Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SB 1564/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 3240/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 14.07.2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch auf höhere (Erst-)Feststellung des Grades der Behinderung (GdB; 80 statt 40) zusteht.
Die 1954 geborene Klägerin beantragte am 17.08.2012 beim Landratsamt des Bodenseekreises (LRA) die Feststellung des GdB (Blatt 1/2 der Beklagtenakte). Zu ihrem Antrag verwies sie auf Depressionen, Kopfschmerzen/Migräne, einen Tinnitus, ein Karpaltunnel-Syndrom, eine Nervenentzündung zwischen Ellenbogen und Schulter sowie Cholesterin und Diabetes.
Die vom LRA befragte Fachärztin für Allgemeinmedizin, Naturheilverfahren und Chirotherapie Dr. L. verwies (Blatt 6/9 der Beklagtenakte) auf eine mittelgradige depressive Episode bei Stress und Mobbing bei der Arbeit und Schlafstörung. Die ebenfalls vom LRA befragte Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. gab mit Schreiben vom 31.12.2012 (Blatt 15/19 der Beklagtenakte) Einschränkungen der psycho-physischen Belastbarkeit, der Konzentrationsfähigkeit durch die Schmerzen und die Depression mit relevanter Schlafstörung, Einschränkungen bezüglich schwerem Heben und Tragen sowie Aufgaben mit Zwangshaltungen bei Nackenverspannungen, zusätzlich bei Tinnitus und Kopfschmerzen Empfindlichkeit bezüglich Lärm an.
Die Versorgungsärztin Dr. M. schätzte den GdB (Stellungnahme vom 31.01.2013, Blatt 22/23 der Beklagtenakte) auf 30 (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Seelische Störung, Ohrgeräusche, Koronardilatation, Migräne: Einzel-GdB 30; Schulter-Arm-Syndrom 10). Mit Bescheid vom 18.02.2013 stellte das LRA dann den GdB von 30 seit dem 01.06.2012 fest.
Mit dem am 07.03.2013 erhobenen Widerspruch (Blatt 27 der Beklagtenakte) verwies die Klägerin auf die durchgeführte Kur, zu der das LRA den Entlassbericht vom 02.04.2013 (Blatt 31/44 der Beklagtenakte) beizog.
Nachdem der Versorgungsarzt Dr. E. in seiner Stellungnahme vom 29.04.2013 den GdB weiterhin mit 30 einschätzte (Blatt 46/47 der Beklagtenakte) wies der Beklagte durch das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – den Widerspruch der Klägerin zurück (Widerspruchsbescheid vom 07.06.2013, Blatt 49/51 der Beklagtenakte).
Am 21.06.2013 hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Konstanz Klage erhoben. Die Migräne sei erheblich ausgeprägt. Es liege ein Tinnitus mit Schwerhörigkeit vor. Die mittelgradige Depression sei wenigstens mit einem GdB von 30 zu bewerten. Einigermaßen unter die Räder geraten sei der orthopädische Befund. Neben dem Schulter-Arm-Syndrom lägen Beschädigungen an wenigstens zwei Segmenten der Wirbelsäule vor. Die anerkannten Funktionsbeeinträchtigungen seien zu niedrig bewertet, der GdB müsse mit 80 anerkannt werden.
Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 22/25, 26/36, 39/44 und 46/65 der SG-Akte Bezug genommen). Der Facharzt für Orthopädie Dr. M. hat mit Schreiben vom 02.08.2013 den GdB auf orthopädischem Fachgebiet auf Grund der chronisch rezidivierenden Cervicobrachialgie, Dorsalgie und Lumboischialgie, dem rezidivierenden Wirbelsäulensyndrom mit Beteiligung aller drei Wirbelsäulenabschnitte und anhaltenden Nervenwurzelreizerscheinungen des rechten Armes und Beines, der Funktionseinschränkung des rechten Schultergelenks und dem Zustand nach Operation eines Carpaltunnelsyndroms mit 30 eingeschätzt. Die Allgemeinmedizinerin Dr. L. hat dem SG am 21.08.2013 geschrieben, sie habe eine zunehmende Erschöpfung und Depression wegen Überforderung und Mobbing am Arbeitsplatz festgestellt, sie könne den GdB jedoch nicht beurteilen. Der HNO-Arzt S. hat unter dem 18.10.2013 angegeben, die Klägerin bis Juli 2013 auf Grund eines Hörsturzes links behandelt zu haben. Dieser habe sich nach der Behandlung mit Cortison - anders als der Tinnitus links - deutlich gebessert. Fachärztin für Psychiatrie Dr. L. hat mit Schreiben vom 12.11.2013 ausgeführt, der GdB für die vorliegende seelische Störung, Depression und Angststörung sei mit mindestens 30 bis 40 zu bewerten. Für die zusätzliche komplexe Schmerzsymptomatik und den Tinnitus sowie die Funktionsbeeinträchtigungen sei ein GdB von ebenfalls 30 - 40 anzuerkennen sei. Insgesamt sei mindestens von einem GdB von 50 auszugehen.
Das vom Beklagten unterbreitete Angebot, vergleichsweise einen GdB von 40 seit 01.06.2012 festzustellen (Blatt 67/69 der SG-Akte) lehnte die Klägerin als völlig unzureichend (Schreiben vom 24.02.2014, Blatt 71 der SG-Akte) ab. Sie hat Ton- und Sprachaudiogramme übersandt (Schreiben vom 17.06.2014, Blatt 73/75 der SG-Akte), zu denen der Versorgungsarzt Dr. K. Stellung genommen hat (Blatt 78 der SG-Akte).
Das SG hat nunmehr die Dipl.Psychol. S. als sachverständige Zeugin schriftlich befragt. Diese hat dem SG am 28.09.2014 (Blatt 85/96 der SG-Akte) geschrieben, sie vermute stark, dass die Kopfschmerzen mit Migräneattacken sowie der Tinnitus, körperliche Verspannungen und Schlafstörungen psychisch mitbedingt seien.
Das SG hat des Weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens bei Dr. T ... Dieser hat in seinem Gutachten vom 26.11.2014 (Untersuchung am 20.11.2014; Blatt 102/127 der SG-Akte) eine seelische Störung, Ohrgeräusche (Tinnitus), ein chronisches Schmerzsyndrom und eine Migräne mit einem GdB von 40 bewertet.
Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 14.07.2015 den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 18.02.2013 und des Widerspruchsbescheides vom 07.06.2013 verurteilt, bei der Klägerin ab dem 01.06.2012 einen GdB von 40 anzuerkennen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf nervenärztlichem Fachgebiet liege eine mittelschwere psychiatrische Erkrankung mit chronischem Schmerzsyndrom bei somatischen und psychischen Faktoren und eine rezidivierende depressive Störung mit gegenwärtig zumindest leichtgradiger depressiver Symptomatik vor. Darüber hinaus leide die Klägerin unter wahrscheinlich durch die psychischen Störungen mitbeeinflussten chronischen Kopfschmerzen. Die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule seien ebenso wie das Schulter-Arm-Syndrom und die Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks mit einem GdB von jeweils 10 sachgerecht bewertet. Bei fortbestehender Normalhörigkeit rechts und gering- bis mittelgradiger Schwerhörigkeit links sei die Hörstörung zu Recht mit keinem GdB bewertet. Insgesamt ergebe sich ein GdB von 40.
Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 17.07.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 30.07.2015 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Es erscheine einigermaßen seltsam und gewagt, ausgerechnet die Ausführungen eines neurologischen Sachverständigen bei der Beurteilung des orthopädischen Befundes heranzuziehen, dieses umso mehr, als Dr. T. in seinem Gutachten auf den orthopädischen Befund exakt 4% der Zeilen verwendet habe. Aus dem Gutachten selbst sei nicht ersichtlich, dass eine körperliche Untersuchung der Klägerin in orthopädischer Hinsicht vorgenommen worden sei. Die reklamierte "körperliche Untersuchung" scheine sich auf eine reine Sichtprüfung beschränkt zu haben. Der langjährig behandelnde Orthopäde Dr. M. habe sowohl hinsichtlich der Halswirbelsäule als auch der Lendenwirbelsäule jeweils einen Einzel-GdB von 30 veranschlagt. Immerhin habe Dr. T. auf seinem eigenen Fachgebiet dann zumindest festgestellt, dass eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit vorliege. Sowohl bei Dr. T. als auch bei den Überlegungen des Sozialgerichts sei dann die Migräne völlig unter die Räder gekommen. Diese sei ganz erheblich ausgeprägt. Es komme nach wie vor zu mehreren Anfällen pro Monat, die größtenteils liegend überdauert werden müssten. Es komme dabei auch zum Erbrechen. Es liege auf jeden Fall zumindest eine mittelgradige Verlaufsform einer klassischen Migräne vor mit der Konsequenz, dass hierfür ein weiterer Einzel-GdB von wenigstens 30 in Ansatz zu bringen sei. Keineswegs könne man diffus die depressive Erkrankung und die Migräne miteinander vermengen und das Gesamtpaket dann zu einem GdB von lediglich 40 verrühren.
Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 14.07.2015 abzuändern und den Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 18.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.06.2013 zu verurteilen, ihr einen GdB von insgesamt 80 zuzuerkennen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Dr. T. habe eine mittelschwere psychiatrische Erkrankung mit chronischem Schmerzsyndrom bei somatischen und psychischen Faktoren und eine rezidivierende depressive Störung mit leichtgradiger depressiver Symptomatik mitgeteilt. Darüber hinaus bestünden chronische Kopfschmerzen, die wahrscheinlich durch die vorliegenden psychischen Störungen mitbeeinflusst würden. Es liege damit eine Überschneidung der psychischen Erkrankung mit dem chronischen Schmerzsyndrom und der Migräne vor. Dies habe auch die behandelnde Psychologin und Psychotherapeutin Straub bestätigt. Darüber hinaus sei eine mehr als leichtgradige Funktionsbeeinträchtigung seitens des orthopädischen Fachgebiets den vorliegenden Unterlagen nicht zu entnehmen.
Der Senat hat Dr. M. schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser hat in seiner schriftlichen Antwort vom 16.11.2015 (Blatt 32/34 der Senatsakte) eine schmerzhafte Funktionseinschränkung und verminderte Belastbarkeit des linken Schultergelenks bei chronischem Impingement-Syndrom, Kalkablagerung im linken Schultergelenk (Tendinosis calcarea) und Rotatorenmanschetten-Schaden sowie Teilschultersteife links mit einem GdB von 20 und eine Verschlimmerung der Schmerzsymptomatik und Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäulenbeschwerden mit rezidivierenden Nervenwurzelreizerscheinungen mit einem GdB von 30 bewertet.
Die Klägerin hat Auszüge aus einem Kopfschmerztagebuch (Blatt 36/39 der Senatsakte) vorgelegt.
Der Senat hat Dr. L. erneut als sachverständige Zeugin schriftlich befragt. Diese hat in ihrer Auskunft vom 07.12.2015 (Blatt 42/50 der Senatsakte) angegeben, eine durchgreifende Veränderung auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet habe sich seit 2013 nicht ergeben, zuletzt unter verstärktem Druck am Arbeitsplatz jedoch erneute Zunahme sowohl der Kopfschmerz-Frequenz als auch der depressiven Stimmungslage. Auf dem neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet gebe es keine neu aufgetretenen Diagnosen. Entsprechend dem Bericht von Dr. M. habe sich in orthopädischer Hinsicht eine akute Tendinosis calcaria im Bereich des linken Schultergelenks bei schon vorbestehenden Schulterbeschwerden rechts entwickelt.
Nachdem der Beklagte eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. R. vom 03.03.2016 (Blatt 53/54 der Senatsakte) vorgelegt hat, hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachten beim Internisten, Betriebs- und Sozialmediziner Dr. S. sowie von Zusatzgutachten auf orthopädischem Fachgebiet beim Facharzt für Orthopädie Dr. H. sowie auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet beim Facharzt für Neurologie und Psychiatrier, Rehabilitationswesen, Sozialmedizin B ... Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 61/113 der Senatsakte Bezug genommen. Der Facharzt für Orthopädie Dr. H. hat in seinem Gutachten vom 01.07.2016 (Untersuchung am 30.06.2016) die Wirbelsäulenveränderungen, unter Einschluss der durch diese Veränderungen ausgelösten Schmerzsyndrome, maximal mit einem GdB von 10 und die Beschwerden im Bereich des linken Schultergelenkes nach arthroskopischer Operation mit einem GdB von unter 10 bewertet. Die Funktionsstörung durch beidseitige Fußfehlform bedinge ebenfalls einen GdB von unter 10. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrier, Rehabilitationswesen, Sozialmedizin B. hat in seinem Gutachten vom 24.07.2016 (Untersuchung am 30.06.2016) ein Kopfschmerzsyndrom mit vor allem klassischer Migräne, untergeordnet auch Spannungskopfschmerzen, mit einem Teil-GdB von 30, eine rezidivierende depressive Störung, derzeit leicht ausgeprägte Episode, vorbeschriebene höhergradige (meist mittelgradige) depressive Episoden mit einem Teil-GdB von 20, eine Angsterkrankung mit prominent spezifischen Ängsten (überwiegend klaustrophobisch, auch Höhenangst) mit einem Teil-GdB von 10, eine vorbeschriebene chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren mit einem Teil-GdB von 10, einen Tinnitus aurium mit einem Teil-GdB von 10 sowie ein vor Jahren operiertes Karpaltunnelsyndrom links ohne nach klinischem Befund Anhalt für ein belangvolles Rezidiv mit einem Teil-GdB von weniger als 10 bewertet. Den GdB bezüglich der nervenärztlichen Diagnosen hat er mit 40 angegeben. Dr. S. hat in seinem Gutachten vom 28.07.2016 (Untersuchung am 30.06.2016) unter Einschluss der Ausführungen der Gutachter Dr. H. und B. den Gesamt-GdB auf 40 seit August 2012 eingeschätzt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Blatt 118, 119 der Senatsakte).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässi, aber unbegründet.
Der angefochtene Bescheid des LRA vom 18.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 07.06.2013 war zwar rechtswidrig und hatte die Klägerin in ihren Rechten verletzt, denn der GdB war insgesamt auf 40 festzustellen. Diese Rechtsverletzung wurde jedoch durch den angefochtenen Gerichtsbescheid des SG vom 14.07.2015 beseitigt. Die Klägerin hat jedoch keinen darüber hinausgehenden Anspruch auf Feststellung eines GdB von mehr als 40.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die der Zuerkennung eines GdB zugrundeliegende Behinderung wird gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX im Hinblick auf deren Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Dabei stellt die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412), den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) – wie auch die zuvor geltenden Anhaltspunkte (AHP) - auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die im Allgemeinen zunächst nach Funktionssystemen zusammenfassend (dazu vgl. Teil A Nr. 2 Buchst. e) VG) und die hieraus gebildeten Einzel-GdB (vgl. A Nr. 3a) VG) nach § 69 Abs. 3 SGB IX anschließend in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind. Die Feststellung der jeweiligen Einzel-GdB folgt dabei nicht einzelnen Erkrankungen sondern den funktionellen Auswirkungen aller derjenigen Erkrankungen, die ein einzelnes Funktionssystem betreffen.
Die Bemessung des Gesamt GdB (dazu s. unten) erfolgt nach § 69 Abs. 3 SGB IX. Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. A Nr. 3 VG). Der Gesamt GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt.
Der Senat ist nach eigener Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass die bei der Klägerin vorliegenden Funktionsbehinderungen in ihrer Gesamtschau einen höheren Gesamt-GdB als 40 nicht rechtfertigen.
Im Funktionssystem des Rumpfes, zu dem der Senat die Wirbelsäule einschließlich der Halswirbelsäule zählt, war ein Einzel-GdB von 10 anzunehmen. Nach den B Nr. 18.9 VG ist bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ein GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Maßgebend ist dabei, dass die Bewertungsstufe GdB 30 bis 40 erst erreicht wird, wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegen. Die Obergrenze des GdB von 40 ist danach erreicht bei schweren Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten (Senatsurteil 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11 - juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de). Erst bei Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen (z.B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst (z.B. Milwaukee-Korsett); schwere Skoliose (ab ca. 70° nach Cobb)) ist ein GdB von 50 bis 70 und bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB von 80 bis 100 gerechtfertigt.
Der Senat konnte in diesem Funktionssystem ein rezidivierendes Zervikalsyndrom mit muskulären Verspannungen, degenerative Veränderungen C 5/ 6 ohne Wurzelreizsyndrom und ohne neurologischen Ausfälle, eine rezidivierende Dorsalgie sowie ein rezidivierendes Lumbalsyndrom, Spondylarthrosen lumbosakral ohne Wurzelreizsyndrom und ohne neurologische Ausfälle feststellen. Diese Gesundheitsstörungen konnte der Gutachter Dr. H. für den Senat überzeugend darlegen. Sie entsprechen im Ergebnis auch den Angaben des behandelnden Orthopäden Dr. M ... Dieser hatte zwar gegenüber dem Senat auf rezidivierende Reizerscheinungen an der 6. und 7. Halswirbelnervenwurzel hingewiesen. Diese konnten aber weder im Gutachten von Dr. H. noch den nervenärztlichen Gutachten B. und Dr. T. objektiviert werden. Denn auch die beiden nervenärztlichen Gutachter konnten weder Reizerscheinungen noch sonstige neurologische Ausfälle oder Beeinträchtigungen, die auf wesentliche Beeinträchtigungen der Rückenmarksnerven hindeuten, erheben. So hat z.B. der Gutachter B. auch keine Hinweise auf eine radiculäre Symptomatik feststellen können.
Bei der Untersuchung durch Dr. H. ergab sich eine im Lot stehende Wirbelsäule bei Schulter- und Beckengeradstand. Seitausbiegung und Rotationszeichen wurden nicht festgestellt, die Tailliendreiecke waren symmetrisch gezeichnet. Es bestand eine abgeflachte kyphotische und lordotische Schwingung. Eine Rippenbuckelbildung bestand nicht, mäßig kräftig ausgebildet war die Rückenstreck-, Schultergürtel-, Brust- und Bauchmuskulatur beidseits. Verspannungen der Muskulatur im Bereich der Hals- und Schultergürtelmuskulatur sowie der Lendenwirbelsäule konnte Dr. H. feststellen. Im Bereich des lumbosakralen Überganges fanden sich Muskelverhärtungen im Bereich der Rückenstrecker. Ansonsten bestand ein unauffälliger normaler Muskeltonus. Der Aufrichteversuch wurde von der Klägerin ohne Angabe von Schmerzen ausgeführt. Ein Beckenstauchungs- und Verwringungsschmerz bestand nicht. Beim Vorwärtsbeugen des Rumpfes mit gestreckten Kniegelenken wurde unter Angabe tieflumbaler Schmerzen ein Finger-Boden-Abstand von 0 cm erreicht. Die Entfaltung der Dornfortsatzreihe bei der Inklination und der Reklination war im Bereich der Halswirbelsäule nicht eingeschränkt. Die Beweglichkeit der Rumpfwirbelsäule war ebenfalls nicht eingeschränkt. Dagegen wurden paravertebral Druckbeschwerden im Bereich der Nackenstrecker, des cervico-thorakalen Überganges, im Bereich des Kyphosescheitels und den caudalen Etagen der Lendenwirbelsäule angegeben. Die Dornfortsatzreihe war nicht rüttel- oder stauchempfindlich. Der Druckschmerz wurde paravertebral in die Muskulatur lokalisiert.
Dr. H. hat folgende Bewegungsausmaße gemessen:
Normalwerte in Grad Gutachten Dr. H. Halswirbelsäule Vorneigen/Rückneigen (35-45)-0-(35-45) 40-0-60 Rotation rechts/links (60-80)-0-(60-80) 80-0-80 Seitneigung rechts/links 45-0-45 30-0-30 Brust- und Lendenwirbelsäule Beckentiefstand keiner keiner DF-Reihe: BWS-LWS im Lot im Lot Vorneigen/Rückneigen 45-0-350 Finger-Boden-Abstand 0 cm 0 cm Seitneigen rechts/links 35-0-35 30-0-30 Ott 30/33 cm 28,5/30/33 cm Schober 10/14 cm 8,5/10/15 cm
In Anbetracht dieser gutachterlichen Befunde war eine funktionsrelevante wesentliche Wirbelsäulenerkrankung nicht festzustellen. Auch neurologische oder motorische Störungen konnte der Senat nicht feststellen. Damit konnte der Senat im Hinblick auf die Vorgaben von B Nr. 18.9 VG vorliegend auch im Hinblick auf Schmerzsyndrome lediglich einen Einzel-GdB von 10 annehmen. Denn es liegen allenfalls geringe funktionelle Auswirkungen der Wirbelsäulenschäden vor. Diese Bewertung entspricht derjenigen von Dr. H ... Funktionelle Auswirkungen mindestens mittelgradiger Ausprägung konnte der Senat weder in einem noch in mindestens zwei Wirbelsäulenabschnitten feststellen. Derartige Befunde hat auch Dr. M. nicht mitgeteilt. Soweit er daher für die Cervicobrachialgie und die Dorsalgie jeweils GdB-Wertte von 30 annimmt, widersprechen seine Einschätzungen den Bewertungsvorgaben der VG (B Nr. 18.9 VG) und können vom Senat so nicht nachvollzogen werden.
Im Funktionssystem der Arme, wozu auch die Hände gehören, sind bei der Klägerin Restbeschwerden der linken Schulter nach Arthroskopie mit subacromialer Dekompression und Refixation der Supraspinatussehne am 08.01.16 zu berücksichtigen. Dr. M. hatte für die Zeit vor der Operation im Januar 2016 eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung im linken Schultergelenk beschrieben. Bezüglich der rechten Schulter hat er ein chronisches Impingement bei Rotatorenmanschettenschaden und Kalkablagerungen mit partieller Schultersteife angegeben.
Dr. H. hatte bei seiner Untersuchung im Bereich der linken Schulter reizlose Narben nach arthroskopischer Operation gefunden. Beide Schultergelenke waren inspektorisch unauffällig. Die bedeckende Muskulatur war seitengleich ausgebildet. Bei der Palpation wurden linksseitig Schmerzen über dem ventralen Anteil der Rotatorenmanschette angegeben. An den Schultergelenken bestanden beidseits keine Schwellungen. Die Beweglichkeit war bei der passiven und aktiven Bewegungsprüfung nicht eingeschränkt. Beiderseits ließen sich keine Krepitationen feststellen. Der Nacken- und Schürzengriff wurden unter Schmerzangabe dagegen beidseits nur im Ansatz ausgeführt. Jedoch konnte Dr. H. beiderseits keinen typischen schmerzhaften Bogen, kein Drop-Arm-Phänomen feststellen, das Yergason-Zeichen war negativ. Bei der Prüfung der Kraft hatte die Klägerin bei Widerstand im Bereich beider Schultern keine Schmerzen angegeben.
Angesichts der von Dr. H. erhobenen Bewegungsmaße der Schultergelenke (Ab-/Anspreizung: rechts: 170-0-40, links: 170-0-30; Vor-/Rückhebung: rechts: 180-0-30, links: 180-0-30; Außen-/Innendrehung: rechts: 80-0-70, links: 80-0-70) hat die Klägerin die Mindestschwelle für die Feststellung eines GdB von 10 (vgl. dazu B Nr. 18.13 VG: Armhebung nur bis 120o mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit) nicht überschritten. Soweit Dr. M. für die Zeit vor der Operation der linken Schulter eine Beweglichkeit von 20o-0o-100o für Extension und Flexion angegeben hat, beliefe sich der Teil-GdB daher allenfalls bis zur Operation am 08.01.2016 auf 10. Hinsichtlich der rechten Schulter hat Dr. M. gegenüber dem SG ein Bewegungsausmaß von 20o-0o-140o angegeben, was insoweit keinen Teil-GdB rechtfertigt.
Im Bereich beider Handgelenke konnte Dr. H. beugeseitig reizlose Narben feststellen, rechts von 5 cm und links nach Retinaculumspaltung und Ganglionextirpation im Bereich des Daumenballens von jeweils 2 cm. Beide Handgelenke waren ansonsten inspektorisch und palpatorisch unauffällig. Die Klägerin hat keine Druckschmerzen über dem Gelenkspalt angegeben. Beidseits ließen sich bei Druck auf das Retinaculum und beim Beklopfen des Karpaltunnels keine Schmerzen auslösen. Die Ulnaköpfchen standen beiderseits in normaler Position. Der Tastbefund an den Handwurzelknochen war unauffällig. An beiden Handgelenken bestanden keine Ergussbildungen. Die beuge- und streckseitigen Sehnen und Sehnenscheiden an den Unterarmen und an den Händen waren beidseits inspektorisch und palpatorisch unauffällig. Bei der aktiven und der passiven Bewegungsprüfung wurden beidseits keine Schmerzen angegeben. Vor diesem Hintergrund konnte der Senat keine orthopädisch bedingte GdB-relevante Funktionsbehinderungen der Hände feststellen. Auch das vor Jahren operierte Karpaltunnelsyndrom links ergibt mit dem Gutachter B. keinen Anhalt für ein belangvolles Rezidiv. Damit konnte im Bereich der Hände kein Teil-GdB von wenigstens 10 angenommen werden, sodass im Funktionssystem der Arme allenfalls bis zum 08.01.2016 zugunsten der Klägerin ein Einzel-GdB für die Bewegungseinschränkung der linken Schulter von 10 angenommen werden kann. Befunde, die eine weitergehende Bewertung zuließen, ergeben sich auch nicht aus den vorliegenden ärztlichen Berichten und Aussagen, insbesondere nicht aus denen von Dr. M ...
Im Funktionssystem der Beine besteht bei der Klägerin eine Senk-Spreizfußbildung beidseits. Knie, Hüften und Sprunggelenke konnte Dr. H. als unauffällig beschreiben. Auch Dr. M. hat insoweit keine krankhaften Befunde mitgeteilt. Die Vorfußkontur dagegen war beidseits aufgefächert. Die Sohlenbeschwielung war bei der Untersuchung durch Dr. H. unter den Mittelfußköpfchen der Zehen D II bis IV beidseits vermehrt. Es bestand eine gering ausgeprägte Hallux valgus Stellung beidseits. Dr. H. hat insoweit eine mäßig ausgeprägte Fehlstatik im Rahmen einer beidseitigen Senk- und Spreizfußverbildung angegeben. Im Hinblick auf die Bewertungsvorgaben von B Nr. 18.14 VG für "andere Fußdeformitäten" und die Mitteilung von Dr. H., dass das Gangbild unauffällig und zügig war, musste der Senat feststellen, dass vorliegend diese Gesundheitsstörung ohne wesentliche statische Auswirkungen geblieben ist und mit den dort angegebenen Senk-Spreizfußbildungen mit einem GdB von weniger als 10 zu bewerten war.
Im Funktionssystem der Ohren konnte der Senat eine GdB-relevante Hörminderung bei der Klägerin nicht feststellen. Diese hat eine solche zwar behauptet, doch konnte der vom SG befragte HNO-Arzt S. eine solche nicht mitteilen. Auch aus den von ihm vorgelegten Ton- und Sprachaudiogramme konnte der Senat eine belangvolle Hörminderung i.S. B Nr. 5.2 VG nicht feststellen. Den Tinnitus aurium konnte auch der nervenärztliche Gutachter B. als neurologische Störung bewerten. Angesichts der vorliegenden Befunde ergibt sich im Hinblick auf die Vorgaben von B Nr. 5.3 VG und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Ohrgeräusche ohne nennenswerte psychische Begleiterscheinungen geblieben sind – solche hat sie weder den behandelnden Ärzten noch dem Gutachter berichtet – zugunsten der Klägerin für die Ohrgeräusche allenfalls ein GdB von 10.
Im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche konnte der Senat eine rezidivierende depressive Störung, zur Zeit der Begutachtung durch den Gutachter B. als leicht ausgeprägte Episode, vorbeschrieben jedoch mit höhergradigen depressiven Episoden, eine Angsterkrankung mit prominent spezifischen Ängsten (überwiegend klaustrophobisch, auch Höhenangst) und eine vorbeschriebene chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren feststellen. Dies konnte der Senat den Ausführungen der Gutachter B. und T. sowie den Angaben der behandelnden Ärzte und Therapeuten entnehmen.
Bei der Untersuchung durch den Gutachter B. war die Klägerin in keiner Weise durch irgendwelches Schmerzerleben beeinträchtigt. Auf dem Stuhl im Untersuchungszimmer sitzend zeigte sie während der gesamten, mehr als anderthalb Stunden gehenden Exploration locker sitzend keine vermehrten Ausgleichsbewegungen. Im Kontaktverhalten war sie adäquat, in der Beschwerdeschilderung offen. Sie war wach, vollständig orientiert, bewusstseinsklar und wies keine Beeinträchtigung von Konzentration oder Aufmerksamkeit auf. Die Gedächtnisfunktionen waren gut. Affektiv war die Klägerin allenfalls leicht depressiv verstimmt. Es lag keine mittelschwere oder schwere Verlagerung des Affekts hin zum depressiven Pol vor, die affektive Modulationsfähigkeit war allenfalls leicht beeinträchtigt. Eine relevante moros-dysthyme Verstimmung konnte der Gutachter nicht feststellen. Es bestand kein höhergradiges Antriebsdefizit. Das formale Denken war unbeeinträchtigt, nicht verlangsamt oder beschleunigt, nicht gelockert, nicht sprunghaft, nichts zerfahren und auch nicht inkohärent. Im inhaltlichen Denken bestand kein Wahn, eher eine leichte bis allenfalls mäßige depressive Kognition. Auch eine durchgängige, relevante Einengung des Denkens oder ein intrusives Erleben bestanden nicht. Spezifische Ängste bestanden nur klaustrophobischer Art sowie in Form einer mitgeteilten Höhenangst.
Der von der Klägerin bei den Gutachten B. und Dr. T. mitgeteilte Tagesablauf und die vollschichtige Berufstätigkeit als Bedienung in einer Kurparkklinik zeigen, dass die Klägerin in der Lage ist, den Alltag, den Haushalt, die Kontakte zu ihrer Tochter und dem Enkel zu gestalten und zu erleben. So hat sie angegeben, sich die Tochter zu besuchen bzw. diese komme zu Besuch. Auch besucht sie ihre Mutter ca. im 50 km Kressbronn. Sie liest gerne und surft im Internet, macht dort Spiele und telefoniert mit Bekannten. Dieses Alltagsverhalten zeigt, dass die Klägerin nicht im Durchschnitt der Tage durch eine seelische und schmerzbedingte Symptomatik wesentlich eingeschränkt ist.
Vor diesem Hintergrund konnte der Senat mit Blick auf die Vorgaben von B Nr. 3.7 VG und B Nr. 18.4 VG und lediglich eine leichtere psychovegetative oder psychische Störung annehmen, die den GdB-Rahmen von 0 bis 20 eröffnet. Eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit konnte der Senat dagegen nicht feststellen. Innerhalb des GdB-Rahmens von 0 bis 20 konnte der Senat den GdB zugunsten der Klägerin am oberen Rand des Bewertungsrahmens annehmen. Damit konnte der Teil-GdB mit 20 angenommen werden. Eine dauerhaft oder wenigstens im Durchschnitt durchgehend bestehende mittelschwere bis schwere depressive Erkrankung konnte der Senat nicht feststellen. Vielmehr hat auch die behandelnde Psychiaterin Dr. L. lediglich rezidivierende Episoden beschrieben. Diese konnte der Senat jedoch im Durchschnitt (vgl. A Nr. 2 Buchst. f) VG) nicht als stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit feststellen.
Im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche ist auch das Kopfschmerzsyndrom zu bewerten, das mit einer vor allem klassischen Migräne einhergeht und zusätzlich auch durch mögliche Spannungskopfschmerzen beeinflusst ist. Nach den Bewertungsvorgaben von B Nr. 2.3 VG ist die echte Migräne je nach Häufigkeit und Dauer der Anfälle und Ausprägung der Begleiterscheinungen als - leichte Verlaufsform (Anfälle durchschnittlich einmal monatlich) mit einem GdB von 0 bis 10, - mittelgradige Verlaufsform (häufigere Anfälle, jeweils einen oder mehrere Tage anhaltend) mit einem GdB von 20 bis 40, - schwere Verlaufsform (lang andauernde Anfälle mit stark ausgeprägten Begleiterscheinungen, Anfallspausen von nur wenigen Tagen) mit einem GdB von 50 bis 60 zu bewerten.
Der Gutachter B. hat aufgrund seiner Untersuchung der Klägerin und deren Beschwerdeangaben die Kopfschmerzen als einseitig, mit vorausgehend typischen, flimmernden Sehstörungen als Ausdruck einer Aura und begleitender Übelkeit, teilweise auch mit Erbrechen, Lichtscheue und Lärmempfindlichkeit eindeutig als Migräne mit Aura, also eine klassische Migräne, beschrieben. Zusätzlich können Spannungskopfschmerzen vorhanden sein, diese sind aber gegenüber der Migräne untergeordnet. Kopfschmerzen treten bei der Klägerin mit einer Frequenz zwischen drei und sieben Attacken pro Monat bei einer Attackendauer zwischen zwei Stunden und maximal über zwei Tage andauernd auf. Ein gehäuftes Vorkommen eines Status migraenosus konnte der Gutachter B. ebenso wenig feststellen wie das Vorliegen einer chronischen Migräne. Insofern geht der Gutachter B. nicht von einer schweren Verlaufsform aus. Vielmehr geht der Gutachter B. von einer mittleren Verlaufsform aus. Die Klägerin wird durch die Migräneattacken beeinträchtigt, als z.B. Arbeitsunfähigkeitszeiten deswegen aufgetreten sind. Auch war ausweislich eines vorliegenden Befundberichtes eine Behandlung im Krankenhaus erforderlich geworden. Behandelt wird die Migräne im Anfall symptomatisch mit der gestaffelten Gabe von Schmerzmitteln bis hin zu Migränespezifika, wobei die Auszüge aus den vorgelegten Migränetagebüchern zur Häufigkeit der Gabe von Kopfschmerzmedikamenten nur bedingt (mangels konsequenter Dokumentation) herangezogen werden können. Jedenfalls wird derzeit von der behandelnden Nervenärztin keine medikamentöse Prophylaxe der Migräne durchgeführt, zu berücksichtigen ist jedoch, dass ein 2013 begonnener Versuch aufgrund einer Arzneimittelunverträglichkeit Anfang 2014 wieder beendet werden musste. Eine medikamentöse Prophylaxe ist indiziert. Ansonsten ist die Probandin im Hinblick auf die Migräne offensichtlich adäquat behandelt.
Der Senat konnte insoweit feststellen, dass die Klägerin deutlich mehr als zwei Migräneattacken im Monat erleidet. Diese haben auch qualitativ mehr als leichte Ausprägung. Vor diesem Hintergrund war die Migräne bei der Klägerin als mittelgradige Verlaufsform innerhalb der GdB-Rahmens von 20 bis 40 im mittleren Bereich, mithin mit einem GdB von 30 zu bewerten.
Angesichts der Beschreibung der Funktionssysteme in A Nr. 2 Buchst. f) VG, die von den Überschriften der im Teil B der VG genannten Körperbereiche abweichen, war die Migräne dem Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche zuzuordnen – allerdings war innerhalb dieses Funktionssystem ein eigenständiger Teil-GdB zu vergeben. Bei der Bemessung des für dieses Funktionssystem anzunehmenden Einzel-GdB waren dann die wechselseitigen Auswirkungen, Überschneidungen oder Verschlimmerungen zu berücksichtigen. Insoweit konnte der Gutachter B. mitteilen, dass Überschneidungen bestehen. Er hat insoweit auf die Wechselwirkungen zwischen Depression und Migräne nebst Spannungskopfschmerzen verwiesen, die gegenseitig negativ aufeinander wirken. Auch sind Interferenzen zwischen der Angsterkrankung und der Depression anzunehmen. Auch bestehen Überschneidungen zwischen den Einschränkungen bedingt durch die chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren und der Migräne bzw. den Spannungskopfschmerzen neben Interferenzen zwischen der Depression und der chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren. Insoweit konnte der Senat im Rahmen der Bemessung des Einzel-GdB in diesem Funktionssystem eine Erhöhung des für die Migräne anzunehmenden Teil-GdB von 30 wegen der weiteren auf psychischem Gebiet bestehenden Funktionsbehinderungen auf 40 feststellen. Der weitergehenden Beurteilung durch die behandelnde Ärztin Dr. L. konnte der Senat angesichts auch der von Dr. L. mitgeteilten Befunde nicht beitreten.
Die Diabeteserkrankung der Klägerin ist mit Metformin ausreichend eingestellt und bedingt mit den Ausführungen des Gutachters Dr. S. keinen Gd i.S. von B Nr. 15.1 VG. Gleiches gilt für das von der Klägerin als krankhaft angegebene Cholesterin.
Weitere - bisher nicht berücksichtigte - GdB-relevante Funktionsbehinderungen, die einen Einzel- bzw. Teil-GdB von wenigstens 10 bedingen, wurden weder geltend gemacht noch konnte der Senat solche feststellen.
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen, nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den sachverständigen Zeugenauskünften und den Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der medizinische festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris).
Ein weiteres Gutachten war mithin weder von Amts wegen einzuholen, noch hat die Klägerin ihren bereits mit der Berufungsbegründung gestellten Antrag auf Begutachtung auf neurologisch/psychiatrischem Fachgebiet nach § 109 SGG aufrechterhalten. Der Senat hat auf diesen in der Berufungsbegründung gestellten Antrag von Amts wegen eine Begutachtung in Auftrag gegeben, die ein neurologisch-psychiatrisches, ein orthopädisches und ein internistisch-sozialmedizinisches Gutachten umfasst hatte. Damit war der Antrag der Klägerin in der Sache erledigt. Soweit sie nach Durchführung der Beweisaufnahme an einer weiteren Begutachtung nach § 109 SGG festhalten wollte, hätte sie dieses zum Ausdruck bringen müssen. Dies gilt umso mehr, als der Senat mit Schreiben vom 02.08.2016 darauf hingewiesen hatte, dass weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht beabsichtigt sind. Auch auf die Zustellung der Terminsladung zum 24.10.2016 am 09.09.2016 hat die Klägerin ihren Antrag auf weitere Begutachtung nicht erneuert. Vielmehr hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 13.10.2016 uneingeschränkt auf mündliche Verhandlung verzichtet und damit in eine Sachentscheidung eingewilligt. Damit war der ursprüngliche Antrag auf Begutachtung nach § 109 SGG erledigt, ein neuer nicht gestellt.
Nach Überzeugung des Senats ist der Gesamt-GdB unter integrierender Bewertung der Funk-tionsbehinderungen und unter Beachtung ihrer gegenseitigen Auswirkungen der Gesamt-GdB zu bilden aus Einzel-GdB-Werten von - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Rumpfes (Wirbelsäule), - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Arme bis 08.01.2016 (Schulter links), - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Ohren, - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Augen und - 40 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche einschließlich der Migräne. Nachdem bei der Klägerin vorliegend von alleine einem zu berücksichtigenden Einzel-GdB von 40 auszugehen ist und kein Fall vorliegt, in denen ausnahmsweise GdB-Werte von 10 erhöhend wirken, konnte der Senat einen Gesamt-GdB i.S.d. § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX i.H.v. insgesamt allenfalls 40 feststellen. Zwar ist mit dem Gutachter B. von einer wechselseitigen Verstärkung des Tinnitus durch die Depression und dann wiederum auch umgekehrt von einer Verstärkung der Depression durch den Tinnitus auszugehen, doch verbleibt der Tinnitus insoweit funktionell im GdB-Bereich um 10, was zu einer Erhöhung des Einzel-GdB von 40 nicht berechtigt. Des Weiteren sind sowohl bei der Wirbelsäule als auch im Bereich der Psyche Schmerzsyndrome mitberücksichtigt, die zu einer nicht verstärkenden Überschneidung führen und nicht doppelt bewertet werden dürfen. Der Gesamt-GdB wäre aber auch dann nicht weiter zu erhöhen, wenn für den Tinnitus aurium ein Einzel-GdB von 20 im Funktionssystem der Ohren angenommen würde. Denn insoweit ließe sich die Erhöhung des Einzel-GdB allenfalls mit weiterreichenden psychischen Begleiterscheinungen begründen, die aber dann bereits von der Bewertung des Teil-GdB von 20 für die psychischen Gesundheitsstörungen erfasst und damit abgedeckt wären.
Insgesamt ist der Senat unter Berücksichtigung eines Vergleichs der bei der Klägerin insgesamt vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen und deren gegenseitigen Auswirkungen einerseits und derjenigen Fälle, für die die VG die Schwerbehinderteneigenschaft, mithin einen GdB von 50, vorsehen andererseits, zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin nicht als einem Schwerbehinderten vergleichbar schwer funktionell beeinträchtigt anzusehen ist.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch auf höhere (Erst-)Feststellung des Grades der Behinderung (GdB; 80 statt 40) zusteht.
Die 1954 geborene Klägerin beantragte am 17.08.2012 beim Landratsamt des Bodenseekreises (LRA) die Feststellung des GdB (Blatt 1/2 der Beklagtenakte). Zu ihrem Antrag verwies sie auf Depressionen, Kopfschmerzen/Migräne, einen Tinnitus, ein Karpaltunnel-Syndrom, eine Nervenentzündung zwischen Ellenbogen und Schulter sowie Cholesterin und Diabetes.
Die vom LRA befragte Fachärztin für Allgemeinmedizin, Naturheilverfahren und Chirotherapie Dr. L. verwies (Blatt 6/9 der Beklagtenakte) auf eine mittelgradige depressive Episode bei Stress und Mobbing bei der Arbeit und Schlafstörung. Die ebenfalls vom LRA befragte Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. gab mit Schreiben vom 31.12.2012 (Blatt 15/19 der Beklagtenakte) Einschränkungen der psycho-physischen Belastbarkeit, der Konzentrationsfähigkeit durch die Schmerzen und die Depression mit relevanter Schlafstörung, Einschränkungen bezüglich schwerem Heben und Tragen sowie Aufgaben mit Zwangshaltungen bei Nackenverspannungen, zusätzlich bei Tinnitus und Kopfschmerzen Empfindlichkeit bezüglich Lärm an.
Die Versorgungsärztin Dr. M. schätzte den GdB (Stellungnahme vom 31.01.2013, Blatt 22/23 der Beklagtenakte) auf 30 (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Seelische Störung, Ohrgeräusche, Koronardilatation, Migräne: Einzel-GdB 30; Schulter-Arm-Syndrom 10). Mit Bescheid vom 18.02.2013 stellte das LRA dann den GdB von 30 seit dem 01.06.2012 fest.
Mit dem am 07.03.2013 erhobenen Widerspruch (Blatt 27 der Beklagtenakte) verwies die Klägerin auf die durchgeführte Kur, zu der das LRA den Entlassbericht vom 02.04.2013 (Blatt 31/44 der Beklagtenakte) beizog.
Nachdem der Versorgungsarzt Dr. E. in seiner Stellungnahme vom 29.04.2013 den GdB weiterhin mit 30 einschätzte (Blatt 46/47 der Beklagtenakte) wies der Beklagte durch das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – den Widerspruch der Klägerin zurück (Widerspruchsbescheid vom 07.06.2013, Blatt 49/51 der Beklagtenakte).
Am 21.06.2013 hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Konstanz Klage erhoben. Die Migräne sei erheblich ausgeprägt. Es liege ein Tinnitus mit Schwerhörigkeit vor. Die mittelgradige Depression sei wenigstens mit einem GdB von 30 zu bewerten. Einigermaßen unter die Räder geraten sei der orthopädische Befund. Neben dem Schulter-Arm-Syndrom lägen Beschädigungen an wenigstens zwei Segmenten der Wirbelsäule vor. Die anerkannten Funktionsbeeinträchtigungen seien zu niedrig bewertet, der GdB müsse mit 80 anerkannt werden.
Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 22/25, 26/36, 39/44 und 46/65 der SG-Akte Bezug genommen). Der Facharzt für Orthopädie Dr. M. hat mit Schreiben vom 02.08.2013 den GdB auf orthopädischem Fachgebiet auf Grund der chronisch rezidivierenden Cervicobrachialgie, Dorsalgie und Lumboischialgie, dem rezidivierenden Wirbelsäulensyndrom mit Beteiligung aller drei Wirbelsäulenabschnitte und anhaltenden Nervenwurzelreizerscheinungen des rechten Armes und Beines, der Funktionseinschränkung des rechten Schultergelenks und dem Zustand nach Operation eines Carpaltunnelsyndroms mit 30 eingeschätzt. Die Allgemeinmedizinerin Dr. L. hat dem SG am 21.08.2013 geschrieben, sie habe eine zunehmende Erschöpfung und Depression wegen Überforderung und Mobbing am Arbeitsplatz festgestellt, sie könne den GdB jedoch nicht beurteilen. Der HNO-Arzt S. hat unter dem 18.10.2013 angegeben, die Klägerin bis Juli 2013 auf Grund eines Hörsturzes links behandelt zu haben. Dieser habe sich nach der Behandlung mit Cortison - anders als der Tinnitus links - deutlich gebessert. Fachärztin für Psychiatrie Dr. L. hat mit Schreiben vom 12.11.2013 ausgeführt, der GdB für die vorliegende seelische Störung, Depression und Angststörung sei mit mindestens 30 bis 40 zu bewerten. Für die zusätzliche komplexe Schmerzsymptomatik und den Tinnitus sowie die Funktionsbeeinträchtigungen sei ein GdB von ebenfalls 30 - 40 anzuerkennen sei. Insgesamt sei mindestens von einem GdB von 50 auszugehen.
Das vom Beklagten unterbreitete Angebot, vergleichsweise einen GdB von 40 seit 01.06.2012 festzustellen (Blatt 67/69 der SG-Akte) lehnte die Klägerin als völlig unzureichend (Schreiben vom 24.02.2014, Blatt 71 der SG-Akte) ab. Sie hat Ton- und Sprachaudiogramme übersandt (Schreiben vom 17.06.2014, Blatt 73/75 der SG-Akte), zu denen der Versorgungsarzt Dr. K. Stellung genommen hat (Blatt 78 der SG-Akte).
Das SG hat nunmehr die Dipl.Psychol. S. als sachverständige Zeugin schriftlich befragt. Diese hat dem SG am 28.09.2014 (Blatt 85/96 der SG-Akte) geschrieben, sie vermute stark, dass die Kopfschmerzen mit Migräneattacken sowie der Tinnitus, körperliche Verspannungen und Schlafstörungen psychisch mitbedingt seien.
Das SG hat des Weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens bei Dr. T ... Dieser hat in seinem Gutachten vom 26.11.2014 (Untersuchung am 20.11.2014; Blatt 102/127 der SG-Akte) eine seelische Störung, Ohrgeräusche (Tinnitus), ein chronisches Schmerzsyndrom und eine Migräne mit einem GdB von 40 bewertet.
Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 14.07.2015 den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 18.02.2013 und des Widerspruchsbescheides vom 07.06.2013 verurteilt, bei der Klägerin ab dem 01.06.2012 einen GdB von 40 anzuerkennen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf nervenärztlichem Fachgebiet liege eine mittelschwere psychiatrische Erkrankung mit chronischem Schmerzsyndrom bei somatischen und psychischen Faktoren und eine rezidivierende depressive Störung mit gegenwärtig zumindest leichtgradiger depressiver Symptomatik vor. Darüber hinaus leide die Klägerin unter wahrscheinlich durch die psychischen Störungen mitbeeinflussten chronischen Kopfschmerzen. Die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule seien ebenso wie das Schulter-Arm-Syndrom und die Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks mit einem GdB von jeweils 10 sachgerecht bewertet. Bei fortbestehender Normalhörigkeit rechts und gering- bis mittelgradiger Schwerhörigkeit links sei die Hörstörung zu Recht mit keinem GdB bewertet. Insgesamt ergebe sich ein GdB von 40.
Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 17.07.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 30.07.2015 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Es erscheine einigermaßen seltsam und gewagt, ausgerechnet die Ausführungen eines neurologischen Sachverständigen bei der Beurteilung des orthopädischen Befundes heranzuziehen, dieses umso mehr, als Dr. T. in seinem Gutachten auf den orthopädischen Befund exakt 4% der Zeilen verwendet habe. Aus dem Gutachten selbst sei nicht ersichtlich, dass eine körperliche Untersuchung der Klägerin in orthopädischer Hinsicht vorgenommen worden sei. Die reklamierte "körperliche Untersuchung" scheine sich auf eine reine Sichtprüfung beschränkt zu haben. Der langjährig behandelnde Orthopäde Dr. M. habe sowohl hinsichtlich der Halswirbelsäule als auch der Lendenwirbelsäule jeweils einen Einzel-GdB von 30 veranschlagt. Immerhin habe Dr. T. auf seinem eigenen Fachgebiet dann zumindest festgestellt, dass eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit vorliege. Sowohl bei Dr. T. als auch bei den Überlegungen des Sozialgerichts sei dann die Migräne völlig unter die Räder gekommen. Diese sei ganz erheblich ausgeprägt. Es komme nach wie vor zu mehreren Anfällen pro Monat, die größtenteils liegend überdauert werden müssten. Es komme dabei auch zum Erbrechen. Es liege auf jeden Fall zumindest eine mittelgradige Verlaufsform einer klassischen Migräne vor mit der Konsequenz, dass hierfür ein weiterer Einzel-GdB von wenigstens 30 in Ansatz zu bringen sei. Keineswegs könne man diffus die depressive Erkrankung und die Migräne miteinander vermengen und das Gesamtpaket dann zu einem GdB von lediglich 40 verrühren.
Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 14.07.2015 abzuändern und den Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 18.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.06.2013 zu verurteilen, ihr einen GdB von insgesamt 80 zuzuerkennen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Dr. T. habe eine mittelschwere psychiatrische Erkrankung mit chronischem Schmerzsyndrom bei somatischen und psychischen Faktoren und eine rezidivierende depressive Störung mit leichtgradiger depressiver Symptomatik mitgeteilt. Darüber hinaus bestünden chronische Kopfschmerzen, die wahrscheinlich durch die vorliegenden psychischen Störungen mitbeeinflusst würden. Es liege damit eine Überschneidung der psychischen Erkrankung mit dem chronischen Schmerzsyndrom und der Migräne vor. Dies habe auch die behandelnde Psychologin und Psychotherapeutin Straub bestätigt. Darüber hinaus sei eine mehr als leichtgradige Funktionsbeeinträchtigung seitens des orthopädischen Fachgebiets den vorliegenden Unterlagen nicht zu entnehmen.
Der Senat hat Dr. M. schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser hat in seiner schriftlichen Antwort vom 16.11.2015 (Blatt 32/34 der Senatsakte) eine schmerzhafte Funktionseinschränkung und verminderte Belastbarkeit des linken Schultergelenks bei chronischem Impingement-Syndrom, Kalkablagerung im linken Schultergelenk (Tendinosis calcarea) und Rotatorenmanschetten-Schaden sowie Teilschultersteife links mit einem GdB von 20 und eine Verschlimmerung der Schmerzsymptomatik und Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäulenbeschwerden mit rezidivierenden Nervenwurzelreizerscheinungen mit einem GdB von 30 bewertet.
Die Klägerin hat Auszüge aus einem Kopfschmerztagebuch (Blatt 36/39 der Senatsakte) vorgelegt.
Der Senat hat Dr. L. erneut als sachverständige Zeugin schriftlich befragt. Diese hat in ihrer Auskunft vom 07.12.2015 (Blatt 42/50 der Senatsakte) angegeben, eine durchgreifende Veränderung auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet habe sich seit 2013 nicht ergeben, zuletzt unter verstärktem Druck am Arbeitsplatz jedoch erneute Zunahme sowohl der Kopfschmerz-Frequenz als auch der depressiven Stimmungslage. Auf dem neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet gebe es keine neu aufgetretenen Diagnosen. Entsprechend dem Bericht von Dr. M. habe sich in orthopädischer Hinsicht eine akute Tendinosis calcaria im Bereich des linken Schultergelenks bei schon vorbestehenden Schulterbeschwerden rechts entwickelt.
Nachdem der Beklagte eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. R. vom 03.03.2016 (Blatt 53/54 der Senatsakte) vorgelegt hat, hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachten beim Internisten, Betriebs- und Sozialmediziner Dr. S. sowie von Zusatzgutachten auf orthopädischem Fachgebiet beim Facharzt für Orthopädie Dr. H. sowie auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet beim Facharzt für Neurologie und Psychiatrier, Rehabilitationswesen, Sozialmedizin B ... Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 61/113 der Senatsakte Bezug genommen. Der Facharzt für Orthopädie Dr. H. hat in seinem Gutachten vom 01.07.2016 (Untersuchung am 30.06.2016) die Wirbelsäulenveränderungen, unter Einschluss der durch diese Veränderungen ausgelösten Schmerzsyndrome, maximal mit einem GdB von 10 und die Beschwerden im Bereich des linken Schultergelenkes nach arthroskopischer Operation mit einem GdB von unter 10 bewertet. Die Funktionsstörung durch beidseitige Fußfehlform bedinge ebenfalls einen GdB von unter 10. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrier, Rehabilitationswesen, Sozialmedizin B. hat in seinem Gutachten vom 24.07.2016 (Untersuchung am 30.06.2016) ein Kopfschmerzsyndrom mit vor allem klassischer Migräne, untergeordnet auch Spannungskopfschmerzen, mit einem Teil-GdB von 30, eine rezidivierende depressive Störung, derzeit leicht ausgeprägte Episode, vorbeschriebene höhergradige (meist mittelgradige) depressive Episoden mit einem Teil-GdB von 20, eine Angsterkrankung mit prominent spezifischen Ängsten (überwiegend klaustrophobisch, auch Höhenangst) mit einem Teil-GdB von 10, eine vorbeschriebene chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren mit einem Teil-GdB von 10, einen Tinnitus aurium mit einem Teil-GdB von 10 sowie ein vor Jahren operiertes Karpaltunnelsyndrom links ohne nach klinischem Befund Anhalt für ein belangvolles Rezidiv mit einem Teil-GdB von weniger als 10 bewertet. Den GdB bezüglich der nervenärztlichen Diagnosen hat er mit 40 angegeben. Dr. S. hat in seinem Gutachten vom 28.07.2016 (Untersuchung am 30.06.2016) unter Einschluss der Ausführungen der Gutachter Dr. H. und B. den Gesamt-GdB auf 40 seit August 2012 eingeschätzt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Blatt 118, 119 der Senatsakte).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässi, aber unbegründet.
Der angefochtene Bescheid des LRA vom 18.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 07.06.2013 war zwar rechtswidrig und hatte die Klägerin in ihren Rechten verletzt, denn der GdB war insgesamt auf 40 festzustellen. Diese Rechtsverletzung wurde jedoch durch den angefochtenen Gerichtsbescheid des SG vom 14.07.2015 beseitigt. Die Klägerin hat jedoch keinen darüber hinausgehenden Anspruch auf Feststellung eines GdB von mehr als 40.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die der Zuerkennung eines GdB zugrundeliegende Behinderung wird gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX im Hinblick auf deren Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Dabei stellt die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412), den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) – wie auch die zuvor geltenden Anhaltspunkte (AHP) - auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die im Allgemeinen zunächst nach Funktionssystemen zusammenfassend (dazu vgl. Teil A Nr. 2 Buchst. e) VG) und die hieraus gebildeten Einzel-GdB (vgl. A Nr. 3a) VG) nach § 69 Abs. 3 SGB IX anschließend in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind. Die Feststellung der jeweiligen Einzel-GdB folgt dabei nicht einzelnen Erkrankungen sondern den funktionellen Auswirkungen aller derjenigen Erkrankungen, die ein einzelnes Funktionssystem betreffen.
Die Bemessung des Gesamt GdB (dazu s. unten) erfolgt nach § 69 Abs. 3 SGB IX. Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. A Nr. 3 VG). Der Gesamt GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt.
Der Senat ist nach eigener Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass die bei der Klägerin vorliegenden Funktionsbehinderungen in ihrer Gesamtschau einen höheren Gesamt-GdB als 40 nicht rechtfertigen.
Im Funktionssystem des Rumpfes, zu dem der Senat die Wirbelsäule einschließlich der Halswirbelsäule zählt, war ein Einzel-GdB von 10 anzunehmen. Nach den B Nr. 18.9 VG ist bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ein GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Maßgebend ist dabei, dass die Bewertungsstufe GdB 30 bis 40 erst erreicht wird, wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegen. Die Obergrenze des GdB von 40 ist danach erreicht bei schweren Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten (Senatsurteil 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11 - juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de). Erst bei Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen (z.B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst (z.B. Milwaukee-Korsett); schwere Skoliose (ab ca. 70° nach Cobb)) ist ein GdB von 50 bis 70 und bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB von 80 bis 100 gerechtfertigt.
Der Senat konnte in diesem Funktionssystem ein rezidivierendes Zervikalsyndrom mit muskulären Verspannungen, degenerative Veränderungen C 5/ 6 ohne Wurzelreizsyndrom und ohne neurologischen Ausfälle, eine rezidivierende Dorsalgie sowie ein rezidivierendes Lumbalsyndrom, Spondylarthrosen lumbosakral ohne Wurzelreizsyndrom und ohne neurologische Ausfälle feststellen. Diese Gesundheitsstörungen konnte der Gutachter Dr. H. für den Senat überzeugend darlegen. Sie entsprechen im Ergebnis auch den Angaben des behandelnden Orthopäden Dr. M ... Dieser hatte zwar gegenüber dem Senat auf rezidivierende Reizerscheinungen an der 6. und 7. Halswirbelnervenwurzel hingewiesen. Diese konnten aber weder im Gutachten von Dr. H. noch den nervenärztlichen Gutachten B. und Dr. T. objektiviert werden. Denn auch die beiden nervenärztlichen Gutachter konnten weder Reizerscheinungen noch sonstige neurologische Ausfälle oder Beeinträchtigungen, die auf wesentliche Beeinträchtigungen der Rückenmarksnerven hindeuten, erheben. So hat z.B. der Gutachter B. auch keine Hinweise auf eine radiculäre Symptomatik feststellen können.
Bei der Untersuchung durch Dr. H. ergab sich eine im Lot stehende Wirbelsäule bei Schulter- und Beckengeradstand. Seitausbiegung und Rotationszeichen wurden nicht festgestellt, die Tailliendreiecke waren symmetrisch gezeichnet. Es bestand eine abgeflachte kyphotische und lordotische Schwingung. Eine Rippenbuckelbildung bestand nicht, mäßig kräftig ausgebildet war die Rückenstreck-, Schultergürtel-, Brust- und Bauchmuskulatur beidseits. Verspannungen der Muskulatur im Bereich der Hals- und Schultergürtelmuskulatur sowie der Lendenwirbelsäule konnte Dr. H. feststellen. Im Bereich des lumbosakralen Überganges fanden sich Muskelverhärtungen im Bereich der Rückenstrecker. Ansonsten bestand ein unauffälliger normaler Muskeltonus. Der Aufrichteversuch wurde von der Klägerin ohne Angabe von Schmerzen ausgeführt. Ein Beckenstauchungs- und Verwringungsschmerz bestand nicht. Beim Vorwärtsbeugen des Rumpfes mit gestreckten Kniegelenken wurde unter Angabe tieflumbaler Schmerzen ein Finger-Boden-Abstand von 0 cm erreicht. Die Entfaltung der Dornfortsatzreihe bei der Inklination und der Reklination war im Bereich der Halswirbelsäule nicht eingeschränkt. Die Beweglichkeit der Rumpfwirbelsäule war ebenfalls nicht eingeschränkt. Dagegen wurden paravertebral Druckbeschwerden im Bereich der Nackenstrecker, des cervico-thorakalen Überganges, im Bereich des Kyphosescheitels und den caudalen Etagen der Lendenwirbelsäule angegeben. Die Dornfortsatzreihe war nicht rüttel- oder stauchempfindlich. Der Druckschmerz wurde paravertebral in die Muskulatur lokalisiert.
Dr. H. hat folgende Bewegungsausmaße gemessen:
Normalwerte in Grad Gutachten Dr. H. Halswirbelsäule Vorneigen/Rückneigen (35-45)-0-(35-45) 40-0-60 Rotation rechts/links (60-80)-0-(60-80) 80-0-80 Seitneigung rechts/links 45-0-45 30-0-30 Brust- und Lendenwirbelsäule Beckentiefstand keiner keiner DF-Reihe: BWS-LWS im Lot im Lot Vorneigen/Rückneigen 45-0-350 Finger-Boden-Abstand 0 cm 0 cm Seitneigen rechts/links 35-0-35 30-0-30 Ott 30/33 cm 28,5/30/33 cm Schober 10/14 cm 8,5/10/15 cm
In Anbetracht dieser gutachterlichen Befunde war eine funktionsrelevante wesentliche Wirbelsäulenerkrankung nicht festzustellen. Auch neurologische oder motorische Störungen konnte der Senat nicht feststellen. Damit konnte der Senat im Hinblick auf die Vorgaben von B Nr. 18.9 VG vorliegend auch im Hinblick auf Schmerzsyndrome lediglich einen Einzel-GdB von 10 annehmen. Denn es liegen allenfalls geringe funktionelle Auswirkungen der Wirbelsäulenschäden vor. Diese Bewertung entspricht derjenigen von Dr. H ... Funktionelle Auswirkungen mindestens mittelgradiger Ausprägung konnte der Senat weder in einem noch in mindestens zwei Wirbelsäulenabschnitten feststellen. Derartige Befunde hat auch Dr. M. nicht mitgeteilt. Soweit er daher für die Cervicobrachialgie und die Dorsalgie jeweils GdB-Wertte von 30 annimmt, widersprechen seine Einschätzungen den Bewertungsvorgaben der VG (B Nr. 18.9 VG) und können vom Senat so nicht nachvollzogen werden.
Im Funktionssystem der Arme, wozu auch die Hände gehören, sind bei der Klägerin Restbeschwerden der linken Schulter nach Arthroskopie mit subacromialer Dekompression und Refixation der Supraspinatussehne am 08.01.16 zu berücksichtigen. Dr. M. hatte für die Zeit vor der Operation im Januar 2016 eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung im linken Schultergelenk beschrieben. Bezüglich der rechten Schulter hat er ein chronisches Impingement bei Rotatorenmanschettenschaden und Kalkablagerungen mit partieller Schultersteife angegeben.
Dr. H. hatte bei seiner Untersuchung im Bereich der linken Schulter reizlose Narben nach arthroskopischer Operation gefunden. Beide Schultergelenke waren inspektorisch unauffällig. Die bedeckende Muskulatur war seitengleich ausgebildet. Bei der Palpation wurden linksseitig Schmerzen über dem ventralen Anteil der Rotatorenmanschette angegeben. An den Schultergelenken bestanden beidseits keine Schwellungen. Die Beweglichkeit war bei der passiven und aktiven Bewegungsprüfung nicht eingeschränkt. Beiderseits ließen sich keine Krepitationen feststellen. Der Nacken- und Schürzengriff wurden unter Schmerzangabe dagegen beidseits nur im Ansatz ausgeführt. Jedoch konnte Dr. H. beiderseits keinen typischen schmerzhaften Bogen, kein Drop-Arm-Phänomen feststellen, das Yergason-Zeichen war negativ. Bei der Prüfung der Kraft hatte die Klägerin bei Widerstand im Bereich beider Schultern keine Schmerzen angegeben.
Angesichts der von Dr. H. erhobenen Bewegungsmaße der Schultergelenke (Ab-/Anspreizung: rechts: 170-0-40, links: 170-0-30; Vor-/Rückhebung: rechts: 180-0-30, links: 180-0-30; Außen-/Innendrehung: rechts: 80-0-70, links: 80-0-70) hat die Klägerin die Mindestschwelle für die Feststellung eines GdB von 10 (vgl. dazu B Nr. 18.13 VG: Armhebung nur bis 120o mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit) nicht überschritten. Soweit Dr. M. für die Zeit vor der Operation der linken Schulter eine Beweglichkeit von 20o-0o-100o für Extension und Flexion angegeben hat, beliefe sich der Teil-GdB daher allenfalls bis zur Operation am 08.01.2016 auf 10. Hinsichtlich der rechten Schulter hat Dr. M. gegenüber dem SG ein Bewegungsausmaß von 20o-0o-140o angegeben, was insoweit keinen Teil-GdB rechtfertigt.
Im Bereich beider Handgelenke konnte Dr. H. beugeseitig reizlose Narben feststellen, rechts von 5 cm und links nach Retinaculumspaltung und Ganglionextirpation im Bereich des Daumenballens von jeweils 2 cm. Beide Handgelenke waren ansonsten inspektorisch und palpatorisch unauffällig. Die Klägerin hat keine Druckschmerzen über dem Gelenkspalt angegeben. Beidseits ließen sich bei Druck auf das Retinaculum und beim Beklopfen des Karpaltunnels keine Schmerzen auslösen. Die Ulnaköpfchen standen beiderseits in normaler Position. Der Tastbefund an den Handwurzelknochen war unauffällig. An beiden Handgelenken bestanden keine Ergussbildungen. Die beuge- und streckseitigen Sehnen und Sehnenscheiden an den Unterarmen und an den Händen waren beidseits inspektorisch und palpatorisch unauffällig. Bei der aktiven und der passiven Bewegungsprüfung wurden beidseits keine Schmerzen angegeben. Vor diesem Hintergrund konnte der Senat keine orthopädisch bedingte GdB-relevante Funktionsbehinderungen der Hände feststellen. Auch das vor Jahren operierte Karpaltunnelsyndrom links ergibt mit dem Gutachter B. keinen Anhalt für ein belangvolles Rezidiv. Damit konnte im Bereich der Hände kein Teil-GdB von wenigstens 10 angenommen werden, sodass im Funktionssystem der Arme allenfalls bis zum 08.01.2016 zugunsten der Klägerin ein Einzel-GdB für die Bewegungseinschränkung der linken Schulter von 10 angenommen werden kann. Befunde, die eine weitergehende Bewertung zuließen, ergeben sich auch nicht aus den vorliegenden ärztlichen Berichten und Aussagen, insbesondere nicht aus denen von Dr. M ...
Im Funktionssystem der Beine besteht bei der Klägerin eine Senk-Spreizfußbildung beidseits. Knie, Hüften und Sprunggelenke konnte Dr. H. als unauffällig beschreiben. Auch Dr. M. hat insoweit keine krankhaften Befunde mitgeteilt. Die Vorfußkontur dagegen war beidseits aufgefächert. Die Sohlenbeschwielung war bei der Untersuchung durch Dr. H. unter den Mittelfußköpfchen der Zehen D II bis IV beidseits vermehrt. Es bestand eine gering ausgeprägte Hallux valgus Stellung beidseits. Dr. H. hat insoweit eine mäßig ausgeprägte Fehlstatik im Rahmen einer beidseitigen Senk- und Spreizfußverbildung angegeben. Im Hinblick auf die Bewertungsvorgaben von B Nr. 18.14 VG für "andere Fußdeformitäten" und die Mitteilung von Dr. H., dass das Gangbild unauffällig und zügig war, musste der Senat feststellen, dass vorliegend diese Gesundheitsstörung ohne wesentliche statische Auswirkungen geblieben ist und mit den dort angegebenen Senk-Spreizfußbildungen mit einem GdB von weniger als 10 zu bewerten war.
Im Funktionssystem der Ohren konnte der Senat eine GdB-relevante Hörminderung bei der Klägerin nicht feststellen. Diese hat eine solche zwar behauptet, doch konnte der vom SG befragte HNO-Arzt S. eine solche nicht mitteilen. Auch aus den von ihm vorgelegten Ton- und Sprachaudiogramme konnte der Senat eine belangvolle Hörminderung i.S. B Nr. 5.2 VG nicht feststellen. Den Tinnitus aurium konnte auch der nervenärztliche Gutachter B. als neurologische Störung bewerten. Angesichts der vorliegenden Befunde ergibt sich im Hinblick auf die Vorgaben von B Nr. 5.3 VG und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Ohrgeräusche ohne nennenswerte psychische Begleiterscheinungen geblieben sind – solche hat sie weder den behandelnden Ärzten noch dem Gutachter berichtet – zugunsten der Klägerin für die Ohrgeräusche allenfalls ein GdB von 10.
Im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche konnte der Senat eine rezidivierende depressive Störung, zur Zeit der Begutachtung durch den Gutachter B. als leicht ausgeprägte Episode, vorbeschrieben jedoch mit höhergradigen depressiven Episoden, eine Angsterkrankung mit prominent spezifischen Ängsten (überwiegend klaustrophobisch, auch Höhenangst) und eine vorbeschriebene chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren feststellen. Dies konnte der Senat den Ausführungen der Gutachter B. und T. sowie den Angaben der behandelnden Ärzte und Therapeuten entnehmen.
Bei der Untersuchung durch den Gutachter B. war die Klägerin in keiner Weise durch irgendwelches Schmerzerleben beeinträchtigt. Auf dem Stuhl im Untersuchungszimmer sitzend zeigte sie während der gesamten, mehr als anderthalb Stunden gehenden Exploration locker sitzend keine vermehrten Ausgleichsbewegungen. Im Kontaktverhalten war sie adäquat, in der Beschwerdeschilderung offen. Sie war wach, vollständig orientiert, bewusstseinsklar und wies keine Beeinträchtigung von Konzentration oder Aufmerksamkeit auf. Die Gedächtnisfunktionen waren gut. Affektiv war die Klägerin allenfalls leicht depressiv verstimmt. Es lag keine mittelschwere oder schwere Verlagerung des Affekts hin zum depressiven Pol vor, die affektive Modulationsfähigkeit war allenfalls leicht beeinträchtigt. Eine relevante moros-dysthyme Verstimmung konnte der Gutachter nicht feststellen. Es bestand kein höhergradiges Antriebsdefizit. Das formale Denken war unbeeinträchtigt, nicht verlangsamt oder beschleunigt, nicht gelockert, nicht sprunghaft, nichts zerfahren und auch nicht inkohärent. Im inhaltlichen Denken bestand kein Wahn, eher eine leichte bis allenfalls mäßige depressive Kognition. Auch eine durchgängige, relevante Einengung des Denkens oder ein intrusives Erleben bestanden nicht. Spezifische Ängste bestanden nur klaustrophobischer Art sowie in Form einer mitgeteilten Höhenangst.
Der von der Klägerin bei den Gutachten B. und Dr. T. mitgeteilte Tagesablauf und die vollschichtige Berufstätigkeit als Bedienung in einer Kurparkklinik zeigen, dass die Klägerin in der Lage ist, den Alltag, den Haushalt, die Kontakte zu ihrer Tochter und dem Enkel zu gestalten und zu erleben. So hat sie angegeben, sich die Tochter zu besuchen bzw. diese komme zu Besuch. Auch besucht sie ihre Mutter ca. im 50 km Kressbronn. Sie liest gerne und surft im Internet, macht dort Spiele und telefoniert mit Bekannten. Dieses Alltagsverhalten zeigt, dass die Klägerin nicht im Durchschnitt der Tage durch eine seelische und schmerzbedingte Symptomatik wesentlich eingeschränkt ist.
Vor diesem Hintergrund konnte der Senat mit Blick auf die Vorgaben von B Nr. 3.7 VG und B Nr. 18.4 VG und lediglich eine leichtere psychovegetative oder psychische Störung annehmen, die den GdB-Rahmen von 0 bis 20 eröffnet. Eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit konnte der Senat dagegen nicht feststellen. Innerhalb des GdB-Rahmens von 0 bis 20 konnte der Senat den GdB zugunsten der Klägerin am oberen Rand des Bewertungsrahmens annehmen. Damit konnte der Teil-GdB mit 20 angenommen werden. Eine dauerhaft oder wenigstens im Durchschnitt durchgehend bestehende mittelschwere bis schwere depressive Erkrankung konnte der Senat nicht feststellen. Vielmehr hat auch die behandelnde Psychiaterin Dr. L. lediglich rezidivierende Episoden beschrieben. Diese konnte der Senat jedoch im Durchschnitt (vgl. A Nr. 2 Buchst. f) VG) nicht als stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit feststellen.
Im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche ist auch das Kopfschmerzsyndrom zu bewerten, das mit einer vor allem klassischen Migräne einhergeht und zusätzlich auch durch mögliche Spannungskopfschmerzen beeinflusst ist. Nach den Bewertungsvorgaben von B Nr. 2.3 VG ist die echte Migräne je nach Häufigkeit und Dauer der Anfälle und Ausprägung der Begleiterscheinungen als - leichte Verlaufsform (Anfälle durchschnittlich einmal monatlich) mit einem GdB von 0 bis 10, - mittelgradige Verlaufsform (häufigere Anfälle, jeweils einen oder mehrere Tage anhaltend) mit einem GdB von 20 bis 40, - schwere Verlaufsform (lang andauernde Anfälle mit stark ausgeprägten Begleiterscheinungen, Anfallspausen von nur wenigen Tagen) mit einem GdB von 50 bis 60 zu bewerten.
Der Gutachter B. hat aufgrund seiner Untersuchung der Klägerin und deren Beschwerdeangaben die Kopfschmerzen als einseitig, mit vorausgehend typischen, flimmernden Sehstörungen als Ausdruck einer Aura und begleitender Übelkeit, teilweise auch mit Erbrechen, Lichtscheue und Lärmempfindlichkeit eindeutig als Migräne mit Aura, also eine klassische Migräne, beschrieben. Zusätzlich können Spannungskopfschmerzen vorhanden sein, diese sind aber gegenüber der Migräne untergeordnet. Kopfschmerzen treten bei der Klägerin mit einer Frequenz zwischen drei und sieben Attacken pro Monat bei einer Attackendauer zwischen zwei Stunden und maximal über zwei Tage andauernd auf. Ein gehäuftes Vorkommen eines Status migraenosus konnte der Gutachter B. ebenso wenig feststellen wie das Vorliegen einer chronischen Migräne. Insofern geht der Gutachter B. nicht von einer schweren Verlaufsform aus. Vielmehr geht der Gutachter B. von einer mittleren Verlaufsform aus. Die Klägerin wird durch die Migräneattacken beeinträchtigt, als z.B. Arbeitsunfähigkeitszeiten deswegen aufgetreten sind. Auch war ausweislich eines vorliegenden Befundberichtes eine Behandlung im Krankenhaus erforderlich geworden. Behandelt wird die Migräne im Anfall symptomatisch mit der gestaffelten Gabe von Schmerzmitteln bis hin zu Migränespezifika, wobei die Auszüge aus den vorgelegten Migränetagebüchern zur Häufigkeit der Gabe von Kopfschmerzmedikamenten nur bedingt (mangels konsequenter Dokumentation) herangezogen werden können. Jedenfalls wird derzeit von der behandelnden Nervenärztin keine medikamentöse Prophylaxe der Migräne durchgeführt, zu berücksichtigen ist jedoch, dass ein 2013 begonnener Versuch aufgrund einer Arzneimittelunverträglichkeit Anfang 2014 wieder beendet werden musste. Eine medikamentöse Prophylaxe ist indiziert. Ansonsten ist die Probandin im Hinblick auf die Migräne offensichtlich adäquat behandelt.
Der Senat konnte insoweit feststellen, dass die Klägerin deutlich mehr als zwei Migräneattacken im Monat erleidet. Diese haben auch qualitativ mehr als leichte Ausprägung. Vor diesem Hintergrund war die Migräne bei der Klägerin als mittelgradige Verlaufsform innerhalb der GdB-Rahmens von 20 bis 40 im mittleren Bereich, mithin mit einem GdB von 30 zu bewerten.
Angesichts der Beschreibung der Funktionssysteme in A Nr. 2 Buchst. f) VG, die von den Überschriften der im Teil B der VG genannten Körperbereiche abweichen, war die Migräne dem Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche zuzuordnen – allerdings war innerhalb dieses Funktionssystem ein eigenständiger Teil-GdB zu vergeben. Bei der Bemessung des für dieses Funktionssystem anzunehmenden Einzel-GdB waren dann die wechselseitigen Auswirkungen, Überschneidungen oder Verschlimmerungen zu berücksichtigen. Insoweit konnte der Gutachter B. mitteilen, dass Überschneidungen bestehen. Er hat insoweit auf die Wechselwirkungen zwischen Depression und Migräne nebst Spannungskopfschmerzen verwiesen, die gegenseitig negativ aufeinander wirken. Auch sind Interferenzen zwischen der Angsterkrankung und der Depression anzunehmen. Auch bestehen Überschneidungen zwischen den Einschränkungen bedingt durch die chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren und der Migräne bzw. den Spannungskopfschmerzen neben Interferenzen zwischen der Depression und der chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren. Insoweit konnte der Senat im Rahmen der Bemessung des Einzel-GdB in diesem Funktionssystem eine Erhöhung des für die Migräne anzunehmenden Teil-GdB von 30 wegen der weiteren auf psychischem Gebiet bestehenden Funktionsbehinderungen auf 40 feststellen. Der weitergehenden Beurteilung durch die behandelnde Ärztin Dr. L. konnte der Senat angesichts auch der von Dr. L. mitgeteilten Befunde nicht beitreten.
Die Diabeteserkrankung der Klägerin ist mit Metformin ausreichend eingestellt und bedingt mit den Ausführungen des Gutachters Dr. S. keinen Gd i.S. von B Nr. 15.1 VG. Gleiches gilt für das von der Klägerin als krankhaft angegebene Cholesterin.
Weitere - bisher nicht berücksichtigte - GdB-relevante Funktionsbehinderungen, die einen Einzel- bzw. Teil-GdB von wenigstens 10 bedingen, wurden weder geltend gemacht noch konnte der Senat solche feststellen.
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen, nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den sachverständigen Zeugenauskünften und den Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der medizinische festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris).
Ein weiteres Gutachten war mithin weder von Amts wegen einzuholen, noch hat die Klägerin ihren bereits mit der Berufungsbegründung gestellten Antrag auf Begutachtung auf neurologisch/psychiatrischem Fachgebiet nach § 109 SGG aufrechterhalten. Der Senat hat auf diesen in der Berufungsbegründung gestellten Antrag von Amts wegen eine Begutachtung in Auftrag gegeben, die ein neurologisch-psychiatrisches, ein orthopädisches und ein internistisch-sozialmedizinisches Gutachten umfasst hatte. Damit war der Antrag der Klägerin in der Sache erledigt. Soweit sie nach Durchführung der Beweisaufnahme an einer weiteren Begutachtung nach § 109 SGG festhalten wollte, hätte sie dieses zum Ausdruck bringen müssen. Dies gilt umso mehr, als der Senat mit Schreiben vom 02.08.2016 darauf hingewiesen hatte, dass weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht beabsichtigt sind. Auch auf die Zustellung der Terminsladung zum 24.10.2016 am 09.09.2016 hat die Klägerin ihren Antrag auf weitere Begutachtung nicht erneuert. Vielmehr hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 13.10.2016 uneingeschränkt auf mündliche Verhandlung verzichtet und damit in eine Sachentscheidung eingewilligt. Damit war der ursprüngliche Antrag auf Begutachtung nach § 109 SGG erledigt, ein neuer nicht gestellt.
Nach Überzeugung des Senats ist der Gesamt-GdB unter integrierender Bewertung der Funk-tionsbehinderungen und unter Beachtung ihrer gegenseitigen Auswirkungen der Gesamt-GdB zu bilden aus Einzel-GdB-Werten von - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Rumpfes (Wirbelsäule), - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Arme bis 08.01.2016 (Schulter links), - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Ohren, - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Augen und - 40 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche einschließlich der Migräne. Nachdem bei der Klägerin vorliegend von alleine einem zu berücksichtigenden Einzel-GdB von 40 auszugehen ist und kein Fall vorliegt, in denen ausnahmsweise GdB-Werte von 10 erhöhend wirken, konnte der Senat einen Gesamt-GdB i.S.d. § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX i.H.v. insgesamt allenfalls 40 feststellen. Zwar ist mit dem Gutachter B. von einer wechselseitigen Verstärkung des Tinnitus durch die Depression und dann wiederum auch umgekehrt von einer Verstärkung der Depression durch den Tinnitus auszugehen, doch verbleibt der Tinnitus insoweit funktionell im GdB-Bereich um 10, was zu einer Erhöhung des Einzel-GdB von 40 nicht berechtigt. Des Weiteren sind sowohl bei der Wirbelsäule als auch im Bereich der Psyche Schmerzsyndrome mitberücksichtigt, die zu einer nicht verstärkenden Überschneidung führen und nicht doppelt bewertet werden dürfen. Der Gesamt-GdB wäre aber auch dann nicht weiter zu erhöhen, wenn für den Tinnitus aurium ein Einzel-GdB von 20 im Funktionssystem der Ohren angenommen würde. Denn insoweit ließe sich die Erhöhung des Einzel-GdB allenfalls mit weiterreichenden psychischen Begleiterscheinungen begründen, die aber dann bereits von der Bewertung des Teil-GdB von 20 für die psychischen Gesundheitsstörungen erfasst und damit abgedeckt wären.
Insgesamt ist der Senat unter Berücksichtigung eines Vergleichs der bei der Klägerin insgesamt vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen und deren gegenseitigen Auswirkungen einerseits und derjenigen Fälle, für die die VG die Schwerbehinderteneigenschaft, mithin einen GdB von 50, vorsehen andererseits, zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin nicht als einem Schwerbehinderten vergleichbar schwer funktionell beeinträchtigt anzusehen ist.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
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