Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 432/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 55/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 90/16 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 08.07.2015 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig sind sachlich-rechnerische Berichtigungen im Zusammenhang mit Facettendenervationen.
Der Kläger ist als Facharzt für Neurochirurgie in C niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Bis zum 31.12.2011 betrieb er eine Gemeinschaftspraxis (Berufsausübungsgemeinschaft (BAG)) mit Dr. N, seit dem Quartal I/2012 ist er in Einzelpraxis tätig.
Im Rahmen der Abrechnungsprüfung führte der von der Beklagten hinzugezogene Facharzt für Neurochirurgie L hinsichtlich der abgerechneten Facettendenervationen am 16.12.2011 aus, dass ausnahmslos minimalinvasive/perkutane Schmerzeingriffe vorgenommen worden seien. Bei den dokumentierten Eingriffen handele es sich nicht um offen chirurgische Eingriffe. Eine schlüssige und vollkommen korrekte Kodierung und Abrechnung der minimalinvasiven Facettendenervation über den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) sei nicht möglich. Die ersatzweise Abrechnung der GOP 34503 EBM statt der GOP 31131 EBM sei nicht geeignet und adäquat. Der minimalinvasiven Facettendenervation stehe der Operationsstatus zu.
Auf entsprechende Nachfrage der Beklagten teilte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) mit Schreiben vom 02.04.2012 mit, dass sie aufgrund der jetzigen Abrechnungsbestimmungen keine Möglichkeit sehe, die minimalinvasive Facettendenervation über die GOP 31131 EBM abzurechnen, da sich eine offene chirurgische Durchführung des Eingriffs aus den beigefügten OP-Berichten nicht erkennen lasse.
Bei einem Plausibilitätsgespräch zwischen dem Kläger und Vertretern der Beklagten am 04.07.2012 schilderte der Kläger seine Vorgehensweise bei den streitigen Eingriffen dahingehend, dass zunächst eine Lokalanästhesie der Haut vorgenommen werde. Dann erfolge eine Stichinzision mit einer Sonde. Nach einem Schnitt werde die Sonde im Gelenk platziert und unter Röntgen beobachtet. Anschließend werde vereist. Er erklärte auf Nachfrage, dass es in seiner Abrechnung keine Fälle gebe, in denen nach der Definition der Beklagten offen chirurgisch vorgegangen worden sei, man gehe immer nach der gleichen Methode vor. Der Schnitt, der für die Sonde gesetzt werde, sei nach seiner Definition als offen chirurgisch zu bezeichnen.
Mit allein an den Kläger gerichtetem Bescheid vom 05.10.2012 hob die Beklagte die für die Quartale I/2008 bis IV/2011 erteilten Honorarbescheide teilweise in Höhe von 439.203,23 EUR auf und forderte den genannten Betrag zurück. Eine Abrechnung der Facettendenervation als ambulante Operation gemäß Kap. 31.2. EBM sei nach der Präambel 31.2.4 Nr. 3 des EBM nur dann möglich, wenn dieser Eingriff offen chirurgisch und nicht als minimalinvasives Verfahren erfolge. Gemäß Punkt 2.1 der allgemeinen Bestimmungen des EBM sei eine Gebührenordnungsposition nur berechnungsfähig, wenn der Leistungsinhalt vollständig erbracht worden sei. Nach Kapitel 4.3.7 Nr. 2 der allgemeinen Bestimmungen des EBM setzten operative Eingriffe die Eröffnung von Haut und/oder Schleimhaut bzw. eine primäre Wundversorgung voraus, soweit in den Leistungsbeschreibungen nichts anderes angegeben sei. Punktionen mit Nadeln, Kanülen und Biopsienadeln fielen nicht unter die Definition eines operativen Eingriffs. Die Präambel 31.2.1 Nr. 1 zu ambulanten Eingriffen lege nochmals erläuternd fest, dass als ambulante Operationen ärztliche Leistungen mit chirurgisch-instrumenteller Eröffnung der Haut und/oder Schleimhaut oder der Wundverschluss von eröffneten Strukturen der Haut und/oder Schleimhaut mindestens in Oberflächenanästhesie sowie Leistungen entsprechend den OPS-301-Prozeduren des Anhangs 2 ggf. einschließlich eingriffsbezogener Verbandleistungen gelten. Punktionen mit Nadeln, Kanülen und Biopsienadeln fielen nicht unter die Definition eines operativen Eingriffs. In sämtlichen geprüften Fällen sei die OPS 5-830.2 kodiert worden, die in die GOP 31131 EBM führe. Es seien jedoch ausnahmslos minimalinvasive/perkutane Schmerzeingriffe vorgenommen worden. Bei den dokumentierten Eingriffen handele es sich nicht um offen chirurgische Eingriffe. Der Kläger werde als Gesamtschuldner für die ehemalige Gemeinschaftspraxis in Anspruch genommen. Da der Inhalt der GOP 34503 EBM erbracht worden sei, werde diese stattdessen jeweils anerkannt.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 17.10.2012 Widerspruch ein. Zur Begründung übersandte er ein Gutachten des Facharztes für Neurochirurgie Dr. T und ein Schreiben der Beklagten vom 23.02.2010, mit der Abteilungsleiterin Frau T1 als Absenderin. Er führte aus, dass der Beklagten aufgrund des Beschlusses des Bewertungsausschuss in seiner 290. Sitzung, in dem die Streichung des OPS-Code 5-830.2 aus dem Anhang 2 zum EBM beschlossen wurden sei, schon am 19.05.2011 bewusst gewesen sei, dass die Abrechnung über die GOP 31131 EBM aus ihrer Sicht falsch und spätestens bis zum 01.04.2013 ausgeschlossen sein sollte. Dennoch seien seine mit dieser Position begründeten Honorarforderungen anstandslos ausgeglichen worden. Die Beklagte sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) jedoch verpflichtet gewesen, die Zweifel an der Richtigkeit der Honorarberechnung offen zu legen und ihn auf die Ungewissheiten hinzuweisen. Daneben sei auch zu prüfen, ob nicht schon das Schreiben der Abteilungsleiterin T1 von 23.02.2010 zu einem Verbrauch der Korrekturbefugnis der Beklagten führe, weil sie die Richtigkeit der Abrechnung überprüft und vorbehaltlos bestätigt habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.11.2013 wies die Beklagte den Widerspruch unter Wiederholung ihrer Argumentation aus dem angefochtenen Bescheid zurück. Die Aufhebung der erteilten Honorarbescheide für die Quartale I/2008 bis IV/2012 (gemeint IV/2011) und die Rückforderung des zu Unrechts ausgezahlten Honorars in Höhe von insgesamt 439.203,23 EUR sei rechtmäßig.
Mit seiner am 13.12.2013 vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Auch der von der Beklagten beauftragte Sachverständige L komme in wesentlichen Punkten zum gleichen Ergebnis wie er in seiner Widerspruchsbegründung. Der Sachverständige führe aus, dass die GOP 34503 EBM entgegen der jetzigen Beteuerung der Beklagten nicht geeignet sei, seine Tätigkeit sachgerecht zu bewerten; minimalinvasiven Facettendenervationen stehe der Operationsstatus zu. Zudem hätte die Beklagte auf die anders vorzunehmende Abrechnung hinweisen müssen, so dass schon aus diesem Grund ein schützenswertes Vertrauen im Hinblick auf einen Ausschluss einer sachlich-rechnerische Berichtigung bestehe. Die Beklagte hätte bei jeder vorgelegten Quartalsabrechnung erkennen müssen, dass Facettendenervationen unter der GOP 31131 EBM abgerechnet worden seien, obwohl diese Gebührenziffer nach ihrer Ansicht grundsätzlich nicht zur Verfügung gestanden habe. Auch der Beschluss des Bewertungsausschusses vom 19.05.2011 müsse beim unbefangenen Leser die Schlussfolgerung auslösen, dass die zum Jahreswechsel 2008 eingeführte GOP 34503 EBM die bisherige Anwendung der GOP 31131 EBM bis zum 31.03.2013 unberührt gelassen habe. Zu beachten sei auch, dass er über seine Berufsorganisation das Schreiben der damaligen Abteilungsleiterin der Beklagten Frau T1 vom 23.02.2010 erhalten habe, in dem die Beklagte die Richtigkeit der Abrechnung überprüft und vorbehaltlos bestätigt habe. Diese Auskunft binde die Beklagte. Bei seinen Leistungen habe es sich um einen offen chirurgischen Eingriff gehandelt. Nach der Definition in der Präambel des Kapitel 31.2 des EBM gälten als ambulante Operationen ärztliche Leistungen mit chirurgisch-instrumenteller Öffnung der Haut und/oder Schleimhaut oder der Wundverschluss von eröffneten Strukturen der Haut ( ) mindestens in Oberflächenanästhesie.
Nachdem die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem SG den angefochtenen Bescheid vom 05.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2013 insofern aufgehoben und die Honorarforderung entsprechend reduziert hat, als das Quartal I/2008 mit einer Rückforderung in Höhe von 6.130,99 EUR umfasst wurde, hat der Kläger beantragt,
den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 05.10.2012 für die Quartale II/2008 bis IV/2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2013 ersatzlos aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat darauf verwiesen, dass der Grundsatz des Vertrauensschutzes gegenüber dem Kläger gewahrt sei. Das von ihm erwähnte Schreiben ihrer Bezirksstelle Düsseldorf vom 23.02.2010 richte sich nicht an ihn. Darüber hinaus werde darin lediglich auf einen Auszug aus dem Anhang 2 des EBM verwiesen, der in Kopie beigefügt gewesen sei. In dem Schreiben befänden sich keinerlei Ausführungen dazu, dass die von dem Kläger dargelegte Vorgehensweise einem offen chirurgischen Eingriff entspreche und somit die GOP 31131 EBM in Ansatz gebracht werden könne. Darüber hinaus habe sie bis zur Durchführung der Plausibilitätsprüfung durch Sichtung der Operationsberichte und Praxisdokumentationen von zwei Fachprüfern sowie dem daraufhin am 04.07.2012 geführten Gespräch keine Kenntnis davon gehabt, welche Eingriffe sich unter der Abrechnung der GOP 31131 EBM verborgen hätten. Der Kläger habe in dem Gespräch am 04.07.2012 auf Nachfrage erklärt, es gäbe in seiner Abrechnung keine Fälle, in denen nach ihrer Definition offen chirurgisch vorgegangen worden sei. Auch Herr L habe in seinem Schreiben an sie nach Sichtung der eingereichten OP-Berichte und Krankenakten eindeutig festgestellt, dass es sich bei den dokumentierten Eingriffen nicht um offen chirurgische Eingriffe gehandelt habe.
Mit Urteil vom 08.07.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe für die von ihm durchgeführten Facettendenervationen zu Unrecht die GOPen 31131, 31138 EBM zur Abrechnung gebracht. Für die Auslegung des Leistungsinhalts der GOP 31131 EBM sei nicht allein die Bezeichnung der Leistung nach OPS maßgebend, sondern ebenfalls die Präambel zum Kapitel 31.2 des EBM. Nach der Präambel 31.2.4 Nr. 3 setzte die Berechnung der GOP 31131 EBM für die Facettendenervation OPS-Code 5-830.2 die offen chirurgische Durchführung des Eingriffs gemäß Präambel 31.2.1 Nr. 1 voraus. Minimalinvasive Verfahren z.B. zur Schmerztherapie seien mit den GOPen des Abschnitts 34.5 berechnungsfähig. Um solche minimalinvasiven Verfahren handele es sich vorliegend. Dabei sei nicht wesentlich, dass die Präambel 31.2.1 Nr. 1 definiere, was als ambulante Operation gelte bzw. nicht unter die Definition eines operativen Eingriffs falle. Im Sinne dieser Präambel sei die vom Kläger praktizierte Vorgehensweise durchaus als ambulante Operation bzw. operativer Eingriff zu sehen. Der Schnitt, der für die Sonde gesetzt werde, sei eine chirurgisch-instrumentelle Eröffnung der Haut und grenze sich deutlich von Punktionen, Kürettagen und Shave-Biopsien der Haut ab. Darauf komme es jedoch nicht an. Entscheidend sei allein die in der Präambel 31.2.4 Nr. 3 getroffene Abgrenzung zwischen einer offen chirurgischen Durchführung des Eingriffs, d.h. der Facettendenervation selbst, und minimalinvasiven Verfahren z.B. zur Schmerztherapie. Medizinisch kämen zur Auflösung bzw. Zerstörung von Nervengewebe (Neurolyse) vor allem zwei Verfahren zur Anwendung: Zum einen offen chirurgisch, d.h. Nervenunterbrechung mit dem Skalpell, zum anderen perkutan mittels einer durch die Haut eingeführten Kanüle oder Sonde (sog. minimalinvasives Verfahren), bei der u.a. mit Kälte auf periphere Nerven eingewirkt werde (Kryoanalgesie, Kryodenervation). Abrechnungsrechtlich seien nur die offen chirurgischen Facettendenervationen mit OPS 5-830.2 zu codieren und führten zur Abrechnung der GOP 31131 EBM. Die minimalinvasiven Behandlungsverfahren an der Wirbelsäule (zur Schmerztherapie) seien demgegenüber nach OPS 5-83.0 (Facetten-Thermokoagulation oder Facetten-Kryodenervation) zu codieren. Diese Leistungen seien aber nicht Gegenstand des Anhangs 2 zum EBM und daher nicht als vertragsärztliche Leistungen abrechenbar. Dass die vom Kläger durchgeführten Facettendenervationen minimalinvasiv durchgeführt worden seien, ergebe sich aus der von ihm selbst geschilderten Vorgehensweise im Plausibilitätsgespräch am 04.07.2012, aus dem Ergebnis der Prüfer Dr. N1 und L und dem vom Kläger eingeholten Privatgutachten des Neurochirurgen Dr. T vom 08.05.2013. Diesen Erkenntnissen schließe sich die Kammer nach Durchsicht der Ausdrucke aus den Behandlungsnachweisen, der Operationsberichte und Protokolle zur Facetten- und Kryobehandlungen an. Obwohl die Abrechnungen des Klägers nur in Bezug auf 38 Patienten und auch nicht für alle streitbefangenen Quartale überprüft worden seien, habe die Beklagte davon ausgehen dürfen, dass die aus ihrer Sicht bestehenden Abrechnungsfehler auch in sämtlichen anderen Quartalen und bei allen vorhandenen Patienten vorhanden gewesen seien, da der Kläger in dem Plausibilitätsgespräch am 04.07.2012 auf Nachfrage erklärt habe, es gebe in seiner Abrechnung keine Fälle, in denen nach der Definition der Beklagten offenchirurgisch vorgegangen worden sei. Der Kläger sei durch die Umwandlung in die GOP 34503 EBM und die Zubilligung einer im Ergebnis geringeren Vergütung auch nicht beschwert, weil die Beklagte berechtigt gewesen wäre, die im Streit stehenden Gebührenansätze vollständig zu streichen. Auf schützenswertes Vertrauen könne sich der Kläger nicht berufen. Grundsätzlich könne der Vertragsarzt nach der Rechtsprechung des BSG vor einer endgültigen Prüfung nicht auf Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit eines erteilten Honorarbescheides vertrauen. So sei insbesondere für die nun noch streitbefangenen Quartale keine Frist von vier Jahren seit Erlass des betroffenen Honorarbescheides abgelaufen. Ein Vertrauensschutz greife auch nicht deshalb ein, weil die Beklagte es unterlassen habe, frühzeitig auf bekannte Ungewissheiten hinzuweisen. Ebenso wenig habe sie in Kenntnis aller Umstände die rechtswidrige Abrechnung der GOP 31131 EBM nebst Begleitleistungen für die minimalinvasive Facettendenervation geduldet und diese nunmehr von der Vergütung ausgeschlossen. Zwar habe ein Vertragsarzt aus Duisburg am 30.01.2010 offiziell eine Anfrage an die Beklagte hinsichtlich der Abrechnungsmodalitäten der perkutanen Facettendenervation gerichtet. Die Anfrage eines einzelnen Arztes habe bei der Beklagten jedoch nicht das Bewusstsein wecken müssen, dass ein großer Teil der Neurochirurgen und Orthopäden minimalinvasive Facettendenervationen über die GOP 31131 EBM nebst Begleitleistungen abrechneten. Erst die insgesamt stark angestiegene Fallzahl der GOP 31131 habe sie zur Überprüfung veranlasst. Auch das Antwortschreiben der Abteilungsleiterin T1 vom 23.02.2010 begründe kein schützenswertes Vertrauen des Klägers auf die Richtigkeit seiner Abrechnung. Dieses Schreiben treffe keine verbindliche Aussage, dass minimalinvasive Facettendenervationen über die GOP 31131 ff. EBM abrechnungsfähig seien. Das Schreiben weise lediglich kommentarlos auf die Bestimmungen des EBM hin, enthalte sich aber einer eigenen Bewertung, dass minimalinvasive Facettendenervationen entgegen der Präambel 31.2.4 Nr. 3 EBM doch über die GOPen 31131ff EBM abgerechnet werden könnten und die Beklagte dies akzeptiere. Der Berufsverband der Neurochirurgen habe mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass die Vergütung über den EBM, insbesondere die GOPen 34503 bzw. 34502 EBM, im Vergleich zur GOP 31131 EBM mit den Begleitleistungen nicht ausreichend erscheine. Demgegenüber habe die KBV nach ihrer Auskunft vom 02.04.2012 regelmäßig sowohl gegenüber den Kassenärztlichen Vereinigungen als auch gegenüber anfragenden Ärzten/Berufsverbänden mitgeteilt, dass sie keine Möglichkeit sehe, diese Eingriffe über GOP 31131 EBM zu berechnen. Bereits diese kontroversen Standpunkte schlössen ein schützenswertes Vertrauen der Neurochirurgen, minimal-invasive Facettendenervationen zu Recht über die GOPen 31131ff. EBM abzurechnen, aus. Aus der Streichung des OPS-Code 5-830.2 aus dem Anhang 2 zum EBM durch den Bewertungsausschuss in seiner 290. Sitzung mit Wirkung zum 01.04.2013 folge auch nicht im Umkehrschluss, dass jedwede Facettendenervation, die bis zum 31.03.2013 erbracht worden sei, nach den GOPen 31131 ff EBM zur Abrechnung zu bringen gewesen sei. Die Streichung bewirke vielmehr, dass ab dem 01.04.2013 die bis dahin allein abrechnungsfähigen offen chirurgische Facettendenervationen nicht mehr als Operationen an der Wirbelsäule abgerechnet werden konnten, sondern nur noch über die GOPen des Abschnitts 34.5 EBM. Die Ausführungen in den entscheidungserheblichen Gründen gäben keinen Aufschluss darüber, dass die Beklagte ab 2008 frühzeitig Hinweise darauf gehabt hätte, dass ihre Mitglieder fehlerhaft abgerechnet hätten. Nicht durchzudringen vermöge der Kläger auch mit dem Einwand, zumindest seit der Sitzung des Bewertungsausschusses am 19.05.2011 habe die Beklagte die Unsicherheit bei der Anwendung der GOP 31131 EBM in den vorliegenden Fällen gekannt und sei zu entsprechenden Hinweisen an die betroffenen Vertragsärzte verpflichtet gewesen. Am 19.05.2011 habe nicht der Bewertungsausschuss, sondern der Gemeinsame Bundesausschuss eine Sitzung abgehalten, in der die Richtlinie über die ambulante Behandlung im Krankenhaus nach § 116b Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) geändert worden sei. Das habe den Bereich der niedergelassenen Vertragsärzte indes nicht betroffen. Auch komme ein Ansatz der minimalinvasiven Facettendenervation nach den GOPen 31131 ff EBM auch nicht deshalb in Betracht, weil die Abrechnung dieser Leistung nach der GOP 34503 EBM von Leistungserbringern, ihren Verbandsvertretern und von dem von der Beklagten gehörten Gutachter L, als ungeeignet und inadäquat angesehen werde. Es obliege allein dem Bewertungsausschuss als Normgeber des EBM, den Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen und ihr wertmäßiges, in Punkte ausgedrücktes Verhältnis zueinander, zu bestimmen. Keinesfalls seien die Leistungserbringer selbst berechtigt, durch analoge Abrechnung von GOPen, die sie für zutreffender hielten, vermeintliche Unzulänglichkeiten des EBM aufzufangen. Grundsätzlich setze die Rechtmäßigkeit sachlich-rechnerischer Berichtungen kein Verschulden des Vertragsarztes voraus.
Gegen dieses ihm am 23.07.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20.08.2015 Berufung eingelegt. Das SG habe nicht von einer minimalinvasiven Facettendenervation in Abgrenzung zu der offenen chirurgischen Facettendenervation ausgehen dürfen. Der Wortlaut des OPS-Codes 5-830.2 sei eindeutig und beschreibe die Inzision von kranken Knochen- und Gelenksgewebe der Wirbelsäule umfassend und ohne Einschränkung. Da die Nervenunterbrechung mittels Skalpell weltweit schon im Jahr 2008 durch die heutige Praxis verdrängt worden sei, gebe es kein anderes als das vom Kläger angewandte Verfahren zur Facettendenervation. Dem widerspreche auch nicht die Formulierung in EBM 31.2.4. Denn dort seien nur "minimalinvasive" Verfahren zur Schmerztherapie benannt, worunter die Facettenblockade mit Lokalanästhetika und Kortison etc. zu verstehen sei. Der Beklagten sei bekannt gewesen, dass eine offene chirurgische Vorgehensweise mittels Skalpell zur Durchführung der Facettendenervation auch schon im Jahr 2009 nicht praktiziert worden sei. Diese Vorgehensweise existiere seit dem Jahr 2008 nicht. Daraus folge, dass die Beklagte schon bei der ersten Abrechnung über GOP 31131 EBM die Honorierung hätte ablehnen müssen. Unter dem Aspekt, dass es lediglich eine chirurgische Methode der ambulanten perkutanen Facettendenervation gebe, gewinne das Schreiben der Abteilungsleiterin T1 vom 23.02.2010 an Bedeutung. Denn damit bestätige sie, dass bei der vorgenommenen perkutanen Facettendenervation die GOP 31131 EBM anzuwenden sei. Dies sei der objektive Erklärungswert dieses Schreibens. Entgegen den Ausführungen des SG sei auch der Umstand von Bedeutung, dass der Bewertungsausschuss mit Wirkung zum 01.04.2013 beschlossen habe, den OPS-Code 5-830.2 aus dem Anhang 2 zu dem EBM zu streichen. Da eine abrechnungsfähige offen chirurgische Durchführung der Facettendenervation nicht mehr existiert habe, habe man die Abrechnung der minimalinvasiven Technik für die Zukunft ausschließen wollen. Er überreicht zudem ein Schreiben der KBV an seinen Berufungsverband vom 20.11.2008, in dem diese darüber informiert, dass die OPS-Code 5-830.2 Facettendenervation weiterhin im Anhang 2 im EBM hinterlegt und der GOP 31131 bzw. 36131 EBM zugeordnet sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 08.07.2015 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 05.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2013 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist darauf, dass die Entscheidung des SG rechtmäßig sei. Das Schreiben der Abteilungsleiterin Frau T1 vom 23.02.2010 habe sich nicht an den Kläger gerichtet. Zudem habe es lediglich auf den Auszug aus dem Anhang 2 des EBM verwiesen. Es erhalte keinerlei Ausführungen dazu, dass die vom Kläger dargelegte Vorgehensweise einem offen chirurgischen Eingriff entspreche und somit die GOP 31131 EBM in Ansatz gebracht werden könne. Sie habe bis zur Durchführung der Plausibilitätsprüfung durch Sichtung der Operationsberichte und Praxisdokumentation sowie dem am 04.07.2012 mit dem Kläger geführten Gespräch keine Kenntnis davon gehabt, wie die betreffenden Eingriffe vorgenommen worden seien. Auch bei der Anwendung neuer Operationstechniken müssten die Leistungslegenden der betreffenden Abrechnungsziffer erfüllt sein. Im KV-Bezirk habe es Vertragsärzte gegeben, die den Eingriff offen chirurgisch durchgeführt hätten. Dies habe sodann die Konsequenz gehabt, dass bei diesen Mitgliedern keine bzw. lediglich eine anteilige Korrektur vorgenommen worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) frist- und formgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der nach der Erklärung der Beklagten vor dem SG verbliebene Bescheid der Beklagten vom 05.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2013 ist rechtmäßig.
Rechtsgrundlage der sachlich-rechnerischen Richtigstellung ist § 106a Abs. 2 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i.d.F. des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003 (BGBl. I 2190, 2217, insofern in der Folgezeit unverändert). Danach stellt die Kassenärztliche Vereinigung die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten. Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen des Vertragsarztes zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots erbracht und abgerechnet worden sind (zuletzt BSG, Urteil vom 13.05.2015 - B 6 KA 27/14 R - m.w.N.). Die Befugnis zu Richtigstellungen besteht auch für bereits erlassene Honorarbescheide (nachgehende Richtigstellung). Sie bedeutet dann im Umfang der vorgenommenen Korrekturen eine teilweise Rücknahme des Honorarbescheids. Die genannten Bestimmungen stellen Sonderregelungen dar, die gemäß § 37 Satz 1 Ersten Buch Sozialgesetzbuch in ihrem Anwendungsbereich die Regelung des § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) verdrängen. Eine nach den Bestimmungen zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung rechtmäßige (Teil-)Rücknahme des Honorarbescheids mit Wirkung für die Vergangenheit löst nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung des Empfängers der Leistung aus (BSG, Urteil vom 28.08.2013 - B 6 KA 50/12 R - m.w.N.).
Die Tatbestandsvoraussetzung für eine nachträgliche sachlich-rechnerische Richtigstellung nach § 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V ist vorliegend erfüllt. Die durchgeführten Facettendenervationen durften nicht mit den GOPen 31131, 31502 und 31615 EBM abgerechnet werden. Die GOP 31131 EBM vergütet den "Eingriff an Knochen und Gelenken der Kategorie D1". Obligater Leistungsinhalt ist ein chirurgischer Eingriff der Kategorie D1 entsprechend Anhang 2. Die GOP 31502 EBM honoriert die postoperative Überwachung im Anschluss an die Erbringung einer Leistung entsprechend u.a. der GOP 31131 EBM (außer Biopsieleistungen der Kategorie C1) und die GOP 31615 EBM die postoperative Behandlung nach der Erbringung einer Leistung entsprechend u.a. der GOP 31131 EBM bei Erbringung durch den Operateur. Im streitigen Zeitraum umfasste der Anhang 2 des EBM den OPS-Kode 5-830.2 "Inzision von erkranktem Knochen- und Gelenkgewebe der Wirbelsäule: Facettendenervation".
Für die Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsbestimmungen ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG in erster Linie der Wortlaut der Regelungen maßgeblich (BSG, Urteil vom 11.02.2015 - B 6 KA 15/14 R - m.w.N.). Dies gründet sich zum einen darauf, dass das vertragliche Regelwerk dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen von Ärzten und Krankenkassen dient und es vorrangig Aufgabe des Normgebers des EBM - also des Bewertungsausschusses gemäß § 87 Abs. 1 SGB V - ist, Unklarheiten zu beseitigen. Zum anderen folgt die primäre Bindung an den Wortlaut aus dem Gesamtkonzept des EBM als einer abschließenden Regelung, die keine Ergänzung oder Lückenfüllung durch Rückgriff auf andere Leistungsverzeichnisse oder Gebührenordnungen oder durch analoge Anwendung zulässt. Raum für eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der in innerem Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Leistungstatbestände ist nur dann, wenn der Wortlaut eines Leistungstatbestandes zweifelhaft ist und es einer Klarstellung bedarf. Eine entstehungsgeschichtliche Auslegung kommt bei unklaren oder mehrdeutigen Regelungen ebenfalls in Betracht, kann allerdings nur anhand von Dokumenten erfolgen, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben (BSG, a.a.O.).
Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, ist für die Auslegung des Leistungsinhaltes der GOP 31131 EBM nicht allein die Bezeichnung der Leistung nach OPS maßgebend, sondern ebenfalls die Präambel zum Kapitel 31.2 des EBM: Nach der Präambel 31.2.4 Nr. 3 setzt die Berechnung der GOP 31131 EBM für die Facettendenervation OPS-Code 5-830.2 die offen chirurgische Durchführung des Eingriffs voraus, während minimalinvasive Verfahren (z.B. zur Schmerztherapie) mit den Gebührenordnungspositionen des Abschnitts 34.5 berechnungsfähig sind. Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es also nicht darauf an, dass der OPS-Code 5-830.2 in seinem Wortlaut kein offen chirurgisches Vorgehen fordert. Dieses Erfordernis folgt wie dargelegt aus der Präambel 31.2.4. Sofern er argumentiert, dass in der Formulierung der Präambel 31.2.4 nur minimalinvasive Verfahren zur Schmerztherapie genannt seien, zitiert er diese Vorschrift unvollständig. Sie lautet "Minimalinvasive Verfahren z.B. zur Schmerztherapie". Damit sind nicht nur minimalinvasive Verfahren zur Schmerztherapie, sondern auch andere Verfahren nach der Regelung der Präambel 31.2.4 mit den Gebührenordnungspositionen des Abschnitts 34.5 berechnungsfähig.
Bei der Frage, ob es sich bei der vom Kläger gewählten Vorgehensweise um eine offen chirurgische Durchführung handelt, kommt es nicht darauf an, ob die Maßnahme als "ambulante Operation" oder "operativer Eingriff" im Sine der Präambel 31.2.1 zu werten ist. Entscheidend ist allein, ob sie offen chirurgisch oder in Abgrenzung dazu minimalinvasiv durchgeführt wurde. Wie bereits dargestellt, setzt die Präambel 31.2.3 die offen chirurgische Durchführung des Eingriffs voraus. Zutreffend ist die Beklagte davon ausgegangen, dass es sich bei den durchgeführten Eingriffen nicht um offen chirurgische Vorgehensweisen im Sinne des EBM handelt. OPS-Code 5-83 regelt die Operationen an der Wirbelsäule, wobei der OPS-Code 5-83a mit "Minimalinvasive Behandlungsverfahren an der Wirbelsäule (zur Schmerztherapie)" beschrieben wird. In OPS-Code 5-83.0 wird dann ausdrücklich die "Facetten-Thermokoagulation oder Facetten-Kryodenervation" genannt. Mithin ergibt sich aus dem EBM bzw. dem in Bezug genommenen Regelungen, dass der Normgeber die Facetten-Kryodenervation als eine miminalinvasive Vorgehensweise wertet (im Ergebnis auch LSG Niedersachsen, Urteil vom 08.06.2016 - L 3 KA 49/13 -). Bei den vom Kläger durchgeführten Facettendenervationen handelt es sich um Facetten-Kryodeneravationen. Dies ergibt sich bereits aus der vom Kläger im Plausibilitätsgespräch geschilderten Vorgehensweise.
Auch wenn die Abrechnungen des Klägers nur in Bezug auf 38 Patienten und nicht für alle streitbefangenen Quartale geprüft worden sind, ist das SG zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte für die noch strittigen Quartale II/2008 bis IV/2011 zur Berichtigung der streitigen GOPen berechtigt war. Zwar gibt es nach der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich keinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass eine in bestimmten Fällen implausibel oder fehlerhaft abgerechnete Leistung damit zwangsläufig auch in anderen Fällen implausibel und fehlerhaft ist. Allerdings hat der Kläger in dem Plausibilitätsgespräch am 04.07.2012 auf Nachfrage erklärt, dass es in seiner Abrechnung keine Fälle gebe, in denen nach der Definition der Beklagte offen chirurgisch vorgegangen worden sei, man gehe immer nach der gleichen Methode vor. Mithin durfte die Beklagte davon ausgehen, dass die aufgedeckten Abrechnungsfehler in sämtlichen streitbefangenen Quartalen vorhanden waren, weil der Kläger ein grundsätzliches Verständnis von der Abrechnungsfähigkeit der betroffenen Leistungen deutlich machte und alle Fälle gleichgelagert waren (vgl. Senat, Beschluss vom 17.02.2015 - L 11 KA 82/14 B ER - und Urteil vom 11.03.2009 - L 11 (10) KA 3/07 -).
Zu Recht ist das SG auch davon ausgegangen, dass die Beklagte an Stelle der vom Kläger in Ansatz gebrachten GOPen 31131 und 31138 EBM die GOP 34503 EBM vergüten durfte. Zwar werden bei sachlich-rechnerischer Berichtigung die zu Unrecht abgerechneter Leistungen in der Regel gestrichen. Aber wenn die Beklagte berechtigt war, die Vergütung für diese Leistung insgesamt zu verweigern, ist der Kläger durch die Zubilligung der geringeren Vergütung nicht beschwert (Senat, Urteil vom 07.06.2006 - L 11 KA 26/05 -).
Die Befugnis der Beklagten zur sachlich-rechnerischen Berichtigung ist durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht eingeschränkt. Keine der Fallkonstellationen, in denen nach der Rechtsprechung des BSG die Befugnis zu sachlich-rechnerischen Richtigstellungen begrenzt ist, liegt vor. Vertrauensschutzgesichtspunkte stehen einer rückwirkenden Korrektur rechtswidrig begünstigender Honorarbescheide entgegen, wenn besonderen bundesmantelvertraglichen Richtigstellungsvorschriften nicht mehr anwendbar sind, weil (1) die Frist von vier Jahren seit Erlass des betroffenen Honorarbescheides bereits abgelaufen ist, oder soweit (2) die Beklagte ihre Befugnis zu sachlich-rechnerischen Richtigstellung nach den Bundesmantelverträgen bereits "verbraucht" hat, indem sie die Honorarforderung in einem der ursprünglichen Honorarverteilung nachfolgenden Verfahren auf ihre sachlich-rechnerische Richtigkeit überprüfte und vorbehaltlos bestätigte. Darüber hinaus ist auch bei Anwendbarkeit der bundesmantelvertraglichen Berichtigungsvorschriften nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen Vertrauensschutz der Vertrags(zahn)ärzte zu beachten, wenn (3) die Beklagte es unterlassen hatte, bei der Erteilung des Honorarbescheids auf ihr bekannte Ungewissheiten hinsichtlich der Grundlagen der Honorarverteilung hinzuweisen und dadurch schützenswertes Vertrauen bei den Vertrags(zahn)ärzten hervorgerufen wurde, oder wenn sie (4) die Erbringung bestimmter Leistungen in Kenntnis aller Umstände längere Zeit geduldet hatte, diese später jedoch für den betroffenen Vertrags(zahn)arzt als fachfremd beurteilt und deshalb insgesamt von der Vergütung ausschließt. Außerdem ist eine nachträgliche Korrektur von Honorarbescheiden mit Wirkung ex tunc aus Gründen des Vertrauensschutzes auch eingeschränkt, wenn (5) die Fehlerhaftigkeit eines Bescheides aus Umständen herrührt, die außerhalb des eigentlichen Bereichs einer sachlich und rechnerisch korrekten Honorarabrechnung und -verteilung liegen und deshalb die besonderen Funktionsbedingungen des Systems vertrags(zahn)ärztlicher Honorierung nicht konkret tangiert sind (z.B. im Bereich des Vollzugs der Vorschriften zum degressiven Punktwert in der vertragszahnärztlichen Versorgung) (BSG, Urteile vom 28.08.2013 - B 6 KA 43/12 R - und vom 08.02.2006 - B 6 KA 12/05 R -).
Nach diesen Grundsätzen ist nach Aufhebung des angefochtenen Bescheides vom 05.10.2012, soweit er das Quartal I/2008 erfasst hat, die vorgenommene nachträgliche Korrektur der Honorarbescheide für die Quartale II/2008 bis IV/2011 nicht durch Vertrauensschutzgesichtspunkte ausgeschlossen. In Betracht kommt hier nur der Aspekt des Unterlassens eines Hinweises auf der Beklagten bekannte Ungewissheiten hinsichtlich der Grundlagen der Honorarverteilung. Nach der Rechtsprechung des BSG besteht eine solche Hinweispflicht jedoch nur, wenn der Beklagten bekannt ist, dass gegen die Rechtmäßigkeit der von ihr zu Gunsten und Interesse einzelner Vertrags(zahn)ärzte angewandten Auslegung des Regelwerks ernsthafte Bedenken bestehen, wobei derartige Bedenken sich insbesondere auf Grund abweichender Gerichtsentscheidungen aufdrängen können. Bei Erlass der Honorarbescheide bestand keine Ungewissheit in diesem Sinn. Der Beklagten war schon nicht bekannt, dass die streitigen Gebührenziffern in Ansatz gebracht wurden, ohne dass eine offen chirurgische Vorgehensweise vorlag. Sofern der Kläger darauf verweist, dass die offen chirurgische Vorgehensweise seit 2008 nicht mehr angewandt wird, ergibt sich hieraus nichts anderes. Die Beklagte hat ihrerseits vorgetragen, dass es in ihrem Bezirk seit 2008 Fälle gegeben habe, in den offen chirurgisch vorgegangen worden sei. Dies wird auch durch die Entscheidungsgründe des SG Düsseldorf in seinem Urteil vom 16.03.2016 - S 2 KA 316/13 - bestätigt. Der dortige Kläger hat vorgetragen, dass er in 20 % der von ihm zur Abrechnung gebrachten Facettendenervationen offen chirurgisch vorgegangen sei, da Metall entfernt worden sei. Für eine fehlende Offenkundigkeit spricht auch, dass die Beklagte den Sachverständigen L mit der Prüfung der Abrechnung beauftragt und den Kläger selbst in dem Plausibilitätsgespräch vom 04.07.2012 zu seiner Vorgehensweise befragt hat. Zudem musste die Beklagte auch nicht damit rechnen, dass der Kläger sich bei seiner Abrechnung über die Definition des EBM und den darauf Bezug genommenen Regelwerken hinwegsetzte. Zwar hat die Beklagte die Abrechnung entgegengenommen, ohne hinsichtlich der Abrechnung der streitigen Gebührensziffern tätig zu werden. Zu einem Tätigwerden bestand jedoch kein Anlass. Der Kläger bzw. Dr. N hatten die Abrechnung in dem Bewusstsein unterschrieben, dass sie peinlich genau abzurechnen haben. Die vorläufige Abrechnungsprüfung durch die Beklagte erfolgt automatisiert durch IT-Programme, für darüber hinausgehende Prüfungen wird ein Anlass benötigt. Die Beklagte nimmt die Abrechnungen entgegen und klärt mit Hilfe eines Prüfprogrammes, ob beispielsweise die Voraussetzungen für die Abrechnung bestimmter Ziffern aufgrund von Abrechnungsausschlüssen nicht gegeben sind. Ergeben sich bei dieser Prüfung keine Bedenken, ergeht auf dieser Basis ein vorläufiger Abrechnungsbescheid. Anlass zur Überprüfung für die Beklagte war hier jedoch erst die insgesamt angestiegene Fallzahl der GOP 31131 EBM und damit ein Umstand, der bei der üblichen Vorgehensweise nicht sofort bei Erlass des vorläufigen Abrechnungsbescheides augenfällig wurde. Sofern der Kläger darauf verweist, dass die Beklagte aufgrund der verschiedenen Anfragen an sie wie beispielsweise die das Antwortwortschreiben der Abteilungsleitern T1 23.02.2012 veranlassende Nachfrage hätte wissen müssen, dass die Abrechnung der streitigen Ziffern problematisch ist, ergibt sich hieraus vielmehr, dass die Beklagte davon ausgehen durfte, dass den Ärzten die Problematik der Abrechnung bei der GOP 31131 EBM im Zusammenhang mit den Facettendenervationen bewusst war und sie gerade nicht darauf vertrauen konnten, dass eine Abrechnung bei minimalinvasiver Vorgehensweise möglich ist.
Ein schutzwürdiges Vertrauen kann der Kläger auch nicht aus dem Schreiben der Abteilungsleiterin T1 vom 23.02.2012 herleiten. Wie bereits das SG dargelegt, enthält es keine Erklärung dazu, dass auch bei minimalinvasiven Facettendenervationen die GOP 31131 EBM in Ansatz gebracht werden kann. Entscheidend ist zudem, dass es nicht an den Kläger bzw. die BAG des Klägers adressiert war. Schon aus diesem Grund stellt es für ihn keine Zusicherung im Sinne des § 34 SGB X dar noch vermag es deswegen schutzwürdiges Verhalten zu begründen. Gleiches gilt für das Schreiben der KBV an die Gesellschaft für Interventionen an die Wirbelsäule e.V. vom 27.11.2008.
Auch aus der Streichung des OPS-Code 5-830.2 aus dem Anhang 2 des EBM mit Wirkung zum 01.04.2013 ergibt sich nicht, dass bis zum 31.03.2013 bei einer minimalinvasiven Facettendenervationen die GOP 31131 EBM abgerechnet werden konnte. Vielmehr hat der Bewertungsausschuss in den entscheidungserheblichen Gründen ausgeführt, dass die Streichung erfolge, weil er in der Vergangenheit auch bei durchgeführter minimalinvasiven Technik zur Abrechnung verwendet wurde, "obwohl dessen Berechnung eine offen-chirurgische Durchführung gemäß Präambel 31.2.1 Nr. 1 voraussetze".
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Tatbestand:
Streitig sind sachlich-rechnerische Berichtigungen im Zusammenhang mit Facettendenervationen.
Der Kläger ist als Facharzt für Neurochirurgie in C niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Bis zum 31.12.2011 betrieb er eine Gemeinschaftspraxis (Berufsausübungsgemeinschaft (BAG)) mit Dr. N, seit dem Quartal I/2012 ist er in Einzelpraxis tätig.
Im Rahmen der Abrechnungsprüfung führte der von der Beklagten hinzugezogene Facharzt für Neurochirurgie L hinsichtlich der abgerechneten Facettendenervationen am 16.12.2011 aus, dass ausnahmslos minimalinvasive/perkutane Schmerzeingriffe vorgenommen worden seien. Bei den dokumentierten Eingriffen handele es sich nicht um offen chirurgische Eingriffe. Eine schlüssige und vollkommen korrekte Kodierung und Abrechnung der minimalinvasiven Facettendenervation über den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) sei nicht möglich. Die ersatzweise Abrechnung der GOP 34503 EBM statt der GOP 31131 EBM sei nicht geeignet und adäquat. Der minimalinvasiven Facettendenervation stehe der Operationsstatus zu.
Auf entsprechende Nachfrage der Beklagten teilte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) mit Schreiben vom 02.04.2012 mit, dass sie aufgrund der jetzigen Abrechnungsbestimmungen keine Möglichkeit sehe, die minimalinvasive Facettendenervation über die GOP 31131 EBM abzurechnen, da sich eine offene chirurgische Durchführung des Eingriffs aus den beigefügten OP-Berichten nicht erkennen lasse.
Bei einem Plausibilitätsgespräch zwischen dem Kläger und Vertretern der Beklagten am 04.07.2012 schilderte der Kläger seine Vorgehensweise bei den streitigen Eingriffen dahingehend, dass zunächst eine Lokalanästhesie der Haut vorgenommen werde. Dann erfolge eine Stichinzision mit einer Sonde. Nach einem Schnitt werde die Sonde im Gelenk platziert und unter Röntgen beobachtet. Anschließend werde vereist. Er erklärte auf Nachfrage, dass es in seiner Abrechnung keine Fälle gebe, in denen nach der Definition der Beklagten offen chirurgisch vorgegangen worden sei, man gehe immer nach der gleichen Methode vor. Der Schnitt, der für die Sonde gesetzt werde, sei nach seiner Definition als offen chirurgisch zu bezeichnen.
Mit allein an den Kläger gerichtetem Bescheid vom 05.10.2012 hob die Beklagte die für die Quartale I/2008 bis IV/2011 erteilten Honorarbescheide teilweise in Höhe von 439.203,23 EUR auf und forderte den genannten Betrag zurück. Eine Abrechnung der Facettendenervation als ambulante Operation gemäß Kap. 31.2. EBM sei nach der Präambel 31.2.4 Nr. 3 des EBM nur dann möglich, wenn dieser Eingriff offen chirurgisch und nicht als minimalinvasives Verfahren erfolge. Gemäß Punkt 2.1 der allgemeinen Bestimmungen des EBM sei eine Gebührenordnungsposition nur berechnungsfähig, wenn der Leistungsinhalt vollständig erbracht worden sei. Nach Kapitel 4.3.7 Nr. 2 der allgemeinen Bestimmungen des EBM setzten operative Eingriffe die Eröffnung von Haut und/oder Schleimhaut bzw. eine primäre Wundversorgung voraus, soweit in den Leistungsbeschreibungen nichts anderes angegeben sei. Punktionen mit Nadeln, Kanülen und Biopsienadeln fielen nicht unter die Definition eines operativen Eingriffs. Die Präambel 31.2.1 Nr. 1 zu ambulanten Eingriffen lege nochmals erläuternd fest, dass als ambulante Operationen ärztliche Leistungen mit chirurgisch-instrumenteller Eröffnung der Haut und/oder Schleimhaut oder der Wundverschluss von eröffneten Strukturen der Haut und/oder Schleimhaut mindestens in Oberflächenanästhesie sowie Leistungen entsprechend den OPS-301-Prozeduren des Anhangs 2 ggf. einschließlich eingriffsbezogener Verbandleistungen gelten. Punktionen mit Nadeln, Kanülen und Biopsienadeln fielen nicht unter die Definition eines operativen Eingriffs. In sämtlichen geprüften Fällen sei die OPS 5-830.2 kodiert worden, die in die GOP 31131 EBM führe. Es seien jedoch ausnahmslos minimalinvasive/perkutane Schmerzeingriffe vorgenommen worden. Bei den dokumentierten Eingriffen handele es sich nicht um offen chirurgische Eingriffe. Der Kläger werde als Gesamtschuldner für die ehemalige Gemeinschaftspraxis in Anspruch genommen. Da der Inhalt der GOP 34503 EBM erbracht worden sei, werde diese stattdessen jeweils anerkannt.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 17.10.2012 Widerspruch ein. Zur Begründung übersandte er ein Gutachten des Facharztes für Neurochirurgie Dr. T und ein Schreiben der Beklagten vom 23.02.2010, mit der Abteilungsleiterin Frau T1 als Absenderin. Er führte aus, dass der Beklagten aufgrund des Beschlusses des Bewertungsausschuss in seiner 290. Sitzung, in dem die Streichung des OPS-Code 5-830.2 aus dem Anhang 2 zum EBM beschlossen wurden sei, schon am 19.05.2011 bewusst gewesen sei, dass die Abrechnung über die GOP 31131 EBM aus ihrer Sicht falsch und spätestens bis zum 01.04.2013 ausgeschlossen sein sollte. Dennoch seien seine mit dieser Position begründeten Honorarforderungen anstandslos ausgeglichen worden. Die Beklagte sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) jedoch verpflichtet gewesen, die Zweifel an der Richtigkeit der Honorarberechnung offen zu legen und ihn auf die Ungewissheiten hinzuweisen. Daneben sei auch zu prüfen, ob nicht schon das Schreiben der Abteilungsleiterin T1 von 23.02.2010 zu einem Verbrauch der Korrekturbefugnis der Beklagten führe, weil sie die Richtigkeit der Abrechnung überprüft und vorbehaltlos bestätigt habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.11.2013 wies die Beklagte den Widerspruch unter Wiederholung ihrer Argumentation aus dem angefochtenen Bescheid zurück. Die Aufhebung der erteilten Honorarbescheide für die Quartale I/2008 bis IV/2012 (gemeint IV/2011) und die Rückforderung des zu Unrechts ausgezahlten Honorars in Höhe von insgesamt 439.203,23 EUR sei rechtmäßig.
Mit seiner am 13.12.2013 vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Auch der von der Beklagten beauftragte Sachverständige L komme in wesentlichen Punkten zum gleichen Ergebnis wie er in seiner Widerspruchsbegründung. Der Sachverständige führe aus, dass die GOP 34503 EBM entgegen der jetzigen Beteuerung der Beklagten nicht geeignet sei, seine Tätigkeit sachgerecht zu bewerten; minimalinvasiven Facettendenervationen stehe der Operationsstatus zu. Zudem hätte die Beklagte auf die anders vorzunehmende Abrechnung hinweisen müssen, so dass schon aus diesem Grund ein schützenswertes Vertrauen im Hinblick auf einen Ausschluss einer sachlich-rechnerische Berichtigung bestehe. Die Beklagte hätte bei jeder vorgelegten Quartalsabrechnung erkennen müssen, dass Facettendenervationen unter der GOP 31131 EBM abgerechnet worden seien, obwohl diese Gebührenziffer nach ihrer Ansicht grundsätzlich nicht zur Verfügung gestanden habe. Auch der Beschluss des Bewertungsausschusses vom 19.05.2011 müsse beim unbefangenen Leser die Schlussfolgerung auslösen, dass die zum Jahreswechsel 2008 eingeführte GOP 34503 EBM die bisherige Anwendung der GOP 31131 EBM bis zum 31.03.2013 unberührt gelassen habe. Zu beachten sei auch, dass er über seine Berufsorganisation das Schreiben der damaligen Abteilungsleiterin der Beklagten Frau T1 vom 23.02.2010 erhalten habe, in dem die Beklagte die Richtigkeit der Abrechnung überprüft und vorbehaltlos bestätigt habe. Diese Auskunft binde die Beklagte. Bei seinen Leistungen habe es sich um einen offen chirurgischen Eingriff gehandelt. Nach der Definition in der Präambel des Kapitel 31.2 des EBM gälten als ambulante Operationen ärztliche Leistungen mit chirurgisch-instrumenteller Öffnung der Haut und/oder Schleimhaut oder der Wundverschluss von eröffneten Strukturen der Haut ( ) mindestens in Oberflächenanästhesie.
Nachdem die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem SG den angefochtenen Bescheid vom 05.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2013 insofern aufgehoben und die Honorarforderung entsprechend reduziert hat, als das Quartal I/2008 mit einer Rückforderung in Höhe von 6.130,99 EUR umfasst wurde, hat der Kläger beantragt,
den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 05.10.2012 für die Quartale II/2008 bis IV/2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2013 ersatzlos aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat darauf verwiesen, dass der Grundsatz des Vertrauensschutzes gegenüber dem Kläger gewahrt sei. Das von ihm erwähnte Schreiben ihrer Bezirksstelle Düsseldorf vom 23.02.2010 richte sich nicht an ihn. Darüber hinaus werde darin lediglich auf einen Auszug aus dem Anhang 2 des EBM verwiesen, der in Kopie beigefügt gewesen sei. In dem Schreiben befänden sich keinerlei Ausführungen dazu, dass die von dem Kläger dargelegte Vorgehensweise einem offen chirurgischen Eingriff entspreche und somit die GOP 31131 EBM in Ansatz gebracht werden könne. Darüber hinaus habe sie bis zur Durchführung der Plausibilitätsprüfung durch Sichtung der Operationsberichte und Praxisdokumentationen von zwei Fachprüfern sowie dem daraufhin am 04.07.2012 geführten Gespräch keine Kenntnis davon gehabt, welche Eingriffe sich unter der Abrechnung der GOP 31131 EBM verborgen hätten. Der Kläger habe in dem Gespräch am 04.07.2012 auf Nachfrage erklärt, es gäbe in seiner Abrechnung keine Fälle, in denen nach ihrer Definition offen chirurgisch vorgegangen worden sei. Auch Herr L habe in seinem Schreiben an sie nach Sichtung der eingereichten OP-Berichte und Krankenakten eindeutig festgestellt, dass es sich bei den dokumentierten Eingriffen nicht um offen chirurgische Eingriffe gehandelt habe.
Mit Urteil vom 08.07.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe für die von ihm durchgeführten Facettendenervationen zu Unrecht die GOPen 31131, 31138 EBM zur Abrechnung gebracht. Für die Auslegung des Leistungsinhalts der GOP 31131 EBM sei nicht allein die Bezeichnung der Leistung nach OPS maßgebend, sondern ebenfalls die Präambel zum Kapitel 31.2 des EBM. Nach der Präambel 31.2.4 Nr. 3 setzte die Berechnung der GOP 31131 EBM für die Facettendenervation OPS-Code 5-830.2 die offen chirurgische Durchführung des Eingriffs gemäß Präambel 31.2.1 Nr. 1 voraus. Minimalinvasive Verfahren z.B. zur Schmerztherapie seien mit den GOPen des Abschnitts 34.5 berechnungsfähig. Um solche minimalinvasiven Verfahren handele es sich vorliegend. Dabei sei nicht wesentlich, dass die Präambel 31.2.1 Nr. 1 definiere, was als ambulante Operation gelte bzw. nicht unter die Definition eines operativen Eingriffs falle. Im Sinne dieser Präambel sei die vom Kläger praktizierte Vorgehensweise durchaus als ambulante Operation bzw. operativer Eingriff zu sehen. Der Schnitt, der für die Sonde gesetzt werde, sei eine chirurgisch-instrumentelle Eröffnung der Haut und grenze sich deutlich von Punktionen, Kürettagen und Shave-Biopsien der Haut ab. Darauf komme es jedoch nicht an. Entscheidend sei allein die in der Präambel 31.2.4 Nr. 3 getroffene Abgrenzung zwischen einer offen chirurgischen Durchführung des Eingriffs, d.h. der Facettendenervation selbst, und minimalinvasiven Verfahren z.B. zur Schmerztherapie. Medizinisch kämen zur Auflösung bzw. Zerstörung von Nervengewebe (Neurolyse) vor allem zwei Verfahren zur Anwendung: Zum einen offen chirurgisch, d.h. Nervenunterbrechung mit dem Skalpell, zum anderen perkutan mittels einer durch die Haut eingeführten Kanüle oder Sonde (sog. minimalinvasives Verfahren), bei der u.a. mit Kälte auf periphere Nerven eingewirkt werde (Kryoanalgesie, Kryodenervation). Abrechnungsrechtlich seien nur die offen chirurgischen Facettendenervationen mit OPS 5-830.2 zu codieren und führten zur Abrechnung der GOP 31131 EBM. Die minimalinvasiven Behandlungsverfahren an der Wirbelsäule (zur Schmerztherapie) seien demgegenüber nach OPS 5-83.0 (Facetten-Thermokoagulation oder Facetten-Kryodenervation) zu codieren. Diese Leistungen seien aber nicht Gegenstand des Anhangs 2 zum EBM und daher nicht als vertragsärztliche Leistungen abrechenbar. Dass die vom Kläger durchgeführten Facettendenervationen minimalinvasiv durchgeführt worden seien, ergebe sich aus der von ihm selbst geschilderten Vorgehensweise im Plausibilitätsgespräch am 04.07.2012, aus dem Ergebnis der Prüfer Dr. N1 und L und dem vom Kläger eingeholten Privatgutachten des Neurochirurgen Dr. T vom 08.05.2013. Diesen Erkenntnissen schließe sich die Kammer nach Durchsicht der Ausdrucke aus den Behandlungsnachweisen, der Operationsberichte und Protokolle zur Facetten- und Kryobehandlungen an. Obwohl die Abrechnungen des Klägers nur in Bezug auf 38 Patienten und auch nicht für alle streitbefangenen Quartale überprüft worden seien, habe die Beklagte davon ausgehen dürfen, dass die aus ihrer Sicht bestehenden Abrechnungsfehler auch in sämtlichen anderen Quartalen und bei allen vorhandenen Patienten vorhanden gewesen seien, da der Kläger in dem Plausibilitätsgespräch am 04.07.2012 auf Nachfrage erklärt habe, es gebe in seiner Abrechnung keine Fälle, in denen nach der Definition der Beklagten offenchirurgisch vorgegangen worden sei. Der Kläger sei durch die Umwandlung in die GOP 34503 EBM und die Zubilligung einer im Ergebnis geringeren Vergütung auch nicht beschwert, weil die Beklagte berechtigt gewesen wäre, die im Streit stehenden Gebührenansätze vollständig zu streichen. Auf schützenswertes Vertrauen könne sich der Kläger nicht berufen. Grundsätzlich könne der Vertragsarzt nach der Rechtsprechung des BSG vor einer endgültigen Prüfung nicht auf Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit eines erteilten Honorarbescheides vertrauen. So sei insbesondere für die nun noch streitbefangenen Quartale keine Frist von vier Jahren seit Erlass des betroffenen Honorarbescheides abgelaufen. Ein Vertrauensschutz greife auch nicht deshalb ein, weil die Beklagte es unterlassen habe, frühzeitig auf bekannte Ungewissheiten hinzuweisen. Ebenso wenig habe sie in Kenntnis aller Umstände die rechtswidrige Abrechnung der GOP 31131 EBM nebst Begleitleistungen für die minimalinvasive Facettendenervation geduldet und diese nunmehr von der Vergütung ausgeschlossen. Zwar habe ein Vertragsarzt aus Duisburg am 30.01.2010 offiziell eine Anfrage an die Beklagte hinsichtlich der Abrechnungsmodalitäten der perkutanen Facettendenervation gerichtet. Die Anfrage eines einzelnen Arztes habe bei der Beklagten jedoch nicht das Bewusstsein wecken müssen, dass ein großer Teil der Neurochirurgen und Orthopäden minimalinvasive Facettendenervationen über die GOP 31131 EBM nebst Begleitleistungen abrechneten. Erst die insgesamt stark angestiegene Fallzahl der GOP 31131 habe sie zur Überprüfung veranlasst. Auch das Antwortschreiben der Abteilungsleiterin T1 vom 23.02.2010 begründe kein schützenswertes Vertrauen des Klägers auf die Richtigkeit seiner Abrechnung. Dieses Schreiben treffe keine verbindliche Aussage, dass minimalinvasive Facettendenervationen über die GOP 31131 ff. EBM abrechnungsfähig seien. Das Schreiben weise lediglich kommentarlos auf die Bestimmungen des EBM hin, enthalte sich aber einer eigenen Bewertung, dass minimalinvasive Facettendenervationen entgegen der Präambel 31.2.4 Nr. 3 EBM doch über die GOPen 31131ff EBM abgerechnet werden könnten und die Beklagte dies akzeptiere. Der Berufsverband der Neurochirurgen habe mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass die Vergütung über den EBM, insbesondere die GOPen 34503 bzw. 34502 EBM, im Vergleich zur GOP 31131 EBM mit den Begleitleistungen nicht ausreichend erscheine. Demgegenüber habe die KBV nach ihrer Auskunft vom 02.04.2012 regelmäßig sowohl gegenüber den Kassenärztlichen Vereinigungen als auch gegenüber anfragenden Ärzten/Berufsverbänden mitgeteilt, dass sie keine Möglichkeit sehe, diese Eingriffe über GOP 31131 EBM zu berechnen. Bereits diese kontroversen Standpunkte schlössen ein schützenswertes Vertrauen der Neurochirurgen, minimal-invasive Facettendenervationen zu Recht über die GOPen 31131ff. EBM abzurechnen, aus. Aus der Streichung des OPS-Code 5-830.2 aus dem Anhang 2 zum EBM durch den Bewertungsausschuss in seiner 290. Sitzung mit Wirkung zum 01.04.2013 folge auch nicht im Umkehrschluss, dass jedwede Facettendenervation, die bis zum 31.03.2013 erbracht worden sei, nach den GOPen 31131 ff EBM zur Abrechnung zu bringen gewesen sei. Die Streichung bewirke vielmehr, dass ab dem 01.04.2013 die bis dahin allein abrechnungsfähigen offen chirurgische Facettendenervationen nicht mehr als Operationen an der Wirbelsäule abgerechnet werden konnten, sondern nur noch über die GOPen des Abschnitts 34.5 EBM. Die Ausführungen in den entscheidungserheblichen Gründen gäben keinen Aufschluss darüber, dass die Beklagte ab 2008 frühzeitig Hinweise darauf gehabt hätte, dass ihre Mitglieder fehlerhaft abgerechnet hätten. Nicht durchzudringen vermöge der Kläger auch mit dem Einwand, zumindest seit der Sitzung des Bewertungsausschusses am 19.05.2011 habe die Beklagte die Unsicherheit bei der Anwendung der GOP 31131 EBM in den vorliegenden Fällen gekannt und sei zu entsprechenden Hinweisen an die betroffenen Vertragsärzte verpflichtet gewesen. Am 19.05.2011 habe nicht der Bewertungsausschuss, sondern der Gemeinsame Bundesausschuss eine Sitzung abgehalten, in der die Richtlinie über die ambulante Behandlung im Krankenhaus nach § 116b Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) geändert worden sei. Das habe den Bereich der niedergelassenen Vertragsärzte indes nicht betroffen. Auch komme ein Ansatz der minimalinvasiven Facettendenervation nach den GOPen 31131 ff EBM auch nicht deshalb in Betracht, weil die Abrechnung dieser Leistung nach der GOP 34503 EBM von Leistungserbringern, ihren Verbandsvertretern und von dem von der Beklagten gehörten Gutachter L, als ungeeignet und inadäquat angesehen werde. Es obliege allein dem Bewertungsausschuss als Normgeber des EBM, den Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen und ihr wertmäßiges, in Punkte ausgedrücktes Verhältnis zueinander, zu bestimmen. Keinesfalls seien die Leistungserbringer selbst berechtigt, durch analoge Abrechnung von GOPen, die sie für zutreffender hielten, vermeintliche Unzulänglichkeiten des EBM aufzufangen. Grundsätzlich setze die Rechtmäßigkeit sachlich-rechnerischer Berichtungen kein Verschulden des Vertragsarztes voraus.
Gegen dieses ihm am 23.07.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20.08.2015 Berufung eingelegt. Das SG habe nicht von einer minimalinvasiven Facettendenervation in Abgrenzung zu der offenen chirurgischen Facettendenervation ausgehen dürfen. Der Wortlaut des OPS-Codes 5-830.2 sei eindeutig und beschreibe die Inzision von kranken Knochen- und Gelenksgewebe der Wirbelsäule umfassend und ohne Einschränkung. Da die Nervenunterbrechung mittels Skalpell weltweit schon im Jahr 2008 durch die heutige Praxis verdrängt worden sei, gebe es kein anderes als das vom Kläger angewandte Verfahren zur Facettendenervation. Dem widerspreche auch nicht die Formulierung in EBM 31.2.4. Denn dort seien nur "minimalinvasive" Verfahren zur Schmerztherapie benannt, worunter die Facettenblockade mit Lokalanästhetika und Kortison etc. zu verstehen sei. Der Beklagten sei bekannt gewesen, dass eine offene chirurgische Vorgehensweise mittels Skalpell zur Durchführung der Facettendenervation auch schon im Jahr 2009 nicht praktiziert worden sei. Diese Vorgehensweise existiere seit dem Jahr 2008 nicht. Daraus folge, dass die Beklagte schon bei der ersten Abrechnung über GOP 31131 EBM die Honorierung hätte ablehnen müssen. Unter dem Aspekt, dass es lediglich eine chirurgische Methode der ambulanten perkutanen Facettendenervation gebe, gewinne das Schreiben der Abteilungsleiterin T1 vom 23.02.2010 an Bedeutung. Denn damit bestätige sie, dass bei der vorgenommenen perkutanen Facettendenervation die GOP 31131 EBM anzuwenden sei. Dies sei der objektive Erklärungswert dieses Schreibens. Entgegen den Ausführungen des SG sei auch der Umstand von Bedeutung, dass der Bewertungsausschuss mit Wirkung zum 01.04.2013 beschlossen habe, den OPS-Code 5-830.2 aus dem Anhang 2 zu dem EBM zu streichen. Da eine abrechnungsfähige offen chirurgische Durchführung der Facettendenervation nicht mehr existiert habe, habe man die Abrechnung der minimalinvasiven Technik für die Zukunft ausschließen wollen. Er überreicht zudem ein Schreiben der KBV an seinen Berufungsverband vom 20.11.2008, in dem diese darüber informiert, dass die OPS-Code 5-830.2 Facettendenervation weiterhin im Anhang 2 im EBM hinterlegt und der GOP 31131 bzw. 36131 EBM zugeordnet sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 08.07.2015 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 05.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2013 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist darauf, dass die Entscheidung des SG rechtmäßig sei. Das Schreiben der Abteilungsleiterin Frau T1 vom 23.02.2010 habe sich nicht an den Kläger gerichtet. Zudem habe es lediglich auf den Auszug aus dem Anhang 2 des EBM verwiesen. Es erhalte keinerlei Ausführungen dazu, dass die vom Kläger dargelegte Vorgehensweise einem offen chirurgischen Eingriff entspreche und somit die GOP 31131 EBM in Ansatz gebracht werden könne. Sie habe bis zur Durchführung der Plausibilitätsprüfung durch Sichtung der Operationsberichte und Praxisdokumentation sowie dem am 04.07.2012 mit dem Kläger geführten Gespräch keine Kenntnis davon gehabt, wie die betreffenden Eingriffe vorgenommen worden seien. Auch bei der Anwendung neuer Operationstechniken müssten die Leistungslegenden der betreffenden Abrechnungsziffer erfüllt sein. Im KV-Bezirk habe es Vertragsärzte gegeben, die den Eingriff offen chirurgisch durchgeführt hätten. Dies habe sodann die Konsequenz gehabt, dass bei diesen Mitgliedern keine bzw. lediglich eine anteilige Korrektur vorgenommen worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) frist- und formgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der nach der Erklärung der Beklagten vor dem SG verbliebene Bescheid der Beklagten vom 05.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2013 ist rechtmäßig.
Rechtsgrundlage der sachlich-rechnerischen Richtigstellung ist § 106a Abs. 2 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i.d.F. des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003 (BGBl. I 2190, 2217, insofern in der Folgezeit unverändert). Danach stellt die Kassenärztliche Vereinigung die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten. Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen des Vertragsarztes zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots erbracht und abgerechnet worden sind (zuletzt BSG, Urteil vom 13.05.2015 - B 6 KA 27/14 R - m.w.N.). Die Befugnis zu Richtigstellungen besteht auch für bereits erlassene Honorarbescheide (nachgehende Richtigstellung). Sie bedeutet dann im Umfang der vorgenommenen Korrekturen eine teilweise Rücknahme des Honorarbescheids. Die genannten Bestimmungen stellen Sonderregelungen dar, die gemäß § 37 Satz 1 Ersten Buch Sozialgesetzbuch in ihrem Anwendungsbereich die Regelung des § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) verdrängen. Eine nach den Bestimmungen zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung rechtmäßige (Teil-)Rücknahme des Honorarbescheids mit Wirkung für die Vergangenheit löst nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung des Empfängers der Leistung aus (BSG, Urteil vom 28.08.2013 - B 6 KA 50/12 R - m.w.N.).
Die Tatbestandsvoraussetzung für eine nachträgliche sachlich-rechnerische Richtigstellung nach § 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V ist vorliegend erfüllt. Die durchgeführten Facettendenervationen durften nicht mit den GOPen 31131, 31502 und 31615 EBM abgerechnet werden. Die GOP 31131 EBM vergütet den "Eingriff an Knochen und Gelenken der Kategorie D1". Obligater Leistungsinhalt ist ein chirurgischer Eingriff der Kategorie D1 entsprechend Anhang 2. Die GOP 31502 EBM honoriert die postoperative Überwachung im Anschluss an die Erbringung einer Leistung entsprechend u.a. der GOP 31131 EBM (außer Biopsieleistungen der Kategorie C1) und die GOP 31615 EBM die postoperative Behandlung nach der Erbringung einer Leistung entsprechend u.a. der GOP 31131 EBM bei Erbringung durch den Operateur. Im streitigen Zeitraum umfasste der Anhang 2 des EBM den OPS-Kode 5-830.2 "Inzision von erkranktem Knochen- und Gelenkgewebe der Wirbelsäule: Facettendenervation".
Für die Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsbestimmungen ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG in erster Linie der Wortlaut der Regelungen maßgeblich (BSG, Urteil vom 11.02.2015 - B 6 KA 15/14 R - m.w.N.). Dies gründet sich zum einen darauf, dass das vertragliche Regelwerk dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen von Ärzten und Krankenkassen dient und es vorrangig Aufgabe des Normgebers des EBM - also des Bewertungsausschusses gemäß § 87 Abs. 1 SGB V - ist, Unklarheiten zu beseitigen. Zum anderen folgt die primäre Bindung an den Wortlaut aus dem Gesamtkonzept des EBM als einer abschließenden Regelung, die keine Ergänzung oder Lückenfüllung durch Rückgriff auf andere Leistungsverzeichnisse oder Gebührenordnungen oder durch analoge Anwendung zulässt. Raum für eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der in innerem Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Leistungstatbestände ist nur dann, wenn der Wortlaut eines Leistungstatbestandes zweifelhaft ist und es einer Klarstellung bedarf. Eine entstehungsgeschichtliche Auslegung kommt bei unklaren oder mehrdeutigen Regelungen ebenfalls in Betracht, kann allerdings nur anhand von Dokumenten erfolgen, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben (BSG, a.a.O.).
Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, ist für die Auslegung des Leistungsinhaltes der GOP 31131 EBM nicht allein die Bezeichnung der Leistung nach OPS maßgebend, sondern ebenfalls die Präambel zum Kapitel 31.2 des EBM: Nach der Präambel 31.2.4 Nr. 3 setzt die Berechnung der GOP 31131 EBM für die Facettendenervation OPS-Code 5-830.2 die offen chirurgische Durchführung des Eingriffs voraus, während minimalinvasive Verfahren (z.B. zur Schmerztherapie) mit den Gebührenordnungspositionen des Abschnitts 34.5 berechnungsfähig sind. Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es also nicht darauf an, dass der OPS-Code 5-830.2 in seinem Wortlaut kein offen chirurgisches Vorgehen fordert. Dieses Erfordernis folgt wie dargelegt aus der Präambel 31.2.4. Sofern er argumentiert, dass in der Formulierung der Präambel 31.2.4 nur minimalinvasive Verfahren zur Schmerztherapie genannt seien, zitiert er diese Vorschrift unvollständig. Sie lautet "Minimalinvasive Verfahren z.B. zur Schmerztherapie". Damit sind nicht nur minimalinvasive Verfahren zur Schmerztherapie, sondern auch andere Verfahren nach der Regelung der Präambel 31.2.4 mit den Gebührenordnungspositionen des Abschnitts 34.5 berechnungsfähig.
Bei der Frage, ob es sich bei der vom Kläger gewählten Vorgehensweise um eine offen chirurgische Durchführung handelt, kommt es nicht darauf an, ob die Maßnahme als "ambulante Operation" oder "operativer Eingriff" im Sine der Präambel 31.2.1 zu werten ist. Entscheidend ist allein, ob sie offen chirurgisch oder in Abgrenzung dazu minimalinvasiv durchgeführt wurde. Wie bereits dargestellt, setzt die Präambel 31.2.3 die offen chirurgische Durchführung des Eingriffs voraus. Zutreffend ist die Beklagte davon ausgegangen, dass es sich bei den durchgeführten Eingriffen nicht um offen chirurgische Vorgehensweisen im Sinne des EBM handelt. OPS-Code 5-83 regelt die Operationen an der Wirbelsäule, wobei der OPS-Code 5-83a mit "Minimalinvasive Behandlungsverfahren an der Wirbelsäule (zur Schmerztherapie)" beschrieben wird. In OPS-Code 5-83.0 wird dann ausdrücklich die "Facetten-Thermokoagulation oder Facetten-Kryodenervation" genannt. Mithin ergibt sich aus dem EBM bzw. dem in Bezug genommenen Regelungen, dass der Normgeber die Facetten-Kryodenervation als eine miminalinvasive Vorgehensweise wertet (im Ergebnis auch LSG Niedersachsen, Urteil vom 08.06.2016 - L 3 KA 49/13 -). Bei den vom Kläger durchgeführten Facettendenervationen handelt es sich um Facetten-Kryodeneravationen. Dies ergibt sich bereits aus der vom Kläger im Plausibilitätsgespräch geschilderten Vorgehensweise.
Auch wenn die Abrechnungen des Klägers nur in Bezug auf 38 Patienten und nicht für alle streitbefangenen Quartale geprüft worden sind, ist das SG zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte für die noch strittigen Quartale II/2008 bis IV/2011 zur Berichtigung der streitigen GOPen berechtigt war. Zwar gibt es nach der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich keinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass eine in bestimmten Fällen implausibel oder fehlerhaft abgerechnete Leistung damit zwangsläufig auch in anderen Fällen implausibel und fehlerhaft ist. Allerdings hat der Kläger in dem Plausibilitätsgespräch am 04.07.2012 auf Nachfrage erklärt, dass es in seiner Abrechnung keine Fälle gebe, in denen nach der Definition der Beklagte offen chirurgisch vorgegangen worden sei, man gehe immer nach der gleichen Methode vor. Mithin durfte die Beklagte davon ausgehen, dass die aufgedeckten Abrechnungsfehler in sämtlichen streitbefangenen Quartalen vorhanden waren, weil der Kläger ein grundsätzliches Verständnis von der Abrechnungsfähigkeit der betroffenen Leistungen deutlich machte und alle Fälle gleichgelagert waren (vgl. Senat, Beschluss vom 17.02.2015 - L 11 KA 82/14 B ER - und Urteil vom 11.03.2009 - L 11 (10) KA 3/07 -).
Zu Recht ist das SG auch davon ausgegangen, dass die Beklagte an Stelle der vom Kläger in Ansatz gebrachten GOPen 31131 und 31138 EBM die GOP 34503 EBM vergüten durfte. Zwar werden bei sachlich-rechnerischer Berichtigung die zu Unrecht abgerechneter Leistungen in der Regel gestrichen. Aber wenn die Beklagte berechtigt war, die Vergütung für diese Leistung insgesamt zu verweigern, ist der Kläger durch die Zubilligung der geringeren Vergütung nicht beschwert (Senat, Urteil vom 07.06.2006 - L 11 KA 26/05 -).
Die Befugnis der Beklagten zur sachlich-rechnerischen Berichtigung ist durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht eingeschränkt. Keine der Fallkonstellationen, in denen nach der Rechtsprechung des BSG die Befugnis zu sachlich-rechnerischen Richtigstellungen begrenzt ist, liegt vor. Vertrauensschutzgesichtspunkte stehen einer rückwirkenden Korrektur rechtswidrig begünstigender Honorarbescheide entgegen, wenn besonderen bundesmantelvertraglichen Richtigstellungsvorschriften nicht mehr anwendbar sind, weil (1) die Frist von vier Jahren seit Erlass des betroffenen Honorarbescheides bereits abgelaufen ist, oder soweit (2) die Beklagte ihre Befugnis zu sachlich-rechnerischen Richtigstellung nach den Bundesmantelverträgen bereits "verbraucht" hat, indem sie die Honorarforderung in einem der ursprünglichen Honorarverteilung nachfolgenden Verfahren auf ihre sachlich-rechnerische Richtigkeit überprüfte und vorbehaltlos bestätigte. Darüber hinaus ist auch bei Anwendbarkeit der bundesmantelvertraglichen Berichtigungsvorschriften nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen Vertrauensschutz der Vertrags(zahn)ärzte zu beachten, wenn (3) die Beklagte es unterlassen hatte, bei der Erteilung des Honorarbescheids auf ihr bekannte Ungewissheiten hinsichtlich der Grundlagen der Honorarverteilung hinzuweisen und dadurch schützenswertes Vertrauen bei den Vertrags(zahn)ärzten hervorgerufen wurde, oder wenn sie (4) die Erbringung bestimmter Leistungen in Kenntnis aller Umstände längere Zeit geduldet hatte, diese später jedoch für den betroffenen Vertrags(zahn)arzt als fachfremd beurteilt und deshalb insgesamt von der Vergütung ausschließt. Außerdem ist eine nachträgliche Korrektur von Honorarbescheiden mit Wirkung ex tunc aus Gründen des Vertrauensschutzes auch eingeschränkt, wenn (5) die Fehlerhaftigkeit eines Bescheides aus Umständen herrührt, die außerhalb des eigentlichen Bereichs einer sachlich und rechnerisch korrekten Honorarabrechnung und -verteilung liegen und deshalb die besonderen Funktionsbedingungen des Systems vertrags(zahn)ärztlicher Honorierung nicht konkret tangiert sind (z.B. im Bereich des Vollzugs der Vorschriften zum degressiven Punktwert in der vertragszahnärztlichen Versorgung) (BSG, Urteile vom 28.08.2013 - B 6 KA 43/12 R - und vom 08.02.2006 - B 6 KA 12/05 R -).
Nach diesen Grundsätzen ist nach Aufhebung des angefochtenen Bescheides vom 05.10.2012, soweit er das Quartal I/2008 erfasst hat, die vorgenommene nachträgliche Korrektur der Honorarbescheide für die Quartale II/2008 bis IV/2011 nicht durch Vertrauensschutzgesichtspunkte ausgeschlossen. In Betracht kommt hier nur der Aspekt des Unterlassens eines Hinweises auf der Beklagten bekannte Ungewissheiten hinsichtlich der Grundlagen der Honorarverteilung. Nach der Rechtsprechung des BSG besteht eine solche Hinweispflicht jedoch nur, wenn der Beklagten bekannt ist, dass gegen die Rechtmäßigkeit der von ihr zu Gunsten und Interesse einzelner Vertrags(zahn)ärzte angewandten Auslegung des Regelwerks ernsthafte Bedenken bestehen, wobei derartige Bedenken sich insbesondere auf Grund abweichender Gerichtsentscheidungen aufdrängen können. Bei Erlass der Honorarbescheide bestand keine Ungewissheit in diesem Sinn. Der Beklagten war schon nicht bekannt, dass die streitigen Gebührenziffern in Ansatz gebracht wurden, ohne dass eine offen chirurgische Vorgehensweise vorlag. Sofern der Kläger darauf verweist, dass die offen chirurgische Vorgehensweise seit 2008 nicht mehr angewandt wird, ergibt sich hieraus nichts anderes. Die Beklagte hat ihrerseits vorgetragen, dass es in ihrem Bezirk seit 2008 Fälle gegeben habe, in den offen chirurgisch vorgegangen worden sei. Dies wird auch durch die Entscheidungsgründe des SG Düsseldorf in seinem Urteil vom 16.03.2016 - S 2 KA 316/13 - bestätigt. Der dortige Kläger hat vorgetragen, dass er in 20 % der von ihm zur Abrechnung gebrachten Facettendenervationen offen chirurgisch vorgegangen sei, da Metall entfernt worden sei. Für eine fehlende Offenkundigkeit spricht auch, dass die Beklagte den Sachverständigen L mit der Prüfung der Abrechnung beauftragt und den Kläger selbst in dem Plausibilitätsgespräch vom 04.07.2012 zu seiner Vorgehensweise befragt hat. Zudem musste die Beklagte auch nicht damit rechnen, dass der Kläger sich bei seiner Abrechnung über die Definition des EBM und den darauf Bezug genommenen Regelwerken hinwegsetzte. Zwar hat die Beklagte die Abrechnung entgegengenommen, ohne hinsichtlich der Abrechnung der streitigen Gebührensziffern tätig zu werden. Zu einem Tätigwerden bestand jedoch kein Anlass. Der Kläger bzw. Dr. N hatten die Abrechnung in dem Bewusstsein unterschrieben, dass sie peinlich genau abzurechnen haben. Die vorläufige Abrechnungsprüfung durch die Beklagte erfolgt automatisiert durch IT-Programme, für darüber hinausgehende Prüfungen wird ein Anlass benötigt. Die Beklagte nimmt die Abrechnungen entgegen und klärt mit Hilfe eines Prüfprogrammes, ob beispielsweise die Voraussetzungen für die Abrechnung bestimmter Ziffern aufgrund von Abrechnungsausschlüssen nicht gegeben sind. Ergeben sich bei dieser Prüfung keine Bedenken, ergeht auf dieser Basis ein vorläufiger Abrechnungsbescheid. Anlass zur Überprüfung für die Beklagte war hier jedoch erst die insgesamt angestiegene Fallzahl der GOP 31131 EBM und damit ein Umstand, der bei der üblichen Vorgehensweise nicht sofort bei Erlass des vorläufigen Abrechnungsbescheides augenfällig wurde. Sofern der Kläger darauf verweist, dass die Beklagte aufgrund der verschiedenen Anfragen an sie wie beispielsweise die das Antwortwortschreiben der Abteilungsleitern T1 23.02.2012 veranlassende Nachfrage hätte wissen müssen, dass die Abrechnung der streitigen Ziffern problematisch ist, ergibt sich hieraus vielmehr, dass die Beklagte davon ausgehen durfte, dass den Ärzten die Problematik der Abrechnung bei der GOP 31131 EBM im Zusammenhang mit den Facettendenervationen bewusst war und sie gerade nicht darauf vertrauen konnten, dass eine Abrechnung bei minimalinvasiver Vorgehensweise möglich ist.
Ein schutzwürdiges Vertrauen kann der Kläger auch nicht aus dem Schreiben der Abteilungsleiterin T1 vom 23.02.2012 herleiten. Wie bereits das SG dargelegt, enthält es keine Erklärung dazu, dass auch bei minimalinvasiven Facettendenervationen die GOP 31131 EBM in Ansatz gebracht werden kann. Entscheidend ist zudem, dass es nicht an den Kläger bzw. die BAG des Klägers adressiert war. Schon aus diesem Grund stellt es für ihn keine Zusicherung im Sinne des § 34 SGB X dar noch vermag es deswegen schutzwürdiges Verhalten zu begründen. Gleiches gilt für das Schreiben der KBV an die Gesellschaft für Interventionen an die Wirbelsäule e.V. vom 27.11.2008.
Auch aus der Streichung des OPS-Code 5-830.2 aus dem Anhang 2 des EBM mit Wirkung zum 01.04.2013 ergibt sich nicht, dass bis zum 31.03.2013 bei einer minimalinvasiven Facettendenervationen die GOP 31131 EBM abgerechnet werden konnte. Vielmehr hat der Bewertungsausschuss in den entscheidungserheblichen Gründen ausgeführt, dass die Streichung erfolge, weil er in der Vergangenheit auch bei durchgeführter minimalinvasiven Technik zur Abrechnung verwendet wurde, "obwohl dessen Berechnung eine offen-chirurgische Durchführung gemäß Präambel 31.2.1 Nr. 1 voraussetze".
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved