Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 1 R 350/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Begriff der "Unmittelbarkeit" in § 20 Nr. 3 lit. b) SGB VI erfordert keine Nahtlosigkeit.
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 6. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Juni 2015 verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 14. Juli 2014 bis 18. August 2014 Übergangsgeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. 2. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten für die Zeit ihres stationären Aufenthalts zum Zwecke der medizinischen Rehabilitation in der Rehabilitationseinrichtung S in der Zeit vom 14. Juli 2014 bis 18. August 2014 die Gewährung von Übergangsgeld.
Die Klägerin war bis zum 30. September 2008 sozialversicherungspflichtig beschäftigt. In der Folgezeit war sie arbeitslos und bezog ab 1. Januar 2009 durchgängig bis zum 10. Juni 2012 – unter anderem im Rahmen einer Umschulungsmaßnahme – Entgeltersatzleistungen von der Bundesagentur für Arbeit (Arbeitslosengeld I bzw. Übergangsgeld). Für die Zeit vom 11. Juni 2012 bis 17. Oktober 2013 erhielt die Klä-gerin im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung aufgrund attestierter Arbeitsunfähigkeit Krankengeld. Ab dem 18. Oktober 2013 wurde der Klägerin von der Bundesagentur für Arbeit bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 23. Juni 2014 erneut Arbeitslosengeld I gewährt.
Auf ihren Antrag vom 4. Dezember 2013 bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 5. Juni 2014 stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation für die Dauer von fünf Wochen. Am 14. Juli 2014 erfolgte die Aufnahme der Klägerin in der Rehabilitationsklinik S. Die Rehabilitationsmaßnahme endete am 18. August 2014.
Mit Bescheid vom 6. August 2014, der dem Klägerbevollmächtigten erst nach erneuter Zustellung nach dem 22. Januar 2015 zugegangen ist, teilte die Beklagte der Klägerin mit, ein Anspruch auf Gewährung von Übergangsgeld für die Zeit der Rehabilitationsmaßnahme bestehe nicht. Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass die Klägerin unmittelbar vor Beginn der Maßnahme weder arbeitsunfähig gewesen sei, noch Arbeitsentgelt oder eine Entgeltersatzleistung bezogen habe. Hiergegen erhob die Klägerin am 14. Februar 2015 Widerspruch. Zur Begründung wurde insbesondere darauf verwiesen, es sei nicht nachvollziehbar, dass die Klägerin für die verspätete Bewilligung der Kur und das bis dahin ausgelaufene Arbeitslosengeld bestraft werden solle. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juni 2015 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Mit der am 20. Juli 2015 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zu Begründung wird unter anderem vorgetragen, zum Zeitpunkt der Bewilligung der Rehabilitationsmaßnahme mit Bescheid vom 5. Juni 2014 habe sie noch Arbeitslosengeld I bezogen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 6. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Juni 2015 zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 14. Juli 2014 bis 18. August 2014 Übergangsgeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte (Rehabilitationsteil) der Beklagten (Versicherungsnummer: ) Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
1. Die form- und fristgerecht erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 und 4, 56 SGG) ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte für die Zeit vom 14. Juli 2014 bis 18. August 2014 einen Anspruch auf Gewährung von Übergangsgeld. Der das Übergangsgeld ablehnende Bescheid vom 6. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Juni 2015 ist damit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Der Bescheid ist deshalb aufzuheben und die Beklagte zur Gewährung von Übergangsgeld im streitgegenständlichen Zeitraum zu verpflichten.
a) Nach § 20 Nr. 3 lit. b) SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Übergangsgeld, die bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder sonstigen Leistungen zur Teilhabe unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder, wenn sie nicht arbeitsunfähig sind, unmittelbar vor Beginn der Leistungen Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Kurzarbeitergeld, Arbeitslosengeld, Arbeitslosengeld II oder Mutterschaftsgeld bezogen haben und für die von dem der Sozialleistung zugrunde liegenden Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen oder im Falle des Bezugs von Arbeitslosengeld II zuvor aus Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt worden sind.
Da der Klägerin lediglich Arbeitsunfähigkeit bis zum 17. Oktober 2013 bescheinigt worden war, ist streitentscheidend, ob die Klägerin vor Beginn der medizinischen Rehabilitationsleistung Arbeitslosengeld bezogen hat. Dies ist nach Auffassung der Kammer zu bejahen, auch wenn zwischen der Aufnahme der Klägerin in der Rehabilitationsklinik am 14. Juli 2014 und dem Bezug des letzten Arbeitslosengeldes am 23. Juni 2014 eine zeitliche Lücke von 20 Tagen zu verzeichnen ist. Entgegen der Auffassung der Beklagten erfordert der Begriff "unmittelbar" keinen nahtlosen Übergang, der mit Ausnahme von einem Wochenende keine zeitliche Lücke zulässt (so auch SG Augsburg, Urteil vom 11. Mai 2016 – S 18 R 685/15, juris; vgl. auch BSG, Urteil vom 26. Juni 2007 – B 2 U 23/06 R, juris, zu § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII).
Zur Auslegung des Begriffs "unmittelbar" in § 20 Nr. 3 lit. b) SGB VI besteht in der Rechtsprechung und Kommentarliteratur keine einheitliche Auffassung. Zum Teil wird insbesondere unter Hinweis auf den Wortlaut ein nahtloser Übergang vom Entgelt- bzw. Leistungsbezug zum Übergangsgeld verlangt (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. Februar 2011 – L 16 R 1366/07, juris, ohne nähere Begründung und Auseinandersetzung mit der abweichenden Auffassung; Zabre, in: Kreikebohm, SGB 4. VI, 4. Aufl. 2013, § 20 Rn. 4; Jabben, in: BeckOK SozR, SGB VI, Stand: 31.07.2016, § 20 Rn 7-7.1), zum Teil wird – auch mit Blick auf § 19 Abs. 2 Satz 1 SGB V – eine zeitliche Lücke von grundsätzlich bis zu vier Wochen oder einem Monat für unschädlich gehalten (maximal vier Wochen: BSG, Urteil vom 21. Juni 1983 – B 4 RJ 39/82, juris, zu § 1241 Abs. 1 RVO aF; in diesem Sinne auch SG Augsburg, Urteil vom 11. Mai 2016 – S 18 R 685/15, juris; Jüttner, in: Hauck/Noftz, Stand: 02/16, § 20 SGB VI, Rn. 30; Haack, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl., § 20 Rn. 11; Kater, Kasseler Kommentar SGB VI, Stand: Juni 2015, § 20 Rn. 11; in diesem Sinne auch BSG, Urteil vom 20. Juni 1985 – 11b/7 RAr 21/84, juris, zu § 59c AFG aF; vgl. auch BSG, Urteil vom 18. Februar 1981 - 1 RJ 74/79, juris, zu § 1241b RVO aF).
Allein aus der sprachlichen Fassung der Vorschrift kann hingegen nicht abgeleitet werden, dass bis zum letzten Tag vor Beginn der Rehabilitationsmaßnahme eine der in § 20 Nr. 3 lit. b) SGB VI genannten Leistungen bezogen worden sein muss. Der Wortsinn zwingt nicht zu einem solchen Verständnis, denn das Wort "unmittelbar" bringt lediglich zum Ausdruck, dass die Rehabilitationsmaßnahme ohne Unterbrechung auf den Leistungsbezug folgen muss, ohne dass damit gesagt wäre, wann eine für den Übergangsgeldanspruch schädliche Unterbrechung anzunehmen ist. Letzteres kann nur mit Blick auf die Zweckbestimmung des Übergangsgeldes entschieden werden (BSG, Urteil vom 21. Juni 1983 – B 4 RJ 39/82, Rn. 12, juris, zu § 1241 Abs. 1 RVO aF; Urteil vom 26. Juni 2007 – B 2 U 23/06 R, juris, zur Parallelvorschrift des § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII; Urteil vom 29. Januar 2008 - B 5a/5 R 26/07 R, Rn. 31, sowie Urteil vom 5. Februar 2009 - B 13 R 27/08 R, Rn. 23, juris, jeweils zu § 51 Abs. 5 SGB IX; Urteil vom 7. September 2010 – B 5 R 104/08 R, Rn. 18, juris, zu § 49 Hs. 1 SGB IX). Dieser liegt darin, die bisherigen Einkommensverhältnisse aufrechtzuerhalten und damit den Entgelt- und Einkommensverlust auszugleichen, den ein in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherter durch die Inanspruchnahme von Leistungen der medizinischen Rehabilitation erleidet (BSG, Urteil vom 18. Februar 1981 - 1 RJ 74/79, juris, zu § 1241b RVO aF; Kater, Kasseler Kommentar SGB VI, Stand: Juni 2015, § 20 Rn. 3; Jüttner, in: Hauck/Noftz, Stand: 02/16, § 20 SGB VI, Rn. 2). Hieran wird deutlich, dass nur solche Versicherte die Leistung erhalten, die zum Kreis der Erwerbstätigen gehören und ihren Lebensunterhalt vor Beginn der Maßnahme aus einer Erwerbstätigkeit oder einer daran anknüpfenden Sozialleistung bestritten haben. Für das Verständnis des Begriffs "unmittelbar" bedeutet das, dass es nicht auf einen tagesgenauen zeitlichen Anschluss ankommt. Entscheidend ist vielmehr, ob der Versicherte, zu Beginn der Rehabilitationsmaßnahme von einer der im Gesetz aufgeführten Einkunftsarten gelebt hat. Die Voraussetzungen des § 20 Nr. 3 lit. b) SGB VI sind dagegen nicht erfüllt, wenn er seinen Lebensunterhalt zu diesem Zeitpunkt bereits aus anderen Quellen, etwa aus Vermögen, Kapitaleinkünften, Rente oder Sozialhilfe, finanziert hat. War der Anspruch auf eine der durch Übergangsgeld zu ersetzenden Leistungen bereits vor Antritt der Rehabilitationsmaßnahme weggefallen, so hängt die Entscheidung demnach davon ab, ob sich in der Zwischenzeit eine neue wirtschaftliche Lebensgrundlage gebildet hatte oder bilden konnte (BSG, Urteil vom 21. Juni 1983 – B 4 RJ 39/82, Rn. 13 ff. juris; Urteil vom 26. Juni 2007 – B 2 U 23/06 R, juris, zur Parallelvorschrift des § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII; Urteil vom 7. September 2010 – B 5 R 104/08 R, Rn. 20, juris, zu § 49 Hs. 1 SGB IX).
Bis zu welcher zeitlichen Grenze eine Unterbrechung zwischen dem Wegfall des Entgelt- oder Leistungsanspruchs und dem Beginn der Rehabilitationsmaßnahme mit Blick auf die Entgeltersatzfunktion des Übergangsgeldes unschädlich sein kann, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Denn nach den vorgenannten Maßstäben ist hier der vom Gesetz geforderte unmittelbare zeitliche Zusammenhang zu bejahen. Als der Bezug des Arbeitslosengeldes am 23. Juni 2014 endete, war bereits aufgrund der bewilligenden Entscheidung vom 5. Juni 2014 und der Terminvergabe durch die Rehabilitationseinrichtung (vgl. Blatt 27 ff. der Verwaltungsakte), auf die die Klägerin im Übrigen auch keinen Einfluss hatte, klar, dass die Klägerin am 14. Juli 2014 eine länger dauernde stationäre Rehabilitationsmaßnahme antreten würde. Damit steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass sich in den verbleibenden 20 Tagen die durch den vorausgegangenen mehr als fünfjährigen Krankengeld- und Arbeitslosengeldbezug geprägte wirtschaftliche Lebensgrundlage der Klägerin nicht verändert hatte und auch nicht verändern konnte.
b) Aus dem nach der letzten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung von der Klägerin bezogenen Kranken-, Übergangs- und Arbeitslosengeld wurden ausweislich des Versicherungsverlaufs zudem Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung gezahlt. Der Berechnung der Sozialleistung lag zudem das bis zum 30. September 2008 von der Klägerin erzielte Arbeitsentgelt zugrunde.
Die Voraussetzungen für die Gewährung von Übergangsgeld für die Zeit vom 14. Juli 2014 bis 18. August 2014 liegen somit vor.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.
3. Gegen dieses Urteil ist für die Beklagte ohne weitere Zulassung durch das Gericht die Berufung gegeben (§ 143 i. V. m. 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG).
Rechtsmittelbelehrung:
Diese Entscheidung kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Försterweg 2-6 14482 Potsdam,
schriftlich, in elektronischer Form oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem
Sozialgericht Frankfurt (Oder) Eisenhüttenstädter Chaussee 48 15236 Frankfurt (Oder),
schriftlich, in elektronischer Form oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. Die Berufungsschrift muss innerhalb der Frist bei einem der vorgenannten Gerichte eingehen. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben. Auf Antrag kann vom Sozialgericht durch Beschluss die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen werden, wenn der Gegner schriftlich zustimmt. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) schriftlich oder in elektronischer Form zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen. Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war. Die elektronische Form wird nur durch eine qualifiziert signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der "Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr im Land Brandenburg" in das elektronische Gerichtspostfach des jeweiligen Gerichts zu übermitteln ist. Unter der Internetadresse www.erv.brandenburg.de können weitere Informationen über die Rechtsgrundlagen, Bearbeitungsvoraussetzungen und das Verfahren des elektronischen Rechtsverkehrs abgerufen werden.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten für die Zeit ihres stationären Aufenthalts zum Zwecke der medizinischen Rehabilitation in der Rehabilitationseinrichtung S in der Zeit vom 14. Juli 2014 bis 18. August 2014 die Gewährung von Übergangsgeld.
Die Klägerin war bis zum 30. September 2008 sozialversicherungspflichtig beschäftigt. In der Folgezeit war sie arbeitslos und bezog ab 1. Januar 2009 durchgängig bis zum 10. Juni 2012 – unter anderem im Rahmen einer Umschulungsmaßnahme – Entgeltersatzleistungen von der Bundesagentur für Arbeit (Arbeitslosengeld I bzw. Übergangsgeld). Für die Zeit vom 11. Juni 2012 bis 17. Oktober 2013 erhielt die Klä-gerin im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung aufgrund attestierter Arbeitsunfähigkeit Krankengeld. Ab dem 18. Oktober 2013 wurde der Klägerin von der Bundesagentur für Arbeit bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 23. Juni 2014 erneut Arbeitslosengeld I gewährt.
Auf ihren Antrag vom 4. Dezember 2013 bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 5. Juni 2014 stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation für die Dauer von fünf Wochen. Am 14. Juli 2014 erfolgte die Aufnahme der Klägerin in der Rehabilitationsklinik S. Die Rehabilitationsmaßnahme endete am 18. August 2014.
Mit Bescheid vom 6. August 2014, der dem Klägerbevollmächtigten erst nach erneuter Zustellung nach dem 22. Januar 2015 zugegangen ist, teilte die Beklagte der Klägerin mit, ein Anspruch auf Gewährung von Übergangsgeld für die Zeit der Rehabilitationsmaßnahme bestehe nicht. Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass die Klägerin unmittelbar vor Beginn der Maßnahme weder arbeitsunfähig gewesen sei, noch Arbeitsentgelt oder eine Entgeltersatzleistung bezogen habe. Hiergegen erhob die Klägerin am 14. Februar 2015 Widerspruch. Zur Begründung wurde insbesondere darauf verwiesen, es sei nicht nachvollziehbar, dass die Klägerin für die verspätete Bewilligung der Kur und das bis dahin ausgelaufene Arbeitslosengeld bestraft werden solle. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juni 2015 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Mit der am 20. Juli 2015 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zu Begründung wird unter anderem vorgetragen, zum Zeitpunkt der Bewilligung der Rehabilitationsmaßnahme mit Bescheid vom 5. Juni 2014 habe sie noch Arbeitslosengeld I bezogen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 6. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Juni 2015 zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 14. Juli 2014 bis 18. August 2014 Übergangsgeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte (Rehabilitationsteil) der Beklagten (Versicherungsnummer: ) Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
1. Die form- und fristgerecht erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 und 4, 56 SGG) ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte für die Zeit vom 14. Juli 2014 bis 18. August 2014 einen Anspruch auf Gewährung von Übergangsgeld. Der das Übergangsgeld ablehnende Bescheid vom 6. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Juni 2015 ist damit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Der Bescheid ist deshalb aufzuheben und die Beklagte zur Gewährung von Übergangsgeld im streitgegenständlichen Zeitraum zu verpflichten.
a) Nach § 20 Nr. 3 lit. b) SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Übergangsgeld, die bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder sonstigen Leistungen zur Teilhabe unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder, wenn sie nicht arbeitsunfähig sind, unmittelbar vor Beginn der Leistungen Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Kurzarbeitergeld, Arbeitslosengeld, Arbeitslosengeld II oder Mutterschaftsgeld bezogen haben und für die von dem der Sozialleistung zugrunde liegenden Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen oder im Falle des Bezugs von Arbeitslosengeld II zuvor aus Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt worden sind.
Da der Klägerin lediglich Arbeitsunfähigkeit bis zum 17. Oktober 2013 bescheinigt worden war, ist streitentscheidend, ob die Klägerin vor Beginn der medizinischen Rehabilitationsleistung Arbeitslosengeld bezogen hat. Dies ist nach Auffassung der Kammer zu bejahen, auch wenn zwischen der Aufnahme der Klägerin in der Rehabilitationsklinik am 14. Juli 2014 und dem Bezug des letzten Arbeitslosengeldes am 23. Juni 2014 eine zeitliche Lücke von 20 Tagen zu verzeichnen ist. Entgegen der Auffassung der Beklagten erfordert der Begriff "unmittelbar" keinen nahtlosen Übergang, der mit Ausnahme von einem Wochenende keine zeitliche Lücke zulässt (so auch SG Augsburg, Urteil vom 11. Mai 2016 – S 18 R 685/15, juris; vgl. auch BSG, Urteil vom 26. Juni 2007 – B 2 U 23/06 R, juris, zu § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII).
Zur Auslegung des Begriffs "unmittelbar" in § 20 Nr. 3 lit. b) SGB VI besteht in der Rechtsprechung und Kommentarliteratur keine einheitliche Auffassung. Zum Teil wird insbesondere unter Hinweis auf den Wortlaut ein nahtloser Übergang vom Entgelt- bzw. Leistungsbezug zum Übergangsgeld verlangt (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. Februar 2011 – L 16 R 1366/07, juris, ohne nähere Begründung und Auseinandersetzung mit der abweichenden Auffassung; Zabre, in: Kreikebohm, SGB 4. VI, 4. Aufl. 2013, § 20 Rn. 4; Jabben, in: BeckOK SozR, SGB VI, Stand: 31.07.2016, § 20 Rn 7-7.1), zum Teil wird – auch mit Blick auf § 19 Abs. 2 Satz 1 SGB V – eine zeitliche Lücke von grundsätzlich bis zu vier Wochen oder einem Monat für unschädlich gehalten (maximal vier Wochen: BSG, Urteil vom 21. Juni 1983 – B 4 RJ 39/82, juris, zu § 1241 Abs. 1 RVO aF; in diesem Sinne auch SG Augsburg, Urteil vom 11. Mai 2016 – S 18 R 685/15, juris; Jüttner, in: Hauck/Noftz, Stand: 02/16, § 20 SGB VI, Rn. 30; Haack, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl., § 20 Rn. 11; Kater, Kasseler Kommentar SGB VI, Stand: Juni 2015, § 20 Rn. 11; in diesem Sinne auch BSG, Urteil vom 20. Juni 1985 – 11b/7 RAr 21/84, juris, zu § 59c AFG aF; vgl. auch BSG, Urteil vom 18. Februar 1981 - 1 RJ 74/79, juris, zu § 1241b RVO aF).
Allein aus der sprachlichen Fassung der Vorschrift kann hingegen nicht abgeleitet werden, dass bis zum letzten Tag vor Beginn der Rehabilitationsmaßnahme eine der in § 20 Nr. 3 lit. b) SGB VI genannten Leistungen bezogen worden sein muss. Der Wortsinn zwingt nicht zu einem solchen Verständnis, denn das Wort "unmittelbar" bringt lediglich zum Ausdruck, dass die Rehabilitationsmaßnahme ohne Unterbrechung auf den Leistungsbezug folgen muss, ohne dass damit gesagt wäre, wann eine für den Übergangsgeldanspruch schädliche Unterbrechung anzunehmen ist. Letzteres kann nur mit Blick auf die Zweckbestimmung des Übergangsgeldes entschieden werden (BSG, Urteil vom 21. Juni 1983 – B 4 RJ 39/82, Rn. 12, juris, zu § 1241 Abs. 1 RVO aF; Urteil vom 26. Juni 2007 – B 2 U 23/06 R, juris, zur Parallelvorschrift des § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII; Urteil vom 29. Januar 2008 - B 5a/5 R 26/07 R, Rn. 31, sowie Urteil vom 5. Februar 2009 - B 13 R 27/08 R, Rn. 23, juris, jeweils zu § 51 Abs. 5 SGB IX; Urteil vom 7. September 2010 – B 5 R 104/08 R, Rn. 18, juris, zu § 49 Hs. 1 SGB IX). Dieser liegt darin, die bisherigen Einkommensverhältnisse aufrechtzuerhalten und damit den Entgelt- und Einkommensverlust auszugleichen, den ein in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherter durch die Inanspruchnahme von Leistungen der medizinischen Rehabilitation erleidet (BSG, Urteil vom 18. Februar 1981 - 1 RJ 74/79, juris, zu § 1241b RVO aF; Kater, Kasseler Kommentar SGB VI, Stand: Juni 2015, § 20 Rn. 3; Jüttner, in: Hauck/Noftz, Stand: 02/16, § 20 SGB VI, Rn. 2). Hieran wird deutlich, dass nur solche Versicherte die Leistung erhalten, die zum Kreis der Erwerbstätigen gehören und ihren Lebensunterhalt vor Beginn der Maßnahme aus einer Erwerbstätigkeit oder einer daran anknüpfenden Sozialleistung bestritten haben. Für das Verständnis des Begriffs "unmittelbar" bedeutet das, dass es nicht auf einen tagesgenauen zeitlichen Anschluss ankommt. Entscheidend ist vielmehr, ob der Versicherte, zu Beginn der Rehabilitationsmaßnahme von einer der im Gesetz aufgeführten Einkunftsarten gelebt hat. Die Voraussetzungen des § 20 Nr. 3 lit. b) SGB VI sind dagegen nicht erfüllt, wenn er seinen Lebensunterhalt zu diesem Zeitpunkt bereits aus anderen Quellen, etwa aus Vermögen, Kapitaleinkünften, Rente oder Sozialhilfe, finanziert hat. War der Anspruch auf eine der durch Übergangsgeld zu ersetzenden Leistungen bereits vor Antritt der Rehabilitationsmaßnahme weggefallen, so hängt die Entscheidung demnach davon ab, ob sich in der Zwischenzeit eine neue wirtschaftliche Lebensgrundlage gebildet hatte oder bilden konnte (BSG, Urteil vom 21. Juni 1983 – B 4 RJ 39/82, Rn. 13 ff. juris; Urteil vom 26. Juni 2007 – B 2 U 23/06 R, juris, zur Parallelvorschrift des § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII; Urteil vom 7. September 2010 – B 5 R 104/08 R, Rn. 20, juris, zu § 49 Hs. 1 SGB IX).
Bis zu welcher zeitlichen Grenze eine Unterbrechung zwischen dem Wegfall des Entgelt- oder Leistungsanspruchs und dem Beginn der Rehabilitationsmaßnahme mit Blick auf die Entgeltersatzfunktion des Übergangsgeldes unschädlich sein kann, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Denn nach den vorgenannten Maßstäben ist hier der vom Gesetz geforderte unmittelbare zeitliche Zusammenhang zu bejahen. Als der Bezug des Arbeitslosengeldes am 23. Juni 2014 endete, war bereits aufgrund der bewilligenden Entscheidung vom 5. Juni 2014 und der Terminvergabe durch die Rehabilitationseinrichtung (vgl. Blatt 27 ff. der Verwaltungsakte), auf die die Klägerin im Übrigen auch keinen Einfluss hatte, klar, dass die Klägerin am 14. Juli 2014 eine länger dauernde stationäre Rehabilitationsmaßnahme antreten würde. Damit steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass sich in den verbleibenden 20 Tagen die durch den vorausgegangenen mehr als fünfjährigen Krankengeld- und Arbeitslosengeldbezug geprägte wirtschaftliche Lebensgrundlage der Klägerin nicht verändert hatte und auch nicht verändern konnte.
b) Aus dem nach der letzten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung von der Klägerin bezogenen Kranken-, Übergangs- und Arbeitslosengeld wurden ausweislich des Versicherungsverlaufs zudem Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung gezahlt. Der Berechnung der Sozialleistung lag zudem das bis zum 30. September 2008 von der Klägerin erzielte Arbeitsentgelt zugrunde.
Die Voraussetzungen für die Gewährung von Übergangsgeld für die Zeit vom 14. Juli 2014 bis 18. August 2014 liegen somit vor.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.
3. Gegen dieses Urteil ist für die Beklagte ohne weitere Zulassung durch das Gericht die Berufung gegeben (§ 143 i. V. m. 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG).
Rechtsmittelbelehrung:
Diese Entscheidung kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Försterweg 2-6 14482 Potsdam,
schriftlich, in elektronischer Form oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem
Sozialgericht Frankfurt (Oder) Eisenhüttenstädter Chaussee 48 15236 Frankfurt (Oder),
schriftlich, in elektronischer Form oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. Die Berufungsschrift muss innerhalb der Frist bei einem der vorgenannten Gerichte eingehen. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben. Auf Antrag kann vom Sozialgericht durch Beschluss die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen werden, wenn der Gegner schriftlich zustimmt. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) schriftlich oder in elektronischer Form zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen. Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war. Die elektronische Form wird nur durch eine qualifiziert signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der "Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr im Land Brandenburg" in das elektronische Gerichtspostfach des jeweiligen Gerichts zu übermitteln ist. Unter der Internetadresse www.erv.brandenburg.de können weitere Informationen über die Rechtsgrundlagen, Bearbeitungsvoraussetzungen und das Verfahren des elektronischen Rechtsverkehrs abgerufen werden.
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