Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 1 U 1642/95
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 647/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 8/03 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Leistungen an Hinterbliebene sind nicht zu gewähren wenn der Versicherte einen wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls notwendigen operativen Eingriff nur deshalb nicht überlebt weil er aus religiösen Gründen eine Fremdbluttransfusion verweigert.
Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 4. Dezember 2002 aufgehoben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 13. April 1999 zurückgewiesen. Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Streitig ist die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen an die Klägerin nach ihrem am 17. Februar 1995 im Verlauf einer wegen der Folgen eines Wegeunfalls durchgeführten Hüftprothesenwechseloperation verstorbenen Ehemann (V).
V, der der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas angehörte, erlitt am 10. März 1994 auf dem Weg von der Arbeit einen Verkehrsunfall, bei dem er sich bei vorbestehendem insulinpflichtigem Diabetes mellitus, dialysepflichtiger Niereninsuffizienz mit renaler Anämie und HIV-Infektion zahlreiche Frakturen ua im Bereich des linken Hüftgelenks zuzog. Im erstbehandelnden Krankenhaus fand keine Operation statt, weil V die Transfusion von Fremdblutbestandteilen aus religiösen Gründen ablehnte. Bei der Weiterbehandlung in der auf die Versorgung von Zeugen Jehovas eingerichteten Universitätsklinik Bonn wurde am 21. März 1994 die Hüftgelenkluxationsfraktur links mit einer Plattenosteosynthese versorgt. Am 15. September 1994 wurde eine Hüftgelenktotalendoprothese implantiert, am 28. September 1994 wegen Pfannenlockerung ein Pfannenwechsel und am 11. Oktober 1994 eine Wundrevision durchgeführt. Im Januar 1995 wurden eine Lockerung der Abstützplatte und eine Entzündung mit Abszessbildung festgestellt. In der Universitätsklinik Bonn wurde ein Wiederaufflackern des Hüftgelenkinfekts bestätigt. Da diese Klinik erklärte, sie wolle die erneut erforderliche Operation (septischer Prothesenwechsel) wegen der fehlenden Möglichkeit des Einsatzes von Fremdblut nicht riskieren und ohne Operation sei jedenfalls mit tödlichem Ausgang zu rechnen, wurde V im Einverständnis der Beklagten in die Endo-Klinik Hamburg, die über besondere Erfahrungen im Bereich der septischen Endoprothesenrevision und des autologen Transfusionskonzepts verfügt, verlegt. Am 17. Februar 1995 wurde dort eine Prothesenwechseloperation durchgeführt. Vorab wurden V und die Klägerin über das hohe Risiko des Eingriffs ohne Transfusion von Fremdblutderivaten aufgeklärt und darauf hingewiesen, dass V an den Folgen der Operation bzw des zu erwartenden Blutverlustes sterben könne. V, der eine Bluttransfusion in jedem Fall abgelehnt hatte, verlor bei der Operation ca fünf bis sechs Liter und postoperativ über die Drainage 12 bis 16 Liter Blut. Trotz der Rückgabe großer Mengen gewaschenen Erythrozytenkonzentrats verstarb er an Herzkreislaufversagen wegen Sauerstoffmangels für die Gewebe bei schwerster Anämie als Folge der Massivblutung bei ausgeprägter, nicht beherrschbarer Gerinnungsstörung. Zuvor war erfolglos versucht worden, ua von der Klägerin die Zustimmung für die Gabe homologer Blutprodukte zu erhalten.
Die Beklagte lehnte gegenüber der Klägerin die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus Anlass des Todes des V ab (Bescheid vom 2. August 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. September 1995). Das Sozialgericht Gießen (SG) hat die Klage nach Einholung ärztlicher Gutachten abgewiesen (Urteil vom 13. April 1999). Der Anspruch der Klägerin scheitere auch ohne Anhaltspunkte für einen Leistungsausschluss nach § 553 der Reichsversicherungsordnung (RVO) bzw für eine Selbsttötungsabsicht des V daran, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Tod des V und dem zuvor erlittenen Unfall sowie den dadurch verursachten Gesundheitsstörungen nicht bestehe. Die allein wesentliche Todesursache sei die aufgrund eindeutiger Ablehnung des V nicht erfolgte Fremdbluttransfusion. Denn die unfallbedingte Operation sei - abgesehen von den üblichen Risiken - nicht lebensgefährlich gewesen. Die Einengung des naturwissenschaftlichen Ursachenbegriffs durch die Theorie der wesentlichen Bedingung sei eine Wertungsfrage, deren entscheidendes Kriterium der Schutzzweck der Norm sei. Ausgehend vom Schutzzweck der gesetzlichen Unfallversicherung liege es auf der Hand, dass die Beklagte keine Hinterbliebenenleistungen zu erbringen habe, weil der Tod durch Bluttransfusionen hätte verhindert werden können. Auf die Notwendigkeit der Operation und die Erfolgschancen ohne Bluttransfusion komme es für die Beurteilung des Kausalzusammenhangs nicht an. Aus der Religionsfreiheit (Art 4 des Grundgesetzes (GG)) folge nichts anderes, da es sich hierbei um ein reines Abwehrrecht handele. V habe die Bluttransfusion ablehnen dürfen; er bzw seine Angehörigen hätten jedoch die Folgen zu tragen.
Auf die Berufung der Klägerin hat das Hessische Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin aus Anlass des Todes des V Hinterbliebenenleistungen in gesetzlichem Umfang zu gewähren. Der Tod des V sei im Rechtssinne mittelbare Folge des Wegeunfalls. Für die eingetretene Komplikation des Eingriffs sei die septische Hüftprothesenwechseloperation mit Freilegung eines großen Knochen- und Weichteilgebiets etc von entscheidender Bedeutung. Ferner sei der Wegeunfall ua mit Fraktur der linken Hüftgelenkpfanne seinerseits wesentliche Ursache der zur unstillbaren Blutung führenden Operation gewesen. Zweck des septischen Prothesenwechsels sei nach der Handlungstendenz der behandelnden Ärzte eine dauerhafte Sanierung des Infekts, die Verhinderung einer schweren, lebensbedrohlichen Komplikation in Form einer generalisierten Sepsis und die Verbesserung der Funktion des Hüftgelenks gewesen. An der wesentlichen kausalen Verknüpfung zwischen dem Wegeunfall und dem Zweck des ärztlichen Eingriffs vom 17. Februar 1995 ändere sich selbst dann nichts, wenn eine Operationsindikation nicht bestanden hätte. Der Ansicht, der Tod des V sei deshalb keine mittelbare Arbeitsunfallfolge im Rechtssinne, weil er durch eine Bluttransfusion wahrscheinlich hätte verhindert werden können und die entgegenstehende Entscheidung des V deshalb allein wesentliche Todesursache gewesen sei, könne nicht gefolgt werden. Das gelte auch dann, wenn V bei einer Bluttransfusion höchstwahrscheinlich nicht gestorben wäre. Welche Bedingung "wesentlich" sei, sei eine Wertentscheidung. Bei der Bewertung des Verletztenverhaltens unter dem Aspekt der "Unterbrechung des Kausalzusammenhangs" bzw der "selbstgeschaffenen Gefahr" im Rahmen der Kausalitätsbeurteilung seien die Grundentscheidungen des Gesetzgebers zu beachten.
So stelle § 548 Abs 3 RVO klar, dass verbotswidriges Handeln des Versicherten nicht die Annahme eines Versicherungsfalls ausschließe. § 553 Satz 1 RVO sehe vor, dass der Verletzte und die Hinterbliebenen erst dann keinen Anspruch hätten, wenn der Verletzte den Arbeitsunfall absichtlich verursacht habe. Dass selbst vorsätzliches strafbares Verhalten des Versicherten als wesentliche Ursache des Unfalls regelmäßig nicht zum Verlust des Versicherungsschutzes führe, verdeutliche § 554 Abs 1 RVO. Dies belege, dass der Unfallversicherungsschutz bei diesen Handlungen grundsätzlich bestehen bleibe, der innere Zusammenhang zwischen dem Unfall und der versicherten Tätigkeit mithin durch dieses Verhalten nicht entfalle, sondern dass lediglich die Entschädigung im Wege des Ermessens des Unfallversicherungsträgers begrenzt werden könne. Außerdem ergebe sich hieraus iVm § 589 RVO, dass selbst im Falle des unfallbedingten Todes des Verletzten Ansprüche auf Hinterbliebenenleistungen wegen des Verhaltens auch bei Ergehen eines strafgerichtlichen Urteils nicht versagt werden könnten. Dies wäre allenfalls zulässig, wenn sich aus der Art und Schwere der Straftat besonders schwerwiegende Gründe ergäben, da durch die Regelung des § 554 RVO vorrangig der Verletzte selbst getroffen werden solle. Angehörige hätten außer im Fall der absichtlichen Herbeiführung des Arbeitsunfalls durch den Verletzten (§ 553 Satz 1 RVO) nur dann keinen Leistungsanspruch, wenn sie den Arbeitsunfall mit Todesfolge selbst vorsätzlich verursacht hätten (§ 553 Satz 2 RVO). Schließlich werde durch die §§ 63, 65 Abs 1 Nr 2, Abs 2, 66 Abs 2 und 3 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) klargestellt, dass der Verletzte nach einem Arbeitsunfall unter bestimmten Umständen im anschließenden Heilverfahren ohne jeden Nachteil Behandlungen ablehnen könne. Die §§ 63 ff SGB I sähen nicht den völligen Verlust des Leistungsrechts bei einer Verletzung von Mitwirkungspflichten vor und böten daher keine Handhabe für die Herausnahme einer durch mangelnde Mitwirkung bei der Heilbehandlung herbeigeführten Verschlechterung der Arbeitsunfallfolgen aus der grundsätzlichen Entschädigungspflicht. Abwegig sei die Annahme, dass V sich nach mehreren erfolgreich durchgeführten Operationen der letzten großen Operation durch die präoperativ aus Glaubensgründen verweigerte Bluttransfusion in Selbsttötungsabsicht unterzogen habe. Nicht zur Debatte stehe auch, dass die Klägerin durch Nichterteilung der Zustimmung zu Fremdbluttransfusionen auf Drängen der Ärzte den Tod des V vorsätzlich herbeigeführt habe, weil sie an dessen präoperative Ablehnung gebunden gewesen sei.
Diese gesetzlichen Vorgaben seien bei der Kausalitätsbeurteilung zu beachten. Unter dem Aspekt der "Unterbrechung des Kausalzusammenhangs wegen selbstgeschaffener Gefahr" und des "Schutzzwecks der anzuwendenden Normen" könnten nicht betriebliche Bedingungen eines Unfalls oder des Todes wegen eines Handelns oder Unterlassens des Versicherten als unwesentlich ausgeschieden werden, das nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers den Eintritt des Versicherungs- und Leistungsfalls nicht hindern solle. Die "selbstgeschaffene Gefahr" sei erst bedeutsam, wenn ihr betriebsfremde Motive zugrunde lägen (Hinweis auf BSGE 28, 14 = SozR Nr 10 zu § 548 RVO). Selbst wenn in Fällen mangelnder Mitwirkung eine Unterbrechung der haftungsausfüllenden Kausalität mit der Folge des Ausschlusses von Leistungsansprüchen möglich wäre, müsste der Berufung stattgegeben werden. V habe sich einer ihm ärztlicherseits zur Behandlung der Unfallfolgen vorgeschlagenen, nicht ungefährlichen Operation nicht verweigert, sondern sich dazu bereit erklärt, obwohl nach Ansicht der Ärzte der Universitätsklinik Bonn ohne den septischen Prothesenwechsel in jedem Fall mit einem tödlichen Ausklang zu rechnen gewesen wäre. Die Verweigerung von Bluttransfusionen aus religiöser Überzeugung habe in enger Beziehung zu der wegen der Arbeitsunfallfolgen notwendigen Operation mit ihrem "betrieblichen" Zweck gestanden. Für eine "gemischte", privaten und betrieblichen Zwecken dienende Tätigkeit, wie sie die Annahme einer selbstgeschaffenen Gefahr im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität voraussetze, sei nichts ersichtlich. Um die Verweigerung der Zustimmung zu Fremdbluttransfusionen als allein wesentliche, die Auswirkungen der unfallbedingten Operation völlig in den Hintergrund drängende Todesursache ansehen zu können, müsste diese sich als ein völlig vernunftwidriges Verhalten darstellen, was sich aber nicht aufdränge. Denn ungeachtet der risikoerhöhenden Einschränkung hätten die Ärzte der Endo-Klinik wie auch V selbst die Operation als geeignete und erfolgversprechende Maßnahme ansehen dürfen. Schließlich habe auch die Beklagte V nicht auf der Grundlage der Vorschriften des SGB I aufgefordert, Fremdbluttransfusionen zuzustimmen, nachdem sie von den Ärzten der Universitätsklinik Bonn am 27. Januar 1995 über den beabsichtigten septischen Prothesenwechsel ohne Fremdblutgabe in der Endo-Klinik informiert worden sei. Zudem müsste V für sein Verhalten bei Anlegung subjektiver Maßstäbe zumindest iS einer groben Fahrlässigkeit verantwortlich gemacht werden können. Da die Ablehnung einer Fremdbluttransfusion als Ausdruck einer Glaubensüberzeugung unter dem Schutz des Art 4 GG stehe, habe V für die Entscheidung objektiv und subjektiv einen wichtigen Grund iS des § 65 Abs 1 Nr 2 SGB I gehabt. Zwar sei Art 4 GG ein Abwehrrecht; dennoch ergebe sich daraus eine mittelbare Drittwirkung in das einfache Gesetzesrecht.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Beklagte die Verletzung der §§ 548, 589 RVO. Das LSG habe die Kausalitätsnorm unzutreffend angewandt. Zu Unrecht habe es in der durch V gesetzten Ursache - der Verweigerung der Bluttransfusion - keine Unterbrechung des Kausalverlaufs gesehen. Der Schutzzweck des § 589 RVO reiche nicht so weit, einer Witwe Hinterbliebenenleistungen gewähren zu müssen, deren Ehemann nicht aus "betrieblichen", sondern aus religiösen Gründen lebensrettende Maßnahmen verweigere. Zwar stelle das LSG die These auf, der Begriff der selbst geschaffenen Gefahr sei nicht einschlägig, wenn der Versicherte nur betriebliche Zwecke verfolge. Da die Entscheidung des V aber nicht von betrieblichen Zwecken, sondern von religiösen Überzeugungen geprägt gewesen sei, sei eine eindeutige Kausalkette durch sein Verhalten unterbrochen worden. Die Ausführungen des LSG zur fehlenden Mitwirkung iS der §§ 60 ff SGB I seien zur Lösung des Falles unerheblich, da nicht festgestellt sei, ob V die Folgen seines Handelns zutreffend iS eines Hinweises nach § 66 Abs 3 SGB I vor Augen geführt worden seien. Sie, die Beklagte, respektiere zwar das Recht des V aus Art 4 GG; die Wahrnehmung dieses Rechts könne aber nicht dazu führen, Ansprüche zu Lasten der Versichertengemeinschaft durchzusetzen.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 4. Dezember 2002 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 13. April 1999 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
II
Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach ihrem verstorbenen Ehemann, wie das SG zutreffend entschieden hat; die Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig.
Der von der Klägerin erhobene Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen richtet sich noch nach den Vorschriften der RVO, da der von ihr geltend gemachte Versicherungsfall (vgl § 7 Abs 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII)) - der Arbeitsunfall des V - vor dem In-Kraft-Treten des SGB VII am 1. Januar 1997 eingetreten ist (Art 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes (UVEG), § 212 SGB VII).
Nach § 589 Abs 1 RVO sind Hinterbliebenenleistungen bei Tod durch Arbeitsunfall zu gewähren. Arbeitsunfall iS des § 548 Abs 1 Satz 1 RVO ist ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Als Arbeitsunfall gilt nach § 550 Abs 1 Satz 1 RVO auch ein Unfall auf einem mit einer der genannten Tätigkeiten zusammenhängenden Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit. Dass der Unfall des V am 10. März 1994 ein Arbeitsunfall in Form eines Wegeunfalles war und die Klägerin Hinterbliebene des am 17. Februar 1995 verstorbenen V ist, steht nach den berufungsgerichtlichen Feststellungen außer Zweifel. Der Tod des V ist jedoch nicht im Rechtssinne durch diesen Wegeunfall verursacht worden.
Zwar ergibt sich ein Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfall des V am 10. März 1994 und der tödlich verlaufenen Operation vom 17. Februar 1995 daraus, dass die Operation aufgrund der unfallbedingten Verletzungen durchgeführt wurde. Da diese Operation nicht stattgefunden hätte und damit der Tod des V zu diesem Zeitpunkt (wahrscheinlich) nicht eingetreten wäre, wenn V den Unfall am 10. März 1994 nicht erlitten hätte, ist das Unfallgeschehen für den Tod des V in jedem Fall eine Ursache iS der naturwissenschaftlich-philosophischen Kausalität ("conditio sine qua non"; vgl BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 13). Allerdings war die Verweigerung der Transfusion von Fremdblutderivaten während und nach der Operation durch V ebenfalls eine Ursache für den Tod des V iS der "conditio sine qua non", wie sich aus den nicht mit zulässigen und begründeten Rügen angefochtenen und daher für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) ergibt. Denn danach hätte das Leben des V bei einer - hier medizinisch indizierten - Fremdbluttransfusion bei bzw nach der Operation mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gerettet werden können.
Ob die Verursachung des Todes eines Versicherten "durch" einen Arbeitsunfall festgestellt werden kann, entscheidet sich - bei Vorliegen einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne - letztlich danach, ob das Unfallereignis selbst - und nicht eine andere, unfallunabhängige Ursache - die wesentliche Bedingung für den Eintritt des Todes bildet (st Rspr des BSG; vgl stellvertretend BSGE 63, 277, 278 = SozR 2200 § 548 Nr 91 mwN; Brackmann/Krasney, SGB VII, 12. Aufl, § 8 RdNr 308 ff). Welcher Umstand entweder für den Eintritt eines Arbeitsunfalls oder - worauf es hier bei der Feststellung der so genannten haftungsausfüllenden Kausalität entscheidend ankommt - für den Eintritt des Schadens, nämlich den Tod des V, als wesentlich angesehen werden muss, ist durch eine wertende Betrachtung aller in Frage kommenden Umstände zu ermitteln. Die einzelnen Bedingungen müssen gegeneinander abgewogen werden; ob eine von ihnen wesentlich den Erfolg mitbewirkt hat, ist anhand ihrer Qualität zu entscheiden. Auf eine zeitliche Reihenfolge oder die Quantität kommt es nicht an. Zur Bewertung der Qualität einer bestimmten Bedingung hat die Rechtsprechung (s etwa BSGE 59, 193, 195 = SozR 2200 § 548 Nr 77 mwN) vielfach auf die Auffassung des "täglichen" oder "praktischen" Lebens abgestellt. Anders als bei der für das Zivilrecht maßgebenden Adäquanztheorie (stellvertretend BGHZ 137, 11, 19 ff mwN) folgt daraus keine abstrakt-generalisierende Betrachtungsweise; vielmehr ist die Kausalitätsbewertung in der gesetzlichen Unfallversicherung vom ex-post-Standpunkt aus anhand individualisierender und konkretisierender Merkmale des jeweiligen Einzelfalles vorzunehmen. Daher kommt es bei der Wertung im Bereich der haftungsausfüllenden Kausalität vor allem darauf an, welche Auswirkungen das Unfallgeschehen gerade bei der betreffenden Einzelperson mit ihrer jeweiligen Struktureigenheit im körperlich-seelischen Bereich hervorgerufen hat (vgl BSGE 66, 156, 158 = SozR 3-2200 § 553 Nr 1 mwN). Gleichzeitig ist im Rahmen der gegenseitigen Abwägung mehrerer, zu einem bestimmten "Erfolg" führender Umstände der Schutzzweck sowohl der gesetzlichen Unfallversicherung im Allgemeinen als auch der jeweils anzuwendenden Norm - hier des § 589 Abs 1 RVO - zu berücksichtigen. Dies führt zu der Wertbestimmung, bis zu welcher Grenze der Versicherungsschutz im Einzelfall reicht (vgl BSG SozR 2200 § 548 Nr 96 mwN).
Nach diesen Grundsätzen erfüllt die durch den Unfall des V am 10. März 1994 erforderlich gewordene Operation vom 17. Februar 1995 nicht die qualitativen Anforderungen an eine für den Eintritt des Todes wesentliche Bedingung.
Die unfallbedingte Operation des V hätte nach den bindenden Feststellungen des LSG unter "normalen" Bedingungen, dh bei einem allein medizinischen Anforderungen entsprechenden Verlauf inklusive einer Fremdbluttransfusion, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zum Tode geführt. Konkret und individuell auf die Person des V bezogen sind keine Anzeichen für eine körperlich-seelische Struktur des V ersichtlich, die den Tod durch die unfallbedingte Operation unausweichlich herbeigeführt hätte. Die bei ihm bestehenden Vorerkrankungen (insulinpflichtiger Diabetes mellitus, dialysepflichtige Niereninsuffizienz mit renaler Anämie und HIV-Infektion) haben den tödlichen Ausgang der Operation am 17. Februar 1995 nicht wesentlich verursacht. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die psychische Verfasstheit des V verantwortlich für seinen Tod war, denn dies wäre allenfalls dann anzunehmen, wenn er in seiner Fähigkeit zur Willensbildung beeinträchtigt gewesen wäre und er in diesem Zustand etwa "vernunftwidrige" Entscheidungen getroffen hätte (vgl BGSE 28, 14, 17 = SozR Nr 10 zu § 548 RVO). Zwar hat V dem an sich lebensrettenden septischen Prothesenwechsel vom 17. Februar 1995 zugestimmt, jedoch allein aus religiösen Motiven die Gabe von Fremdblutderivaten bei und nach der Operation auch für den Fall abgelehnt, dass diese zur Rettung aus Lebensgefahr notwendig werden sollte. Hinweise dafür, dass V bei der Zustimmung zur Operation oder bei der Kundgabe seiner Ablehnung von Fremdbluttransfusionen in der Fähigkeit zur Willensbildung, etwa iS eines psychischen Traumas (vgl BSG, Urteil vom 8. Dezember 1998 - B 2 U 1/98 R = USK 98172) beeinträchtigt gewesen wäre, sind nicht ersichtlich. V - und die Klägerin - sind nach den bindenden Feststellungen über das Operationsrisiko und insbesondere über das ohne die Möglichkeit einer Fremdbluttransfusion bei einem so ausgedehnten Eingriff sich ergebende hohe Risiko präoperativ in mehreren Gesprächen aufgeklärt worden. Es ist daher davon auszugehen, dass V in der Lage war, auch angesichts der aufgezeigten Risiken eine autonome Entscheidung frei von Willensmängeln zu treffen. Ob eine Willensäußerung dieser Art in den Augen anderer, ggf auch der behandelnden Ärzte, vernunftwidrig oder nicht nachvollziehbar war, ist für die hier vorzunehmende Wertung unerheblich. Bereits daraus, dass die unfallbedingte Operation somit nicht auf einen solchen körperlich-seelischen Zustand bei V traf, der zwangsläufig einen tödlichen Ausgang zur Folge haben musste, folgt, dass das Unfallereignis wegen der konkreten und individuellen Umstände in der Person des V nicht die wesentliche Bedingung für dessen Tod sein konnte.
Seine Entsprechung findet dieses Wertungsergebnis in der Betrachtung des Schutzzwecks der gesetzlichen Unfallversicherung als solcher und der hier maßgebenden Anspruchsnorm des § 589 Abs 1 RVO. Die gesetzliche Unfallversicherung ist wesentlich darauf angelegt, den Unternehmer von der aus der Betriebstätigkeit erwachsenden Verschuldens- und Gefährdungshaftung zu befreien. § 539 Abs 1 Nr 1 RVO (vgl nunmehr §§ 1, 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII) dient der Ablösung von zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, wie dies in den §§ 636 ff RVO (jetzt §§ 104 ff SGB VII) zum Ausdruck kommt. Der Gesetzgeber wollte mit der Schaffung der gesetzlichen Unfallversicherung dem geschädigten Arbeitnehmer zwecks Wahrung des Betriebsfriedens ersparen, den Arbeitgeber zu verklagen. An die Stelle eines zivilrechtlichen Schadensersatzanspruches gegen den Arbeitgeber trat ein auf dem Grundsatz der Gefährdungshaftung aufbauender öffentlich-rechtlicher Entschädigungsanspruch des Arbeitnehmers gegen den zuständigen Unfallversicherungsträger. Dieser hat Leistungen zu erbringen, wenn sich Gefahren konkretisiert haben, die einen wesentlichen Entstehungsgrund in der betrieblichen Sphäre haben. Trotz der hiervon abweichenden Konzeption bei Wegeunfällen ist auch hier die betriebliche Zurechenbarkeit ein maßgebliches Kriterium (vgl BSG SozR 2200 § 548 Nr 96 mwN). Diesem (allgemeinen) Zweck entspricht auch die Vorschrift des § 589 Abs 1 RVO, die lediglich den Hinterbliebenen einen eigenen - im Gegensatz zu einem vom Versicherten abgeleiteten - Anspruch auf Leistungen bei einem betrieblich verursachten Tod des Versicherten geben will (BSG SozR 2200 § 589 Nr 8; vgl Brackmann/Burchardt, SGB VII, 12. Aufl, § 63 RdNr 8, 8a).
Von diesem Schutzzweck wird der vorliegende Fall jedenfalls nicht erfasst. Da der Tod des V bei rechtzeitiger Gabe von Fremdblutderivaten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten wäre und weil die Verweigerung der Fremdbluttransfusion auf einer autonomen, ausschließlich religiös motivierten Entscheidung des V beruht, war das Fortwirken des "betrieblichen" Grundes für die Operation am 17. Februar 1995 unterbrochen. Zwar war weiterhin der Wegeunfall für die Vornahme der Operation selbst konstitutiv, sodass insofern auch ein "betrieblicher", mit dem Schutzzweck der gesetzlichen Unfallversicherung vereinbarer Grund vorlag, demzufolge die Beklagte etwa auch die Operationskosten zu tragen hatte. Das Dazwischentreten nicht-betrieblicher, allein im Verantwortungsbereich des V liegender religiöser Gründe hat jedoch den gesamten Zusammenhang aus dem oben dargestellten Schutzzweck einer Unternehmerhaftung mit betrieblicher Zurechenbarkeit herausgelöst. Deshalb kann der einstmals gegebene betriebliche Grund (wegeunfallbedingte Operation) auch unter Schutzzweckgesichtspunkten nicht als wesentlich für den Tod des V angesehen werden.
Entgegen der Auffassung des LSG vermag die Bezugnahme auf die Vorschriften des § 548 Abs 3 RVO und der §§ 553, 554 RVO nichts zur Klärung beizutragen. Zum einen - und darauf hat bereits das SG abgestellt - sind die genannten Regelungen bereits von ihrem Wortlaut her auf die vorliegende Fallgestaltung nicht anwendbar, denn es geht hier nicht darum, dass V oder die Klägerin etwa den Wegeunfall durch verbotswidriges Verhalten bzw absichtlich herbeigeführt hätten. Zum andern kann aus den genannten Regelungen auch nicht auf einen Willen des Gesetzgebers dahingehend geschlossen werden, dass allgemein - trotz an sich regel- oder verbotswidrigen Verhaltens des Versicherten - nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen ein Kausalzusammenhang zwischen Unfallereignis und dem haftungsauslösenden Schaden entfallen soll. So schließt zwar nach § 548 Abs 3 RVO ein verbotswidriges Handeln den Versicherungsfall nicht aus. Mit dem Begriff des "verbotswidrigen Handelns" in § 548 Abs 3 RVO ist jedoch nicht bereits jedes verbotswidrige Tun gemeint. Vielmehr wird nur das dem Betrieb zurechenbare verbotswidrige Verhalten eines Versicherten erfasst, nicht aber darüber hinausgehendes, in den eigenen Risikobereich des Versicherten fallendes Tun (vgl BSGE 42, 129, 133 = SozR 2200 § 548 Nr 22). Wenn das LSG daraus dennoch schließt, die Verweigerung einer keinem gesetzlichen oder sonstigen Verbot widersprechenden Fremdbluttransfusion könne nicht zur Leistungsversagung für die Hinterbliebenen führen, übersieht es den Sinn und Zweck der Regelung, verbotenes Tun nicht (auch) noch im Wege des Unfallversicherungsrechts zu sanktionieren, solange ein betrieblicher Zusammenhang besteht. Zudem sollen durch diese Norm schwer zu lösende Zweifelsfälle im Hinblick auf das Verschulden des Versicherten am Eintritt des Versicherungsfalles vermieden werden (KassKomm-Ricke, § 7 SGB VII RdNr 5). Daraus ergibt sich, dass § 548 Abs 3 RVO lediglich auf den Zusammenhang zwischen dem (betrieblichen) Verhalten des Versicherten und dem Unfallgeschehen selbst, die haftungsbegründende Kausalität, nicht aber auf die hier fragliche haftungsausfüllende Kausalität zugeschnitten ist. Da somit eine dem Sinn der Vorschrift entsprechende Lage vorliegend nicht erkennbar ist, kann weder eine analoge Anwendung der Norm noch ihre Berücksichtigung im Rahmen der Beurteilung der haftungsausfüllenden Kausalität in Betracht gezogen werden. Wollte man dennoch dem § 548 Abs 3 RVO den Gedanken entnehmen, auch grundsätzlich erlaubtes Verhalten (wie hier die Verweigerung der Fremdbluttransfusion) könne im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität nicht zu einer Leistungsversagung führen, so müsste das betreffende Verhalten jedoch einen betrieblichen Zusammenhang aufweisen. Dies ist indes nach den obigen Ausführungen wegen der autonomen, religiös motivierten Entscheidung des V nicht der Fall.
Ebenso wenig kann den §§ 553 und 554 RVO ein für die Beurteilung der haftungsausfüllenden Kausalität nach § 589 Abs 1 RVO maßgeblicher Rechtsgedanke entnommen werden. § 553 RVO bestimmt für den Fall der Herbeiführung des Verssicherungsfalles durch grob regelwidriges Verhalten des Versicherten (§ 553 Satz 1 RVO) oder seiner Angehörigen (§ 553 Satz 2 RVO) einen Leistungsausschluss. § 554 RVO sieht die Möglichkeit einer vollständigen oder teilweisen Leistungsversagung gegenüber dem Verletzten bzw seinen Hinterbliebenen für den Fall vor, dass der Verletzte den Arbeitsunfall bei Begehung einer schwereren, gerichtlich abgeurteilten Straftat erlitten hat. Die entscheidende Gemeinsamkeit der genannten Normen liegt darin, dass sie - wie § 548 Abs 3 RVO auch - stets vom Eintritt eines Versicherungsfalles unabhängig von der Regelwidrigkeit des Tuns des Verletzten ausgehen (vgl dazu Brackmann/Burchardt, SGB VII, 12. Aufl, § 101 RdNr 7). Damit berühren sie aber nicht die hier zu beantwortende Frage der Kausalität, sondern setzen diese als bereits gegeben voraus. Die Vorschriften weisen daher eine spezifische, mit dem hiesigen Kontext nicht übereinstimmende Systematik auf. Ihnen kann auch kein allgemeines Prinzip entnommen werden, demzufolge etwa jedes erlaubte Verhalten eines Verletzten (hier etwa die Verweigerung einer Bluttransfusion), das in irgend einer Form mit dem durch einen Arbeitsunfall begonnenen Kausalverlauf verbunden ist, keinen Einfluss auf diesen Kausalverlauf nehmen kann. Eine solche Sichtweise ließe die unterschiedlichen Möglichkeiten des frei verantwortlichen Tuns eines Menschen unberücksichtigt und würde zudem zu einer mit dem Schutzzweck der gesetzlichen Unfallversicherung unvereinbaren Ausdehnung des Versicherungsschutzes führen.
Auch die §§ 60 ff SGB I, insbesondere die Regelungen in § 63, § 65 Abs 1 Nr 2 und Abs 2 sowie in § 66 Abs 2 und 3 SGB I, die im vorliegenden Fall von ihrem Wortlaut her keine Anwendung finden, enthalten - entgegen der Auffassung des LSG - keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, der im Rahmen der wertenden Betrachtung des Kausalzusammenhanges iS des § 589 Abs 1 RVO zu beachten wäre. Insbesondere kann daraus nicht der Gedanke abgeleitet werden, dass das Unterbleiben einer dem Versicherten gemäß §§ 63, 65 Abs 1 Nr 2 SGB I unzumutbaren Maßnahme der Heilbehandlung (hier aus religiösen Gründen der Fremdbluttransfusion) auch bei jeder Betrachtung des Kausalzusammenhangs außer Ansatz bleiben müsste. Hierfür finden sich weder im Wortlaut noch in der Systematik der betreffenden Vorschriften entsprechende Anhaltspunkte. Zu Recht weist zwar das LSG darauf hin, diese Bestimmungen beruhten auf dem Grundgedanken, dass das Sozialstaatsprinzip (Art 20 Abs 1 GG) nicht nur leistungsbegründend zu verstehen sei, sondern - soweit zumutbar und verhältnismäßig - auch vom Einzelnen ein solidarisches Verhalten gegenüber der Gemeinschaft verlangen könne. Von entscheidender Bedeutung ist hier jedoch der systematische Ausgangspunkt der Regelungen. Diese sind nämlich allein auf das Verhältnis zwischen dem Antragsteller bzw dem Bezieher von Sozialleistungen und dem jeweiligen Leistungsträger zugeschnitten und setzen - was vor allem durch die Bestimmung zur vollständigen oder teilweisen Leistungsversagung in § 66 Abs 2 SGB I deutlich wird - voraus, dass grundsätzlich die Möglichkeit zur Nachholung der Mitwirkung gegeben ist, um so einen gewissen Druck auf den Antragsteller oder Leistungsbezieher auszuüben (vgl KassKomm-Seewald, Vor §§ 60 - 67 SGB I RdNr 14, 15; § 66 SGB I RdNr 2 mwN). Ferner können die Regelungen erst dann greifen, wenn eine bestimmte Sozialleistung beantragt ist; die Mitwirkungspflichten erweisen sich mithin nicht als allgemeine soziale Pflichten (KassKomm-Seewald, Vor §§ 60 - 67 SGB I RdNr 17), die über den konkret geregelten Bereich hinaus zu berücksichtigen wären, etwa bei der Bewertung zur Bestimmung einer haftungsausfüllenden Kausalität.
Schließlich hat auch die grundrechtlich garantierte Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art 4 Abs 1 und 2 GG) keine bei der Abwägung zur Feststellung der wesentlichen Bedingung für den Eintritt des Todes des V maßgebliche Bedeutung. Insbesondere kann die Verweigerung einer lebensrettenden Fremdbluttransfusion nicht deshalb, weil V bei der Entscheidung darüber in Ausübung seines Grundrechts nach Art 4 GG handelte, bei der Kausalitätsbetrachtung mit der Folge ausgeklammert werden, dass einem Ereignis (dem Unfall und der dadurch bedingten Operation), das sonst nicht den Tod des V verursacht hätte, die Qualität einer wesentlichen Bedingung hierfür zuerkannt wird. Bei dem einheitlichen Grundrecht der Glaubens- und Gewissensfreiheit nach Art 4 Abs 1 und 2 GG handelt es sich um ein klassisches Abwehrrecht des Bürgers gegenüber dem Staat (vgl BVerfGE 93, 1, 16 und 32, 98, 106; sa Starck in von Mangoldt/Klein/Starck, GG I, 4. Aufl 1999, Art 4 RdNr 20; Mager in von Münch/Kunig, GGK I, 5. Aufl 2000, Art 4 RdNr 39, 40, jeweils mwN). Die Wahrnehmung dieses Grundrechtes fällt allein in den Verantwortungsbereich des Grundrechtsträgers; Leistungsansprüche gegenüber dem Staat können aus Art 4 Abs 1 und 2 GG selbst nicht abgeleitet werden (vgl Starck, aaO; Mager, aaO).
Die Glaubens- und Gewissensfreiheit nach Art 4 Abs 1 und 2 GG wirkt sich - entgegen der Auffassung des LSG, das in diesem Zusammenhang von "mittelbarer Drittwirkung" spricht - auch bei einer verfassungskonformen bzw verfassungsorientierten Auslegung einfachen Rechts nicht in jedem Fall dergestalt aus, dass die Ausübung dieses Grundrechts keine für den Grundrechtsträger bzw seine Hinterbliebenen negativen leistungsrechtlichen Konsequenzen haben kann. Die Drittwirkung der Grundrechte besteht darin, dass ihr objektiv-rechtlicher Gehalt, die in ihnen zum Ausdruck kommende Wertentscheidung, bei der Anwendung des einfachen Rechts, insbesondere der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe und der Ausfüllung von Beurteilungs- und Ermessensspielräumen, zu beachten ist (ständige Rechtsprechung des BVerfG, vgl stellvertretend BVerfGE 80, 81, 92 f mwN; zur Drittwirkung der Grundrechte bei der Auslegung von Generalklauseln und anderen wertungsoffenen Rechtsbegriffen des Privatrechts: BVerfGE 84, 192, 195 mwN). Insofern kann sich die Gewährleistung von Freiheitsrechten wie der Religions- und Bekenntnisfreiheit auch auf das Bestehen von Sozialleistungsansprüchen auswirken (siehe etwa BSGE 61, 158, 161 ff = SozR 4100 § 119 Nr 30 S 139 ff und BVerfG NJW 1984, 912 zur Auslegung des Begriffs "wichtiger Grund" in § 119 Abs 1 des Arbeitsförderungsgesetzes). Dafür besteht hier jedoch keine Grundlage. Die bei der Prüfung der haftungsausfüllenden Kausalität vorzunehmende Bewertung bezieht sich allein auf die Frage, ob einem bestimmten Umstand, der zum Schadenseintritt beigetragen hat, unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der gesetzlichen Unfallversicherung die Qualität einer wesentlichen Bedingung zukommt. Dagegen lässt sie keinen Raum für eine Einbeziehung solcher Kausalfaktoren, die auf einer autonomen, dem privaten Bereich zuzurechnenden Entscheidung des Versicherten beruhen, auch wenn diese Entscheidung durch religiöse oder andere von der Rechtsordnung besonders anerkannte Motive bestimmt wurde. Die Tatsache, dass der Verweigerung der lebensrettenden Bluttransfusion eine verfassungsrechtlich geschützte Glaubensüberzeugung zugrunde lag, ändert deshalb nichts daran, dass durch diese Handlung des Versicherten der "betriebliche" Zusammenhang unterbrochen worden ist.
Da sich nach alledem der Wegeunfall des V am 10. März 1994 und die dadurch erforderlich gewordene Operation vom 17. Februar 1995 nicht als die wesentliche Bedingung für den Eintritt des Todes erweisen, ist ein Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenleistungen nach § 589 Abs 1 RVO nicht gegeben. Das angefochtene Urteil des LSG war auf die Revision der Beklagten aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe:
I
Streitig ist die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen an die Klägerin nach ihrem am 17. Februar 1995 im Verlauf einer wegen der Folgen eines Wegeunfalls durchgeführten Hüftprothesenwechseloperation verstorbenen Ehemann (V).
V, der der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas angehörte, erlitt am 10. März 1994 auf dem Weg von der Arbeit einen Verkehrsunfall, bei dem er sich bei vorbestehendem insulinpflichtigem Diabetes mellitus, dialysepflichtiger Niereninsuffizienz mit renaler Anämie und HIV-Infektion zahlreiche Frakturen ua im Bereich des linken Hüftgelenks zuzog. Im erstbehandelnden Krankenhaus fand keine Operation statt, weil V die Transfusion von Fremdblutbestandteilen aus religiösen Gründen ablehnte. Bei der Weiterbehandlung in der auf die Versorgung von Zeugen Jehovas eingerichteten Universitätsklinik Bonn wurde am 21. März 1994 die Hüftgelenkluxationsfraktur links mit einer Plattenosteosynthese versorgt. Am 15. September 1994 wurde eine Hüftgelenktotalendoprothese implantiert, am 28. September 1994 wegen Pfannenlockerung ein Pfannenwechsel und am 11. Oktober 1994 eine Wundrevision durchgeführt. Im Januar 1995 wurden eine Lockerung der Abstützplatte und eine Entzündung mit Abszessbildung festgestellt. In der Universitätsklinik Bonn wurde ein Wiederaufflackern des Hüftgelenkinfekts bestätigt. Da diese Klinik erklärte, sie wolle die erneut erforderliche Operation (septischer Prothesenwechsel) wegen der fehlenden Möglichkeit des Einsatzes von Fremdblut nicht riskieren und ohne Operation sei jedenfalls mit tödlichem Ausgang zu rechnen, wurde V im Einverständnis der Beklagten in die Endo-Klinik Hamburg, die über besondere Erfahrungen im Bereich der septischen Endoprothesenrevision und des autologen Transfusionskonzepts verfügt, verlegt. Am 17. Februar 1995 wurde dort eine Prothesenwechseloperation durchgeführt. Vorab wurden V und die Klägerin über das hohe Risiko des Eingriffs ohne Transfusion von Fremdblutderivaten aufgeklärt und darauf hingewiesen, dass V an den Folgen der Operation bzw des zu erwartenden Blutverlustes sterben könne. V, der eine Bluttransfusion in jedem Fall abgelehnt hatte, verlor bei der Operation ca fünf bis sechs Liter und postoperativ über die Drainage 12 bis 16 Liter Blut. Trotz der Rückgabe großer Mengen gewaschenen Erythrozytenkonzentrats verstarb er an Herzkreislaufversagen wegen Sauerstoffmangels für die Gewebe bei schwerster Anämie als Folge der Massivblutung bei ausgeprägter, nicht beherrschbarer Gerinnungsstörung. Zuvor war erfolglos versucht worden, ua von der Klägerin die Zustimmung für die Gabe homologer Blutprodukte zu erhalten.
Die Beklagte lehnte gegenüber der Klägerin die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus Anlass des Todes des V ab (Bescheid vom 2. August 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. September 1995). Das Sozialgericht Gießen (SG) hat die Klage nach Einholung ärztlicher Gutachten abgewiesen (Urteil vom 13. April 1999). Der Anspruch der Klägerin scheitere auch ohne Anhaltspunkte für einen Leistungsausschluss nach § 553 der Reichsversicherungsordnung (RVO) bzw für eine Selbsttötungsabsicht des V daran, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Tod des V und dem zuvor erlittenen Unfall sowie den dadurch verursachten Gesundheitsstörungen nicht bestehe. Die allein wesentliche Todesursache sei die aufgrund eindeutiger Ablehnung des V nicht erfolgte Fremdbluttransfusion. Denn die unfallbedingte Operation sei - abgesehen von den üblichen Risiken - nicht lebensgefährlich gewesen. Die Einengung des naturwissenschaftlichen Ursachenbegriffs durch die Theorie der wesentlichen Bedingung sei eine Wertungsfrage, deren entscheidendes Kriterium der Schutzzweck der Norm sei. Ausgehend vom Schutzzweck der gesetzlichen Unfallversicherung liege es auf der Hand, dass die Beklagte keine Hinterbliebenenleistungen zu erbringen habe, weil der Tod durch Bluttransfusionen hätte verhindert werden können. Auf die Notwendigkeit der Operation und die Erfolgschancen ohne Bluttransfusion komme es für die Beurteilung des Kausalzusammenhangs nicht an. Aus der Religionsfreiheit (Art 4 des Grundgesetzes (GG)) folge nichts anderes, da es sich hierbei um ein reines Abwehrrecht handele. V habe die Bluttransfusion ablehnen dürfen; er bzw seine Angehörigen hätten jedoch die Folgen zu tragen.
Auf die Berufung der Klägerin hat das Hessische Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin aus Anlass des Todes des V Hinterbliebenenleistungen in gesetzlichem Umfang zu gewähren. Der Tod des V sei im Rechtssinne mittelbare Folge des Wegeunfalls. Für die eingetretene Komplikation des Eingriffs sei die septische Hüftprothesenwechseloperation mit Freilegung eines großen Knochen- und Weichteilgebiets etc von entscheidender Bedeutung. Ferner sei der Wegeunfall ua mit Fraktur der linken Hüftgelenkpfanne seinerseits wesentliche Ursache der zur unstillbaren Blutung führenden Operation gewesen. Zweck des septischen Prothesenwechsels sei nach der Handlungstendenz der behandelnden Ärzte eine dauerhafte Sanierung des Infekts, die Verhinderung einer schweren, lebensbedrohlichen Komplikation in Form einer generalisierten Sepsis und die Verbesserung der Funktion des Hüftgelenks gewesen. An der wesentlichen kausalen Verknüpfung zwischen dem Wegeunfall und dem Zweck des ärztlichen Eingriffs vom 17. Februar 1995 ändere sich selbst dann nichts, wenn eine Operationsindikation nicht bestanden hätte. Der Ansicht, der Tod des V sei deshalb keine mittelbare Arbeitsunfallfolge im Rechtssinne, weil er durch eine Bluttransfusion wahrscheinlich hätte verhindert werden können und die entgegenstehende Entscheidung des V deshalb allein wesentliche Todesursache gewesen sei, könne nicht gefolgt werden. Das gelte auch dann, wenn V bei einer Bluttransfusion höchstwahrscheinlich nicht gestorben wäre. Welche Bedingung "wesentlich" sei, sei eine Wertentscheidung. Bei der Bewertung des Verletztenverhaltens unter dem Aspekt der "Unterbrechung des Kausalzusammenhangs" bzw der "selbstgeschaffenen Gefahr" im Rahmen der Kausalitätsbeurteilung seien die Grundentscheidungen des Gesetzgebers zu beachten.
So stelle § 548 Abs 3 RVO klar, dass verbotswidriges Handeln des Versicherten nicht die Annahme eines Versicherungsfalls ausschließe. § 553 Satz 1 RVO sehe vor, dass der Verletzte und die Hinterbliebenen erst dann keinen Anspruch hätten, wenn der Verletzte den Arbeitsunfall absichtlich verursacht habe. Dass selbst vorsätzliches strafbares Verhalten des Versicherten als wesentliche Ursache des Unfalls regelmäßig nicht zum Verlust des Versicherungsschutzes führe, verdeutliche § 554 Abs 1 RVO. Dies belege, dass der Unfallversicherungsschutz bei diesen Handlungen grundsätzlich bestehen bleibe, der innere Zusammenhang zwischen dem Unfall und der versicherten Tätigkeit mithin durch dieses Verhalten nicht entfalle, sondern dass lediglich die Entschädigung im Wege des Ermessens des Unfallversicherungsträgers begrenzt werden könne. Außerdem ergebe sich hieraus iVm § 589 RVO, dass selbst im Falle des unfallbedingten Todes des Verletzten Ansprüche auf Hinterbliebenenleistungen wegen des Verhaltens auch bei Ergehen eines strafgerichtlichen Urteils nicht versagt werden könnten. Dies wäre allenfalls zulässig, wenn sich aus der Art und Schwere der Straftat besonders schwerwiegende Gründe ergäben, da durch die Regelung des § 554 RVO vorrangig der Verletzte selbst getroffen werden solle. Angehörige hätten außer im Fall der absichtlichen Herbeiführung des Arbeitsunfalls durch den Verletzten (§ 553 Satz 1 RVO) nur dann keinen Leistungsanspruch, wenn sie den Arbeitsunfall mit Todesfolge selbst vorsätzlich verursacht hätten (§ 553 Satz 2 RVO). Schließlich werde durch die §§ 63, 65 Abs 1 Nr 2, Abs 2, 66 Abs 2 und 3 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) klargestellt, dass der Verletzte nach einem Arbeitsunfall unter bestimmten Umständen im anschließenden Heilverfahren ohne jeden Nachteil Behandlungen ablehnen könne. Die §§ 63 ff SGB I sähen nicht den völligen Verlust des Leistungsrechts bei einer Verletzung von Mitwirkungspflichten vor und böten daher keine Handhabe für die Herausnahme einer durch mangelnde Mitwirkung bei der Heilbehandlung herbeigeführten Verschlechterung der Arbeitsunfallfolgen aus der grundsätzlichen Entschädigungspflicht. Abwegig sei die Annahme, dass V sich nach mehreren erfolgreich durchgeführten Operationen der letzten großen Operation durch die präoperativ aus Glaubensgründen verweigerte Bluttransfusion in Selbsttötungsabsicht unterzogen habe. Nicht zur Debatte stehe auch, dass die Klägerin durch Nichterteilung der Zustimmung zu Fremdbluttransfusionen auf Drängen der Ärzte den Tod des V vorsätzlich herbeigeführt habe, weil sie an dessen präoperative Ablehnung gebunden gewesen sei.
Diese gesetzlichen Vorgaben seien bei der Kausalitätsbeurteilung zu beachten. Unter dem Aspekt der "Unterbrechung des Kausalzusammenhangs wegen selbstgeschaffener Gefahr" und des "Schutzzwecks der anzuwendenden Normen" könnten nicht betriebliche Bedingungen eines Unfalls oder des Todes wegen eines Handelns oder Unterlassens des Versicherten als unwesentlich ausgeschieden werden, das nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers den Eintritt des Versicherungs- und Leistungsfalls nicht hindern solle. Die "selbstgeschaffene Gefahr" sei erst bedeutsam, wenn ihr betriebsfremde Motive zugrunde lägen (Hinweis auf BSGE 28, 14 = SozR Nr 10 zu § 548 RVO). Selbst wenn in Fällen mangelnder Mitwirkung eine Unterbrechung der haftungsausfüllenden Kausalität mit der Folge des Ausschlusses von Leistungsansprüchen möglich wäre, müsste der Berufung stattgegeben werden. V habe sich einer ihm ärztlicherseits zur Behandlung der Unfallfolgen vorgeschlagenen, nicht ungefährlichen Operation nicht verweigert, sondern sich dazu bereit erklärt, obwohl nach Ansicht der Ärzte der Universitätsklinik Bonn ohne den septischen Prothesenwechsel in jedem Fall mit einem tödlichen Ausklang zu rechnen gewesen wäre. Die Verweigerung von Bluttransfusionen aus religiöser Überzeugung habe in enger Beziehung zu der wegen der Arbeitsunfallfolgen notwendigen Operation mit ihrem "betrieblichen" Zweck gestanden. Für eine "gemischte", privaten und betrieblichen Zwecken dienende Tätigkeit, wie sie die Annahme einer selbstgeschaffenen Gefahr im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität voraussetze, sei nichts ersichtlich. Um die Verweigerung der Zustimmung zu Fremdbluttransfusionen als allein wesentliche, die Auswirkungen der unfallbedingten Operation völlig in den Hintergrund drängende Todesursache ansehen zu können, müsste diese sich als ein völlig vernunftwidriges Verhalten darstellen, was sich aber nicht aufdränge. Denn ungeachtet der risikoerhöhenden Einschränkung hätten die Ärzte der Endo-Klinik wie auch V selbst die Operation als geeignete und erfolgversprechende Maßnahme ansehen dürfen. Schließlich habe auch die Beklagte V nicht auf der Grundlage der Vorschriften des SGB I aufgefordert, Fremdbluttransfusionen zuzustimmen, nachdem sie von den Ärzten der Universitätsklinik Bonn am 27. Januar 1995 über den beabsichtigten septischen Prothesenwechsel ohne Fremdblutgabe in der Endo-Klinik informiert worden sei. Zudem müsste V für sein Verhalten bei Anlegung subjektiver Maßstäbe zumindest iS einer groben Fahrlässigkeit verantwortlich gemacht werden können. Da die Ablehnung einer Fremdbluttransfusion als Ausdruck einer Glaubensüberzeugung unter dem Schutz des Art 4 GG stehe, habe V für die Entscheidung objektiv und subjektiv einen wichtigen Grund iS des § 65 Abs 1 Nr 2 SGB I gehabt. Zwar sei Art 4 GG ein Abwehrrecht; dennoch ergebe sich daraus eine mittelbare Drittwirkung in das einfache Gesetzesrecht.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Beklagte die Verletzung der §§ 548, 589 RVO. Das LSG habe die Kausalitätsnorm unzutreffend angewandt. Zu Unrecht habe es in der durch V gesetzten Ursache - der Verweigerung der Bluttransfusion - keine Unterbrechung des Kausalverlaufs gesehen. Der Schutzzweck des § 589 RVO reiche nicht so weit, einer Witwe Hinterbliebenenleistungen gewähren zu müssen, deren Ehemann nicht aus "betrieblichen", sondern aus religiösen Gründen lebensrettende Maßnahmen verweigere. Zwar stelle das LSG die These auf, der Begriff der selbst geschaffenen Gefahr sei nicht einschlägig, wenn der Versicherte nur betriebliche Zwecke verfolge. Da die Entscheidung des V aber nicht von betrieblichen Zwecken, sondern von religiösen Überzeugungen geprägt gewesen sei, sei eine eindeutige Kausalkette durch sein Verhalten unterbrochen worden. Die Ausführungen des LSG zur fehlenden Mitwirkung iS der §§ 60 ff SGB I seien zur Lösung des Falles unerheblich, da nicht festgestellt sei, ob V die Folgen seines Handelns zutreffend iS eines Hinweises nach § 66 Abs 3 SGB I vor Augen geführt worden seien. Sie, die Beklagte, respektiere zwar das Recht des V aus Art 4 GG; die Wahrnehmung dieses Rechts könne aber nicht dazu führen, Ansprüche zu Lasten der Versichertengemeinschaft durchzusetzen.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 4. Dezember 2002 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 13. April 1999 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
II
Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach ihrem verstorbenen Ehemann, wie das SG zutreffend entschieden hat; die Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig.
Der von der Klägerin erhobene Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen richtet sich noch nach den Vorschriften der RVO, da der von ihr geltend gemachte Versicherungsfall (vgl § 7 Abs 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII)) - der Arbeitsunfall des V - vor dem In-Kraft-Treten des SGB VII am 1. Januar 1997 eingetreten ist (Art 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes (UVEG), § 212 SGB VII).
Nach § 589 Abs 1 RVO sind Hinterbliebenenleistungen bei Tod durch Arbeitsunfall zu gewähren. Arbeitsunfall iS des § 548 Abs 1 Satz 1 RVO ist ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Als Arbeitsunfall gilt nach § 550 Abs 1 Satz 1 RVO auch ein Unfall auf einem mit einer der genannten Tätigkeiten zusammenhängenden Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit. Dass der Unfall des V am 10. März 1994 ein Arbeitsunfall in Form eines Wegeunfalles war und die Klägerin Hinterbliebene des am 17. Februar 1995 verstorbenen V ist, steht nach den berufungsgerichtlichen Feststellungen außer Zweifel. Der Tod des V ist jedoch nicht im Rechtssinne durch diesen Wegeunfall verursacht worden.
Zwar ergibt sich ein Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfall des V am 10. März 1994 und der tödlich verlaufenen Operation vom 17. Februar 1995 daraus, dass die Operation aufgrund der unfallbedingten Verletzungen durchgeführt wurde. Da diese Operation nicht stattgefunden hätte und damit der Tod des V zu diesem Zeitpunkt (wahrscheinlich) nicht eingetreten wäre, wenn V den Unfall am 10. März 1994 nicht erlitten hätte, ist das Unfallgeschehen für den Tod des V in jedem Fall eine Ursache iS der naturwissenschaftlich-philosophischen Kausalität ("conditio sine qua non"; vgl BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 13). Allerdings war die Verweigerung der Transfusion von Fremdblutderivaten während und nach der Operation durch V ebenfalls eine Ursache für den Tod des V iS der "conditio sine qua non", wie sich aus den nicht mit zulässigen und begründeten Rügen angefochtenen und daher für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) ergibt. Denn danach hätte das Leben des V bei einer - hier medizinisch indizierten - Fremdbluttransfusion bei bzw nach der Operation mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gerettet werden können.
Ob die Verursachung des Todes eines Versicherten "durch" einen Arbeitsunfall festgestellt werden kann, entscheidet sich - bei Vorliegen einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne - letztlich danach, ob das Unfallereignis selbst - und nicht eine andere, unfallunabhängige Ursache - die wesentliche Bedingung für den Eintritt des Todes bildet (st Rspr des BSG; vgl stellvertretend BSGE 63, 277, 278 = SozR 2200 § 548 Nr 91 mwN; Brackmann/Krasney, SGB VII, 12. Aufl, § 8 RdNr 308 ff). Welcher Umstand entweder für den Eintritt eines Arbeitsunfalls oder - worauf es hier bei der Feststellung der so genannten haftungsausfüllenden Kausalität entscheidend ankommt - für den Eintritt des Schadens, nämlich den Tod des V, als wesentlich angesehen werden muss, ist durch eine wertende Betrachtung aller in Frage kommenden Umstände zu ermitteln. Die einzelnen Bedingungen müssen gegeneinander abgewogen werden; ob eine von ihnen wesentlich den Erfolg mitbewirkt hat, ist anhand ihrer Qualität zu entscheiden. Auf eine zeitliche Reihenfolge oder die Quantität kommt es nicht an. Zur Bewertung der Qualität einer bestimmten Bedingung hat die Rechtsprechung (s etwa BSGE 59, 193, 195 = SozR 2200 § 548 Nr 77 mwN) vielfach auf die Auffassung des "täglichen" oder "praktischen" Lebens abgestellt. Anders als bei der für das Zivilrecht maßgebenden Adäquanztheorie (stellvertretend BGHZ 137, 11, 19 ff mwN) folgt daraus keine abstrakt-generalisierende Betrachtungsweise; vielmehr ist die Kausalitätsbewertung in der gesetzlichen Unfallversicherung vom ex-post-Standpunkt aus anhand individualisierender und konkretisierender Merkmale des jeweiligen Einzelfalles vorzunehmen. Daher kommt es bei der Wertung im Bereich der haftungsausfüllenden Kausalität vor allem darauf an, welche Auswirkungen das Unfallgeschehen gerade bei der betreffenden Einzelperson mit ihrer jeweiligen Struktureigenheit im körperlich-seelischen Bereich hervorgerufen hat (vgl BSGE 66, 156, 158 = SozR 3-2200 § 553 Nr 1 mwN). Gleichzeitig ist im Rahmen der gegenseitigen Abwägung mehrerer, zu einem bestimmten "Erfolg" führender Umstände der Schutzzweck sowohl der gesetzlichen Unfallversicherung im Allgemeinen als auch der jeweils anzuwendenden Norm - hier des § 589 Abs 1 RVO - zu berücksichtigen. Dies führt zu der Wertbestimmung, bis zu welcher Grenze der Versicherungsschutz im Einzelfall reicht (vgl BSG SozR 2200 § 548 Nr 96 mwN).
Nach diesen Grundsätzen erfüllt die durch den Unfall des V am 10. März 1994 erforderlich gewordene Operation vom 17. Februar 1995 nicht die qualitativen Anforderungen an eine für den Eintritt des Todes wesentliche Bedingung.
Die unfallbedingte Operation des V hätte nach den bindenden Feststellungen des LSG unter "normalen" Bedingungen, dh bei einem allein medizinischen Anforderungen entsprechenden Verlauf inklusive einer Fremdbluttransfusion, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zum Tode geführt. Konkret und individuell auf die Person des V bezogen sind keine Anzeichen für eine körperlich-seelische Struktur des V ersichtlich, die den Tod durch die unfallbedingte Operation unausweichlich herbeigeführt hätte. Die bei ihm bestehenden Vorerkrankungen (insulinpflichtiger Diabetes mellitus, dialysepflichtige Niereninsuffizienz mit renaler Anämie und HIV-Infektion) haben den tödlichen Ausgang der Operation am 17. Februar 1995 nicht wesentlich verursacht. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die psychische Verfasstheit des V verantwortlich für seinen Tod war, denn dies wäre allenfalls dann anzunehmen, wenn er in seiner Fähigkeit zur Willensbildung beeinträchtigt gewesen wäre und er in diesem Zustand etwa "vernunftwidrige" Entscheidungen getroffen hätte (vgl BGSE 28, 14, 17 = SozR Nr 10 zu § 548 RVO). Zwar hat V dem an sich lebensrettenden septischen Prothesenwechsel vom 17. Februar 1995 zugestimmt, jedoch allein aus religiösen Motiven die Gabe von Fremdblutderivaten bei und nach der Operation auch für den Fall abgelehnt, dass diese zur Rettung aus Lebensgefahr notwendig werden sollte. Hinweise dafür, dass V bei der Zustimmung zur Operation oder bei der Kundgabe seiner Ablehnung von Fremdbluttransfusionen in der Fähigkeit zur Willensbildung, etwa iS eines psychischen Traumas (vgl BSG, Urteil vom 8. Dezember 1998 - B 2 U 1/98 R = USK 98172) beeinträchtigt gewesen wäre, sind nicht ersichtlich. V - und die Klägerin - sind nach den bindenden Feststellungen über das Operationsrisiko und insbesondere über das ohne die Möglichkeit einer Fremdbluttransfusion bei einem so ausgedehnten Eingriff sich ergebende hohe Risiko präoperativ in mehreren Gesprächen aufgeklärt worden. Es ist daher davon auszugehen, dass V in der Lage war, auch angesichts der aufgezeigten Risiken eine autonome Entscheidung frei von Willensmängeln zu treffen. Ob eine Willensäußerung dieser Art in den Augen anderer, ggf auch der behandelnden Ärzte, vernunftwidrig oder nicht nachvollziehbar war, ist für die hier vorzunehmende Wertung unerheblich. Bereits daraus, dass die unfallbedingte Operation somit nicht auf einen solchen körperlich-seelischen Zustand bei V traf, der zwangsläufig einen tödlichen Ausgang zur Folge haben musste, folgt, dass das Unfallereignis wegen der konkreten und individuellen Umstände in der Person des V nicht die wesentliche Bedingung für dessen Tod sein konnte.
Seine Entsprechung findet dieses Wertungsergebnis in der Betrachtung des Schutzzwecks der gesetzlichen Unfallversicherung als solcher und der hier maßgebenden Anspruchsnorm des § 589 Abs 1 RVO. Die gesetzliche Unfallversicherung ist wesentlich darauf angelegt, den Unternehmer von der aus der Betriebstätigkeit erwachsenden Verschuldens- und Gefährdungshaftung zu befreien. § 539 Abs 1 Nr 1 RVO (vgl nunmehr §§ 1, 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII) dient der Ablösung von zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, wie dies in den §§ 636 ff RVO (jetzt §§ 104 ff SGB VII) zum Ausdruck kommt. Der Gesetzgeber wollte mit der Schaffung der gesetzlichen Unfallversicherung dem geschädigten Arbeitnehmer zwecks Wahrung des Betriebsfriedens ersparen, den Arbeitgeber zu verklagen. An die Stelle eines zivilrechtlichen Schadensersatzanspruches gegen den Arbeitgeber trat ein auf dem Grundsatz der Gefährdungshaftung aufbauender öffentlich-rechtlicher Entschädigungsanspruch des Arbeitnehmers gegen den zuständigen Unfallversicherungsträger. Dieser hat Leistungen zu erbringen, wenn sich Gefahren konkretisiert haben, die einen wesentlichen Entstehungsgrund in der betrieblichen Sphäre haben. Trotz der hiervon abweichenden Konzeption bei Wegeunfällen ist auch hier die betriebliche Zurechenbarkeit ein maßgebliches Kriterium (vgl BSG SozR 2200 § 548 Nr 96 mwN). Diesem (allgemeinen) Zweck entspricht auch die Vorschrift des § 589 Abs 1 RVO, die lediglich den Hinterbliebenen einen eigenen - im Gegensatz zu einem vom Versicherten abgeleiteten - Anspruch auf Leistungen bei einem betrieblich verursachten Tod des Versicherten geben will (BSG SozR 2200 § 589 Nr 8; vgl Brackmann/Burchardt, SGB VII, 12. Aufl, § 63 RdNr 8, 8a).
Von diesem Schutzzweck wird der vorliegende Fall jedenfalls nicht erfasst. Da der Tod des V bei rechtzeitiger Gabe von Fremdblutderivaten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten wäre und weil die Verweigerung der Fremdbluttransfusion auf einer autonomen, ausschließlich religiös motivierten Entscheidung des V beruht, war das Fortwirken des "betrieblichen" Grundes für die Operation am 17. Februar 1995 unterbrochen. Zwar war weiterhin der Wegeunfall für die Vornahme der Operation selbst konstitutiv, sodass insofern auch ein "betrieblicher", mit dem Schutzzweck der gesetzlichen Unfallversicherung vereinbarer Grund vorlag, demzufolge die Beklagte etwa auch die Operationskosten zu tragen hatte. Das Dazwischentreten nicht-betrieblicher, allein im Verantwortungsbereich des V liegender religiöser Gründe hat jedoch den gesamten Zusammenhang aus dem oben dargestellten Schutzzweck einer Unternehmerhaftung mit betrieblicher Zurechenbarkeit herausgelöst. Deshalb kann der einstmals gegebene betriebliche Grund (wegeunfallbedingte Operation) auch unter Schutzzweckgesichtspunkten nicht als wesentlich für den Tod des V angesehen werden.
Entgegen der Auffassung des LSG vermag die Bezugnahme auf die Vorschriften des § 548 Abs 3 RVO und der §§ 553, 554 RVO nichts zur Klärung beizutragen. Zum einen - und darauf hat bereits das SG abgestellt - sind die genannten Regelungen bereits von ihrem Wortlaut her auf die vorliegende Fallgestaltung nicht anwendbar, denn es geht hier nicht darum, dass V oder die Klägerin etwa den Wegeunfall durch verbotswidriges Verhalten bzw absichtlich herbeigeführt hätten. Zum andern kann aus den genannten Regelungen auch nicht auf einen Willen des Gesetzgebers dahingehend geschlossen werden, dass allgemein - trotz an sich regel- oder verbotswidrigen Verhaltens des Versicherten - nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen ein Kausalzusammenhang zwischen Unfallereignis und dem haftungsauslösenden Schaden entfallen soll. So schließt zwar nach § 548 Abs 3 RVO ein verbotswidriges Handeln den Versicherungsfall nicht aus. Mit dem Begriff des "verbotswidrigen Handelns" in § 548 Abs 3 RVO ist jedoch nicht bereits jedes verbotswidrige Tun gemeint. Vielmehr wird nur das dem Betrieb zurechenbare verbotswidrige Verhalten eines Versicherten erfasst, nicht aber darüber hinausgehendes, in den eigenen Risikobereich des Versicherten fallendes Tun (vgl BSGE 42, 129, 133 = SozR 2200 § 548 Nr 22). Wenn das LSG daraus dennoch schließt, die Verweigerung einer keinem gesetzlichen oder sonstigen Verbot widersprechenden Fremdbluttransfusion könne nicht zur Leistungsversagung für die Hinterbliebenen führen, übersieht es den Sinn und Zweck der Regelung, verbotenes Tun nicht (auch) noch im Wege des Unfallversicherungsrechts zu sanktionieren, solange ein betrieblicher Zusammenhang besteht. Zudem sollen durch diese Norm schwer zu lösende Zweifelsfälle im Hinblick auf das Verschulden des Versicherten am Eintritt des Versicherungsfalles vermieden werden (KassKomm-Ricke, § 7 SGB VII RdNr 5). Daraus ergibt sich, dass § 548 Abs 3 RVO lediglich auf den Zusammenhang zwischen dem (betrieblichen) Verhalten des Versicherten und dem Unfallgeschehen selbst, die haftungsbegründende Kausalität, nicht aber auf die hier fragliche haftungsausfüllende Kausalität zugeschnitten ist. Da somit eine dem Sinn der Vorschrift entsprechende Lage vorliegend nicht erkennbar ist, kann weder eine analoge Anwendung der Norm noch ihre Berücksichtigung im Rahmen der Beurteilung der haftungsausfüllenden Kausalität in Betracht gezogen werden. Wollte man dennoch dem § 548 Abs 3 RVO den Gedanken entnehmen, auch grundsätzlich erlaubtes Verhalten (wie hier die Verweigerung der Fremdbluttransfusion) könne im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität nicht zu einer Leistungsversagung führen, so müsste das betreffende Verhalten jedoch einen betrieblichen Zusammenhang aufweisen. Dies ist indes nach den obigen Ausführungen wegen der autonomen, religiös motivierten Entscheidung des V nicht der Fall.
Ebenso wenig kann den §§ 553 und 554 RVO ein für die Beurteilung der haftungsausfüllenden Kausalität nach § 589 Abs 1 RVO maßgeblicher Rechtsgedanke entnommen werden. § 553 RVO bestimmt für den Fall der Herbeiführung des Verssicherungsfalles durch grob regelwidriges Verhalten des Versicherten (§ 553 Satz 1 RVO) oder seiner Angehörigen (§ 553 Satz 2 RVO) einen Leistungsausschluss. § 554 RVO sieht die Möglichkeit einer vollständigen oder teilweisen Leistungsversagung gegenüber dem Verletzten bzw seinen Hinterbliebenen für den Fall vor, dass der Verletzte den Arbeitsunfall bei Begehung einer schwereren, gerichtlich abgeurteilten Straftat erlitten hat. Die entscheidende Gemeinsamkeit der genannten Normen liegt darin, dass sie - wie § 548 Abs 3 RVO auch - stets vom Eintritt eines Versicherungsfalles unabhängig von der Regelwidrigkeit des Tuns des Verletzten ausgehen (vgl dazu Brackmann/Burchardt, SGB VII, 12. Aufl, § 101 RdNr 7). Damit berühren sie aber nicht die hier zu beantwortende Frage der Kausalität, sondern setzen diese als bereits gegeben voraus. Die Vorschriften weisen daher eine spezifische, mit dem hiesigen Kontext nicht übereinstimmende Systematik auf. Ihnen kann auch kein allgemeines Prinzip entnommen werden, demzufolge etwa jedes erlaubte Verhalten eines Verletzten (hier etwa die Verweigerung einer Bluttransfusion), das in irgend einer Form mit dem durch einen Arbeitsunfall begonnenen Kausalverlauf verbunden ist, keinen Einfluss auf diesen Kausalverlauf nehmen kann. Eine solche Sichtweise ließe die unterschiedlichen Möglichkeiten des frei verantwortlichen Tuns eines Menschen unberücksichtigt und würde zudem zu einer mit dem Schutzzweck der gesetzlichen Unfallversicherung unvereinbaren Ausdehnung des Versicherungsschutzes führen.
Auch die §§ 60 ff SGB I, insbesondere die Regelungen in § 63, § 65 Abs 1 Nr 2 und Abs 2 sowie in § 66 Abs 2 und 3 SGB I, die im vorliegenden Fall von ihrem Wortlaut her keine Anwendung finden, enthalten - entgegen der Auffassung des LSG - keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, der im Rahmen der wertenden Betrachtung des Kausalzusammenhanges iS des § 589 Abs 1 RVO zu beachten wäre. Insbesondere kann daraus nicht der Gedanke abgeleitet werden, dass das Unterbleiben einer dem Versicherten gemäß §§ 63, 65 Abs 1 Nr 2 SGB I unzumutbaren Maßnahme der Heilbehandlung (hier aus religiösen Gründen der Fremdbluttransfusion) auch bei jeder Betrachtung des Kausalzusammenhangs außer Ansatz bleiben müsste. Hierfür finden sich weder im Wortlaut noch in der Systematik der betreffenden Vorschriften entsprechende Anhaltspunkte. Zu Recht weist zwar das LSG darauf hin, diese Bestimmungen beruhten auf dem Grundgedanken, dass das Sozialstaatsprinzip (Art 20 Abs 1 GG) nicht nur leistungsbegründend zu verstehen sei, sondern - soweit zumutbar und verhältnismäßig - auch vom Einzelnen ein solidarisches Verhalten gegenüber der Gemeinschaft verlangen könne. Von entscheidender Bedeutung ist hier jedoch der systematische Ausgangspunkt der Regelungen. Diese sind nämlich allein auf das Verhältnis zwischen dem Antragsteller bzw dem Bezieher von Sozialleistungen und dem jeweiligen Leistungsträger zugeschnitten und setzen - was vor allem durch die Bestimmung zur vollständigen oder teilweisen Leistungsversagung in § 66 Abs 2 SGB I deutlich wird - voraus, dass grundsätzlich die Möglichkeit zur Nachholung der Mitwirkung gegeben ist, um so einen gewissen Druck auf den Antragsteller oder Leistungsbezieher auszuüben (vgl KassKomm-Seewald, Vor §§ 60 - 67 SGB I RdNr 14, 15; § 66 SGB I RdNr 2 mwN). Ferner können die Regelungen erst dann greifen, wenn eine bestimmte Sozialleistung beantragt ist; die Mitwirkungspflichten erweisen sich mithin nicht als allgemeine soziale Pflichten (KassKomm-Seewald, Vor §§ 60 - 67 SGB I RdNr 17), die über den konkret geregelten Bereich hinaus zu berücksichtigen wären, etwa bei der Bewertung zur Bestimmung einer haftungsausfüllenden Kausalität.
Schließlich hat auch die grundrechtlich garantierte Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art 4 Abs 1 und 2 GG) keine bei der Abwägung zur Feststellung der wesentlichen Bedingung für den Eintritt des Todes des V maßgebliche Bedeutung. Insbesondere kann die Verweigerung einer lebensrettenden Fremdbluttransfusion nicht deshalb, weil V bei der Entscheidung darüber in Ausübung seines Grundrechts nach Art 4 GG handelte, bei der Kausalitätsbetrachtung mit der Folge ausgeklammert werden, dass einem Ereignis (dem Unfall und der dadurch bedingten Operation), das sonst nicht den Tod des V verursacht hätte, die Qualität einer wesentlichen Bedingung hierfür zuerkannt wird. Bei dem einheitlichen Grundrecht der Glaubens- und Gewissensfreiheit nach Art 4 Abs 1 und 2 GG handelt es sich um ein klassisches Abwehrrecht des Bürgers gegenüber dem Staat (vgl BVerfGE 93, 1, 16 und 32, 98, 106; sa Starck in von Mangoldt/Klein/Starck, GG I, 4. Aufl 1999, Art 4 RdNr 20; Mager in von Münch/Kunig, GGK I, 5. Aufl 2000, Art 4 RdNr 39, 40, jeweils mwN). Die Wahrnehmung dieses Grundrechtes fällt allein in den Verantwortungsbereich des Grundrechtsträgers; Leistungsansprüche gegenüber dem Staat können aus Art 4 Abs 1 und 2 GG selbst nicht abgeleitet werden (vgl Starck, aaO; Mager, aaO).
Die Glaubens- und Gewissensfreiheit nach Art 4 Abs 1 und 2 GG wirkt sich - entgegen der Auffassung des LSG, das in diesem Zusammenhang von "mittelbarer Drittwirkung" spricht - auch bei einer verfassungskonformen bzw verfassungsorientierten Auslegung einfachen Rechts nicht in jedem Fall dergestalt aus, dass die Ausübung dieses Grundrechts keine für den Grundrechtsträger bzw seine Hinterbliebenen negativen leistungsrechtlichen Konsequenzen haben kann. Die Drittwirkung der Grundrechte besteht darin, dass ihr objektiv-rechtlicher Gehalt, die in ihnen zum Ausdruck kommende Wertentscheidung, bei der Anwendung des einfachen Rechts, insbesondere der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe und der Ausfüllung von Beurteilungs- und Ermessensspielräumen, zu beachten ist (ständige Rechtsprechung des BVerfG, vgl stellvertretend BVerfGE 80, 81, 92 f mwN; zur Drittwirkung der Grundrechte bei der Auslegung von Generalklauseln und anderen wertungsoffenen Rechtsbegriffen des Privatrechts: BVerfGE 84, 192, 195 mwN). Insofern kann sich die Gewährleistung von Freiheitsrechten wie der Religions- und Bekenntnisfreiheit auch auf das Bestehen von Sozialleistungsansprüchen auswirken (siehe etwa BSGE 61, 158, 161 ff = SozR 4100 § 119 Nr 30 S 139 ff und BVerfG NJW 1984, 912 zur Auslegung des Begriffs "wichtiger Grund" in § 119 Abs 1 des Arbeitsförderungsgesetzes). Dafür besteht hier jedoch keine Grundlage. Die bei der Prüfung der haftungsausfüllenden Kausalität vorzunehmende Bewertung bezieht sich allein auf die Frage, ob einem bestimmten Umstand, der zum Schadenseintritt beigetragen hat, unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der gesetzlichen Unfallversicherung die Qualität einer wesentlichen Bedingung zukommt. Dagegen lässt sie keinen Raum für eine Einbeziehung solcher Kausalfaktoren, die auf einer autonomen, dem privaten Bereich zuzurechnenden Entscheidung des Versicherten beruhen, auch wenn diese Entscheidung durch religiöse oder andere von der Rechtsordnung besonders anerkannte Motive bestimmt wurde. Die Tatsache, dass der Verweigerung der lebensrettenden Bluttransfusion eine verfassungsrechtlich geschützte Glaubensüberzeugung zugrunde lag, ändert deshalb nichts daran, dass durch diese Handlung des Versicherten der "betriebliche" Zusammenhang unterbrochen worden ist.
Da sich nach alledem der Wegeunfall des V am 10. März 1994 und die dadurch erforderlich gewordene Operation vom 17. Februar 1995 nicht als die wesentliche Bedingung für den Eintritt des Todes erweisen, ist ein Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenleistungen nach § 589 Abs 1 RVO nicht gegeben. Das angefochtene Urteil des LSG war auf die Revision der Beklagten aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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