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen. Dies ergebe sich aus den BUB-Richtlinien. Zwar beträfen die BUB-Richtlinien nur den ambulanten Bereich der ärztlichen Versorgung, dies bedeute jedoch im Umkehrschluss noch nicht, dass diese Behandlungsmethode im stationären Sektor zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden könne. Der Abrechnungsfähigkeit von neuartigen Behandlungsmethoden seien auch im Krankenhaussektor Grenzen gesetzt. Was an Behandlung geschuldet werde, bestimme sich nach den Regeln der ärztlichen Kunst und dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse unter Berücksichtigung des medizinischen Fortschritts. Dies bedeute aber nicht, dass auch Anspruch auf solche Behandlungen bestehe, deren Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit noch erforscht werde, über die somit noch keine gesicherten medizinischen Erkenntnisse vorlägen. Folglich müsse auch im stationären Bereich die in Frage stehende Behandlungsmethode wissenschaftlich anerkannt sein und sich in der klinischen Anwendung bewährt haben, um eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung auszulösen. Zur Beurteilung dieser Frage könnten die Gründe herangezogen werden, die den Bundesausschuss bewogen hätten, die ACT von der vertragsärztlichen Versorgung auszuschließen. Nach diesen Unterlagen habe eine gleichwertige oder überlegene Wirksamkeit der ACT gegenüber anderen, im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung zur Anwendung kommenden Verfahren nicht belegt werden können. Nach Ansicht des Bundesausschusses befinde sich die Methode noch im experimentellen Charakter. Der Kläger könne sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass im Ausschuss "Krankenhaus" gemäß § 137c SGB V die ACT geprüft werde. Dies bedeute nicht, dass bis zu einer eventuell negativen Entscheidung des Ausschusses "Krankenhaus" jede Behandlungsmethode zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden könne. Bis zu einer Beschlussfassung würden vielmehr die von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien weiter gelten, denn ansonsten könne sogar - wie im vorliegenden Fall -, eine ablehnende Haltung des Arbeitsausschusses "Ärztliche Behandlung" durch eine Verlagerung der Behandlungsmethode in den stationären Bereich umgangen werden. Ein derartiges Auslegungsergebnis würde dem Sinn und Zweck der Einführung von § 137c SGB V widersprechen. Ein Anspruch des Klägers sei auch nicht deshalb gegeben, weil die fehlende Anerkennung dieser Behandlungsmethode auf einem Mangel des gesetzlichen Leistungssystems beruhe. Hierfür fehle jeglicher Anhaltspunkt. Der Bundesausschuss habe sich in den Jahren 1999 und 2000 ausführlich mit dieser Behandlungsmethode auseinandergesetzt, mittlerweile werde diese Behandlungsmethode auch im neu eingerichteten Ausschuss "Krankenhaus" für den stationären Sektor geprüft. Von einer positiven Entscheidung dieses Ausschusses könne der Kläger jedoch in keinem Fall profitieren, denn eine positive Entscheidung würde keine Rückwirkung auf abgeschlossene Fälle in der Vergangenheit entfalten. Der Kläger könne auch nicht erfolgreich geltend machen, die ACT habe bei ihm zu einem Heilungserfolg geführt. Die subjektive Erfahrung des Versicherten in Bezug auf die Wirksamkeit einer bestimmten Behandlungsmethode sei kein hinreichendes Kriterium für die Leistungspflicht der Krankenkasse.

Gegen das ihm am 27.11.2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23.12.2002 Berufung eingelegt.

Er hat die Rechnung der AG vom 18.9.2001 vorgelegt und trägt vor, er habe die zunächst an die Beklagte adressierte Rechnung der AG erhalten und bezahlt. Daher seien ihm die geltend gemachten Kosten tatsächlich entstanden. Ob die ACT dem anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspreche, habe das SG nicht ermittelt, sondern pauschal auf die Argumentation des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen verwiesen, obwohl dieser allein ambulante Behandlungsmethoden bewerte. Außerdem seien diese Erkenntnisse aus den Jahren 1999 und 2000, so dass das SG hätte ermitteln müssen, ob im Jahre 2001 die ACT dem anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprochen habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 13.11.2002 und die Bescheide der Beklagten vom 14.8.2001 und 3.9.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2001 aufzuheben sowie den Bescheid vom 28.8.2001 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Kosten der autologen Knorpelzellentransplantation in Höhe von 6.672,37 EUR (13.050,00 DM) zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladene hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert.

Der Senat hat von der Beigeladenen den Aufnahme- und Behandlungsvertrag sowie die an die Beklagte gestellte Rechnung vom 19.9.2001 beigezogen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten. Der Akteninhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Er hat keinen Anspruch auf Erstattung der von ihm an die AG gezahlten 6.672,37 EUR.

Da der Kläger vorliegend die Rechnung der AG vom 13.9.2001 bereits bezahlt hat, begehrt er nicht die Freistellung von einer Verbindlichkeit, sondern Kostenerstattung. Gemäß § 13 Abs 1 SGB V darf die Krankenkasse anstelle der Sach- und Dienstleistungen nach § 2 Abs 2 SGB V Kosten nur erstatten, soweit es im SGB V vorgesehen ist. Eine solche Regelung enthält § 13 Abs 3 SGB V. Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch dem Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind vorliegend nicht erfüllt.

Das SG hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass die Leistung nicht unaufschiebbar war. Dies wird vom Kläger im Berufungsverfahren auch nicht geltend gemacht.

Die Beklagte hat auch nicht die Gewährung der streitigen Leistung zu Unrecht abgelehnt. Die streitige Leistung besteht vorliegend in der Krankenhausbehandlung im beigeladenen Krankenhaus, diese Kosten hat die Beklagte an das beigeladene Krankenhaus gezahlt. Gemäß dem im Berufungsverfahren beigezogenen Aufnahmevertrag zwischen dem Kläger und dem beigeladenen Krankenhaus ist dieser nicht als Privatpatient aufgrund einer speziellen vertraglichen Vereinbarung im beigeladenen Krankenhaus behandelt worden, sondern es wurde die ihm als Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse zustehende allgemeine Krankenhausbehandlung erbracht und gegenüber der Beklagten abgerechnet. Die vom beigeladenen Krankenhaus erstellte Rechnung wurde von der Beklagten gezahlt, damit hat diese ihre Leistungspflicht gegenüber dem beigeladenen Krankenhaus gemäß den gesetzlichen Bestimmungen und den vertraglichen Vereinbarungen erfüllt.

Die Krankenkasse war nicht verpflichtet, neben dem Basispflegesatz bzw. dem Abteilungspflegesatz für die Herstellung des Knochenzellentransplantats eine gesonderte Leistung an das beigeladene Krankenhaus zu erbringen, vielmehr waren diese Leistungen durch die Pflegesätze abgegolten. Nach § 2 Abs 1 Satz 1 Bundespflegesatzverordnung (BPflV) gehören zu den Krankenhausleistungen die ärztlichen Behandlungen, die Krankenpflege, die Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln sowie Unterkunft und Verpflegung. Darüber hinaus sind die vom Krankenhaus veranlassten Leistungen Dritter durch die in der BPflV vorgesehenen Leistungen mit abgegolten. Bei dem im vorliegenden Fall hergestellten Transplantat handelt es sich nach den vom Kläger vorgelegten Unterlagen um ein Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes (AMG). Die Kosten hierfür sind somit gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 und § 2 Abs 2 Satz 2 Nr 2 BPflV durch die von der Beklagten gezahlten Pflegesätze mit abgegolten. Vorliegend hat das beigeladene Krankenhaus und nicht der Kläger die Herstellung des Transplantats veranlasst. Dies ergibt sich bereits aus der Stellungnahme von Dr. S vom 27.7.2001, in der er ausgeführt hat, dass er zur Durchführung der ACT mit der AG zusammen arbeitet und dass er den beim Kläger am 27.7.2001 entnommenen Knorpel zur Herstellung des Transplantats an die AG weitergeleitet hat. Damit ist Auftraggeber dieser Leistung das beigeladene Krankenhaus und nicht der Kläger gewesen. Dieser hat auch nach den im Berufungsverfahren gemachten Angaben keinen Vertrag mit der AG geschlossen, so dass nicht ersichtlich ist, auf Grund welcher Rechtsgrundlage er sich verpflichtet gefühlt hat, die von der AG zunächst der Beklagten in Rechnung gestellten Kosten für die Herstellung des Transplantats zu bezahlen. Allein die vom Kläger offensichtlich angenommene moralische Verpflichtung, diese Kosten zu zahlen, verpflichtet die Krankenkasse nicht, diese Kosten dem Kläger zu erstatten. Vielmehr wäre es Aufgabe des beigeladenen Krankenhauses gewesen, aufgrund der o.g. Vorschriften der BPflV die durch die Herstellung des Transplantats entstandenen Kosten zu zahlen.

Da somit die Beklagte nicht zu Unrecht die Übernahme der Kosten für die Herstellung des Transplantats abgelehnt hat, steht dem Kläger ein Kostenerstattungsanspruch nicht zu. Seine Berufung ist deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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