L 9 R 848/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 672/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 848/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 24. Februar 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit zwischen den Beteiligten steht ein Anspruch der Klägerin auf eine Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1967 geborene Klägerin begann eine Ausbildung zur Friseurin, die sie 1983 ohne Abschluss abbrach. Ihr Versicherungskonto enthält Pflichtbeitragszeiten für die Zeit von November 2004 bis März 2008. Seit September 2008 war die Klägerin wieder versicherungspflichtig beschäftigt, zuletzt ab dem Jahr 2010 als Produktionshelferin in Teilzeit (20 Stunden wöchentlich). Im August 2012 erkrankte sie arbeitsunfähig und bezog bis zum 28.02.2013 Krankengeld.

Am 14.02.2012 stellte sie bei der Beklagten einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung, zu dem sie angab, sich seit Herbst 2011 wegen orthopädischer Gesundheitsstörungen (Spondylose, Spondylarthrose der Halswirbelsäule [HWS], degenerativer Bandscheibenerkrankung sowie Heberden-Arthrose) für erwerbsgemindert zu halten.

Die Beklagte beauftragte die Fachärztin für Innere Medizin Dr. S. mit einer Begutachtung und ambulanten Untersuchung der Klägerin, die am 13.03.2012 stattfand. In ihrem Gutachten vom 20.03.2012 gab Dr. S. als Diagnosen Fingergelenksarthrosen mit Bewegungseinschränkungen und Schmerzen bei Zustand nach Versteifungsoperation D2 rechts und D2/5 links, Bewegungseinschränkung und wechselnde Sensibilitätsstörungen bei Bandscheibenvorfall C3-6, Versteifungsoperation C4-6 und Wirbelkörperersatz C5, einen Bandscheibenvorfall L4/5 bei geringer Fußheberschwäche links und rezidivierenden Sensibilitätsstörungen sowie beidseitige Schultergelenksarthrosen bei Zustand nach zweifacher Operation - 2008 und 2010 - mit Bewegungseinschränkung an. Ferner führte die Ärztin aus, die gesundheitliche Situation der Klägerin sei derzeit so unübersichtlich, dass zunächst eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt und erst nach deren Abschluss eine Leistungsbeurteilung erfolgen sollte.

Unter der Kostenträgerschaft der Beklagten nahm die Klägerin daher im Zeitraum vom 02.08.2012 bis 23.08.2012 an einer stationären Maßnahme in der R.-Klinik a. K. in B. K. teil. Dem Entlassungsbericht vom 03.09.2012 ist neben den bereits von Dr. S. festgestellten Erkrankungen als weitere Gesundheitsbeeinträchtigung eine Epicondylopathia humeroradialis links zu entnehmen. Es bestehe Leistungsfähigkeit für mindestens sechs Stunden täglich für leichte körperliche Tätigkeiten vorzugsweise im Wechsel zwischen Gehen, Sitzen und Stehen mit Einschränkungen bei Tätigkeiten mit erhöhter Anforderung an die Feinmotorik und die grobe Kraft beider Hände. Die Klägerin wurde arbeitsfähig entlassen.

Mit Bescheid vom 12.09.2012 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab, weil diese die medizinischen Voraussetzungen für die begehrte Rente wegen Erwerbsminderung nicht erfülle.

Die Klägerin erhob hiergegen am 08.10.2012 Widerspruch, woraufhin die Beklagte den Orthopäden Dr. S. mit der Erstellung eines Gutachtens betraute. Dieser diagnostizierte in seinem Gutachten vom 24.12.2012 bei der Klägerin ein Zervikalsyndrom bei Osteochondrose mit Uncarthrose HWK3-7, einen Zustand nach zervikaler Bandscheibenoperation mit Fusion von HWK4-6, nach Epicondylitis-Operation sowie nach Arthrodese am DIP-Gelenk der Finger II beidseits und des Fingers V links, Periarthritis humeroscapularis bei der Schultern, Ischiolumbalgie bei linkskonvexer Torsionsskoliose mit Osteochondrose L4/5, L5/S1 und Asthma bronchiale. Mit diesen Erkrankungen sei die Durchführung körperlich leichter Arbeiten noch mindestens sechs Stunden täglich möglich. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 21.02.2013 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 04.03.2013 vor dem Sozialgericht Ulm (SG) Klage erhoben.

Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen schriftlich befragt und auf Antrag und Kostenrisiko der Klägerin den Facharzt für Orthopädie Dr. B. zum gerichtlichen Sachverständigen bestellt und ihn mit der Erstellung eines Gutachtens nach einer ambulanten Untersuchung der Klägerin beauftragt, die am 06.02.2014 stattgefunden hat.

Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. P. hat mit Schreiben vom 23.05.2013 ausgeführt, die Klägerin leide an einem Zustand nach Korrekturspondylodese C3-6, einer Omarthrose links, einem Bandscheibenvorfall L4/5, einer Fingerpolyarthrose und einer Polyarthrose. Ferner bestehe der Verdacht auf eine Fibromyalgie bei hoch druckschmerzhafter Muskulatur im Bereich der HWS und des linken Ellenbogens. Sie sei insbesondere aufgrund ihrer orthopädischen Erkrankungen nicht mehr in der Lage, leichte körperliche Arbeiten mindestens sechs Stunden täglich auszuüben.

Der Facharzt für Orthopädie Dr. K. von der orthopädisch-unfallchirurgischen Gemeinschaftspraxis S. G. hat unter dem 05.06.2013 angegeben, bei der Klägerin liege ein degeneratives Zervikalsyndrom bei Zustand nach Spondylodese, eine Epicondylitis humeri radialis links sowie ein chronischer Schmerz vor. Durch die im August 2011 hinzugetretene Epicondylitis humeri radialis habe sich ihr Gesundheitszustand verschlechtert und sie sei am 02.10.2012 operativ behandelt worden. Die Klägerin vermittle außerdem einen psychisch erheblich alterierten Eindruck mit massiv depressiver Stimmungslage. Aufgrund des Gesamteindrucks halte er sie - vorbehaltlich einer psychiatrischen Stellungnahme - derzeit für nicht in der Lage, einer erwerbsbringenden Tätigkeit nachzugehen, vorrangig aufgrund ihrer orthopädischen und psychiatrischen Beschwerden.

Die Fachärztin für Innere Medizin und Rheumatologie Dr. R., welche die Klägerin am 11.03.2013 behandelt hatte, hat mit Schreiben vom 03.06.2013 mitgeteilt, sie habe bei dieser einen Vitamin-D-Mangel und eine Fingerpolyarthrose festgestellt sowie den Verdacht auf eine Somatisierungsstörung mit diffusen Arthralgien geäußert. Die Klägerin sei mit ihren Erkrankungen noch in der Lage, leichte körperliche Arbeiten in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden täglich oder mehr durchzuführen.

Dr. B., der ebenfalls in der Orthopädisch-Unfallchirurgischen Gemeinschaftspraxis Schwäbisch-Gmünd tätig ist, ist in seinem Gutachten vom 04.04.2014 zu dem Ergebnis gekommen, bei der Klägerin bestehe ein Zustand nach Fusionsoperation C4-6, ein degeneratives Zervikalsyndrom der Anschlusssegmente C3/4 und C6/7 mit Osteochondrosen und spondylophytären Ausziehungen, ein Syndrom der Lendenwirbelsäule (LWS) mit Spondylarthrose und Morbus Baastrup, ein Impingement-Syndrom der rechten Schulter bei Tendinitis clacarea, eine mediale Meniskopathie des linken Kniegelenks sowie ein Zustand nach Arthrodese des Endgelenks beider Zeigefinger und des linken Kleinfingers. Aufgrund deutlicher Funktionseinschränkungen (insbesondere an Inklination und Reklination) an der HWS und der LWS - allerdings ohne neurologische Ausfälle - sei die Klägerin für leichte körperliche Arbeiten in wechselnder Körperposition und unter Berücksichtigung weiterer qualitativer Leistungseinschränkungen nur noch in einem Umfang von drei bis unter sechs Stunden täglich beruflich belastbar.

Am 23.04.2014 hat sich die Klägerin in der Notfallbehandlung des Wirbelsäulenzentrums des Stauferklinikums Schwäbisch Gmünd wegen persistierender Schmerzen an der HWS mit Ausstrahlung in den linken Arm befunden. Im Arztbericht vom selben Datum ist anamnestisch ein Beschwerdebeginn vor etwa sechs Monaten und starker Beschwerdezunahme seit einer Woche unter Einnahme von Gabapentin angegeben. Ein Muskelhartspann der unteren HWS und Nackenmuskulatur bei Hypästhäsie des Daumens und linken Zeigefingers habe vorgelegen. Als Diagnose nennt der Bericht eine Zervikobrachialgie entsprechend dem Dermatom C6. Im Befundbericht des Stauferklinikums vom 08.05.2014 über die Folgebehandlung ist ausgeführt, die angefertigten Röntgenaufnahmen der HWS zeigten eine deutliche Knickbildung nach ventral über HWK4, im Vergleich zu den Voraufnahmen deutlich zunehmend. Eine MRT-Untersuchung habe in diesem Segment eine foraminale Enge links HWK3/4 ohne Myelopathie oder Hinweis auf Schrauben- oder Cagelockerung gezeigt. Am 06.06.2014 hat das Stauferklinikum bei der Klägerin eine Revision und Dekompression des HWK3/4 durchgeführt. Im Entlassungsbericht vom 10.06.2014 über den stationären Aufenthalt vom 04.06.2014 bis 10.06.2014 sind als Diagnosen eine Degeneration des Anschlusssegmentes HWK3/4 mit pathologischer Lordose bei Zustand nach Spondylodese HWK4-6 mit Wirbelköperersatz HWK5 (2010) sowie eine Osteochondrose Modic II des HWK6/7 angegeben. Die initial geplante operative Therapie habe verschoben werden müssen aufgrund eines Spontanpneumothorax. Die präoperativ durchgeführten Röntgenbilder zeigten eine verminderte Lungenzeichnung rechter Oberlappen. Die Schmerzausstrahlung habe sich postoperativ deutlich gebessert; die neurologischen Veränderungen seien rückläufig gewesen. Am 22.08.2014 hat sich die Klägerin erneut im Stauferklinikum Schwäbisch Gmünd vorgestellt. Im Befundbericht vom 27.08.2014 ist hierzu ausgeführt, sie beklage Schmerzen im Nackenbereich vor allem beim flachen Liegen, eine Dyspnoe, rezidivierend starke Schmerzen mit Lähmung des linken Armes sowie eine zunehmende psychische Verstimmung vor allem unter großen Menschenmassen. Bei der klinischen Untersuchung habe sich ein deutlicher paravertebraler Hartspann links mit Druck- und Klopfschmerz gezeigt und eine leichte motorische Schwäche der Fingerspreizung links bei einem Kraftgrad von 4/5. Die Rotation sei mit 30° beidseitig in beide Richtungen möglich gewesen; die Reklination betrage etwa 10° und der Kinn-Jugulum-Abstand 2 - 3 cm.

Im September 2014 hat die Klägerin dem SG mitgeteilt, bei ihr bestehe ein Pneumothorax. Im Befundbericht vom 30.09.2014 der Klinik S. G. sind als Gesundheitsstörungen bullöse Lungenveränderungen beidseits apikal angegeben. Ein Pneumothorax liege jedoch nicht vor. Ein operativer Eingriff mittels Videothorakoskopie sei indiziert.

Mit Gerichtsbescheid vom 24.02.2015 hat das SG die Klage abgewiesen und sich zur Begründung auf das Gutachten des Dr. S. gestützt, das in sich schlüssig und nachvollziehbar sei. Das Gutachten des Dr. B. habe dagegen nicht überzeugt, da sich hieraus keine wesentlichen abweichenden Befunde gegenüber dem des Dr. S. ergeben haben. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass die von Dr. B. in den Messblättern angegebenen Werte bei der Wirbelsäule gerade keine schwerwiegenden, sondern lediglich leichtgradige (hinsichtlich Seitneigefähigkeit) und mittelgradige (hinsichtlich Drehfähigkeit) Bewegungseinschränkungen belegten. Auch der Finger-Boden-Abstand von 40 cm weise nur auf eine mäßige Bewegungseinschränkung hin. Schließlich sei auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin angegeben habe, lediglich bei längeren Autofahrten regelmäßig Rückenschmerzen zu bekommen und den Haushalt zu verrichten, wenn auch teilweise mit Unterstützung anderer, die ihr die Wäschekörbe tragen würden. Aus dem Gutachten des Dr. B. ergäben sich auch eine normal ausgebildete Muskulatur und keine neurologischen Ausfälle. Dr. K. habe seine Leistungseinschätzung auf seinen "Gesamteindruck" und "vorbehaltlich einer psychiatrischen Stellungnahme" und somit nicht allein auf sein orthopädisches Fachgebiet gestützt. Eine nachhaltige Verschlechterung des Gesundheitszustandes in rentenrelevantem Maße sei nicht belegt. Die Schmerzausstrahlung habe sich laut Befundbericht vom 10.06.2014 postoperativ deutlich gebessert. Zwar habe die Klägerin auch angegeben, an rezidivierenden Schmerzen mit resultierender Lähmung des linken Armes zu leiden. Trotz dieser Einschränkungen habe sie dies nicht von einem Urlaub in Griechenland abgehalten. Auch sei nicht ersichtlich, dass auf die genannten Beschwerden nicht ausreichend in qualitativer Hinsicht Rücksicht genommen werden könnte.

Hiergegen hat die Klägerin am 05.03.2015 bei dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt und eine Verschlimmerung ihrer Beschwerden an der LWS geltend gemacht. Des Weiteren hat sie auf eine am 23.01.2015 in dem S. S. G. durchgeführte Arthroskopie, subacromiale Dekompression und endoskopische AC-Gelenkresektion der linken Schulter hingewiesen. Aus einem von ihr vorgelegten Ambulanzblatt des Stauferklinikums vom 17.04.2015 über eine am 13.04.2015 erfolgte Kontrolluntersuchung ist ausgeführt, sie leide an Schluckstörungen und habe das Gefühl, dass die Narbe nach innen ziehe. Nach wie vor bestehe eine deutlich eingeschränkte Beweglichkeit der HWS; sie trage ihren Kopf auch sehr steif. Immer wieder würden Episoden mit schmerzhaften muskulären Verspannungen auch im thorakalen Bereich auftreten. Die angefertigten Röntgenaufnahmen der HWS in zwei Ebenen zeigten ein korrektes Ergebnis nach Spondylodese mit Aufrichtung der ursprünglich pathologischen Kyphose ohne sekundäre Dislokation und regelrechter Lage des Wirbelkörperersatzes und der ventralen Platte. Insgesamt bestünden weiterhin starke psychische Probleme mit Angst vor Menschenansammlungen und Panikreaktion. Momenten nehme sie hochdosiert Tilidin 4 x 100mg/8 Retard ein. Ihr sei geraten worden, die Medikamente kleinschrittig zu reduzieren, auch da ihre Beschwerden trotz Medikamenteneinnahme persistierten. Der Senat hat Dr. P., Dr. K., den Chefarzt des Wirbelsäulenzentrums des S., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. R., sowie den von der Klägerin einmalig am 29.06.2015 kontaktierten Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. F. als sachverständige Zeugen schriftlich befragt.

Dr. P. hat mit seiner Zeugenaussage vom 17.09.2015 eine deutliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin bei neu hinzugetretenen Erkrankungen (Supraspinatussehnensyndrom rechte Schulter, depressive Entwicklung, Meniskopathie linkes Knie, exacerbierte COPD sowie rheumatoide Arthritis) angeführt.

Dr. K. hat unter dem 21.09.2015 ebenfalls eine gravierende gesundheitliche Verschlechterung im Bereich der HWS seit Juni 2013 dargelegt, wobei er selbst die entsprechende Behandlung nicht durchgeführt habe. Die im Januar 2015 erfolgte Arthroskopie der Schulter habe einen erfolgreichen Heilungsverlauf verzeichnen können. Wegen der im Mai 2015 festgestellten Innenmeniskopathie des linken Knies habe er keine weiteren Behandlungsmaßnahmen veranlasst.

Dr. F. hat mit Schreiben vom 06.10.2015 unter Angabe einer mittelgradigen depressiven Verstimmung bei fortbestehenden Bewegungseinschränkungen der HWS ein berufliches Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von mindestens sechs Stunden täglich angenommen.

Schließlich hat Dr. R. unter dem 12.10.2015 mitgeteilt, bei der Klägerin habe sich insgesamt ein multifaktorielles komplexes Beschwerdebild mit deutlicher psychischer Überlagerung und sicherlich gestörter Schmerzverarbeitung bei chronischem Schmerzsyndrom gezeigt. Aufgrund der von ihr geäußerten massiven Beschwerden sei sie bis zum letzten Vorstellungstermin am 15.04.2015 nicht in der Lage gewesen, eine regelmäßige berufliche Tätigkeit in einem Umfang von sechs Stunden täglich auszuführen. Dabei stehe aktuell die psychiatrische Komponente im Vordergrund.

Anschließend hat der Senat den Chefarzt der Kliniken für Neurologie und Geriatrie der S. R. Kliniken B. S., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. R., sowie den Chefarzt der Klinik für Orthopädie der S. R. Klinken B. S., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie für Physikalische und Rehabilitative Medizin Dr. N., jeweils zu gerichtlichen Sachverständigen ernannt und sie gebeten, über die Klägerin ein Haupt- (Prof. Dr. R.) bzw. Zusatzgutachten (Dr. N.) nach einer ambulanten Untersuchung zu erstatten.

Dr. N. hat in seinem Gutachten vom 13.01.2016 ausgeführt, auf orthopädischem Fachgebiet seien bei der Klägerin Zervikozephalgien und Zervikobrachialgien bei deutlicher Anschlussdegeneration mit Bandscheibenprotrusionen und Osteochondrosen HWK2/3 sowie HWK6/7 ohne höhergradige Einengung des Spinalkanals und der Neuroforamina, eine deutliche Funktionseinschränkung der HWS bei Zustand nach vorderer, intervertebraler Fusion HWK3/4 sowie Wirbelkörperersatz HWK5 und ventraler Plattenspondylodese HWK4/6, Dorsalgien bei leichten degenerativen Veränderungen im Bereich der Brustwirbelsäule (BWS) mit moderaten Spondylarthrosen sowie geringen Chondrosen und leichtgradigen Osteochondrosen Th4/5, Lumboischialgien mit pseudoradikulärer Schmerzausstrahlung in das rechte Bein bei mäßigen degenerativen Veränderungen mit Spondylarthrosen L3 - S1, Osteochondrose L4/5 und L5/S1 sowie geringgradiger Fehlhaltung, eine mäßige schmerzhafte Funktionseinschränkung mit Impingementsyndrom der rechten Schulter bei deutlicher Weichteilverkalkung im Ansatzbereich der Sehne des Musculus supraspinatus rechts und geringer degenerativer Veränderungen am Humeroglenoidgelenk sowie AC-Gelenksarthrose rechts bei Zustand nach Dekompressionsoperationen 1998 und 2015, eine weitgehend uneingeschränkte Funktion der linken Schulter bei Zustand nach arthroskopischer Dekompressionsoperation des linken Schultergelenks 2010, eine weitgehend uneingeschränkte Funktion beider Ellenbogengelenke bei Zustand nach Epocondylitis humeroradialis-Operationen beidseits mit geringgradigen degenerativen Veränderungen im Ansatzbereich des radialen Seitenbandes, eine mäßige Funktionseinschränkung der groben Kraft beider Hände bei erhaltener Feinmotorikfunktion bei Zustand nach regelrechter Arthrodese des Fingerendgelenks D2 und D5 links 2010 und Arthrodese D2 rechts 2011 sowie mäßige Fingerendgelenksarthrose D3 bis 5 rechts und D3 und D4 links sowie geringgradige proximale Fingerendgelenksarthrose D3 bis D5 links, Gonalgien bei klinischen Hinweisen für eine Innenmeniskopathie bei radiologisch unauffälligem Untersuchungsbefund ohne wesentliche Funktionseinschränkung und ein leichter Knick-/Senkfuß festgestellt worden. Mit diesen Erkrankungen könne die Klägerin noch leichte körperliche Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten von maximal 5 kg, gelegentlichem Bücken, gelegentlichem Treppensteigen in Wechselbelastung (überwiegend im Sitzen oder Stehen und teilweise im Gehen) unter temperierten Bedingungen und mithilfe einer ergonomischen Arbeitsplatzeinrichtung noch in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich ausüben. Bei ihr sei eine Verdeutlichungstendenz erkennbar gewesen.

Prof. Dr. R. ist in seinem Gutachten vom 26.04.2016 zu dem Ergebnis gekommen, bei der Klägerin liege eine leichtgradige, anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine Dysthymia vor. Aus neurologisch-psychiatrischer Hinsicht unter Berücksichtigung der Schmerzerkrankung sei es der Klägerin noch möglich, leichte körperliche Arbeiten ohne Akkord- oder Fließbandtätigkeiten, ohne Zwangshaltungen der Wirbelsäule, in temperierten Räumen, ohne Nachtschicht und ohne besondere geistige Beanspruchung mit hoher oder höherer Verantwortung in Wechselhaltung in einer täglichen Arbeitszeit von mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten.

Die Klägerin hat gegen das Gutachten des Dr. N. Einwände erhoben und vorgetragen, nach der sozialmedizinischen Literatur (vgl. Beyer/Göser/Heisel in: Sozialmedizinische Begutachtung für die gesetzliche Rentenversicherung, 7. Auflage, S. 147) sei bei einer um mehr als zwei Drittel der Norm schmerzhaft eingeschränkten Wirbelsäulenbeweglichkeit das Leistungsvermögen auch für leichte körperliche Tätigkeiten erloschen. Die Beweglichkeit ihrer HWS mit nur 10° Rotation passiv und 20° Rotation aktiv, Seitneigung aktiv und passiv nur 10° und Inklination/Reklination aktiv und passiv 15-0-20° erfülle diese Vorgaben. Das Vorliegen erheblicher Schmerzen sei ebenfalls dem Gutachten zu entnehmen.

In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 23.06.2016 hat Dr. N. erwidert, aus dem Wortlaut der von den Autoren zitierten Leitlinien ("sei"; "meist") sei ein automatisches Anwenden einer um mehr als zwei Drittel eingeschränkten Wirbelsäulenbeweglichkeit als Voraussetzung für ein aufgehobenes Leistungsvermögen ausgeschlossen. Die zitierte Aussage müsse nach Beyer/Göser/Heisel (a.a.O.) jedoch außerdem wegen der individuell sehr unterschiedlichen Auswirkungen immer an den Einzelfall angepasst werden. Somit sei ein einfacher Rückschluss von der Beweglichkeitseinschränkung auf das Ausmaß der Erwerbsunfähigkeit nicht statthaft. Zudem sei sie als Ausnahmefall von der Regel, bei einer mehrsegmentalen Spondylodese an der HWS als Ersteingriff ein sechsstündiges Leistungsvermögen für körperlich leichte Arbeiten anzunehmen, anzusehen. Im Falle der Klägerin sprächen einige Punkte dafür, dass der tatsächliche Bewegungsumfang der HWS größer sei als der im Rahmen der Untersuchung von der Klägerin dargebotene. So seien die Kopfbewegungen, insbesondere die Seitwärtsdrehung sowie die Kopfneigung bei der 90minütigen Befragung im Wesentlichen ungestört gewesen. Außerdem bestehe eine normal ausgebildete Muskulatur ohne sichtbare Muskelrückbildungen oder schmerzreflektorische Muskelinnervationsunterbrechungen. In den technischen radiologischen Untersuchungen bestehe keine höhergradige Einengung des Spinalkanals oder der Neuroforamina. Insgesamt habe er eine fehlende Korrelation zwischen dem MRT-Befund und dem klinischen Untersuchungsbefund festgestellt. Die Klägerin habe außerdem angegeben, noch Auto zu fahren, was bei einer derart eingeschränkten Beweglichkeit der HWS nicht mehr möglich wäre. Schließlich habe die bei ihr durchgeführte Konsistenzprüfung ihrer Beschwerden Hinweise für Inkonsistenzen ergeben. So habe sie die Beschwerden an der HWS eher unpräzise geschildert und auf Nachfrage die Stärke des Schmerzens nicht genau angegeben. Die Klägerin habe außerdem keine Therapiemaßnahmen trotz ausgeprägt beschriebener Beschwerden durchgeführt und im Tagesverlauf ein überwiegend passives Verhalten geschildert. Das Fehlen von schmerzreflektorischen Muskelinnervationsunterbrechungen, die aufgrund einer reflektorischen Gegenbewegung bei Schmerz auftreten würden, spreche für eine willentlich gesteuerte Bewegungseinschränkung.

Am 16.02.2016 wurde bei der Klägerin in der Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Thorax- und Transplantationschirurgie des Klinikums Stuttgart eine zystische Raumforderung operativ entfernt. Im Entlassungsbericht vom 23.02.2016 über den stationären Aufenthalt der Klägerin im Anschluss an die Operation bis zum genannten Datum ist ausgeführt, bei der Klägerin sei aufgrund eines Schmerzsyndroms ein MRT der BWS durchgeführt worden. Zwischen Aortenbogen und Wirbelsäule sei eine zystische Raumforderung auffällig geworden. Solide Anteile zeigten sich bildgebend nicht. Trotz ausführlicher Aufklärung der Klägerin, der Befund sei eher als Zufallsbefund zu werten und wahrscheinlich nicht ursächlich für die Schmerzsymptomatik, habe sie eine operative Entfernung gewünscht. Nebenbefundlich habe ein Zustand nach Spontanpneumothorax mit Einlage einer Thoraxdrainage bestanden, so dass in gleicher Sitzung die Lungenspitzenresektion erfolgt sei. Am 01.06.2016 ist bei der Klägerin vom Radiologie Zentrum Stuttgart laut Befundbericht vom 01.06.2016 ein zentroazinäres Lungenemphysem festgestellt worden.

Die Klägerin, die ihre Einwände gegen das Gutachten des Dr. N. aufrechterhält, trägt ergänzend vor, es sei nicht nachvollziehbar, weshalb aufgrund einer Sitzfähigkeit von 90 min auf ein sechsstündiges Leistungsvermögen geschlossen werden könne. Sofern in den Gutachten Angaben zu ihrem Gehvermögen in unbeobachtetem Zustand nach Abschluss der Untersuchung gemacht worden seien, sei nicht nachvollziehbar, wie das bei Dunkelheit und den örtlichen Verhältnissen beurteilbar sei. Zudem sei bei ihr im Februar 2016 ein Teil der Lunge entfernt worden. Auch wenn die ärztlichen Berichte aussagten, dass das Geschwulst an der BWS nicht verantwortlich für die Schmerzen gewesen sei, sei dies dennoch nicht ausgeschlossen. Im K. sei außerdem die Diagnose "McLeod-Syndrom" geäußert worden.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 24. Februar 2015 sowie den Bescheid vom 12. September 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. Februar 2012 zu gewähren,

hilfsweise von Amts wegen ein Gutachten auf schmerzmedizinischem Fachgebiet einzuholen zum Nachweis der Tatsache, dass die Schmerzerkrankung der Klägerin nicht nur leichtgradig, sondern schwergradig ausgeprägt ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf ihre eigenen sozialmedizinischen Ermittlungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Berufungsausschließungsgründe gemäß § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor. Sie ist jedoch unbegründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG vom 24.02.2015 sowie der angegriffene Bescheid vom 12.09.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2013 sind nicht zu beanstanden. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung zu.

Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI]). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).

Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Gemäß § 240 Abs. 1 SGB VI haben bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auch Versicherte, die vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist (§ 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI).

Orientiert an diesen gesetzlichen Vorgaben ist die Klägerin zur Überzeugung des Senats weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Ihr steht daher kein Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung zu.

Der Schwerpunkt der Erkrankungen der Klägerin liegt auf orthopädischem Fachgebiet. Hier leidet sie an Zervikozephalgien und Zervikobrachialgien bei deutlicher Anschlussdegeneration mit Bandscheibenprotrusionen und Osteochondrosen HWK2/3 sowie HWK6/7, einer deutlichen Funktionseinschränkung der HWS bei Zustand nach vorderer, intervertebraler Fusion HWK3/4 sowie Wirbelkörperersatz HWK5 und ventraler Plattenspondylodese HWK4/6, Dorsalgien bei leichten degenerativen Veränderungen im Bereich der BWS mit moderaten Spondylarthrosen, geringen Chondrosen und leichtgradigen Osteochondrosen Th4/5, Lumboischialgien mit pseudoradikulärer Schmerzausstrahlung in das rechte Bein bei mäßigen degenerativen Veränderungen mit Spondylarthrosen L3 - S1, Osteochondrose L4/5 und L5/S1 sowie geringgradiger Fehlhaltung, einer mäßigen schmerzhaften Funktionseinschränkung mit Impingementsyndrom der rechten Schulter bei deutlicher Weichteilverkalkung im Ansatzbereich der Sehne des Musculus supraspinatus rechts und geringen degenerativen Veränderungen am Humeroglenoidgelenk sowie AC-Gelenksarthrose rechts bei Zustand nach Dekompressionsoperationen 1998 und 2015, einem Zustand nach Epocondylitis humeroradialis-Operationen beidseits mit geringgradigen degenerativen Veränderungen im Ansatzbereich des radialen Seitenbandes, mäßigen Funktionseinschränkung der groben Kraft beider Hände bei erhaltener Feinmotorikfunktion bei Zustand nach regelrechter Arthrodese des Fingerendgelenks D2 und D5 links 2010 und Arthrodese D2 rechts 2011, mäßiger Fingerendgelenksarthrose D3 bis 5 rechts und D3 und D4 links sowie geringgradige proximale Fingerendgelenksarthrose D3 bis D5 links, Gonalgien bei einer Innenmeniskopathie links ohne wesentliche Funktionseinschränkung sowie einem leichten Knick-/Senkfuß. Diese Gesundheitsstörungen sind vom Sachverständigen Dr. N. in seinem Gutachten vom 13.01.2016 getroffen worden und stimmen im Schwerpunkt mit den von Dr. K. und Dr. R. getroffenen Diagnosen überein.

Dabei sah Dr. N. den Schwerpunkt der Beeinträchtigungen im Bereich der HWS. Hier ergaben die röntgenologischen Untersuchungen mäßige degenerative Veränderungen an den Segmenten C2/3 und C6/7, Zeichen einer Anschlussinstabilität C2/3 mit kyphotischer Fehlhaltung sowie Zeichen von Osteochondrosen in diesem Segment. Ferner bestanden Zeichen von Arthrose und deutlicher Spondylarthrose im Segment C6/7 bei regelrechter Lage und Positionierung des Bandscheibencages C3/4 und der Spondylodese C4-6 ohne Lockerungszeichen bei deutlichen degenerativen Veränderungen der Wirbelgelenke. Auch die klinische Untersuchung ergab sowohl eine deutliche Verspannung der Schulter- und Nackenmuskulatur sowie eine deutliche Bewegungseinschränkung im Bereich der HWS. Auch wenn die Prüfung des tatsächlichen Bewegungswinkels dem Sachverständigen nur erschwert möglich war, weil die Klägerin - wohl aus Angst vor auftretenden Schmerzen - aktiv entgegenspannte, konnte Dr. N. dennoch Einschränkungen der Rotation, Seitneigung sowie Inklination und Reklination erkennen. An dieser Stelle wies der Sachverständige auch darauf hin, dass die von der Klägerin subjektiv angegebenen Beschwerden und Schmerzen sich nicht vollständig durch die radiologischen Befunde erklären ließen. Insbesondere fand Dr. N. keine höhergradige Einengung des Spinalkanals und der Neuroforamina.

Im Bereich der BWS konnte Dr. N. keine wesentlichen degenerativen Veränderungen, sondern lediglich eine geringgradige Fehlhaltung mit leichter rechtskonvexer Seitverbiegung ohne wesentliche Abweichung der Dornfortsätze sowie eine leichte Fehlhaltung mit vermehrter Vergradigung, besonders im mittleren Brustwirbelsäulenbereich, festhalten. Für den von der Klägerin gegenüber Dr. N. erwähnten Schmerz im Bereich der BWS, der nach ihren Angaben häufig auftrete und eine völlige Bewegungsunfähigkeit sowie eine Atemnot verursache, konnte der Sachverständige keinen korrespondierenden Befund erheben. Er weist außerdem darauf hin, dass auch Dr. B. in seinem Gutachten vom 04.04.2014 bei der Klägerin einen weitgehend unauffälligen Befund im Bereich der BWS erhoben und lediglich einen leichten beidseitigen Muskelhartspann paravertebral, eine etwas verminderte Seitneigung, jedoch keine Triggerpunktaktivität oder einen Thoraxkompressionsschmerz angeführt hat. In Übereinstimmung mit den behandelnden Ärzten des Stauferklinikums nimmt Dr. N. eine psychische Überlagerung an und schließt somit eine relevante orthopädische Erkrankung in diesem Körperbereich aus. Soweit die Klägerin am 16.02.2016 einen Teil ihrer Lunge operativ entfernen ließ, da sich hier eine zystische Raumforderung des hinteren Mediastinums zeigte, gibt es auch dabei keine konkreten Anhaltspunkte hierfür, dass diese Zyste die von der Klägerin vorgetragenen Schmerzen im Brustbereich mit Dyspnoe erklärt, da der Entlassungsbericht des Klinikums Stuttgart vom 23.02.2016 den Befund als Zufallsbefund wertet und ausführt, dass eine Verursachung der Schmerzen unwahrscheinlich ist. Aus diesem Grund sah sich der Senat nicht zu weiteren Ermittlungen auf lungenfachärztlichem Fachgebiet veranlasst.

An der LWS stellte Dr. N. eine leicht vermehrte Lordosierung fest. Klopf- oder Druckschmerzen waren dagegen im gesamten LWS-Bereich nicht vorhanden. Die paravertebrale Muskulatur im Bereich der oberen LWS war mäßig verspannt, im übrigen Bereich unauffällig. Dr. N. beobachtete außerdem eine normal ausgebildete Muskulatur ohne sichtbare Atrophien. Eine neurologische Beteiligung war für ihn nicht erkennbar. Seine röntgenologischen Untersuchungen ergaben eine geringgradige Fehlhaltung mit leichter Abweichung der Dornfortsätze nach rechts im Bereich der unteren LWS sowie eine leichte Spondylarthrose L5/S1. Seine Befunde decken sich im Wesentlichen mit den Untersuchungsergebnissen des Dr. B., der eine diskrete Linkskonvexität ohne Rotationskomponente feststellte und ausführte, dass in der Seitaufnahme eine vermehrte Lordose ohne Einengung der Zwischenräume erkennbar war. Das Vorliegen einer Spondylarthrose nahm er an den Segmenten L3-S1 an. Auch Dr. S., dessen Gutachten im Wege des Urkundsbeweises verwertet worden ist, gab zu seinem radiologischen Befund einen freien Lendenwirbelkörper an mit verstärkter Lendenlordose und Osteochondrose an den Segmenten L5/S1 sowie L4/5.

Bei der radiologischen Untersuchung der rechten Schulter ließ sich eine deutliche Weichteilverkalkung im Bereich des Ansatzes der Supraspinatussehne mit geringen Zeichen einer degenerativen Veränderung im Humeroglenoidalgelenk erkennen, bestätigt durch die sonographische Untersuchung. Begleitend zeigte sich eine Bursitis in der Bursa subdeltoidea rechts ohne Hinweise für eine Ruptur oder Verschmälerung der Rotatorenmanschette. Entsprechend der Angaben der Klägerin leitete Dr. N. aus den klinischen Untersuchungen Bewegungseinschränkungen der rechten Schulter ab. So konnte die Klägerin den Nackengriff rechts nur mit Mühe und den Schürzengriff bis L5 ausführen. Die Abduktion des rechten Schultergelenks war bis 110° möglich, danach schmerzhaft eingeschränkt, ebenso die Innenrotation in 90°-Abduktion bei einem positiven Impingementzeichen für die rechte Rotatorenmanschette. Dagegen ließen sich bei der radiologischen Untersuchung des linken Schultergelenks keine wesentlichen degenerativen Veränderungen oder eine periartikuläre Weichteilverkalkung nachweisen. Ebenso wenig fanden sich Hinweise auf eine entzündlich-rheumatische Erkrankung. Den Nackengriff konnte sie beidseits vollständig und den Schürzengriff bis L5 ausführen.

Darüber hinaus ergab die körperliche Untersuchung der Ellenbogen keine Schwellungen, Rötungen, Überwärmungen, eine Bursitis oder Hinweise auf einen Gelenkerguss sowie eine Bandinstabilität. Die Beweglichkeit nach der Neutral-Null-Methode war bei Werten mit Extension/Flexion von 0/0/150° und Supination/Pronation von 80/0/90° uneingeschränkt. Die radiologische Untersuchung beider Ellenbogengelenke ergab lediglich zwei kleine Verkalkungen im Ansatzbereich des radialen Seitenbandes links.

Die in den Fingergelenken festgestellten Gesundheitsstörungen hat Dr. N. vorrangig aus den röntgenologischen Untersuchungen abgeleitet, deren Ergebnisse durch den klinischen Untersuchungsbefund gestützt worden sind. So war die Klägerin bei der Untersuchung - korrelierend zu der Versteifung der Fingerendgelenke - nicht mehr in der Lage, das Endglied D2 beidseitig zu beugen sowie den großen Faustschluss in den Zeigefingern vollständig (Abstand zum Handballen 5 cm) auszuführen. Im Bereich der Fingerendgelenke zeigten sich Deformitäten am Endgelenk D5 rechts sowie D1 beidseitig mit geringgradigem Druckschmerz.

An dem linken Kniegelenk ergab die klinische Untersuchung der Klägerin einen leichten Druckschmerz im medialen Gelenkspalt bei leicht positiven Zeichen für den Innenmeniskus. An beiden Kniegelenken fanden sich weder Ergüsse, Schwellungen oder Hinweise für eine Synovialitis. Die Kniescheiben waren in ihrer Beweglichkeit geringgradig eingeschränkt bei frei beweglichen Kniegelenken ohne Schmerzanzeichen. Lediglich bei der forcierten Rotation im gebeugten linken Kniegelenk äußerte die Klägerin Schmerzen. Schließlich ergab die röntgenologische Untersuchung beider Kniegelenke keine wesentlichen degenerativen Veränderungen oder Hinweise auf entzündlich-rheumatische Erkrankungen, so dass die Schlussfolgerung des Sachverständigen, lediglich eine leichte Gonalgie bei Vorliegen einer Innenmeniskopathie zu diagnostizieren - wie dies auch von Dr. K. angenommen wird - schlüssig ist. Dr. N. sieht damit die von der Klägerin vorgetragenen Beschwerden im Kniebereich durch die orthopädischen Befunde hinreichend geklärt.

Zusätzlich besteht bei der Klägerin auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet eine leichtgradige anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie eine Dysthymia, wie der Sachverständige Prof. Dr. R. nachvollziehbar festgestellt hat. Insbesondere stimmen die von ihm getroffenen Diagnosen mit seinem anlässlich der ambulanten Untersuchung der Klägerin erhobenen psychischen Befund überein. Demnach konnte das Vorliegen einer schwergradigeren depressiven Erkrankung sowie einer mehr als leichtgradigen somatoformen Schmerzstörung, wie unter anderem von dem behandelnden Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. F. angegeben, ausgeschlossen werden. Prof. Dr. R. ist zwar zu dem Ergebnis gekommen, dass bei der Klägerin ein andauernder Schmerz vorliegt, der nicht vollständig durch eine körperliche Störung erklärt werden kann. Insoweit wird auf das Gutachten des Dr. N. verwiesen, der - wie bereits oben ausgeführt - die von der Klägerin angegebenen Beschwerden anhand der körperlich orientierten klinischen Untersuchung sowie der radiologischen Befunde nicht vollständig erklären konnte. Zudem treten die Schmerzen im Rahmen einer somatoformen Schmerzerkrankung regelmäßig zusammen mit psychosozialen Problemen, Depressionen, emotionalen Konflikten oder Schlafstörungen auf. Hierbei korrelieren häufig die Schwere der psychischen Erkrankung einerseits und die Schwere der Schmerzerkrankung andererseits. Bei der Begutachtung von Menschen mit chronischen Schmerzen ist in erster Linie auf den psychisch erhobenen Befund abzustellen, der jedoch zu spezifizieren ist (vgl. Egle/Kappis/Schairer/Stadtland, Begutachtung chronischer Schmerzen, S. 107 ff.). So ist beispielsweise besonderes Augenmerk auf das situative Verhalten, die Möglichkeiten der Krankheitsbewältigung oder die Ressourcen zu legen. Wie bei anderen seelisch begründeten Störungen ist zu beachten, dass diese wie eine körperliche Krankheit anzusehen sind, wenn sie durch Willensentschlüsse des Betroffenen nicht oder nicht mehr zu beheben sind. Prof. Dr. R. hat bei der Klägerin nur einen leichtgradig gestörten psychischen Befund erhoben und einen geregelten Tagesablauf festgehalten, was gegen eine höhergradige Ausprägung spricht. So gab die Klägerin dem Sachverständigen gegenüber an, sich morgens nach dem Aufstehen einen Kaffee selbst zuzubereiten, drei ihrer Kinder mit einer WhatsApp-Nachricht zu wecken, kleinere Haushaltstätigkeiten durchzuführen (Staub wischen, Spülmaschine be- und entladen), gemeinsam mit den anderen Familienmitgliedern das Mittagessen vorzubereiten und den Tisch zu decken, einen kleinen, neunjährigen Hund zu haben und im Haus zu versorgen, gelegentlich ihren Töchtern bei den Hausaufgaben zu helfen, gelegentlich Brettspiele mit Familienangehörigen zu machen oder für Kurzstrecken täglich das Auto zu benutzen. Während der Untersuchung erfolgte das Aus- und Ankleiden zwar verzögert und wurde von Schmerzäußerungen begleitet, war jedoch von der Klägerin allein zu bewältigen. Dagegen wirkte die Klägerin während der Exploration aufmerksam und konzentriert; selbst am Ende der mehrstündigen Exploration durch Prof. Dr. R. konnte dieser bei der Klägerin kein deutliches Nachlassen der Konzentriertheit feststellen. In Übereinstimmung hierzu vermerkte auch der gerichtlich bestellte Sachverständige auf orthopädischem Fachgebiet Dr. N., dass sie während der Befragung über 90 Minuten ohne sichtbare Probleme gesessen und dabei ab und zu die Sitzposition gewechselt, dabei aber keine Schmerzen geäußert hat und hierfür auch keine Anzeichen ersichtlich gewesen sind. Auch er vermerkte eine durchgehende Konzentriertheit während der Befragung. Zudem war der von Prof. Dr. R. erhobene psychische Befund nur leichtgradig gestört. Der Sachverständige stellte eine unauffällige Antriebslage, unbeeinträchtigte kognitive und mnestische Funktionen und einen geordneten Gedankengang fest. Lediglich die Stimmungslage war subdepressiv, d.h. leichtgradig depressiv, die affektive Modulationsfähigkeit leichtgradig eingeschränkt und der formale Gedankengang geringgradig verlangsamt. Zwar gab die Klägerin überdies an, gelegentlich Todeswünsche und Suizidgedanken zu haben, distanzierte sich aber von einem Suizidplan. Insoweit hat der Sachverständige zutreffend geschlussfolgert, dass es zu einem Abklingen der von Dr. F. angegebenen mittelgradigen depressiven Episode gekommen ist, welchen die Klägerin überdies nur einmalig aufgesucht hat.

Vom Vorliegen der von Dr. Fleischer ebenfalls diagnostizierten Angst und depressiven Reaktion, gemischt, konnte sich der Senat gleichsam nicht überzeugen. Prof. Dr. R. hat ausdrücklich angegeben, bei seiner Untersuchung keine erhöhte Ängstlichkeit beobachtet zu haben.

Mit diesen Gesundheitsstörungen ist die Klägerin in ihrer beruflichen Leistungsfähigkeit in qualitativer Hinsicht eingeschränkt. So ist sie insbesondere aufgrund ihrer somatoformen Schmerzerkrankung sowie den Gesundheitsstörungen im Bereich der Wirbelsäule nicht mehr in der Lage, Gewichte von mehr als 5 kg zu heben und zu tragen, Zwangshaltungen der Wirbelsäule einzunehmen sowie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten oder unter der Exposition von Kälte, Wärme, Staub, Gasen, Dämpfen oder Nässe durchzuführen. Die Veränderungen im linken Knie erfordern einen Ausschluss von bückenden Tätigkeiten. Aufgrund der Gelenkversteifungen und Arthrosen im Fingerbereich, derentwegen Arbeiten mit grober Krafteinwirkung oder -entfaltung unzumutbar sind, sind ihr überdies Arbeiten an Büromaschinen oder an Computertastaturen nur noch gelegentlich gesundheitlich möglich. Wegen der Dysthymie mit Schlafstörungen können ihr außerdem keine Nachtschichten oder Tätigkeiten mit besonderer geistiger Beanspruchung und hoher Verantwortung abverlangt werden. Zusätzlich hat die Klägerin bei ihrer Arbeit auf einen Haltungswechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen zu achten. Aufgrund der Einschränkungen in den Schultergelenken sind außerdem Überkopfarbeiten zu vermeiden. Diese Feststellungen ergeben sich vorrangig aus den Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. R. und Dr. N. und werden im Wesentlichen durch das Gutachten des Dr. B. bestätigt und teilweise (Überkopfarbeiten) ergänzt.

Eine zeitliche Einschränkung ihrer Leistungsfähigkeit für körperlich leichte Arbeiten unter Berücksichtigung der oben genannten qualitativen Einschränkungen konnte die Klägerin dagegen nicht nachweisen. Vielmehr ist sie noch in der Lage, solche Arbeiten in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich auszuüben, wie dies von Prof. Dr. R. und Dr. N. übereinstimmend angenommen wird. Insbesondere lässt sich aus den Einschränkungen der HWS-Beweglichkeit kein zeitlich aufgehobenes oder auf unter sechs Stunden reduziertes Leistungsvermögen begründen. Hierzu hat Dr. N. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 23.06.2016 überzeugend und in Übereinstimmung mit der sozialmedizinischen Literatur ausgeführt, dass die wichtigste Beurteilungsgrundlage der klinisch relevante Funktionsbefund darstellt und rein funktionelle Befunde ohne klinische oder leistungsrelevante bedeutsame Funktionseinschränkung nicht zu berücksichtigen sind (Beyer/Göser/Heisel, a.a.O.). Hiernach bedingen degenerative Veränderungen der HWS regelmäßig lediglich qualitative Leistungseinschränkungen, wohingegen in Ausnahmefällen, beispielsweise bei einer um mehr als zwei Drittel der Norm schmerzhaft eingeschränkten HWS-Beweglichkeit das Leistungsvermögen auch für körperlich leichte Tätigkeiten erloschen ist (Beyer/Göser/Heisel, a.a.O). Dr. N. weist jedoch ausdrücklich darauf hin, dass wegen der Komplexität und Individualität diese Empfehlungen immer an den Einzelfall anzupassen sind (Beyer/Göser/Heisel, a.a.O.). Orientiert hieran hat Dr. N. schlüssig lediglich qualitative Leistungseinschränkungen, wie oben festgehalten, abgeleitet. So führte er aus, dass die von ihm erhobenen Messwerte mit einer Rotation links/rechts passiv von 20°, einer Seitneigung links/rechts passiv von 10°, einer Inklination/Reklination von passiv 15/0/20° und einem Kinn-Jugulum-Abstand von 10/16 cm zu relativieren sind. Der Sachverständige beobachtete bei der Klägerin eine normal ausgebildete Muskulatur der Wirbelsäule ohne sichtbare Atrophien, einen im Ruhezustand nicht erhöhten Muskeltonus sowie eine ungestörte Kopfbewegung hinsichtlich des Seitwärtsdrehens und der Kopfneigung. Zudem konnte die Bewegungsprüfung an der HWS nur erschwert durchgeführt werden aufgrund aktiven Gegenspannens der Klägerin. Schließlich zeigten sich bei der Bewegungsprüfung keine schmerzreflektorischen Muskelinnervationsunterbrechungen, die eine Bewegung über das festgestellte Maß hinaus verhindern würden. Auch bei der ambulanten Untersuchung durch Dr. B. fand dieser nur mäßiggradige Abweichungen von den Normalwerten vor, worauf bereits das SG in der angegriffenen Entscheidung hingewiesen hat. Überzeugend deutet Dr. N. darauf hin, dass sich die Angaben der Klägerin zu dem Umfang ihres Kfz-Gebrauchs nicht in Übereinstimmung bringen lassen mit einer derart eingeschränkten HWS-Beweglichkeit, wie sie von der Klägerin bei der Beweglichkeitsprüfung demonstriert wurde. Ergänzend hierzu ist anzumerken, dass ebenfalls nicht plausibel ist, dass die Klägerin trotz der von ihr als "katastrophenartig" bezeichneten und plötzlich auftretenden Beschwerden im Bereich der BWS, die nach eigenen Angaben eine völlige Bewegungsunfähigkeit und Atemnot verursachten, regelmäßig ein Kfz führt. Schließlich zeigte sich die Klägerin bei der Untersuchung durch Dr. N. nur teilweise kooperativ und schilderte ihre HWS-Beschwerden eher unpräzise - beispielsweise ohne Angaben einer Schmerzstärke auf Nachfrage.

Eine quantitative Leistungsminderung lässt sich auch nicht auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. B. stützen. Dieser konnte bei seiner ambulanten Untersuchung ebenfalls keine neurologischen Ausfälle nachweisen. Auch die von ihm festgestellten Einschränkungen der Beweglichkeit der HWS sind nur leichtgradig von der Norm abweichend. Überdies hat er nicht dargelegt, aus welchen Gründen den bestehenden Funktions- und Bewegungseinschränkungen der Klägerin nicht hinreichend durch Berücksichtigung qualitativer Leistungseinschränkungen, insbesondere durch den Verzicht auf mittel- oder schwere körperliche Arbeiten mit Zwangshaltungen der Wirbelsäule, begegnet werden kann, sondern diese außerdem das Durchhaltevermögen beeinträchtigen. Der abweichenden Leistungseinschätzung der als sachverständigen Zeugen schriftlich befragten behandelnden Ärzte Dr. R. und Dr. K., die ebenfalls ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen angenommen haben, konnte der Senat nicht folgen. Beide Orthopäden begründeten ihre Leistungseinschätzung vorrangig mit psychiatrischen Erkrankungen, ohne sich hierzu auf konkrete psychische Befunde zu stützen. Das Vorliegen einer schweren psychiatrischen Erkrankung konnte dagegen in der weiteren Beweisaufnahme, insbesondere durch den behandelnden Facharzt Dr. F. sowie den Sachverständigen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet Prof. Dr. R., nicht belegt werden.

Aufgrund der festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen lässt sich darüber hinaus auch nicht das Vorliegen einer schweren spezifischen Leistungseinschränkung belgen. Zudem ist die Klägerin wegefähig im rentenrechtlichen Sinne, so dass der Arbeitsmarkt für sie trotz ihrer eingeschränkten Einsetzbarkeit nicht verschlossen ist.

Bei der Prüfung einer schweren spezifischen Leistungseinschränkung sowie einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen sind die konkreten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und hierbei Anzahl, Art und Schwere der bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen zu würdigen. Je mehr diese geeignet sind, gerade auch typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren, umso eingehender und konkreter ist die Frage einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung zu begründen (BSG, Urteil vom 19.10.2011, B 13 R 78/09 R (juris)). Hierbei ist auf der vom BSG vorgeschlagenen ersten Prüfstufe festzustellen, ob das Restleistungsvermögen des Klägers noch Tätigkeiten erlaubt, die in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden, wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken oder Zusammensetzen von Teilen (BSG, a.a.O.). In diesem Fall genügt die Benennung von Arbeitsfeldern, von Tätigkeiten der Art nach oder von geeigneten Tätigkeitsfeldern, die der Versicherte ausfüllen könnte. Im Falle der Klägerin war das besondere Augenmerk auf die Einschränkung der Funktionsfähigkeit der Hände zu richten. Wie bereits oben festgestellt, ergeben sich hierbei jedoch lediglich Einschränkungen für das Heben und Tragen schwerer Lasten sowie Arbeiten mit grober Kraftanwendung. Dagegen ist die Klägerin nicht in ihren feinmotorischen Fähigkeiten wesentlich beeinträchtigt, so dass ihr auch das Arbeiten mit Kleinteilen, das eine leichte körperliche ungelernte Arbeit regelmäßig mit sich bringt, und somit auch das Sortieren, Verpacken oder Montieren noch möglich. Die Klägerin gab bei der Befragung durch Dr. N. selbst an, weder bei ihren Alltagsaktivitäten noch bei ihrer zuletzt ausgeübten Tätigkeit, bei der sie Verschraubungen durchzuführen hatte, in der Feinmotorik beeinträchtigt (gewesen) zu sein. Seine klinische Untersuchung ergab außerdem, dass die Klägerin sämtliche Griffformen, wie den Schlüssel-, Schreib- oder Pinzettengriff kräftig seitengleich und ohne Schmerzangaben durchführen konnte. Auch der Sachverständige Dr. B. schloss in seinem Gutachten eine Einschränkung ihrer feinmotorischen Fähigkeiten aus.

Die Klägerin ist auch wegefähig im rentenrechtlichen Sinne. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen (Urteil vom 28.08.2012, B 5 RJ 12/02 (juris)). Nach dem hierbei zugrunde zu legenden generalisierenden Maßstab wird angenommen, dass ein Versicherter die Fähigkeit haben muss, viermal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 Meter mit zumutbarem Zeitaufwand (weniger als 20 Minuten) zu Fuß zu bewältigen und zweimal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Bei der Beurteilung der Mobilität sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 17.12.1991, 13/5 RJ 73/90 (juris)). Hiernach ist der Senat unter Berücksichtigung der Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. R. und Dr. N. überzeugt, dass die Klägerin noch in der Lage ist, viermal am Tag solche Wegstrecken in der genannten Zeit zurück zu legen. Zwar war die Klägerin bei der Gangprüfung in dem Übungspark der Klinik nur in der Lage, eine Gehstrecke von 336 Meter am Stück in zehn Minuten (inklusive Pausen) zurückzulegen. Dr. N. vermerkte in seinem Gutachten jedoch eine Diskrepanz zwischen dem Gehverhalten im Übungspark und dem Verhalten der Klägerin nach Verlassen der Klinik beim Aufsuchen des Parkplatzes. Soweit die Klägerin hierzu vorgetragen hat, dass eine solche Beobachtung des Sachverständigen aufgrund der Dunkelheit und der örtlichen Verhältnisse nicht nachvollziehbar sei, führt dies nicht zu einer anderen Bewertung. Denn die Klägerin hat das von Dr. N. angegebene Gehverhalten weder bestritten noch die - aus ihrer Sicht - richtigen Tatsachen vorgetragen. Zudem konnte auch Dr. B. eine Einschränkung des Gehvermögens nicht feststellen.

Zu weiteren medizinischen Ermittlungen sah sich der Senat durch das am 01.06.2016 diagnostizierte Lungenemphysem nicht veranlasst. Die Klägerin hat den entsprechenden Befundbericht ohne weitere Erläuterung vorgelegt. Insbesondere ist nicht ersichtlich, welche Funktionsbeeinträchtigungen sich aus dieser Beeinträchtigung ergeben und ob hierzu in der Zwischenzeit eine erfolgreiche Behandlung aufgenommen wurde.

Da die Klägerin nicht vor dem 02.01.1961 geboren ist, kommt bei ihr auch ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nicht in Betracht.

Abzulehnen war der hilfsweise gestellte Antrag des Klägers, von Amts wegen ein schmerzmedizinisches Gutachten zum Beweis der Tatsache einzuholen, dass sich der Ausprägungsgrad verstärkt und die Schmerzerkrankung mittlerweile ein schwergradiges Ausmaß habe. Die Klägerin wurde am 13.01.2016, mithin vor etwa einem ¾ Jahr, von den Sachverständigen Prof. Dr. R. und Dr. N. ausführlich untersucht und begutachtet. Dabei haben sich beide Sachverständige mit den von der Klägerin vorgetragenen Schmerzen auseinandergesetzt und diese sowohl auf orthopädischem als auch auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet umfassend beurteilt. Eine wesentliche Verschlechterung ihres Gesundheitszustand, die eine erneute Untersuchung und Begutachtung erforderte, hat die Klägerin nicht dargelegt. Zwar ist bei der Klägerin am 16.02.2016, somit nach der ambulanten Untersuchung durch die Sachverständigen, eine zystische Raumforderung operativ entfernt worden. Da sich - wie bereits oben ausgeführt - hierfür jedoch keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass diese Zyste das Schmerzerleben der Klägerin beeinflusst hat, ist vor diesem Hintergrund keine Verschlimmerung des Gesundheitszustandes der Klägerin anzunehmen und sind keine weiteren medizinischen Ermittlungen von Amts wegen durchzuführen.

Daher war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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