L 6 AS 373/13

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 7 AS 1033/10
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 373/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Rückzahlungsverpflichtung ist dem Begriff des Darlehens immanent.
2. Ein durch Verwaltungsakt gewährtes Darlehen kann auch durch Verwaltungsakt zurückgefordert werden.
3. Mangels Regelung der Fälligkeit im SGB II (vor Inkraftttreten des § 42a SGB II) und bei Fehlen einer Fälligkeitsregelung im Darlehensbescheid ist ein nach § 23 Abs. 5 SGB II a.F. gewährtes Darlehen erst drei Monate nach Kündigung fällig (§ 488 Abs. 3 Satz 1 und 2 BGB analog).
4. Der eheliche Güterstand ist für die Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen des Ehegatten nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II unbeachtlich.
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 27. März 2013 aufgehoben. Der Bescheid des Beklagten vom 20. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. September 2010 wird aufgehoben.

II. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Instanzen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Rückzahlung von der Klägerin für die Zeit vom 11. Februar 2008 bis 31. Juli 2009 in Höhe von 4.581,88 EUR darlehensweise gewährter Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

Die 1949 geborene Klägerin ist verheiratet und lebt mit ihrem 1946 geborenen Ehemann, der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht, im ehelichen Güterstand der Gütertrennung, der am 18. Juni 1990 vereinbart und am 28. Mai 1991 im Güterrechtsregister eingetragen wurde. Das Ehepaar bewohnt ein 1972 von ihnen errichtetes und ihm gemeinsam gehörendes Einfamilienhaus, dessen Wohnfläche mit 110 qm angegeben wird bei einer Grundstücksgröße von 1.182 qm.

Mit ihrem Antrag vom 11. Dezember 2008 begehrte die Klägerin die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Hierbei gab sie die Renteneinkünfte des Ehemannes mit 454,22 EUR brutto an. Ferner gab sie an, dass im Eigentum ihres Ehemannes ein weiteres bebautes Grundstück in C-Stadt stehe (Grundstücksgröße 1182 qm, 170 qm Wohnfläche). Diese Immobilie stehe zum Verkauf und es könne mit einem erzielbaren Verkaufspreis von 100.000,00 EUR bis 120.000,00 EUR gerechnet werden (Maklerbestätigung vom 29. Februar 2008).

Auf ihren Antrag bewilligte der Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 26. März 2008 für die Zeit vom 11. Februar 2008 bis 31. Juli 2008 Leistungen nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II) als Darlehen. Zur Begründung wurde auf § 23 Abs. 5 SGB II hingewiesen und darauf, dass der Klägerin momentan die Verwertung des dem Ehemann gehörenden Grundvermögens in C-Stadt nicht möglich sei. Die Klägerin wurde aufgefordert, vierteljährlich nachzuweisen, dass sich um die Verwertung des Vermögens gekümmert werde. Eine Regelung zur Fälligkeit der Rückzahlung des Darlehens enthält der Bescheid nicht. In einem erläuternden Bescheid vom 26. März 2008 teilte der Beklagte der Klägerin mit, das Vermögen des Ehemannes (Immobilie in C-Stadt) sei vorrangig zu verwerten. Da derzeit eine Verwertung zeitlich noch nicht möglich sei, würden die Leistungen nach dem SGB II als Darlehen gewährt. Gleichzeitig forderte der Beklagte die Klägerin zum Nachweis der Verwertungsbemühungen der Immobilie auf. Auf den Weiterbewilligungsantrag der Klägerin vom 12. September 2008 bewilligte der Beklagte der Klägerin für den Zeitraum 12. September 2008 bis 31. Januar 2009 (Bewilligungsbescheid vom 23. Oktober 2008) und auf den Weiterbewilligungsantrag vom 5. Januar 2009 für den Zeitraum 1. Februar 2009 bis 31. Juli 2009 (Bewilligungsbescheid vom 29. Januar 2009) erneut darlehensweise Leistungen nach dem SGB II. Sämtliche Bescheide über darlehensweise Bewilligungen wurden von der Klägerin nicht mit Widerspruch angegriffen. Für den Zeitraum ab August 2009 beantragte die Klägerin keine weiteren Leistungen nach dem SGB II bei dem Beklagten.

Mit Schreiben vom 20. August 2009 teilte der Beklagte unter Bezugnahme auf den Darlehensbescheid vom 26. März 2008 der Klägerin mit, ihm sei mitgeteilt worden, dass die Klägerin ab August 2009 auf die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II verzichte. Des Weiteren solle die Immobilie in C-Stadt Anfang Oktober 2009 verkauft werden. Die Klägerin werde darauf hingewiesen, dass von Seiten des Beklagten eine erneute Prüfung der Darlehensgewährung nach dem Verkauf der Immobilie stattfinden werde. Die verbleibende Restsumme (Verkaufserlös abzüglich Belastungen) sei maßgebend, ob bzw. in welcher Höhe das gewährte Darlehen zurückzufordern sei.

Mit Schreiben vom 9. Dezember 2009 übermittelte die Klägerin dem Beklagten Nachweise über den Verkauf des Hausgrundstücks in C-Stadt mit einem Nettoerlös von 85.090,10 EUR. Mit Schreiben vom 4. März 2010 erklärte die Klägerin, der Beklagte sei nicht berechtigt, die bewilligten Leistungen zurückzufordern, da sie im gesetzlichen Güterstand der Gütertrennung mit ihrem Ehemann lebe und dieser daher nicht verpflichtet sei, ihr Leistungen zum Lebensunterhalt zu gewähren. Ihr Ehemann verfüge über Bankguthaben in Höhe von 147.095,05 EUR, worin der Kaufpreis für das Haus in C-Stadt bereits enthalten sei. Ferner seien ihrem Ehemann Ablaufleistungen aus Lebensversicherungsverträgen am 9. Juli 2009 in Höhe von 111.510,00 EUR und am 30. Oktober 2009 in Höhe von 67.937,42 EUR ausbezahlt worden. Insgesamt habe zwischenzeitlich ein Vermögen des Ehemannes inklusive des Erlöses aus dem Hausverkauf in Höhe von 264.537,60 EUR bestanden. Hiervon seien ein Restkreditabtrag von 11.500,00 EUR erfolgt und Geschäftskontoschulden in Höhe von 56.802,65 EUR abgelöst worden. Von dem verbleibenden Vermögen des Ehemannes in Höhe von 196.234,96 EUR seien Schulden bei seinen Eltern bezahlt, eine Photovoltaikanlage und ein privater PKW erworben und der hiernach noch verbliebene Rest zur Erneuerung der Badezimmer im selbstgenutzten Hause verwendet worden.

Der Beklagte verlangte mit Bescheid vom 20. Mai 2010 seine für den Zeitraum 11. Februar 2008 bis 31. Juli 2009 darlehensweise erbrachten Leistungen in Höhe von 4.581,88 EUR von der Klägerin zurück. Hierbei führte sie aus, die Klägerin habe die erbrachten Leistungen lediglich darlehensweise aufgrund des vorhandenen Vermögens des Ehemannes erhalten. Mit ihrem Widerspruch vom 21. Juni 2010 machte die Klägerin geltend, sie lebe mit ihrem Ehemann im gesetzlichen Güterstand der Gütertrennung; das Vermögen sei allein dem Ehemann zuzurechnen und nicht zu ihren Lasten anzurechnen, bei ihr bestünde kein Vermögen. Insbesondere sei bei Vereinbarung der Gütertrennung nicht absehbar gewesen, dass sie jemals werde Sozialleistungen in Anspruch nehmen müssen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 3. September 2010 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Er führte aus, als Rechtsgrundlage für die geltend gemachten Ansprüche komme § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II in Betracht. Individualansprüche nach dem SGB II setzten voraus, dass Hilfebedürftigkeit bestünde. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB II i. V. m. § 9 Abs. 1 SGB II sei hilfebedürftig wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen und Vermögen sichern könne. Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, seien auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 2 S. 1 SGB II). Vorliegend bestehe die Bedarfsgemeinschaft aus der Klägerin und ihrem Ehemann (§ 7 Abs. 3 Nr. 1 SGB II i. V. m. § 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II). § 23 Abs. 5 SGB II bestimme, dass - soweit Hilfebedürftigen der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich sei oder für sie eine besondere Härte bedeuten würde - Leistungen als Darlehen zu erbringen seien. Vermögen im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB II sei die Gesamtheit der geldwerten Güter einer Person, wozu Geld, unbewegliche Sachen, auf Geld gerichtete Forderungen und sonstige Rechte gehörten. Die Klägerin und ihr Ehemann hätten zum Zeitpunkt der Beantragung von Grundsicherungsleistungen über eine zum Verkauf stehende Immobilie verfügt. Dieses Vermögen sei zum Zeitpunkt der jeweiligen Antragstellung nicht verwertbar gewesen. Zum damaligen Zeitpunkt bei der Beantragung von Leistungen nach dem SGB II sei - nach Mitteilung der Klägerin selbst - von einem zu erzielenden Verkaufserlös von ca. 100.000,00 EUR auszugehen, dem im Falle der Klägerin und ihres Ehemannes Vermögensfreibeträge von insgesamt 17.850,00 EUR gegenüber gestanden hätten. Nur weil die Verwertung des Vermögens zum Zeitpunkt der Beantragung der Grundsicherungsleistungen noch nicht möglich gewesen sei, seien ihr Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes darlehensweise gemäß § 23 Abs. 5 SGB II gewährt worden. Hierbei sei dem Beklagten bereits bei Erlass des Darlehensbescheides vom 26. März 2008 bekannt gewesen, dass die Eheleute durch Vertrag vom 18. Juni 1990 Gütertrennung vereinbart hatten. Die vereinbarte Gütertrennung könne nicht höher bewertet werden als die Vorschrift des § 9 Abs. 2 SGB II selbst. Sie finde daher im Rahmen der Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II keine Anwendung. Daher sei das Vermögen des Ehemannes der Klägerin gemäß § 9 Abs. 2 SGB II zur Sicherstellung ihres Lebensunterhaltes einzusetzen. Insgesamt seien aufgrund der Anträge der Klägerin Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 11. Februar 2008 bis 31. Juli 2008, 12. September 2008 bis 31. Januar 2009 und vom 1. Februar 2009 bis 31. Juli 2009 bewilligt worden. Nach Ablauf des letzten Bewilligungsabschnittes habe die Klägerin keine weiteren Leistungen beantragt und mit Schreiben vom 8. Dezember 2009 mitgeteilt, die Immobilie des Ehemannes sei zu einem Nettoerlös von 85.090,19 EUR veräußert worden. Zudem seien Lebensversicherungsbeträge des Ehemannes in Höhe von 111.615,00 EUR und 67.937,42 EUR ausgezahlt worden, so dass sich insgesamt ein. Vermögen des Ehemannes der Klägerin in Höhe von 264.537,60 EUR ergebe. Dieses Vermögen sei auf die Leistungen der Klägerin hinsichtlich ihrer Hilfebedürftigkeit anzurechnen, so dass die erbrachten Leistungen in Höhe von 4.581,88 EUR zu erstatten seien.

Mit ihrer am 16. September 2010 bei dem Sozialgericht Kassel erhobenen Klage hat die Klägerin erneut vorgetragen, sie lebe im ehelichen Güterstand der Gütertrennung gemäß § 1414 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Die Gütertrennung wirke sich nicht erst bei der Scheidung aus; bei Gütertrennung sei keine Bedarfsgemeinschaft mit dem Ehemann anzunehmen. Zudem habe ihr Ehemann das Vermögen, das sich aus dem Hausverkauf und den erhaltenen Auszahlungen aus Lebensversicherungen ergebe, vollständig verwendet, insbesondere zur Abgeltung von Schulden (Selbsthilfe). Es sei eine nachhaltige Störung des Familienfriedens bei einer Rückzahlung des Darlehens an die Beklagte zu erwarten, so dass in entsprechender Anwendung des Gesetzes die Härteregelung des § 94 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe (SGB XII) anzuwenden sei. Insbesondere sei der Zusammenhalt der Familie gemäß § 16 S. 2 SGB XII zu festigen. Soweit das Bundessozialgericht in seiner Rechtsprechung entschieden habe, es seien die Einkünfte des Ehegatten auch bei Gütertrennung im Rahmen der Bedarfsgemeinschaft anzurechnen, so gelte dies nicht für Vermögen.

Der Beklagte hat auf einschlägige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts verwiesen. Soweit das Bundessozialgericht hierin allein zur Anrechnung von Einkommen bei Gütertrennung entschieden habe, so gelte gleiches auch für das Vermögen. Das Vermögen des Ehemannes der Klägerin sei daher im Rahmen der Bedarfsgemeinschaft mit der Klägerin, die unstreitig vorliege, anzurechnen. Im Übrigen hat sich der Beklagte auf seine Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden bezogen.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 27. März 2013 als unbegründet abgewiesen und sich den Ausführungen des Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 3. September 2010 in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht, auch hinsichtlich der genannten Rechtsgrundlagen, in vollem Umfang angeschlossen. Das Gericht sehe keine rechtlichen Gesichtspunkte, die für den Vortrag der Klägerin sprechen könnten. Insbesondere halte das Gericht ihren Vortrag, das Vermögen ihres Ehemannes sei allein aufgrund des Umstandes, dass die Eheleute im ehelichen Güterstand der Gütertrennung lebten, nicht anzurechnen, für abwegig. Insoweit werde hingewiesen auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (Urteil v. 27. Februar 2008, B 14/7b AS 32/06 R, juris, Rn. 34). Zwar führe das Bundessozialgericht hierin lediglich aus, dass das Einkommen der in Gütertrennung lebenden Eheleute bei der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II beim Partner zu berücksichtigen sei; für das Vermögen des Partners könne sich jedoch zur vollen Überzeugung des Gerichtes nichts anderes ergeben. Auch insoweit nehme das Gericht Bezug auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten im angefochtenen Widerspruchsbescheid.

Soweit die Klägerin darauf hingewiesen habe, die Rückzahlung der Darlehensbeträge führe möglicherweise zu einer Störung des Familienfriedens, so dass die Härtefallregelung des § 94 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII in entsprechender Anwendung heranzuziehen sei, so teile das Gericht diese Auffassung nicht. Die Vorschrift finde im Rahmen des SGB II keine Anwendung. Ein Wille des Gesetzgebers, eine solche Regelung in entsprechender Anwendung heranzuziehen, sei im Sozialgesetzbuch II nicht im Mindesten zu erkennen. Unabhängig davon sei die bloße Behauptung, der Familienfriede werde gestört, durch nichts belegt.

Die Kammer lasse offen, ob die Klägerin allein mit ihrem Widerspruch gegen den Erstattungsbescheid vom 20. Mai 2010 sich noch gegen die Darlehensgewährung durch die Beklagte wenden könne. Denn die die Leistungen jeweils als Darlehen gewährenden Bescheide vom 26. März 2008, 23. Oktober 2008 und 29. Januar 2009 seien gemäß § 77 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mangels erhobener Widersprüche bestandskräftig, so dass die Kammer — ohne dieses endgültig entscheiden zu müssen — davon ausgehe, dass die Erstattungsforderung gleichermaßen zutreffend sei, und es bei den angefochtenen Bescheiden lediglich noch um die Durchsetzung der Forderung der Beklagten wegen der Leistungshöhe (Berechnung des Erstattungsbetrages) gehen könne. Für eine fehlerhafte Berechnung der Erstattungssumme ergäben sich keine Anhaltspunkte.

Das Urteil ist der Klägerin am 29. April 2013 zugestellt worden. Mit ihrer am 14. Mai 2013 beim Hessischen Landessozialgericht eingelegten Berufung wiederholt die Klägerin ihren Vortrag zum ehelichen Güterstand. Soweit das Bundessozialgericht in seiner Rechtsprechung entschieden habe, es seien die Einkünfte des Ehegatten auch bei Gütertrennung im Rahmen der Bedarfsgemeinschaft anzurechnen, so gelte dies nicht für Vermögen. Auch § 1 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil (SGB I), wonach das Recht des Sozialgesetzbuchs dazu beitragen solle, die Familie zu schützen und zu fördern, stehe einer Rückforderung entgegen. Insbesondere sei der Zusammenhalt der Familie gemäß § 16 S. 2 SGB XII zu festigen. Die Klägerin trägt erneut vor, die Härteregelung des § 94 Abs. 3 Satz 1 Ziffer 2 SGB XII sei analog heranzuziehen. Allerdings sei aufgrund ihrer sehr positiven Beziehung zu ihrem Ehemann nicht zu erwarten, dass durch die Inanspruchnahme des Unterhaltspflichtigen eine nachhaltige Störung des Familienfriedens eintrete. Schließlich beruft sich die Klägerin auf ein Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 22. Juni 2011 (S 10 AS 302/08), wonach es vor Inkrafttreten des § 42a SGB II für die Rückforderung des Darlehens durch Verwaltungsakt an einer Ermächtigungsrundlage im Gesetz fehle.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 27. März 2013 sowie den Bescheid des Beklagten vom 20. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. September 2010 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verweist auf seinen erstinstanzlichen Vortrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten und Unterlagen und wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet.

Das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 27. März 2013 sowie der Bescheid des Beklagten vom 20. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. September 2010 sind aufzuheben. Die angegriffenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Der Darlehensrückforderungsbescheid ist rechtswidrig, weil der Darlehensrückzahlungsanspruch des Beklagten mangels Kündigung des gewährten Darlehens noch nicht fällig ist.

1. Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin besteht ein Darlehensrückzahlungsanspruch des Beklagten in Höhe von 4.581,88 EUR gegen die Klägerin.

Sämtliche Darlehensbescheide wurden von der Klägerin nicht mit Widerspruch angegriffen. Sie sind daher bestandskräftig geworden (§ 77 SGG). Es ist im Übrigen auch nichts dafür ersichtlich, dass der Beklagte verpflichtet gewesen wäre, der Klägerin die Leistungen nach dem SGB II als Zuschuss zu gewähren. Auch hinsichtlich der Höhe der Rückzahlungsverpflichtung ergeben sich keine Anhaltspunkte für Fehler bei der Berechnung der Gesamtdarlehenssumme.

Die Einlassung der Klägerin, sie lebe im ehelichen Güterstand der Gütertrennung gemäß § 1414 BGB und dieser sei vereinbart worden, als nicht zu erwarten gewesen sei, dass sie einmal auf steuerfinanzierte Sozialleistungen angewiesen sein könnte, ist rechtlich unbeachtlich. Der eheliche Güterstand ist für die Beurteilung der Bedürftigkeit im Rahmen einer Bedarfsgemeinschaft, auch einer gemischten Bedarfsgemeinschaft wie sie zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann besteht, ohne Bedeutung. Insbesondere ist das Vermögen des Ehegatten dem Leistungsberechtigten auch dann nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II zuzurechnen, wenn die Ehegatten nicht im Güterstand der Zugewinngemeinschaft, sondern im Güterstand der Gütertrennung leben. Das BSG hat schon in seinem Urteil vom 27. Februar 2008, B 14/7b AS 32/06 R, juris Rn. 34 festgestellt: "Bei zusammenlebenden Ehepartnern durfte der Gesetzgeber die in § 7 Abs. 3 Nr. 3 i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB II aufgestellte Vermutung, dass sich die Partner einer Bedarfsgemeinschaft wechselseitig finanziell unterstützen, verfassungsrechtlich unproblematisch treffen. Der Hinweis des Klägers zu 1 auf die vereinbarte Gütertrennung bzw. ihr Zusammenleben als reine "Zweckgemeinschaft" verfängt nicht, weil das Institut der Bedarfsgemeinschaft im SGB II grundsätzlich nicht auf den zivilrechtrechtlichen Güterstand abstellt und auch den familienrechtlichen Unterhaltsregeln nicht folgen muss. Ebenso wenig ist erkennbar, inwiefern in der Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen jedes Partners einer Bedarfsgemeinschaft gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II eine mittelbare Diskriminierung von Frauen liegen könnte (hierzu Bieback in: Soziale Sicherungssysteme revisited 2007, 19)." Zwar ging es in dem dem Urteil zugrundeliegenden Sachverhalt nur um die Berücksichtigung des Einkommens des Partners. In der Sache besteht indessen kein Grund, in der Frage der Irrelevanz des ehelichen Güterstandes für die Einkommens- und Vermögenszurechnung innerhalb der Bedarfsgemeinschaft zu differenzieren. Dementsprechend hat sich das Bundessozialgericht mit dem Hinweis auf § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II ("Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen.") zur wechselseitigen finanziellen Unterstützung der Partner einer Bedarfsgemeinschaft auch eingelassen (Urteil vom 27. Februar 2008, B 14/7b AS 32/06 R, juris Rn. 34 am Ende).

Der Vortrag der Klägerin berücksichtigt im Übrigen auch nicht, dass selbst Paare, die nicht verheiratet sind und zwischen denen zivilrechtlich keine Unterhaltsverpflichtungen bestehen, über das Institut der Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft (§ 7 Abs. 3 Nr. 3c) SGB II) als Bedarfsgemeinschaft behandelt werden mit der Folge, dass Einkommen und Vermögen des Partners für die Leistungsberechnung zugrunde zu legen sind.

Die Darlehensbewilligungsbescheide des Beklagten vom 26. März 2008, 23. Oktober 2009 und 29. Januar 2009 enthalten keine Regelungen zur Rückzahlung der darlehensweise bewilligten Leistungen. Es greifen damit allein die gesetzlichen Regelungen. Im Zeitpunkt des Erlasses der Bewilligungsbescheide wie auch im Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Rückforderungsbescheids vom 20. Mai 2010 und des Widerspruchsbescheids vom 3. September 2010 gab es die Regelung des § 42a SGB II noch nicht. § 42a SGB II ist auch nicht rückwirkend, sondern erst zum 1. April 2011 in Kraft getreten. Die Frage, ob § 42a SGB II auch auf vor dem 1. April 2011 gewährte (bewilligte und/oder ausgezahlte) Darlehen anwendbar ist (dies hat das BSG für die Aufrechnungsregelung des § 42a Abs. 2 SGB II zwischenzeitlich verneint, vgl. BSG, Urteil vom 25. Juni 2016, B 14 AS 28/14 R, juris Rn. 18 ff.), kann hier dahinstehen. Denn selbst im Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Rückzahlungsbescheids war die Vorschrift noch nicht in Kraft getreten und somit in jedem Fall unanwendbar.

Mangels Regelung im SGB II ist auf die bürgerlich-rechtlichen Bestimmungen in entsprechender Anwendung zurückzugreifen. Für den Darlehensvertrag bestimmt § 488 Abs. 1 BGB, dass sich der Darlehensgeber durch den Darlehensvertrag verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuzahlen. Die Klägerin ist somit verpflichtet, bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuzahlen. Diese Rückzahlungsverpflichtung ist dem Begriff des Darlehens immanent (BSG, Urteil vom 6. März 1991, 9b Rar 7/90, juris Rn. 17).

§ 23 Abs. 5 SGB II in der vom 1. August 2006 bis 31. Dezember 2010 und damit bei Erstantragstellung und für alle streitgegenständlichen Folgeanträge maßgeblichen Fassung vom 20. Juli 2006 bestimmt: "Soweit Hilfebedürftigen der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für sie eine besondere Härte bedeuten würde, sind Leistungen als Darlehen zu erbringen. Sie können davon abhängig gemacht werden, dass der Anspruch auf Rückzahlung dinglich oder in anderer Weise gesichert wird." Damit ist die Verknüpfung von Darlehensgewährung und Rückzahlung auch einfachgesetzlich deutlich zum Ausdruck gebracht.

Soweit die Klägerin vorträgt, ihr Ehemann habe das Vermögen, das sich aus dem Erlös des Hausverkaufs und den erhaltenen Lebensversicherungssummen ergebe, vollständig verwendet, insbesondere zur Abgeltung von Schulden (Selbsthilfe), ist dies unbeachtlich. Dieser Einwand betrifft allein die tatsächliche Leistungsfähigkeit zur Rückzahlung des Darlehens, nicht aber die rechtliche Verpflichtung.

Auch mit dem Begehren, § 94 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII sei entsprechend anzuwenden, kann die Klägerin nicht durchdringen. § 94 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII befasst sich mit einem Anspruchsübergang und ist schon deshalb nicht einschlägig. Auch ist eine planwidrige Gesetzeslücke im SGB II nicht erkennbar. Das Institut der Bedarfsgemeinschaft im SGB II sieht eine umfassende Zurechnung von Einkommen und Vermögen innerhalb der Bedarfsgemeinschaft vor (§ 9 SGB II). Im Übrigen hat die Klägerin zuletzt selbst vorgetragen, eine nachhaltige Störung des Familienfriedens sei wegen der positiven Beziehung zum Ehemann nicht zu erwarten (Einlassung vom 28. Juni 2013).

2. Der Beklagte kann eine fällige Darlehensrückforderung auch durch Verwaltungsakt geltend machen.

Indem der Beklagte auf der Grundlage des § 23 Abs. 5 SGB II in der vom 1. August 2006 bis 31. Dezember 2010 geltenden Fassung eine darlehnsweise Bewilligung von Leistungen verfügte, verfügte er zugleich, dass die gewährte Leistung nicht als Zuschuss behalten werden dürfe, sondern zurück zu gewähren sei. Das entspricht der Rechtsprechung zum Bundesozialhilfegesetz - BSHG (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 7. Dezember 2005, L 8 SO 1/06, juris). Es bedarf daher keiner weiteren Ermächtigungsgrundlage im Gesetz, um eine fällige Darlehensrückforderung aus einem durch Verwaltungsakt gewährten Darlehen wiederum durch Verwaltungsakt geltend zu machen. Insbesondere ist der Beklagte nicht auf die Erhebung einer Leistungsklage gegen die Klägerin zu verweisen (so zum BSHG bzw. SGB XII: LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 2. Juli 2012, L 20 SO 75/12, juris: Rn. 35; ebenso LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 7. Dezember 2005, L 8 SO 1/06, juris Rn. 24; einschränkend zum SGB II SG Fulda, Urteil vom 22. Juni 2011, S 10 AS 302/08, juris Rn. 22, 23, wonach der Bescheid betreffend die Darlehensbewilligung nur dann eine geeignete und ausreichende Ermächtigungsgrundlage für den Erlass des Leistungsbescheides bieten kann, wenn bereits in der Ausgangsentscheidung betreffend die darlehensweise Gewährung von Leistungen zumindest Modalitäten betreffend die Voraussetzungen zur Kündigung des Darlehens und die Art und Weise der Rückzahlung festgelegt wurden; a.A. SG Potsdam, Urteil vom 9. März 2012, S 41 AS 3313/10, juris Rn. 16 ff.).

3. Der angegriffene Rückforderungsbescheid des Beklagten ist allerdings mangels Fälligkeit seiner Darlehnsrückforderung rechtswidrig.

Das der Klägerin gewährte Darlehen ist noch nicht fällig. Der Beklagte ist anscheinend von einer sofortigen Fälligkeit des Darlehens nach Verwertung der Immobilie und Beendigung des Leistungsbezugs ausgegangen. Dies ist zwar ein sachlich sinnvoller Ansatzpunkt für die Bestimmung der Fälligkeit bei Darlehen, die zur Überbrückung der Hilfebedürftigkeit bis zur Verwertung von Vermögen gewährt werden. Auch hat der Gesetzgeber diesen Zeitpunkt in der Regelung des § 42a Abs. 3, Abs. 4 Satz 1 SGB II als maßgeblich bestimmt. Indessen ist § 42a SGB II erst am 1. April 2011 in Kraft getreten und damit wie ausgeführt unanwendbar.

Der Beklagte hat es jedoch versäumt, den Fälligkeitszeitpunkt der Rückforderung in seinen Darlehensbewilligungsbescheiden festzulegen. Mangels ausdrücklicher Regelung in den Darlehensbewilligungsbescheiden und mangels Anwendbarkeit des § 42a SGB II ist auch die Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs aus dem gewährten Darlehen nach allgemeinen Regeln zu bestimmen. § 488 Abs. 3 Satz 1 und 2 BGB bestimmen: Ist für die Rückzahlung des Darlehens eine Zeit nicht bestimmt, so hängt die Fälligkeit davon ab, dass der Darlehensgeber oder der Darlehensnehmer kündigt. Die Kündigungsfrist beträgt drei Monate.

Der Beklagte hat vor Erlass des streitgegenständlichen Rückforderungsbescheids keine Kündigung ausgesprochen. Damit ist das der Klägerin gewährte Darlehen noch nicht fällig und der Rückforderungsbescheid vom 20. Mai 2010 aus diesem Grund rechtswidrig.

Die fehlende Kündigung kann auch nicht im Verfahren geheilt werden. Eine Aussetzung des Verfahrens, um dem Beklagten Gelegenheit zu geben, die notwendige Kündigung des Darlehens auszusprechen und nach Fälligkeit einen Rückforderungsbescheid zu erlassen und diesen ins Verfahren einzuführen, kam nicht in Betracht. Denn ein solcher Bescheid ließe sich nicht zulässigerweise in das Verfahren gemäß § 96 SGG einführen. Nach § 96 SGG muss der Regelungsgegenstand des neu einzubeziehenden Verwaltungsakts mit dem des früheren Verwaltungsakts identisch sein. Dies ist aber bei einem streitgegenständlichen Darlehensrückforderungsbescheid, der eine Fälligkeit spätestens am 20. Mai 2010 voraussetzt, und einem Darlehensrückforderungsbescheid, der Jahre später im Berufungsverfahren drei Monate nach zwischenzeitlich erfolgter Kündigung des Darlehens ergeht, nicht der Fall. Es ist dem Beklagten allerdings unbenommen, die Kündigung auszusprechen und das gewährte Darlehen bei Fälligkeit durch einen neuen Verwaltungsakt zurückzufordern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, denn Revisionszulassungsgründe im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Insbesondere hat die Sache keine grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Zwar gibt es keine höchstrichterliche Entscheidung zu der Frage, ob der Darlehensgeber seinen Rückzahlungsanspruch aus einem nach § 23 Abs. 5 SGB II a.F. vor Inkrafttreten des § 42a SGB II durch Verwaltungsakt geltend machen kann und wie die Fälligkeit eines Darlehensrückzahlungsanspruchs aus einem Darlehen nach § 23 Abs. 5 SGB II a.F. mangels Anwendbarkeit des § 42a SGB II zu bestimmen ist. Indessen betreffen diese Rechtsfragen nur Altfälle, in denen das Darlehen vor Inkrafttreten des § 42a SGB II gewährt wurde. Soweit ein Rechtsstreit nur auslaufendes bzw. bereits ausgelaufenes Recht betrifft, hat er in aller Regel keine grundsätzliche Bedeutung, da es Aufgabe des Revisionsgerichts ist, die Rechtsfortbildung zu fördern und die Einheit der Rechtsprechung zu wahren. Grundsätzlich sind nur Rechtsfragen klärungsbedürftig, die sich aus dem geltenden Recht ergeben (BSG, Urteil vom 29. April 1999, B 2 U 178/98 B, juris Rn. 6).
Rechtskraft
Aus
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