L 15 SO 301/16 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
15
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 181 SO 1412/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 SO 301/16 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Zur Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit eines Bescheides über die Aufhebung einer Leistungsbewilligung, der Rückforderung gewährter Leistungen der Grundsicherung und der Aufrechnung gegen zukünftige Leistungen der Grundsicherung.

2. Zur Rechtsmäßigkeit des Aufhebungs-, Rückforderungs- und Aufrechnungsbescheides bei Verdacht von sog. "Kick-Back-Zahlungen".
Bemerkung
auch L 15 So 302/16 B ER
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 30. September 2016 geändert. Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen diesen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2016 (anhängig geworden unter dem Aktenzeichen SG Berlin S 181 SO 1723/16) wird angeordnet. Die Vollziehung des Bescheides des Antragsgegners vom 15. August 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2016 wird mit Wirkung ab 20. September 2016 ausgesetzt. Beträge, die ab diesem Tag vom Antragsgegner von den laufenden Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung im Wege der Aufrechnung abgesetzt worden sind, sind an die Antragstellerin auszukehren. Der Antragstellerin wird für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung ab Antragstellung bewilligt und Rechtsanwalt J W, B, beigeordnet. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Die außergerichtlichen Kosten für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes trägt der Antragsgegner für beide Rechtszüge zu neun Zehnteln. Außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren betreffend die Versagung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren erster Instanz sind nicht zu erstatten. Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren gegen die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung ab Antragstellung bewilligt und Rechtsanwalt J W, B, beigeordnet. Für das Beschwerdeverfahren betreffend die Versagung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren erster Instanz wird die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.

Gründe:

I.

Die ledige Antragstellerin ist 1947 in der Ukraine geboren worden. Sie besitzt eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis für die Bundesrepublik Deutschland.

Nachdem sie bis 2008 laufende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch/Zweites Buch (SGB II) bezogen hatte, wurde ihr eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung zuerkannt, an deren Stelle ihr seit 2012 eine Altersrente gezahlt wird. Der Zahlbetrag der Rentenleistungen liegt bis heute bei weniger als 30 EUR im Monat.

Der Antragsgegner gewährte der Antragstellerin durch jeweils bestandskräftig gewordene Bescheide laufende Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (im Folgenden: Grundsicherung) nach dem Sozialgesetzbuch/Zwölftes Buch (SGB XII). Als bedarfsminderndes Einkommen wurde allein der tatsächliche Zahlbetrag der Rente berücksichtigt. In den Leistungsanträgen hatte die Antragstellerin keine weiteren Einkünfte genannt. Als Bedarfe berücksichtigte der Antragsgegner neben dem Regelbedarf und den Kosten für die von der Antragstellerin bewohnte Wohnung einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung, Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung sowie einen Mehrbedarf wegen dezentraler Warmwasserversorgung. Betreffend den Zeitraum April 2011 bis einschließlich Februar 2015 ergaben sich monatliche Zahlbeträge von 936,40 EUR bis 952,35 EUR.

Der Antragsgegner gewährte der Antragstellerin außerdem jedenfalls ab November 2008 zunächst ergänzende Hilfen zur Pflege für die Inanspruchnahme ambulanter Hilfen zur Pflege neben Leistungen der Pflegekasse (Gmünder Ersatzkasse, später Barmer GEK als Rechtsnachfolger). Die Pflegeleistungen wurden anfangs von der "M H & S Gesellschaft bürgerlichen Rechts" (GbR), seit August 2010 von der aus der GbR hervorgegangenen "M H & S GmbH" (im Folgenden: Pflegedienst) erbracht. Die Geschäftsführer der GmbH, Frau M S und Herr E B, waren zuvor die Gesellschafter der GbR. Der Pflegedienst wirbt für seine Leistungen mit einem zweisprachig deutschen und russischen Internetauftritt (m-h-u-s.de). Nachdem die Pflegekasse der Antragstellerin ab 1. Januar 2009 zusätzliche Betreuungsleistungen in Höhe von 200, - EUR monatlich und ab 1. Juni 2009 die Pflegestufe III der sozialen Pflegeversicherung zuerkannt hatte, wurden seitens des Pflegedienstes für Zeiträume nach Mai 2009 trotz laufender Leistungsbewilligungen keine Pflegeleistungen mehr gegenüber dem Antragsgegner abgerechnet.

Im März 2015 kam es im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen zu einer Durchsuchung der Geschäftsräume des Pflegedienstes und zur Beschlagnahme von Unterlagen. Anlass waren Strafanzeigen unter anderem des Antragsgegners wegen des Verdachts des Betrugs zu Lasten von Sozialleistungsträgern durch Abrechnung von Pflegeleistungen, die tatsächlich nicht erbracht worden seien. Leistungsberechtigte sollen hieran beteiligt gewesen sein, indem sie die vom Pflegedienst abgerechneten Pflegeeinsätze als erbracht bestätigten und im Gegenzug dafür Zahlungen - sogenannte Kick-Backs - erhielten.

Nach dem Schlussbericht des Polizeipräsidenten von Berlin - Landeskriminalamt (LKA) - vom 21. Dezember 2015 war die Antragstellerin in Kassenbüchern des Pflegedienstes als regelmäßige Empfängerin von Zahlungen aufgeführt, deren Summe für den Zeitraum 12. April 2011 bis 11. März 2015 mit 18.845,- EUR angegeben wurde. Der Antragsgegner gab der Antragstellerin darauf hin mit Schreiben vom 11. Februar 2016 seine Absicht bekannt, die Entscheidungen über die Leistungsbewilligungen der Grundsicherung für die Zeit "spätestens" ab April 2011 bis einschließlich Februar 2015 gemäß § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch (SGB X) teilweise aufzuheben und gezahlte Grundsicherung für den Zeitraum April 2011 bis einschließlich Februar 2015 in Höhe von insgesamt 17.995,- EUR zurückzufordern. Leistungen der Sozialhilfe seien zu Unrecht gewährt worden. Die Antragstellerin habe Einkünfte in Gestalt der Zahlungen des Pflegedienstes entgegen ihrer gesetzlichen Pflicht verschwiegen, offensichtlich weil ihr das damit verbundene Unrecht bewusst gewesen sei.

Die Antragstellerin erwiderte hierauf, sie habe solche Zahlungen nicht erhalten.

Durch Bescheid vom 15. August 2016 hob der Antragsgegner die Leistungsbewilligungen der Grundsicherung für die Zeit von April 2011 bis Februar 2015 teilweise auf, forderte von der Antragstellerin einen Betrag von 20.315,- EUR zurück und verfügte eine Aufrechnung des Erstattungsanspruchs auf die Grundsicherung für die Zeit vom 1. September 2016 bis zum 31. August 2019 in Höhe von 81,- EUR monatlich. Dem Bescheid war eine Anlage beigefügt, in der die Zahlbeträge der Grundsicherung für den Aufhebungszeitraum monatsweise aufgeführt und die den Zahlungen zugrundeliegenden Bewilligungsbescheide mit Datum genannt worden waren. Für jeden Monat war weiter die jeweils als Einkommen angesehene Zahlung des Pflegedienstes angegeben (regelmäßig 450,- EUR, für den Monat September 2012 jedoch keine Zahlung, für den Monat Oktober 2011 eine Zahlung von 275,- EUR und für den Monat November 2011 eine Zahlung von 240,- EUR) und aus der Differenz zwischen der tatsächlich gewährten Leistung der Grundsicherung ein "tatsächlicher Anspruch" und ein "Rücknahmeumfang" errechnet worden.

Zur Begründung der Entscheidung über die teilweise Aufhebung der Leistungsbewilligungen führte der Antragsgegner aus, diese seien bereits von Anfang an rechtswidrig gewesen und von daher auf der Grundlage des § 45 (Abs. 2 Satz 3 Nr. 2) SGB X zurückzunehmen. Nach Auswertung der ihm vorliegenden Kassenbücher habe die Antragstellerin regelmäßig Zahlungen von dem Pflegedienst (in dem aus der Anlage zu dem Bescheid ersichtlichen Umfang) erhalten. Diese minderten als Einkommen den Anspruch auf Grundsicherung, auch wenn sie auf deliktischem Handeln beruhten. Die Bewilligungen seien (mit Wirkung für die Vergangenheit) zurückzunehmen, weil sie auf Angaben beruhten, welche die Antragstellerin zumindest grob fahrlässig unrichtig gemacht habe. Ermessenserwägungen, welche der Rücknahme entgegenstünden, gebe es nicht (wird ausgeführt).

Zur Begründung der Aufrechnungsentscheidung führte der Antragsgegner aus, er habe sich insoweit davon leiten lassen, dass die zu Unrecht empfangenen Leistungen der öffentlichen Hand wieder zugeführt werden sollten, um für die Vergabe an bedürftige Personen zur Verfügung zu stehen. Auch der Gedanke der Schadenswiedergutmachung rechtfertige es, bereits jetzt nach Kräften Erstattungsleistungen zu verlangen. Bei der Bemessung der Aufrechnung sei berücksichtigt worden, dass das zum Lebensunterhalt Unerlässliche "in Höhe von 80 % des Regelsatzes" verbleibe. Dem Wunsch der Antragstellerin, nur im Umfang von 10 % aufzurechnen, könne nicht entsprochen werden, zumal unter Berücksichtigung der Höchstaufrechnungsdauer ohnehin nur 2.916,- EUR des geschuldeten Gesamtbetrags vereinnahmt werden könnten. Miete und Heizkosten würden weiterhin in vollem Umfang übernommen, auch die Pflege sei durch die weitere Bewilligung von Hilfen im erforderlichen Umfang gesichert.

Als "Nebenentscheidung" ordnete der Antragsgegner die sofortige Vollziehung aller drei getroffenen Verfügungen an, wobei diese Anordnung einschließlich ihrer Begründung im Anschluss an die Begründung und die Rechtsbehelfsbelehrung zu den unter der Überschrift "Bescheid" in dem Schriftstück vom 15. August 2016 getroffenen Verfügungen erfolgte. Zur Begründung führte der Antragsgegner aus, dass für die Anordnung der sofortigen Vollziehung ein gewichtiges Interesse bestehe, weil anderenfalls die Realisierung des Erstattungsanspruchs ernsthaft gefährdet werde. In Anbetracht ihrer wirtschaftlichen Situation (weiter laufender Bezug von Leistungen der Grundsicherung) sei damit zu rechnen, dass die Antragstellerin bei einstweiliger Leistungsgewährung in ungeminderter Höhe die dadurch erlangten Mittel verbrauche. Es erscheine daher ausgeschlossen, dass sie in der Lage sein werde, die zugeflossenen und verschwiegenen Kick-back-Zahlungen nach einem voraussichtlich langwierigen Rechtsschutzverfahren zu erstatten. Folge sei, dass der Antragsgegner trotz einer rechtmäßigen Verwaltungsentscheidung belastet bleibe. Weiter seien die finanziellen Vorteile, welche durch den Bescheid korrigiert würden, durch deliktisches Handeln erlangt worden. Angesichts dieses grob rechtswidrigen Verhaltens bestehe kein berechtigtes Interesse daran, mit dem Ausgleich des Schadens erst nach dem Ende des Rechtsmittelverfahrens zu beginnen. Darüber hinaus müsse der Gefahr entgegen gewirkt werden, dass die Antragstellerin mit einem neuen Pflegedienst in vergleichbarer Weise zulasten des Sozialhilfeträgers zusammenwirke oder dass sie ein Zuwarten möglicherweise dahin missverstehe, dass die Erschleichung öffentlicher Hilfeleistungen als Fehlverhalten minderen Ausmaßes anzusehen sei. Ausnahmsweise müssten angesichts der enormen Dimension des Fehlverhaltens des Pflegedienstes im Zusammenwirken mit zahlreichen Leistungsempfängern auch generalpräventive Erwägungen in Ansatz gebracht werden. Das Interesse der Antragstellerin an der einstweiligen Weitergewährung der ungekürzten Leistung trete demgegenüber zurück, zumal ihr ausreichende Mittel zur Bedarfsdeckung verblieben.

Den Widerspruch gegen den Bescheid wies der Antragsgegner durch Widerspruchsbescheid vom 26. Oktober 2016 der Sache nach mit der Begründung des Ausgangsbescheides zurück. Gegen den Bescheid vom 15. August 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2016 ist beim Sozialgericht Berlin am 11. November 2016 Klage erhoben worden (Az. S 181 SO 1723/16).

Während des laufenden Widerspruchsverfahrens hatte die Antragstellerin am 20. September 2016 beim Sozialgericht neben der Bewilligung von Prozesskostenhilfe die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragstellers vom 15. August 2016 und die Auszahlung eines vom Antragsgegner bereits einbehaltenen Betrags von 81,- EUR begehrt. Die aufschiebende Wirkung sei bereits deshalb anzuordnen, weil der Rücknahmebescheid offensichtlich rechtswidrig sei. Sie habe weder von dem Pflegedienst noch sonst Gelder erhalten, die sie dem Antragsgegner verschwiegen habe. Welche Kassenbücher der Antragsgegner ausgewertet habe, habe er nicht erläutert. Abgesehen davon seien diese auch kein Beleg dafür, dass sie das Geld tatsächlich erhalten habe. Ohne dass der Antragsgegner substantiiert dartue, zu welchem Zeitpunkt, an welchem Ort, von welcher Person und in welcher Stückelung sie Zahlungen erhalten haben solle, könne sie den angeblichen Geldfluss auch nicht substantiiert widerlegen. Ob der Pflegedienst Leistungen gegenüber dem Antragsgegner abgerechnet habe, die er nicht erbracht habe, sei ihr nicht bekannt. Rechtswidrig sei die Anordnung der sofortigen Vollziehung auch deshalb, weil ihr angeblich strafbares Verhalten bereits Bedingung für den Erlass des Aufhebungsbescheides sei und folglich nicht nochmals für die Anordnung der sofortigen Vollziehung herangezogen werden dürfe. Mit der Anordnung wolle der Antragsgegner die Antragstellerin zudem bestrafen, was der verfassungsrechtlich geschützten Unschuldsvermutung widerspreche. Ihr dürfe kein Schaden entstehen, der nicht wiedergutzumachen sei, falls sich die Unschuld herausstelle.

Der Antragsgegner hat seine Auffassung unter Verweisung auf den Schlussbericht des LKA verteidigt. Die Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung lägen vor.

Das Sozialgericht hat die Antragstellerin mit Verfügung vom 21. September 2016 ohne Fristsetzung unter anderem aufgefordert, durch eidesstattliche Erklärung zu versichern, dass sie die behaupteten Geldbeträge nicht erhalten habe.

Nachdem bis dahin eine Äußerung der Antragstellerin nicht vorgelegen hatte, hat es durch Beschluss vom 30. September 2016, abgesandt am 4. Oktober 2016 und den Beteiligten ausweislich der Empfangsbekenntnisse am 10. Oktober 2016 (Antragsgegner) bzw. 11. Oktober 2016 (Antragstellerin) zugestellt, sowohl den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz als auch den auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Bei der Prüfung, ob die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs oder der Klage anzuordnen sei, seien in einem ersten Prüfungsschritt die Erfolgsaussichten der Klage einer summarischen Prüfung zu unterziehen. Könne eine endgültige Prognose der Erfolgsaussichten (noch) nicht gestellt werden, müssten die für und wider die sofortige Vollziehung sprechenden Interessen gegeneinander abgewogen werden. Behauptete Tatsachen müssten überwiegend wahrscheinlich sein oder von den Beteiligten glaubhaft gemacht werden. Der Antragsgegner habe anhand des vorgelegten Schlussberichts die dem Bescheid vom 15. August 2016 zugrunde liegenden Einkommenszuflüsse glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin habe die Aufforderung des Gerichts vom 21. September 2016 dagegen unbeachtet gelassen. Auf dieser Grundlage stelle sich der Bescheid vom 15. August 2016 bei summarischer Prüfung als rechtmäßig dar. Auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung als solche sei nicht zu beanstanden. Prozesskostenhilfe sei im Besonderen mangels hinreichender Erfolgsaussicht des Rechtsschutzanliegens nicht zu gewähren.

Am 4. Oktober 2016 ging beim Sozialgericht auf dem Postweg ein Schriftsatz der Bevollmächtigten der Antragstellerin mit Datum des 30. September 2016 ein, der in der Anlage ein handschriftlich verfasstes, mit "Eidesstattliche Erklärung" überschriebenes Schreiben in deutscher Sprache enthielt, in dem es heißt: "Ich, Frau M G geb. am versichere hiermit in Kenntnis der Strafbarkeit einer falschen eidesstattlichen Versicherung an Eides statt, dass ich die behaupteten Geldbeträge i.H. von 450,00 EUR im Monat nicht erhalten habe und auch sonst kein Geld vom Pflegedienst bekommen habe (Pflegedienst "m H u S") 23.09.2016 [unleserliche Unterschrift]".

Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Antragstellerin das Anliegen, die aufschiebende Wirkung (jedenfalls auch) der erhobenen Anfechtungsklage anzuordnen und dem Antragsgegner aufzugeben, die bereits einbehaltenen Beträge von 243,- EUR auszuzahlen. Die Entscheidung des Sozialgerichts sei bereits deshalb unzutreffend, weil sie die geforderte eidesstattliche Versicherung mittlerweile eingereicht habe. Bereits deshalb trete der Schlussbericht des LKA als Mittel der Glaubhaftmachung zurück. Er sei auch nicht geeignet, einen Geldzufluss zu belegen. Weder sei gegen die Antragstellerin Anklage erhoben noch ein Hauptverfahren eröffnet worden. Das Sozialgericht habe auch nicht überprüft, ob die tatsächliche und die abgerechnete Pflege auseinanderfielen. Der Schlussbericht des LKA dürfe nicht ungeprüft übernommen werden. Sie sei der deutschen Sprache ferner weder in Wort noch in Schrift mächtig. Wenn eine Unterschrift erforderlich gewesen sei, habe sie diese in vollem Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben des Pflegedienstes geleistet. Die Pflegeperson stelle im Übrigen ihre einzige Bezugsperson dar. Selbst wenn dem Pflegedienst unlautere Methoden unterstellt würden, sei nicht nachvollziehbar, weshalb an kranke Menschen ein "Schweigegeld" gezahlt werden müsse, um sie dazu zu bewegen, Pflegenachweise zu unterzeichnen. Die angeblich in Kassenbüchern des Pflegedienstes ihr zugeordneten Zahlungen belegten schließlich keine tatsächlichen Geldzuflüsse an sie. Die Eintragungen könnten ebenso gut zur Dokumentation von Betriebsausgaben gedient haben oder die Gelder könnten an andere Personen geflossen sein.

Der Antragsgegner verteidigt den angefochtenen Beschluss und die von ihm getroffene Anordnung. Er hat eine "dienstliche Erklärung zur Vorlage insbesondere bei Gericht" seiner Mitarbeiterin A E, tätig als Pflegecontrollerin, vom 15. Oktober 2015 sowie Kopien, die nach seinen Angaben die aus einem Kassenbuch des Pflegedienstes ersichtlichen Zahlungen an die Antragstellerin dokumentieren, vorgelegt.

II.

1. Die Beschwerden sind hinsichtlich der Entscheidung über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und der Beseitigung von Vollzugsfolgen in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang, hinsichtlich der über die Versagung von Prozesskostenhilfe in vollem Umfang begründet.

a) Die gerichtliche Überprüfung der Vollziehbarkeit des Bescheides vom 15. August 2016 richtet sich nach § 86b Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Durch die in dem Bescheid enthaltenen Verfügungssätze werden ausschließlich Belastungen für die Antragstellerin ausgesprochen (teilweise Rücknahme von bereits bestandskräftig gewordenen Leistungsbewilligungen, Festsetzung einer Erstattungsforderung, Anordnung der Aufrechnung mit laufenden Leistungen). Gegen ihn ist deshalb in der Hauptsache die "isolierte" Anfechtungsklage die statthafte Klageart (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen (Satz 2). Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder die Anordnung der sofortigen Vollziehung kann mit Auflagen versehen oder befristet werden (Satz 3). Anträge (unter anderem) nach § 86a Abs. 1 SGG sind schon vor Klageerhebung zulässig (Abs. 3).

aa) Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 15. August 2016 hatte nach der gesetzlichen Grundregelung des § 86a Abs. 1 Satz SGG hinsichtlich aller darin enthaltenen Verfügungssätze ebenso aufschiebende Wirkung wie nunmehr die Klage gegen diesen Bescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2016. Eine Vorschrift, die abweichend davon die aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes entfallen ließe, greift nicht ein. § 86a Abs. 2 Nr. 3 SGG erfasst (nur) Anfechtungsklagen in Angelegenheiten der Sozialversicherung bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung herabsetzen oder entziehen. Die Sozialhilfe stellt keinen Teil der Sozialversicherung dar (zu diesem Begriff § 1 Abs. 1 Sozialgesetzbuch/Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften über die Sozialversicherung -). § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG kommt nicht zur Anwendung, weil kein Bundesgesetz existiert, welches das Entfallen der aufschiebenden Wirkung für einen oder mehrere der in dem Bescheid vom 15. August 2016 getroffenen Verfügungen anordnen würde. Im Besonderen enthält das SGB XII keine dem § 39 Nr. 1 SGB II vergleichbare Regelung für Verwaltungsakte, die Leistungen aufheben, zurücknehmen, widerrufen oder entziehen oder eine Pflichtverletzung und eine Minderung des Auszahlungsanspruchs feststellen.

Von daher zutreffend ist der Antragsgegner davon ausgegangen, dass er die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheides vom 15. August 2016 nur durch eine Anordnung auf der Grundlage des § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG herstellen konnte. Nach dieser Vorschrift entfällt die aufschiebende Wirkung in Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten ist und die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, die sofortige Vollziehung mit schriftlicher Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung anordnet.

Im Verfahren nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG umfasst der Prüfungsumfang sowohl die formelle als auch die materielle Rechtmäßigkeit der behördlichen Anordnung (stellvertretend Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 27. Mai 2016 - 1 BvR 1890/15 -, NVwZ 2016, 1475ff unter Bezug auf den Beschluss vom 27. Oktober 2009 - 1 BvR 1876/09 -, Kammerentscheidungen des BVerfG [BVerfGK] 16, 320ff).

Formell nicht zu beanstanden ist, dass der Antragsgegner die Anordnung der sofortigen Vollziehung außerhalb des mit den drei getroffenen Verfügungen beginnenden und mit der Rechtsbehelfsbelehrung endenden "Bescheidteils" des Schriftstücks vom 15. August 2016 gesetzt und die Antragstellerin vorher nicht angehört hat. Ob es sich bei der Anordnung nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG um einen "Verwaltungsakt" im Sinne der Definition des § 31 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch (SGB X) handeln könnte, kann dabei offen bleiben (s. dazu stellvertretend Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 86a Rn 17a). Für ihren Erlass und ihre rechtliche Überprüfung sind durch §§ 86a Abs. 2 Nr. 5, 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG jedenfalls Bestimmungen getroffen worden, die als Sondervorschriften die allgemeinen über Verwaltungsakte und die hiergegen gegebenen Rechtsbehelfe verdrängen. Diese Bestimmungen sehen im Besonderen weder eine Anhörung vor Erlass der Anordnung noch ein dem gerichtlichen Verfahren nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG vorgeschaltetes Widerspruchsverfahren vor.

Offen bleiben kann auch, ob die vom Antragsgegner gegebene Begründung des Sofortvollzugs die hieran zu stellenden Anforderungen erfüllt und ob eine gegebenenfalls unzureichende Begründung mit heilender Wirkung nachgeholt oder ersetzt werden könnte (Nachweise zum Meinungsstand bei Keller a.a.O. Rn 21b und c; zur Begründungspflicht als formeller Rechtmäßigkeitsvoraussetzung stellvertretend LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 8. November 2016 - L 7 SO 3546/16 ER-B -, in Juris Rn 11 m.w.Nachw.). Jedenfalls liegen die materiellen Voraussetzungen für die vom Antragsgegner getroffene Anordnung selbst dann nicht vor, wenn die Begründung für sich genommen als formell ausreichend angesehen wird.

Nach dem ersten Satzteil des § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG ist materielle Voraussetzung für Anordnung ein "Fall", in dem "die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten ist." Zur Bejahung eines öffentlichen Interesses reicht das allgemeine, den Erlass des Verwaltungsakts selbst rechtfertigende Interesse nicht aus, zumal die Behörde nach dem letzten Satzteil der Vorschrift verpflichtet ist, ein "besonderes" Interesse gerade an der sofortigen Vollziehung zu begründen.

Die nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG für den Regelfall vorgeschriebene aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage ist eine Ausprägung der verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantie (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz [GG]) und damit ein "fundamentaler Grundsatz des öffentlich-rechtlichen Prozesses" (s. für die Parellregelung der Verwaltungsgerichtsordnung stellvertretend BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2003 - 1 BvR 2025/03 -, NVwZ 2004, 93f. m.w.Nachw.). Von Verfassungs wegen ist die aufschiebende Wirkung der Rechtsbehelfe zwar nicht schlechthin gewährleistet. Der Rechtsschutzanspruch ist aber umso stärker und darf umso weniger zurückstehen, je schwerwiegender die dem Einzelnen auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahmen der Verwaltung Unabänderliches bewirken. Im Rahmen der Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug und dem privaten Interesse des Bürgers an der Aufrechterhaltung des Suspensiveffekts eines Rechtsbehelfs können dessen Erfolgsaussichten Berücksichtigung finden (BVerfG, Beschluss vom 12. September 1995 - 2 BvR 1179/95 -, NVwZ 1996, 58ff.). Geltung und Inhalt dieser Leitlinien sind nicht davon abhängig, ob der Sofortvollzug eines Verwaltungsaktes einer gesetzlichen oder einer behördlichen Anordnung entspringt (BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2003 a.a.O.).

Nach diesen Maßstäben ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber für den Bereich der Sozialhilfe keine gesetzlichen Ausnahmen zur Regelwirkung des § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG geschaffen hat. Anders als für den Bereich des SGB II (dort § 39 Nr. 1), die Arbeitsförderung nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (dort § 336a Satz 2 i.V. mit § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG) und den Bereich der Sozialversicherung (§ 86a Satz 2 Nr. 3 SGG) ist ein Sofortvollzug kraft Gesetzes hier bereits für Verwaltungsakte nicht vorgesehen, welche die Beseitigung einer Leistungsbewilligung verfügen. In keinem der drei genannten Fälle ist der Sofortvollzug im Übrigen für die - gesondert neben der Verwaltungsentscheidung über die Beseitigung der Leistungsbewilligung stehenden - Verwaltungsakte vorgesehen, die einen Erstattungsanspruch festsetzen (für den Bereich des SGB II war diese Wirkung durch die Änderung des § 39 Nr. 1 mit Wirkung ab 1. Januar 2009 ausdrücklich beabsichtigt, s. BT-Dr. 16/10810, 50).

Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass ein besonderes öffentliches Interesse am Sofortvollzug auch nur eines der Verfügungssätze des Bescheides vom 15. August 2016 unabhängig davon nicht erkannt werden kann, ob sich dieser Bescheid im Ergebnis als rechtmäßig erweist. Das Risiko der Uneinbringlichkeit einer aus der Aufhebung der Leistungsbewilligung folgenden Erstattungsforderung besteht bei Personen, die wie die Antragstellerin laufend existenzsichernde Leistungen beziehen, im Regelfall. Ein Grund, der den Sofortvollzug zur Sicherung eines etwaigen Erstattungsanspruchs rechtfertigen könnte, ist nicht dargelegt.

Indem der Antragsgegner den Weg der Aufrechnung mit einer laufenden Leistung nach § 26 Abs. 2 SGB XII wählt, um wenigstens einen Teil der nach seiner Ansicht bestehenden Erstattungsforderung zu erlangen, gibt er selbst zu erkennen, dass er eine reguläre Vollstreckung aus einem (Aufhebungs- und) Erstattungsbescheid extra in pfändungsfähiges Vermögen nicht als erfolgversprechend ansieht (und damit letztlich auch, dass keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Antragstellerin Ersparnisse aus den streitigen Kick-back-Zahlungen verblieben sind).

Die Absenkung einer laufenden Leistung nach § 26 Abs. 2 Satz 1 SGB XII kann grundsätzlich auch noch nach Abschluss eines Hauptsacheverfahrens wirksam werden, zumal die Antragstellerin auf unabsehbare Dauer im Leistungsbezug steht. Aus dem Lebensalter der Antragstellerin kann sich kein besonderes Interesse an einem Sofortvollzug ergeben, denn der gesetzliche Regelfall des § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG betrifft einschränkungslos auch Leistungen, die - wie die Grundsicherung nach dem SGB XII - auch noch in fortgeschrittenem Lebensalter in Anspruch genommen werden können.

Generalpräventive Gründe können allenfalls in besonders gelagerten Ausnahmefällen einen Sofortvollzug rechtfertigen, die sich aus den Ausführungen des Antragsgegners nicht ergeben. Eine beabsichtigte "Abschreckungswirkung" reicht in keinem Fall aus (s. in diesem Zusammenhang ausführlich BVerfG, Beschluss vom 8. November 2010 - 1 BvR 722/10 -, BVerfGK 18, 180ff).

Angesichts dessen kommt es nicht mehr darauf an, ob sich der Bescheid des Antragsgegners vom 15. August 2016 voraussichtlich als rechtmäßig erweisen würde. Vorsorglich weist der Senat aber darauf hin, dass der Ausgang des Hauptsacheverfahrens bezüglich dieses Bescheides derzeit offen erscheint.

Es muss dabei nicht abschließend erörtert werden, ob der vom Antragsgegner als Rechtsgrundlage für die Aufhebungsentscheidung genannte § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X die teilweise Zurücknahme der Leistungsbewilligungen für den gesamten Aufhebungszeitraum tragen könnte. Zweifel ergeben sich daraus, dass der Beginn des Aufhebungszeitraums am 1. April 2011 in den Geltungszeitraum der vom 1. Juli 2010 bis "voraussichtlich" 30. Juni 2011 laufenden Leistungsbewilligung vom 6. Juli 2010 fiel. Falls an Stelle der entsprechenden Voraussetzungen nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X auch die subjektiven Voraussetzungen für einen Aufhebungstatbestand nach § 48 Abs. 1 Satz 2 - konkret Nr. 2 - SGB X mit Wirkung für die Vergangenheit wegen einer wesentlichen Änderung der für einen Dauerverwaltungsakt maßgeblichen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse erfüllt wären, kann aber ein unschädlicher Austausch der Rechtsgrundlagen vorliegen (s. zuletzt BSG, Urteil vom 15. Juni 2016 - B 4 AS 41/15 R - m.w.Nachw.).

Unabhängig davon, wie das Verhältnis von § 45 SGB X zu § 48 SGB X im vorliegenden Fall zu bestimmen ist, muss die Leistungsbewilligung nach beiden Vorschriften zu einem bestimmten Zeitpunkt rechtswidrig gewesen oder geworden sein. Der Antragsgegner sieht den die Rechtswidrigkeit begründenden Umstand darin, dass die Antragstellerin in Gestalt so genannter Kick-back-Zahlungen seitens des Pflegedienstes Einkünfte erzielt habe, welches als Einkommen den sozialhilferechtlichen Bedarf gemindert und damit geringere als den durch die aufgehobenen Leistungsbescheide zuerkannte Ansprüche auf Grundsicherung begründet hätte.

Es steht nicht in Frage, dass die Antragstellerin im gesamten Aufhebungszeitraum entweder aufgrund dauerhafter voller Erwerbsminderung oder aufgrund ihres Lebensalters zum Kreis derjenigen gehörte, welche dem Grunde nach als Leistungsberechtigte der Grundsicherung in Betracht kommen (§ 41 Abs. 2 und 3 SGB XII). Ob und in welchem Umfang ein zahlbarer Leistungsanspruch besteht, hängt davon ab, ob Leistungsberechtigte ihren - sich nach § § 41 SGB XII bestimmenden - notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können (§ 19 Abs. 2 Satz 1 SGB XII). Zum Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert (§ 43 Abs. 1 Satz 1 i.V. mit § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII).

Wenn zugunsten des Antragsgegners unterstellt wird, dass die Antragstellerin von dem Pflegedienst Geldzahlungen in dem Umfang tatsächlich erhalten hat, wie er sich aus der Anlage zu dem Bescheid vom 15. August 2016 ergibt, so ist dies nicht ohne Weiteres gleichbedeutend damit, dass es sich um Einkommen im Sinne des Gesetzes handelt. Vielmehr tritt insoweit eine Auslegungsfrage auf, die jedenfalls für den Bereich der Sozialhilfe noch nicht abschließend geklärt erscheint.

Sie folgt jedenfalls daraus, dass Bundessozialgericht (BSG) zum Recht der Arbeitslosenhilfe, welches einen mit dem Sozialhilferecht im wesentlichen identischen Einkommensbegriff kannte (§ 138 Abs. 2 Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz in der bis 31. Dezember 1997 geltenden Fassung, § 194 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch in der vom 1. Januar 1998 bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung), in einem Urteil vom 6. April 2000 - B 11 AL 31/99 R -, in Entscheidungssammlung Sozialrecht [SozR] 3-4100 § 137 Nr. 12 ausgeführt, dass ein durch eine Straftat (dort: Veruntreuung) erlangtes Einkommen (jedenfalls) dann nicht anrechenbar ist, wenn eine - zivilrechtliche - Rückzahlungspflicht des Leistungsberechtigten an den Geschädigten von vornherein feststeht (unter 1 c der Entscheidungsgründe; dies in Abgrenzung zu der dort zitierten Rechtsprechung).

Gerade dann, wenn die Annahme des Antragsgegners zutrifft, dass die Antragstellerin Einkünfte durch strafbare Handlungen (konkret: Betrug zum Nachteil der Pflegekasse in Mittäterschaft mit Mitarbeitern oder Verantwortlichen des Pflegedienstes oder in Beihilfe, §§ 263, 25 Abs. 2, 27 Strafgesetzbuch [StGB]) erlangt hat, muss eine Rückzahlungspflicht gegenüber der Pflegekasse als feststehend angenommen werden, wobei offen bleiben kann, mit welchen rechtlichen Mitteln sie diese durchsetzen kann (s. in diesem Zusammenhang BSG, Urteil vom 19. April 2007 - B 3 P 6/06 R -, SozR 4-3300 § 23 Nr. 6 für Versicherungsunternehmen).

Die Rechtslage erweist sich vor diesem Hintergrund für den Bereich der Sozialhilfe zumindest als klärungsbedürftig, umso mehr noch, als aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des SGB XII nur Instanzrechtsprechung mit ganz unterschiedlichen Ergebnissen ersichtlich ist (s. einerseits etwa OVG Berlin , Urteil vom 9. März 1967 - VI B 23.66 -, FEVS 15, 20 [vollständig nur dort, in "Juris" lediglich mit Leitsatz dokumentiert]: Eine wenigstens der Sache nach vom Sozialhilfeträger aufgestellte Forderung an Hilfebedürftige, unrechtmäßig erworbene Mittel zur Beschaffung des Lebensbedarfs einzusetzen, werde von der Rechtsordnung nicht gebilligt; anderseits VG Frankfurt/Main, Beschluss vom 20. August 2003 - 3 G 3283/03 -, in "Juris").

Wenn dagegen zugunsten des Antragsgegners unterstellt wird, dass die Rechtslage im Sinne seiner Rechtsauffassung geklärt wäre, so kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedenfalls nicht als hinreichend belegt angesehen werden, dass die Antragstellerin Zahlungen in dem vom Antragsgegner behaupteten Umfang zum jeweiligen Zeitpunkt tatsächlich erhalten hat. Nur Geld- oder geldwerte Mittel, die in einem Bedarfszeitraum tatsächlich zugeflossen sind, können aber als Einkommen bedarfsmindernd oder -ausschließend wirken (s. stellvertretend BSG, Urteil vom 19. Mai 2009 - B 8 SO 35/07 R -, SozR 4-3500 § 82 Nr. 5).

Nach den aktenkundigen Unterlagen kann allenfalls als gesichert gelten, dass es bei dem Pflegedienst Zahlungsausgänge gab, welche die Antragstellerin als Adressatin ausweisen. Damit ist aber nicht zwangsläufig die Aussage verbunden, dass sie diese Zahlungen überhaupt und wenn ja jeweils in dem Zeitraum erhalten hat, in dem in dem Kassenbuch ein Zahlungsausgang vermerkt ist. Ihre Einlassung, sie habe keine Zahlungen von dem Pflegedienst erhalten, kann jedenfalls deshalb nicht von vornherein als Schutzbehauptung angesehen werden, weil es nach dem bei Gericht vorliegenden Akteninhalt des Antragsgegners weder einen Anhaltspunkt dafür gibt, dass sie den Inhalt der Kassenbücher des Pflegedienstes kannte oder Einfluss auf deren Erstellung hatte, noch dafür, dass konkret sie Pflegeleistungen in einem derart geringeren als dem (allein) mit der Pflegekasse abgerechneten Umfang erhalten hätte, dass sich eine "Kick-back-Zahlung" durch den Pflegedienst als "Gegenleistung" für die Mitwirkung an betrügerischem Verhalten wenigstens vordergründig als plausibel darstellen würde. Auch äußere Umstände, die auf regelmäßige Geldzuflüsse neben der Altersrente und der Grundsicherung hindeuten könnten (z.B. nachweislich verändertes Konsumverhalten), sind weder vom Antragsgegner benannt worden noch nach dem Akteninhalt ersichtlich.

Unabhängig davon ist der in dem Bescheid vom 15. August 2016 ausgewiesene Überzahlungsbetrag von 20.315,- EUR jedenfalls nicht vollständig mit den Erkenntnissen aus dem hier vorliegenden Schlussbericht des LKA in Einklang zu bringen, in dem von Zahlungen auf den Namen der Antragstellerin nur in Höhe von insgesamt 18.845,- EUR die Rede ist.

Die im vorliegenden Verfahren eingereichte "eidesstattliche Versicherung" kann angesichts dessen außer Betracht bleiben. Ihr Beweiswert erscheint allerdings fraglich. Wenn die Antragstellerin - wie sie durch ihren Bevollmächtigten vortragen lässt - der deutschen Sprache tatsächlich weder in Wort noch Schrift mächtig ist, dann erklärt sich nicht, wie sie eine handschriftliche eidesstattliche Versicherung in deutscher Sprache selbst hätte verfassen können (nach dem Schriftbild könnten die Unterschrift und der Fließtext im Übrigen von unterschiedlichen Personen stammen, was dann wiederum die Frage aufwirft, ob die Antragstellerin den Inhalt der Erklärung kannte).

Vorsorglich weist der Senat darauf abschließend darauf hin, dass die vorstehenden Ausführungen die Entscheidung in der Hauptsache nicht zugunsten der Antragstellerin präjudizieren. Je nachdem, welcher Sachverhalt sich als rechtlich entscheidungserheblich ergeben wird, kann es im Besonderen zu einer Beweislastumkehr zu ihren Lasten kommen, falls Vorgänge nicht aufklärbar sein sollten, die in ihrer persönlichen Sphäre oder in ihrer Verantwortungssphäre liegen (s. dazu etwa BSG, Urteil vom 1. Juni 2016 - B 4 AS 41/15 R -, Rn 30 in "Juris").

bb) Die Aufhebung der Vollziehung (§ 86b Abs. 1 Satz 2 SGG) war mit Blick darauf anzuordnen, dass die vom Antragsgegner einbehaltenen Beträge die der Antragstellerin zur Verfügung stehenden materiellen Mittel zur Lebensführung jedenfalls deshalb auf ein Niveau unterhalb des verfassungsrechtlich garantierten, menschenwürdigen Existenzminimums absenken (zu diesem ausführlich BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u.a. -, BVerfGE 125, 175ff), weil der Aufrechnungsbetrag über dem "Ansparanteil" an der Regelleistung liegt (also die Mittel für den täglichen Bedarf beschränkt hat).

Die zeitliche Begrenzung folgt daraus, dass das gesondert zu prüfende notwendige Interesse an der Aufhebung der Vollziehung nach § 86b Abs. 1 Satz 2 SGG erst durch die Einlegung des Rechtsbehelfs gegen die Anordnung des Sofortvollzugs dokumentiert wird.

b) Die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten für das Verfahren erster Instanz lagen vor. Wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, bestand im Besonderen auch eine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V. mit § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung [ZPO]).

2. Prozesskostenhilfe war in gleicher Weise für das Beschwerdeverfahren gegen die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes zu bewilligen. Die der Sache nach gleichfalls beantragte Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe kam dagegen bereits deshalb nicht in Betracht, weil unter "Prozessführung" im Sinne des § 114 Satz 1 ZPO nur das eigentliche Streitverfahren, nicht das Verfahren über die Prüfung der Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe zu verstehen ist (BGH, Beschlüsse vom 30. Mai 1984 - VIII 298/83 und vom 8. Juni 2004 - VI ZB 49/03).

3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens betreffend die Versagung von Prozesskostenhilfe beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO, die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten im Übrigen auf § 193 SGG.

4. Gegen diesen Beschluss gibt es kein Rechtsmittel (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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