L 15 A 34/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
15
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 44 V 58/03
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 A 34/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Das Gesuch des Klägers, den Richter am Sozialgericht G wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, ist begründet.

Gründe:

Nach § 60 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 42 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) findet die Ablehnung eines Richters statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Dies hat der Kläger im vorliegenden Fall glaubhaft gemacht gem. § 60 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 44 Abs. 2 ZPO.

Maßgebend ist zwar nicht die subjektive Sicht des Ablehnenden. Vielmehr kommt es allein darauf an, ob ein Prozessbeteiligter bei verständiger Würdigung des Sach- und Streitstandes den Eindruck gewinnen kann, der Richter werde sein Rechtsschutzbegehren nicht unparteilich bearbeiten und entscheiden. Diese Voraussetzungen sind vorliegend jedoch aufgrund der richterlichen Verfügung vom 22. September 2003 erfüllt.

Mit dieser Verfügung hat der abgelehnte Richter dem Kläger vorrangig mitgeteilt, eine Entscheidung über seinen Beweisantrag nach § 109 SGG werde erst dann ergehen, wenn eine Stellungnahme des Beklagten vorliegen werde. Wörtlich enthielt die Verfügung die Formulierung, das Gericht werde "zunächst die Stellungnahme des Beklagten, insbesondere auch zur Frage Ihrer Begutachtung durch ihren behandelnden Orthopäden Dr. G gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (Frage der Befangenheit)" abwarten. Durch diese Formulierungen hat der abgelehnte Richter die Grenzen der richterlichen Unabhängigkeit, die ihm durch Art. 97 Abs. 1 Grundgesetz eingeräumt ist, überschritten. Zwar war die vorgenannte Verfügung zunächst an den Kläger gerichtet, jedoch erhielt der Beklagte - was der Kläger auch wusste - eine Durchschrift. Hierdurch konnte der Eindruck entstehen, der Richter formuliere gegenüber dem Beklagten - wenn auch indirekt - die Anregung, gegen den vom Kläger benannten Sachverständigen ein Ablehnungsgesuch zu richten.

Zu einem derartigen Hinweis war der Richter jedoch nicht befugt. Zu bedenken ist, dass zum Zeitpunkt der richterlichen Verfügung noch keinerlei schriftsätzliche Äußerungen des Beklagten zum Rechtsstreit vorlagen. Der Beklagte hatte weder wörtlich noch sinngemäß erkennen lassen, dass er Zweifel hinsichtlich der Unparteilichkeit des vom Kläger benannten Sachverständigen hege. Vor diesem Hintergrund mussten die vom abgelehnten Richter gewählten Formulierungen auf jeden verständigen Dritten so wirken, als ob der Richter - noch bevor der Beklagte überhaupt eine Äußerung im Verfahren getätigt hatte - steuernd dahingehend eingreifen wolle, dass er den Beklagten zur Ausübung eines außerordentlichen prozessualen Gestaltungsrechts ermunterte. Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, ob der abgelehnte Richter möglicherweise aufgrund vorangegangener Verfahren Bedenken hinsichtlich der Unparteilichkeit des Sachverständigen hegte oder ob ihm möglicherweise aufgrund sonstigen Hintergrundwissens bekannt war, dass der Beklagte geneigt sein könnte, diesen Sachverständigen - sobald er benannt sein würde - abzulehnen. Denn selbst wenn dies vorliegen sollte, wäre der Richter trotz der ihm grundgesetzlich garantierten Unabhängigkeit nicht befugt, den Beklagten erstmals auf die Möglichkeit eines außerordentlichen prozessualen Gestaltungsrechts dieser Art hinzuweisen. Die Frage der möglichen Befangenheit eines Sachverständigen ist vom Richter zunächst gerade nicht von Amts wegen zu prüfen. Sie stellt sich erst, wenn ein Prozessbeteiligter - und zwar von sich aus - ein Ablehnungsgesuch formuliert hat. Weist ein Richter vor diesem Zeitpunkt erkennbar auf eine mögliche Befangenheit eines Sachverständigen hin, so greift er in die den Beteiligten vorbehaltenen Befugnisse ein und erweckt damit gegenüber einem verständigen Dritten den Eindruck, er mache sich einseitig das Rechtsschutzziel eines der Beteiligten zu Eigen. Selbst wenn sich sogar später herausstellen sollte, dass die Besorgnis der Befangenheit des abgelehnten Sachverständigen bestehen könnte, ist es dem Richter gerade wegen des Gebots der Unparteilichkeit verwehrt, vor Stellung eines Befangenheitsgesuches durch einen Prozessbeteiligten in irgendeiner Weise auf ein solches Ablehnungsgesuch hinzuwirken.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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