Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 23 AL 5093/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 4082/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Das in § 44 SGB X geregelte Zugunstenverfahren dient grds. der Herstellung materieller Gerechtigkeit.
Die gesetzliche Wertung des § 42 Satz 2 SGB X gibt jedoch dem Verfahrensfehler einer fehlenden Anhörung bei Erlass des im Zugunstenverfahren zu prüfenden belastenden Verwaltungsakts auch dann Bedeutung und Gewicht, wenn selbst bei stattgefundener Anhörung eine andere Verwaltungsentscheidung nicht hätte getroffen werden dürfen. Der Bescheid ist insoweit formell rechtswidrig, was aber auch die rechtliche Wertung bedingt, dass die Entscheidung zu Unrecht getroffen worden war und nach § 44 SGB X aufzuheben ist.
Die gesetzliche Wertung des § 42 Satz 2 SGB X gibt jedoch dem Verfahrensfehler einer fehlenden Anhörung bei Erlass des im Zugunstenverfahren zu prüfenden belastenden Verwaltungsakts auch dann Bedeutung und Gewicht, wenn selbst bei stattgefundener Anhörung eine andere Verwaltungsentscheidung nicht hätte getroffen werden dürfen. Der Bescheid ist insoweit formell rechtswidrig, was aber auch die rechtliche Wertung bedingt, dass die Entscheidung zu Unrecht getroffen worden war und nach § 44 SGB X aufzuheben ist.
für Recht erkannt: Tenor: Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 14.09.2015 aufgehoben und die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide vom 04.07.2012 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 23.08.2012 verpflichtet, die Bescheide vom 12.01.2012 und 07.03.2012 zurückzunehmen.
Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtlichen Kosten in beiden Instanzen zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen eines Verfahrens nach § 44 SGB X streitig, ob die Beklagte berechtigt war, dem Kläger bewilligtes Arbeitslosengeld (Alg) wegen Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung im Umfang von mehr als 15 Stunden wöchentlich zeitweise aufzuheben und die Erstattung von bezogenem Alg sowie gezahlter Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung festzustellen.
Der 1965 geborene Kläger, serbischer Staatsangehöriger, war bis 31.07.2011 als Maurer-Vorarbeiter abhängig beschäftigt (vgl. Blatt 1 der Beklagtenakte). Nachdem er zum 31.10.2016 gekündigt worden war (Blatt 12/13 der Beklagtenakte) und für die Zeit vom 01.08.2011 bis zum 31.10.2011 wegen Insolvenz des Arbeitgebers freigestellt wurde (vgl. Arbeitsbescheinigung Blatt 6/9 der Beklagtenakte), meldete er sich am 01.08.2011 (Blatt 1 der Beklagtenakte) und am 29.08.2011 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg; der Kläger erhielt das Merkblatt 1 für Arbeitslose, nahm von dessen Inhalt Kenntnis und bestätigte dies mit seiner Unterschrift (Blatt 3/5 der Beklagtenakte).
Die Beklagte bewilligte und zahlte dem Kläger Alg ab dem 01.08.2011. Wegen Ortsabwesenheit von über 3 Wochen war der Leistungsbezug vom 23.08.2011 bis 27.08.2011 unterbrochen (Blatt 44 der Beklagtenakte).
Mit Veränderungsmitteilung vom 14.12.2011 (Blatt 46 der Beklagtenakte) teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er ab 11.11.2011 eine berufliche Tätigkeit als Maurer bei der Firma D. von weniger als 15 Stunden aufgenommen habe.
Die Beklagte forderte den Kläger auf, Bescheinigungen über die tatsächliche Höhe des Nebeneinkommen abzugeben und rechnete vorläufig ab 01.12.2011 täglich 7,83 EUR aus Nebeneinkommen auf das gezahlte Alg an (Schreiben vom 14.12.2011, Blatt 48 der Beklagtenakte; was mit Bescheid vom 14.12.2011, (Blatt 43/44 der Senatsakte) umgesetzt worden war. Mit Bescheid vom 21.12.2011 (Blatt 45/46 der Senatsakte) änderte die Beklagte das Alg des Klägers erneut ab 01.11.2011 unter Berücksichtigung von Anrechnungsbeträgen wegen Nebeneinkommen (im November: 3,50 EUR/Tag; im Dezember 7,83/Tag).
Aus der vorgelegten Bescheinigung über Nebeneinkommen im Monat November (Blatt 50/51 der Beklagtenakte) ergab sich, dass der Kläger 22,5 Arbeitsstunden insgesamt gearbeitet hatte.
Von der Beklagten aufgefordert, legte die M. Bau M. D. , S. (im Folgenden: Arbeitgeber) der Beklagten (Blatt 54/57 der Beklagtenakte) Lohnabrechnungen für Oktober 2011 (gearbeitet in KW 40 am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag jeweils 8,00 Stunden), November (gearbeitet in KW 45 am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag jeweils 7,50 Stunden) und einen Kalender aus dem Jahr 2011 vor.
Mit Bescheid vom 12.01.2012 (Blatt 67/68 der Beklagtenakte) hob die Beklagte die Bewilligung von Alg für den Zeitraum vom 04.10.2011 bis 23.10.2011 auf. Der Kläger sei ab 04.10.2011 wöchentlich 15 Stunden und mehr tätig und damit nicht mehr arbeitslos gewesen. Deshalb sei die Arbeitslosmeldung unwirksam geworden. Da sich der Kläger erst wieder am 24.10.2011 erneut persönlich arbeitslos gemeldet habe, habe er keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 04.10.2011 bis 23.10.2011 gehabt. Der überzahlte Betrag i.H.v. 976,00 EUR sei zu erstatten. Außerdem seien die Beiträge zur Krankenversicherung i.H.v. 251,65 EUR und die Beiträge zur Pflegeversicherung i.H.v. 31,66 EUR zu erstatten.
Mit weiterem Bescheid vom 12.01.2012 (Blatt 69/70 der Beklagtenakte) hob die Beklagte die Bewilligung von Alg für die Zeit vom 08.11.2011 bis 13.12.2011 auf. Der Kläger sei ab 08.11.2011 wöchentlich 15 Stunden oder mehr tätig und damit nicht mehr arbeitslos gewesen. Somit sei die Arbeitslosmeldung unwirksam geworden. Der Kläger habe sich erst am 14.12.2011 erneut persönlich arbeitslos gemeldet. Für die Zeit vom 08.11.2011 bis 13.12.2011 habe kein Anspruch auf Alg bestanden. Der überzahlte Betrag für die Zeit vom 08.11.2011 bis 13.12.2011 i.H.v. 1.574,51 EUR sei zu erstatten. Außerdem seien die Beiträge zur Krankenversicherung i.H.v. 488,50 EUR und die Beiträge zur Pflegeversicherung i.H.v. 61,46 EUR zu erstatten. Darüber hinaus berechnete die Beklagte mit weiterem Bescheid vom 12.01.2012 (Blatt 47/49 der Senatsakte) das Alg entsprechend.
Im Ermittlungsverfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten gab der Kläger nach Anhörung zum Vorwurf einer Ordnungswidrigkeit (Schreiben vom 15.02.2012) an (Blatt 78 der Beklagtenakte), er habe der Beklagten mitgeteilt, dass er geringfügig beschäftigt sei. Die Agentur für Arbeit verhängte eine Geldbuße einschließlich Gebührenfestsetzung und Auslagenersatz in Höhe von 143,50 EUR (Bußgeldbescheid vom 26.04.2012).
Nachdem nun neben Lohnabrechnungen für Oktober und November 2011 und Nebeneinkommensbescheinigungen (Blatt 84/92 der Beklagtenakte) auch eine Lohnabrechnung und Nebeneinkommensbescheinigung für den Monat Dezember 2011 vorgelegt wurde (Blatt 83, 87 der Beklagtenakte), aus der sich ergibt, dass der Kläger in KW 51 am Montag 6,00 Stunden, am Mittwoch 6,50 Stunden und am Donnerstag 3,50 Stunden gearbeitet hatte, hob die Beklagte mit Bescheid vom 07.03.2012 die Bewilligung von Alg für den Zeitraum vom 19.12.2011 bis 08.01.2012 auf (Blatt 101/102 der Beklagtenakte). Der Kläger sei ab 19.12.2011 wöchentlich 15 Stunden oder mehr tätig gewesen. Die Arbeitslosmeldung sei daher unwirksam geworden. Der Kläger habe sich erst am 09.01.2012 erneut persönlich arbeitslos gemeldet. Für die Zeit vom 19.12.2011 bis 08.01.2012 habe kein Anspruch auf Alg bestanden. Der überzahlte Betrag i.H.v. 913,54 EUR sei zu erstatten. Außerdem müssten die Beiträge zur Krankenversicherung i.H.v. 251,65 EUR und die Beiträge zur Pflegeversicherung in Höhe von 31,66 EUR erstattet werden.
Am 04.06.2012 beantragte der Kläger die Überprüfung der Bescheide vom 12.01.2012 (Blatt 128 der Beklagtenakte). Er sei in den fraglichen Zeiträumen wöchentlich nicht 15 Stunden oder mehr tätig gewesen. Nach Einsicht in die OWiG-Akte habe sich kein Hinweis über den behaupteten zeitlichen Umfang der Nebentätigkeit gefunden. Darüber hinaus beantragte der Kläger am 19.06.2012 die Überprüfung des Bescheids vom 07.03.2012 (Blatt 134 der Beklagtenakte); er habe in der Zeit vom 19.12.2011 bis 08.01.2012 keine Erwerbstätigkeit von wöchentlich 15 Stunden oder mehr ausgeübt. Er bitte um baldige Mitteilung, bei welchem Unternehmen dies gewesen sein soll und wer dies behaupte.
Mit Bescheiden vom 04.07.2012 (Blatt 135, 136 der Beklagtenakte) lehnte die Beklagte die Aufhebung der Bescheide vom 12.01.2012 und 07.03.2012 im Überprüfungsverfahren ab.
Hiergegen legte der Kläger am 30.07.2012 (Blatt 147, 148 der Beklagtenakte) Widerspruch ein. Er habe im Dezember 2012 zwar insgesamt 16 Stunden gearbeitet, nach seiner Erinnerung habe sich die Arbeitszeit aber auf mehr als drei Kalendertage erstreckt, die vom Arbeitgeber angegebenen Zahlen bezüglich der KW 51 seien unzutreffend. In KW 40 habe er nicht dreimal 8,00 Stunden und in KW 45 nicht dreimal 7,5 Stunden gearbeitet. Der Arbeitgeber habe willkürlich die Stunden auf jeweils die erste Woche des Monats zusammengefasst, weil er sich den Aufwand einer exakten Abrechnung habe sparen wollen. Tatsächlich habe er nie nur in der ersten Woche gearbeitet, auch habe er nie an drei Tagen in Folge gearbeitet. Dies könnten seine Kollegen bestätigen.
Auf Befragen durch die Beklagte legte der Arbeitgeber Aufstellungen über die Tätigkeit des Klägers in den Monaten Oktober, November und Dezember 2011 sowie Lohnabrechnungen für diese Monate vor (Blatt 154/159 der Beklagtenakte).
Mit Widerspruchsbescheiden vom 23.08.2012 (Blatt 160/162, 164/166 der Beklagtenakte) wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen richtet sich die am 14.09.2012 zum Sozialgericht (SG) Stuttgart erhobene Klage. Er habe während des Bewilligungszeitraumes eine Erwerbstätigkeit ausgeübt aber nicht in einem zeitlichen Umfang von wenigstens 15 Stunden. Er habe auf Abruf für die Fa. M. Bau D. gearbeitet. Die Darstellung des Arbeitgebers zur Arbeitszeit sei nicht richtig. Er habe in einer Woche nie mehr als 15 Stunden gearbeitet. Dies möge allenfalls einmal vor Weihnachten der Fall gewesen sein. Der Arbeitgeber habe die Arbeitszeiten seiner Aushilfskräfte willkürlich auf die Arbeitszeitlisten eingetragen. Dies werde besonders deutlich in den Aufstellungen für die Monate Januar und März 2012.
Das SG hat Beweis erhoben und den Arbeitgeber schriftlich befragt (Aussage vom 12.10.2013, Blatt 13/19 der SG-Akte).
Hiergegen hat der Kläger vorgebracht (Blatt 22 der SG-Akte), die Ausführungen des Arbeitgebers seien unglaubhaft. Ausweislich der Arbeitszeitliste März 2012 habe dieser jede Woche vier Arbeiter beschäftigt, allerdings an jedem Tag einen anderen. Es sei nicht ersichtlich, weshalb er die anfallende Arbeit auf vier Personen verteilt habe. Im Januar 2012 habe er im gleichen Modell verfahren. Lediglich im November 2011 wolle er einen Mitarbeiter an drei Tagen hintereinander beschäftigt haben.
Das SG hat den Kläger im nichtöffentlichen Termin am 05.05.2014 angehört (zur Niederschrift vgl. Blatt 28/29 der SG.-Akte) und die Klage mit Gerichtsbescheid vom 14.09.2015 abgewiesen. Der Kläger habe am 04.10.2011, 08.11.2011 und 19.12.2011 eine mehr als nur geringfügige Beschäftigung bei der Firma D. aufgenommen und jeweils 7,5 Stunden und damit 22,5 Stunden sowie am 19.12.2011, 21.12.2011 und 22.12.2011 6,0 Stunden, 6,5 Stunden und 3,5 Stunden und damit insgesamt 16 Stunden gearbeitet. Damit sei der Kläger nicht nur an diesen Tagen nicht beschäftigungslos gewesen, sondern vielmehr sei im Hinblick auf die jeweilige Beschäftigung auch die Arbeitslosmeldung des Klägers erloschen. Damit sei die Beklagte verpflichtet gewesen, gemäß § 48 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III, die Bewilligung von Alg vom 08.11.2011 bis 13.12.2011, vom 04.10.2011 bis 23.10.2011 und vom 19.12.2011 bis 08.01.2012 aufzuheben und gemäß § 50 Abs. l SGB X den Kläger zur Erstattung des geleisteten Alg zu verpflichten. Gleichzeitig sei der Kläger auch zur Erstattung der Beiträge zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung gemäß § 335 SGB III verpflichtet.
Gegen den seinem Bevollmächtigten am 15.09.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 21.09.2015 beim SG (Eingang beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg am 28.09.2015) Berufung erhoben. Das SG sei zu der Überzeugung gelangt, er habe von Oktober bis Dezember 2011 bei der Firma D. eine mehr als nur geringfügige Beschäftigung ausgeübt. Nachdem er dem Inhalt der Zeugenaussage widersprochen habe, wäre das SG verpflichtet gewesen, den Zeugen persönlich vernehmen. Aus rechtsstaatlichen Grundsätzen hätte das SG ihm Gelegenheit geben müssen, Fragen unmittelbar an den Zeugen zu stellen. Die Möglichkeit einer konfrontativen Befragung müsse auch in der Sozialgerichtsbarkeit bestehen. Nach § 119 Abs. 3 SGB III blieben gelegentliche Abweichungen von geringfügiger Dauer unberücksichtigt. Jedenfalls im Dezember 2011 handele es sich um eine solche Abweichung.
Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart sowie die Bescheide der Beklagten vom 04.07.2012 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 23.08.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Bescheide vom 12.01.2012 und 07.03.2012 zurückzunehmen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Gelegentliche Abweichungen i.S.d § 119 Abs. 3 SGB III a.F. seien solche, die nicht in regelmäßiger Wiederkehr aufträten und nicht voraussehbar seien. Diese Voraussetzungen würden - auch im Dezember 2011 - nicht erfüllt. Es sei somit nicht festzustellen, dass bei Erlass der strittigen Bescheide das Recht nicht richtig angewandt oder von einem falschen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Im Übrigen läge die Beweislast bei verbleibenden Zweifeln im Zugunstenverfahren beim Kläger.
Im nichtöffentlichen Termin am 17.06.2016 wurde J. D. , der Inhaber der früheren M. Bau D. als Zeuge vernommen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses des Termins sowie der Zeugenaussage wird auf Blatt 20/35 der Senatsakte Bezug genommen. Der Zeuge D. hat u.a. angegeben, die Eintragungen in den von ihm vorgelegten Tabellen seien richtig. Er habe damals jeden Monat die Stundenlisten an den Steuerberater gegeben. Er habe gewusst, dass der Kläger arbeitslos gewesen sei. Aber er habe nicht gewusst, ob es eine Obergrenze oder zeitliche Bestimmungen gibt. Manchmal habe er ein paar Tage hintereinander gearbeitet, dann wieder ein paar Tage nicht. Wenn jemand von den Aushilfen gerade frei gewesen sei, habe er mit ihnen gearbeitet, ansonsten habe er jemand anderes angerufen. Er habe die Aushilfen beschäftigt wie auf den Aufschrieben dargelegt. Der Steuerberater habe im Januar gesagt, dass die Mitarbeiter nicht drei bis vier Tage hintereinander beschäftigt werden dürften. Er hatte gesagt, dass in Zukunft anders abgerechnet werden müsse; wenn die Aushilfen drei oder vier Tage hintereinander beschäftigt würden, könnte man das nicht mehr als Aushilfe abrechnen.
Der Kläger hat hierzu ausgeführt, dass er seit vielen Jahren beitragspflichtig gearbeitet habe. Außerdem sei ihm die Bedeutung der Regelung nicht klar gewesen, auch dem Zeugen sei nicht klar gewesen, dass eine zeitliche Obergrenze bestanden hatte. Außerdem deute die Arbeitszeitaufteilung und die Aussage des Zeugen, dass er von einer Obergrenze erst im Januar durch den Steuerberater erfahren habe, daraufhin, dass der Aufhebungsbescheid der Beklagten rechtswidrig sei.
Der Kläger hat nunmehr (Schreiben vom 13.07.2016, Blatt 38/39 der Senatsakte) behauptet, Mitte November 2011 persönlich bei der Beklagten vorgesprochen und der für ihn zuständigen Sachbearbeiterin mitgeteilt zu haben, er habe eine geringfügige Erwerbstätigkeit aufgenommen. Er arbeite stundenweise und auf Abruf bei der Fa. D ... Dabei habe er die auf 11.11.2011 datierte Lohnabrechnung für Oktober 2011 übergeben. In dieser Abrechnung seien im Bereich "Kalender" für die 40. KW 24 Arbeitsstunden angegeben. Allerdings seien 48 Stunden abgerechnet. Die Sachbearbeiterin habe dies bemerkt und ihn befragte. Er habe erklärte, er habe im Oktober 24 Stunden gearbeitet. Die Sachbearbeiterin habe ihn dann aufgefordert, ihr eine korrigierte Lohnabrechnung zu bringen. Am 28.11.2011 habe der Zeuge D. dann die korrigierte und ebenfalls dem Gericht übergebene Lohnabrechnung Oktober 2011 erstellt. Diese weise erneut für die KW 40 insgesamt 24 Arbeitsstunden aus und sei unverzüglich von ihm der für ihn zuständigen Mitarbeiterin der Beklagten übergeben worden. Zu keinem Zeitpunkt habe die Sachbearbeiterin ihn darauf hingewiesen, es sei unzulässig, in einer Woche 15 Stunden oder mehr zu arbeiten. Unter den gegebenen Umständen, sei die Sachbearbeiterin verpflichtet gewesen, ihn, der erstmals arbeitslos gewesen sei, hierauf hinzuweisen. Sie könne sich nicht darauf berufen, er habe Wochen zuvor das Informationsblatt erhalten. Auch die Lohnabrechnung November 2011 sei der Beklagten übergeben worden. Auch hier sei kein Hinweis auf die 15-Stundenregelung erfolgt. Es seien die Vorschriften über die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes anzuwenden. Der Beklagten sei im November 2011 bekannt gewesen, dass er im Monat zuvor mehr als 15 Stunden gearbeitet habe. Dennoch sei kein Aufhebungs- und Erstattungsbescheid ergangen. Auch als die Abrechnung November 2011 vorgelegt worden sei, sei kein Bescheid ergangen. Damit habe die Beklagte einen Vertrauenstatbestand geschaffen. Er sei seiner Mitwirkungspflicht vollständig nachgekommen. Er habe monatlich Abrechnungen über seine Erwerbstätigkeit vorgelegt. Aus diesen habe sich die Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden und die Höhe des erzielten Einkommens ergeben.
Die Beklagte hat (Schreiben vom 28.07.2016, Blatt 41/49 der Senatsakte) unter Vorlage des Bescheids vom 14.12.2011 (Bewilligung von Alg ab 01.12.2011), des Änderungsbescheids vom 21.12.2011 (Alg ab 01.11.2011) und 12.01.2012 (Alg ab 04.10.2011) ausgeführt, der Kläger habe am - 26.09.2011 zwecks Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung, - 24.10.2011 zwecks Abgabe der Nachweise zu den Eigenbemühungen - 14.12.2011 u.a. zwecks Mitteilung der Nebentätigkeit seit 11.11.2011und am - 20.12.2011 zur Abgabe der vom Arbeitgeber ausgefüllten Nebeneinkommensbescheinigung vorgesprochen. Die Nebentätigkeit ab 11.11.2011 sei erstmals bei der Vorsprache am 14.12.2011 erklärt und die Veränderungsmitteilung ausgefüllt worden. Hier habe der Kläger auch angegeben, dass die Nebentätigkeit weniger als 15 Std./Woche umfasse. Durch persönliche Einreichung der Nebeneinkommensbescheinigung am 20.12.2011 sei die Höhe des Nebeneinkommens für November 2011 bekannt geworden. Die Anrechnung i.H.v. 3,50 EUR für November 2011 sei mit Änderungsbescheid vom 21.12.2011 umgesetzt worden. Die Lohnabrechnung für November 2011 sei vom Arbeitgeber am 28.12.2011 eingereicht worden. Hiermit sei erstmals bekannt geworden, dass die Nebentätigkeit bereits im Oktober 2011 begonnen hatte. Es sei eine Überprüfung erfolgt mit der Folge eines weiteren Änderungsbescheides vom 12.01.2012 und dem Erlass der streitgegenständlichen Bescheide. Es treffe nicht zu, dass der Kläger Mitte November 2011 wegen der Aufnahme der Nebentätigkeit ab Oktober 2011 vorgesprochen habe. Es sei weder eine Vorsprache dokumentiert noch die behauptete "falsche Lohnabrechnung" als Kopie in der Akte, noch sei aus der Akte zu entnehmen, dass der Kläger in einer weiteren Vorsprache Ende November 2011 die korrigierte Lohnabrechnung für Oktober 2011 vorgelegt haben will. Die Lohnabrechnungen für Oktober 2011 und November 2011 seien vielmehr Ende Dezember 2011 durch den Arbeitgeber vorgelegt worden. Auf richterlichen Hinweis vom 08.11.2016 hat sie vorgetragen, die fehlende Anhörung sei im Verfahren nach § 44 SGB X unerheblich (Blatt 57 der Senatsakte).
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Blatt 52, 53 bzw. 59, 60 der Senatsakte).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig und begründet.
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten 04.07.2012 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 23.08.2012 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat Anspruch auf Aufhebung der Bescheide vom 12.01.2012 und 07.03.2012; die Beklagte ist bei Erlass der Bescheide vom 12.01.2011 und 07.03.2011 zwar nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen, doch hat sie mangels Anhörung des Klägers das Recht unrichtig angewandt.
Nach § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Im Übrigen ist nach § 44 Abs. 2 SGB X ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
Diese Regelung findet entsprechende Anwendung, soweit mit einem Aufhebungsbescheid i.S.d. §§ 45, 48 SGB X eine Leistungsbewilligung zurückgenommen worden ist (BSG 13.02.2014 – B 4 AS 19/13 R – BSGE 115, 121-126 = SozR 4-1300 § 44 Nr. 29 = SozR 4-4200 § 40 Nr. 6 = juris RdNr. 14; BSG 04.02.1998 – B 9 V 16/96 R – SozR 3-1300 § 44 Nr. 24 = juris; BSG 28.05.1997 – 14/10 RKg 25/95 - SozR 3-1300 § 44 Nr. 21 = juris; BSG 12.12.1996 – B 11 Rar 31/96 - BSG SozR 3-1300 § 44 Nr. 19 = juris RdNr. 16; BVerwGE 97, 103, 107; Senatsurteil vom 20.02.2015 – L 8 AL 2518/14 – juris; Baumeister in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 44 SGB X, RdNr. 73; Schütze in von Wulffen/Schütze, 8. Auflage 2014, § 44 RdNr 16 f; Siewert/Waschull in LPK-SGB X, 4. Auflage, § 44 RdNr 23; Merten in Hauck/Noftz, SGB X, Stand 08/16, § 44 RdNr. 70/72; a.A. Steinwedel in KassKomm, § 44 RdNr. 42, Stand Juni 2016). Die entsprechende Anwendung folgt aus dem Regelungszweck der Vorschrift, die nicht nur Fälle erfasst, in denen den Betroffenen ein rechtlicher Nachteil durch unrechtmäßiges Vorenthalten einer Sozialleistung entstanden ist, sondern auch solche, in denen der Bürger zwar Sozialleistungen erhalten hat, die Leistungsbewilligung nachträglich jedoch zurückgenommen worden ist (BSG 13.02.2014 – B 4 AS 19/13 R – a.a.O.). Insoweit ist diejenige Vorschrift des § 44 SGB X entsprechend anzuwenden, die auch bei der "Überprüfung" der Leistungsbewilligung gegolten hätte, jedenfalls, wenn wie hier die Leistungsbewilligung aufgehoben und zugleich die gewährte Leistung zurückgefordert wird (BSG 04.02.1998 – B 9 V 16/96 R – SozR 3-1300 § 44 Nr. 24 = juris; BSG 12.12.1996 – B 11 Rar 31/96 - BSG SozR 3-1300 § 44 Nr. 19 = juris; Siewert/Waschull in LPK-SGB X, 4. Auflage, § 44 RdNr 23). Damit ist – wie im vorliegenden Fall – bei der Überprüfung von Bescheiden, die eine Sozialleistung aufheben bzw. zurücknehmen und zugleich die bereits bewilligte Leistung zurückfordern § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X entsprechend wie folgt zu lesen: Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb die Bewilligung von Sozialleistungen zu Unrecht aufgehoben oder zurückgenommen worden ist, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Maßgeblich ist in diesen Fällen daher, ob der (1.) Aufhebungs- bzw. Rücknahmebescheid rechtswidrig ist und (2.) wegen (i.S. einer Kausalität) dessen Rechtswidrigkeit die Bewilligung von Sozialleistungen zu Unrecht aufgehoben oder zurückgenommen wurde.
Der Senat konnte feststellen, dass der Kläger in der Zeit vom 04.10.2011 bis zum 23.10.2011, vom 08.11.2011 bis 13.12.2011 und vom 19.12.2011 bis zum 08.01.2012 keinen Anspruch auf Alg hatte.
Der Kläger hat im Oktober 2011 in der Kalenderwoche (KW) 40 am 04.10.2011, 05.10.2011 und 06.10.2011 jeweils 8 Stunden beim Zeugen gegen Entgelt gearbeitet. Er war daher nicht beschäftigungslos i.S.d. § 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III (in der im Jahr 2011 geltenden Fassung, im Folgenden a.F.). Die Ausübung einer Beschäftigung schließt die Beschäftigungslosigkeit nach § 119 Abs. 3 SGB III a.F. nicht aus, wenn die Arbeits- oder Tätigkeitszeit (Arbeitszeit) weniger als 15 Stunden wöchentlich umfasst. Vorliegend hat der Kläger in KW 40 insgesamt 24 Stunden gearbeitet, weshalb er nicht mehr beschäftigungslos und damit nicht arbeitslos war. Dass nach § 119 Abs. 3 HS 2 SGB III a.F. gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer unberücksichtigt bleiben, führt vorliegend nicht dazu, dass der Kläger trotz seiner 24-stündigen Beschäftigung in KW 40 noch arbeitslos wäre. Denn der Kläger hat während seiner Arbeitslosigkeit im Jahr 2011 schon von der ersten (Neben-)Beschäftigung an ständig mehr als 15 Stunden wöchentlich gearbeitet, weshalb von einem bloß gelegentlichen Überschreiten der 15-Stundengrenze nicht ausgegangen werden kann.
Die 15-Stunden-Grenze des § 119 Abs. 3 SGB III a.F. für Erwerbstätigkeiten ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Denn sie schränkt nicht den Anspruch auf Alg ein sondern erweitert diesen. Trotz Ausübung einer Beschäftigung von unter 15 Stunden pro Woche gilt – trotz tatsächlicher Beschäftigung und Ausübung einer Arbeit - Arbeitslosigkeit als eingetreten bzw. fortbestehend. Insoweit wird ein grundrechtlich geschütztes Recht nicht beeinträchtigt, vielmehr einfachgesetzlich erweitert. Denn auch Art. 12 und 14 GG gebieten trotz des durch Arbeit und Beitragszahlung erworbenen und daher geschützten Versicherungsschutzes nicht, dass Alg auch neben einer auch nur geringfügigen Beschäftigung gezahlt wird; vielmehr ist lediglich geschützt, dass Alg bei Arbeitslosigkeit zu zahlen ist. Auch soweit der Kläger die 15-Stundengrenze als willkürlich betrachtet, folgt ihm der Senat nicht. Denn die Grenze von 15 Stunden ist weder willkürlich noch ohne sachliche Rechtfertigung. Vielmehr durfte der Gesetzgeber im Rahmen der ihm zustehenden Pauschalisierungs- und Typisierungsmöglichkeit bei der Regelung vielgestaltiger und vielfältiger Sachverhalte eine zeitliche Grenze setzen, die ein Maß für eine geringe Beschäftigung darstellt. Insoweit hat er mit der Grenze von 15 Stunden pro Woche (entspricht 3 Stunden pro üblichem Arbeitstag, was auch im Rahmen des Rechts der Gesetzlichen Rentenversicherung dem Nichtvorhandensein auch nur einer geringen Erwerbsfähigkeit entspricht (§ 43 SGB VI)) eine zeitliche Grenze in einem Maß gesetzt, dass dadurch die Erwerbstätigkeit der Woche noch kein Gepräge gibt und der Arbeitslose daher nicht als erwerbstätig anzusehen ist. So hat schon der Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung (BT-Drucks 13/8994, Seite 60 zu Art. 1 Nr. 10a; dazu auch Söhngen in Eicher/Schlegel, SGB III (a.F.), Stand August 2006, § 119 RdNr. 25) darauf hingewiesen, dass die allgemeine Geringfügigkeitsgrenze i.S. einer Entgeltgrenze kein geeignetes Abgrenzungskriterium für den Versicherungsfall der "Arbeitslosigkeit" darstellt. Daher knüpft das Recht der Arbeitslosenversicherung als Voraussetzung der Arbeitslosigkeit allein an eine Zeitgrenze an (BT-Drucks a.a.O.). Bezieher von Alg sollen durch die Ausübung einer Beschäftigung, die weniger als 15 Stunden wöchentlich umfasst, ihren Leistungsanspruch nicht verlieren (BT-Drucks a.a.O.). Insoweit entspricht die 15-Stundengrenze der Geringfügigkeit einer Erwerbstätigkeit, die den Wochenverlauf nicht wesentlich prägt, und durfte daher zulässigerweise als Grenze bei der Beurteilung des Vorliegens von Arbeitslosigkeit herangezogen werden.
Der Kläger war daher am 04.10.2011, 05.10.2011 und 06.10.2011 nicht arbeitslos. Mit Aufnahme der mehr als 15 Stunden wöchentlich umfassenden Tätigkeit, die der Kläger der Beklagten nicht unverzüglich angezeigt hatte, war nicht nur Arbeitslosigkeit entfallen, vielmehr war auch die Arbeitslosmeldung erloschen (§ 122 Abs. 2 Nr. 2 SGB III a.F.). Die Beklagte hat erst durch Nachfrage beim Arbeitgeber Ende Dezember von der Ausübung dieser Beschäftigung erfahren. Damit war die Arbeitslosmeldung des Klägers erloschen, sodass er auch nach Ende der Tätigkeit am 06.10.2011 keinen Anspruch auf Alg mehr hatte. Erst mit der nächsten Vorsprache des Klägers bei der Agentur für Arbeit am 24.10.2011 konnte wieder eine Arbeitslosmeldung angenommen werden, sodass der Kläger in der Zeit vom 04.10.2011 bis zum 23.10.2011 keinen Anspruch auf Alg hatte.
Der Kläger hat im November 2011 in der Kalenderwoche 45 am 08.11.2011, 09.11.2011 und 10.11.2011 jeweils 7,5 Stunden beim Zeugen gegen Entgelt gearbeitet. Er war daher nicht beschäftigungslos i.S.d. § 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III a.F. Er hat daher in dieser Beschäftigungswoche mehr als 15 Stunden gearbeitet, weshalb er nicht mehr beschäftigungslos und damit nicht arbeitslos war. Da der Kläger während seiner Arbeitslosigkeit im Jahr 2011 schon von der ersten (Neben-)Beschäftigung an ständig mehr als 15 Stunden wöchentlich gearbeitet hat, handelt es sich auch bezüglich der Beschäftigung im November nicht um ein bloß gelegentliches Überschreiten der 15-Stundengrenze.
Der Kläger war daher am 08.11.2011, 09.11.2011 und 10.11.2011 nicht arbeitslos. Mit Aufnahme der mehr als 15 Stunden wöchentlich umfassenden Tätigkeit, die der Kläger der Beklagten nicht unverzüglich angezeigt hatte, war nicht nur Arbeitslosigkeit entfallen, vielmehr war auch die Arbeitslosmeldung erloschen (§ 122 Abs. 2 Nr. 2 SGB III a.F.). Der Kläger hat der Beklagten erst mit Veränderungsmitteilung vom 14.12.2011 (Blatt 46 der Beklagtenakte) eine Beschäftigungsaufnahme ab dem 11.11.2011 von weniger als 15 Stunden pro Woche mitgeteilt. Damit war die Arbeitslosmeldung des Klägers erloschen, sodass er auch nach Ende der Tätigkeit am 10.11.2011 keinen Anspruch auf Alg mehr hatte. Erst mit der nächsten Vorsprache des Klägers bei der Agentur für Arbeit am 14.12.2011 konnte wieder eine Arbeitslosmeldung angenommen werden, sodass der Kläger in der Zeit vom 08.11.2011 bis zum 13.12.2011 keinen Anspruch auf Alg hatte.
Im Dezember 2012 hat der Kläger in der Kalenderwoche 51 am 19.12.2011, 21.12.2011 und 22.12.2011 im Umfang von 6,0 Stunden, 6,5 Stunden und 3,5 Stunden beim Zeugen gegen Entgelt gearbeitet. Er hat daher 16 Stunden gearbeitet und war nicht beschäftigungslos i.S.d. § 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III a.F. und damit auch nicht arbeitslos. Da der Kläger während seiner Arbeitslosigkeit im Jahr 2011 schon von der ersten (Neben-)Beschäftigung an ständig mehr als 15 Stunden wöchentlich gearbeitet hat, handelt es sich auch bezüglich der Beschäftigung im Dezember nicht um ein bloß gelegentliches Überschreiten der 15-Stundengrenze.
Die Ausübung einer 15 Stunden und mehr umfassenden Erwerbstätigkeit in KW 51 am 19.12.2011, 21.12.2011 und 22.12.2011 bedeutet nicht, dass Beschäftigungslosigkeit erst mit Überschreiten der 15-Stundengrenze entfallen wäre. Vielmehr ist vorausschauend zu beurteilen (BSG 29.1.2008 – B 11 AL 52/07 R und B 11 AL 44/07 R; Söhngen in Eicher/Schlegel a.a.O. RdNr. 64), ob die 15-Stundengrenze überschritten wird oder nicht. Da der Kläger im Jahr 2011 zwar nur in wenigen Wochen, aber immer mehr als 15 Stunden gearbeitet hatte und Umstände, weshalb dies in KW 51 nicht ebenso sein sollte, nicht vorgelegen haben, ist bereits mit Aufnahme der Tätigkeit am Montag, dem 19.12.2011, Beschäftigungslosigkeit für die ganze Beschäftigungswoche entfallen. Damit lag auch am 20.12.2011 Beschäftigungslosigkeit nicht mehr vor, obwohl der Kläger an diesem Tag nicht gearbeitet hatte und sogar bei der Beklagten vorgesprochen hatte.
Der Kläger war daher am 19.12.2011, 20.12.2011, 21.12.2011 und 22.12.2011 nicht arbeitslos. Mit Aufnahme der mehr als 15 Stunden wöchentlich umfassenden Tätigkeit am 19.12.2011, die der Kläger der Beklagten nicht unverzüglich angezeigt hatte, war nicht nur Arbeitslosigkeit entfallen, vielmehr war auch die Arbeitslosmeldung erloschen (§ 122 Abs. 2 Nr. 2 SGB III a.F.). Der Kläger hatte der Beklagten zwar mit Veränderungsmitteilung vom 14.12.2011 (Blatt 46 der Beklagtenakte) eine Beschäftigungsaufnahme ab dem 11.11.2011 von weniger als 15 Stunden pro Woche mitgeteilt, eine Beschäftigung im Umfang von mehr als 15 Stunden hat er dagegen nicht mitgeteilt. Insoweit wäre es Obliegenheit des Klägers gewesen, der Beklagten mitzuteilen, dass er prognostisch bzw. vorausschauend (dazu vgl. Söhngen in Eicher/Schlegel, a.a.O. RdNr. 64) in KW 51 mehr als nur geringfügig tätig wird. Damit war die Arbeitslosmeldung des Klägers bereits am 19.12.2011 erloschen. Zwar hat der Kläger am 20.12.2011 bei der Beklagten vorgesprochen, sodass die mit Aufnahme der Tätigkeit am 19.12.2011 unwirksam gewordene Arbeitslosmeldung am 20.12.2011 durch erneute persönliche Arbeitslosmeldung wieder ersetzt werden konnte. Doch hat der Kläger auch zu diesem Zeitpunkt nicht angegeben, dass er am 21.12.2011 und 22.12.2011 erneut arbeiten wird, sodass diese nicht unverzüglich mitgeteilte Arbeitsaufnahme die Arbeitslosmeldung erneut nach § 122 Abs. 2 Nr. 2 SGB III a.F. entfallen ließ, weshalb der Kläger auch ab dem 23.12.2011 keinen Anspruch auf Alg mehr hatte. Erst mit der nächsten Vorsprache des Klägers bei der Agentur für Arbeit am 09.01.2012 konnte wieder eine Arbeitslosmeldung angenommen werden, sodass der Kläger in der Zeit vom 19.12.2011 bis zum 08.01.2012 keinen Anspruch auf Alg hatte.
Dass der Kläger an den genannten Tagen und wöchentlich mehr als 15 Stunden gearbeitet hatte, konnte der Senat den überzeugenden und damit glaubhaften Ausführungen des Zeugen D. entnehmen. Dieser konnte unter Vorlage der Lohnabrechnungen und der Arbeitsaufschriebe nachweisen, dass der Kläger an diesen Tagen gearbeitet hatte. Dass bereits im Jahr 2011 die später im Jahr 2012 dokumentierte Arbeitspraxis, nämlich die Aushilfen nicht drei bis vier Tage hintereinander in der Woche zu beschäftigen, bestanden hatte, hat der Zeuge deutlich verneint. Denn erst zum Jahreswechsel hatte ihn sein Steuerberater auf die im Jahr 2011 gepflegte, sozialrechtlich ungünstige Gestaltung der Arbeitszeit, nämlich der Beschäftigung von Aushilfen jeweils für eine ganze Woche, hingewiesen, woraufhin das Arbeitszeitmodell in Bezug auf die beim Zeugen beschäftigten Aushilfen umgestellt wurde (statt jede Woche eine andere Aushilfe nun jeden Tag eine andere Aushilfe). Damit war der Vortrag des Klägers, er habe an den dokumentierten Tagen nicht gearbeitet bzw. er habe nie drei Tage hintereinander gearbeitet, nicht nachvollziehbar und falsch. Insoweit handelt es sich, wie auch bei der Behauptungen, die Aufnahme und den vollen Umfang der Arbeitstätigkeit der Beklagten rechtzeitig – seinen Angaben nach schon im November - mitgeteilt zu haben, was sich angesichts der dokumentierten Niederschriften über die mit dem Kläger stattgefundenen Vorsprachen nicht hat beweisen lassen, um reine ins Blaue hinein gemachte Schutzbehauptungen, die der Wahrheit nicht entsprechen.
Zutreffend hat das SG daher ausgeführt, dass die Beklagte berechtigt war, nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III die Bewilligung von Alg rückwirkend jeweils ab Eintritt und für die Dauer der Änderung, mithin in der Zeit vom 04.10.2011 bis zum 23.10.2011, vom 08.11.2011 bis zum 13.12.2011 und vom 19.12.2011 bis zum 08.01.2012 aufzuheben. Der Kläger war im Merkblatt 1 für Arbeitslose, dessen Erhalt und Kenntnisnahme vom Inhalt er mit seiner Unterschrift bestätigt hatte (Blatt 5 der Beklagtenakte) hinreichend deutlich darüber belehrt worden, dass eine Beschäftigung von 15 Stunden und mehr pro Woche Arbeitslosigkeit ausschließt, dass er die Aufnahme einer Beschäftigung unverzüglich mitzuteilen hat und dass die nicht unverzügliche Mitteilung der Beschäftigungsaufnahme die persönliche Arbeitslosmeldung zum Erlöschen bringt. Hat der Kläger das Merkblatt entgegen seiner unterschriftlich bestätigten Erklärung nicht gelesen, so hat er zumindest grob fahrlässig gehandelt. Hat er das Merkblatt gelesen, so waren ihm diese Folgen einer Beschäftigungsaufnahme bekannt. Auf letzteres deutet auch hin, dass der Kläger am 14.12.2011 zumindest eine unter 15-stündige Beschäftigung ab November 2011 angezeigt hatte. Jedoch hat er auch insoweit seinen Obliegenheiten nicht genüge getan, denn er hatte tatsächlich eine mehr als 15 Stunden pro Woche umfassende Beschäftigung, und auch nicht erst ab November 2011, aufgenommen. Damit ist der Kläger seinen Mitteilungsobliegenheiten (§ 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB I) nicht nachgekommen und ist i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X der durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen. Im Übrigen wusste der Kläger durch das insoweit ausreichend deutliche Merkblatt, dass der sich aus der Bewilligung von Alg ergebende Anspruch kraft Gesetzes zumindest teilweise weggefallen ist. Sollte der Kläger das Merkblatt nicht gelesen haben, wusste er, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hatte, zumindest grob fahrlässig nicht, dass der Alg-Anspruch kraft Gesetzes zumindest teilweise weggefallen war. Damit war die Beklagte verpflichtet, die Bewilligung von Alg für die genannten Zeiträume vom 04.10.2011 bis zum 23.10.2011, vom 08.11.2011 bis zum 13.12.2011 und vom 19.12.2011 bis zum 08.01.2012 aufzuheben (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 2 und 4 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III).
Folge dieser Aufhebung war, dass der Kläger die in dieser Zeit bezogenen Alg-Beträge einschließlich der entsprechenden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu erstatten hat (§ 50 Abs. 1 SGB X, § 335 Abs. 1 und 5 SGB III a.F.). Die Beklagte hat die Beträge zutreffend ermittelt. Der Kläger hat insoweit auch keine Einwände geltend gemacht, Fehler bei der Berechnung des Erstattungsbetrages konnte der Senat – nach eigener Prüfung – nicht feststellen.
Damit erweisen sich die Bescheide vom 12.01.2012 und 07.03.2012 als materiellrechtlich zutreffend. Insoweit hat die Beklagte weder das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erwiesen hat. Insoweit besteht kein Anspruch auf Rücknahme der genannten Bescheide nach § 44 SGB X.
§ 44 SGB X erfasst auf erster Ebene (Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes) aber nicht nur Fälle einer materiellrechtlichen Rechtswidrigkeit. Vielmehr ist der Anwendungsbereich des § 44 SGB X auch dann eröffnet, wenn sich die Rechtswidrigkeit aus Verstößen gegen formelles Recht ergibt (Baumeister in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 44 RdNr. 40; Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage, § 44 RdNr. 7; Siewert/Waschull, LPK-SGB X, 4. Auflage, § 44 RdNr. 30; Steinwedel in KassKomm, Stand Juni 2016, § 44 RdNr. 39; Merten in Hauck/Noftz, SGB X, Stand 08/16, § 44 RdNr. 16; offen lassend Senatsurteil vom 20.02.2015 – L 8 AL 2518/14 – juris RdNr. 56).
Vorliegend sind die in den Bescheiden vom 12.01.2012 und 07.03.2012 beinhalteten belastenden Verwaltungsakte (Rücknahme der Leistungsbewilligung und Feststellung der Erstattungspflicht) deswegen rechtswidrig, weil die Beklagte den Kläger entgegen § 24 SGB X nicht zuvor angehört hat. Eine Heilung i.S.d. § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X durch Nachholung der Anhörung ist nicht eingetreten, da gegen die genannten Bescheide kein Widerspruchs- oder Klageverfahren durchgeführt worden war und auch sonst keine Nachholung stattgefunden hatte; eine eventuelle Einlassung des Klägers im OWiG-Verfahren genügt als Anhörung i.S.d. § 24 SGB X nicht, denn die mit Anhörungsschreiben vom 15.02.2012 im Bußgeldverfahren erfolgten Hinweise zum Schuldvorwurf und zum Recht, die Aussage zu verweigern, dienten ersichtlich anderen Zwecken, abgesehen davon, dass auch nur die Sachverhalte im Oktober und November 2011 im Anhörungsschreiben der Agentur für Arbeit Gegenstand der Anhörung waren. Auch war die Anhörung nicht gemäß § 24 Abs. 2 SGB X entbehrlich. Darüber hinaus hat der Kläger zu keinem Zeitpunkt, auch nicht im vorliegenden Verfahren, auf sein Anhörungsrecht verzichtet. Der – vom Senat bei den Agenturen für Arbeit in letzter Zeit zunehmend festgestellte – Mangel der Anhörung vor Erlass von Verwaltungsakten, die in Rechte eines Beteiligten eingreifen, führt zur Rechtswidrigkeit der Verwaltungsakte vom 12.01.2012 und 07.03.2012. Damit hat die Beklagte nicht nur gegen § 24 Abs. 1 SGB X verstoßen, sondern auch das dieser Vorschrift zugrundeliegende, aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG entspringende Gebot der Anhörung des Bürgers vor dem Eingriff in dessen Rechts verletzt. Mittlerweile ist die Rechtswidrigkeit der Bescheide vom 12.01.2012 und 07.03.2012 auch nicht mehr behebbar. Damit handelt es sich bei den in diesen Bescheiden verlautbarten Verwaltungsakten um solche, bei deren Erlass das Recht i.S.d. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X unrichtig angewandt worden war.
Auf zweiter Ebene ist im Rahmen des § 44 SGB X das Vorliegen von Kausalität zu prüfen. So verlangt § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X bereits in seinem Regelanwendungsfall, dass "deshalb" (wegen der unrichtigen Rechtsanwendung oder des sich als unrichtig herausstellenden Sachverhalts) Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Im vorliegenden Fall einer entsprechenden Anwendung des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X auf Rücknahme- bzw. Aufhebungsbescheide bedeutet dies, dass wegen der Rechtswidrigkeit des Aufhebungs- bzw. Rücknahmebescheids die Bewilligung von Sozialleistungen zu Unrecht aufgehoben oder zurückgenommen worden sein muss. Damit muss eine Kausalität bestehen zwischen der Rechtswidrigkeit des Aufhebungs- bzw. Rücknahmebescheids und der unrechtmäßigen Aufhebung bzw. Rücknahme der Bewilligung von Sozialleistungen.
Eine solche Kausalität kann bei dem formellen Recht zuzurechnenden bloßen Formvorschriften (z.B. §§ 33, 35, 36 SGB X) regelmäßig nicht festgestellt werden. Insoweit bedarf es dann auch nicht einer einschränkenden Lesart des § 44 SGB X zur Durchsetzung materiell-rechtlicher Gerechtigkeit bzw. Rechtmäßigkeit (vgl. z.B. Siewert/Waschull in LPK-SGB X, 4. Auflage, § 44 RdNr 24; Steinwedel in KassKomm, a.a.O. § 44 RdNr. 39 ff.). Insoweit dürfte es sich auch bei den Voraussetzungen der §§ 45 und 48 SGB X, die zwar im Verwaltungsverfahren geregelt sind, eher um einen Aufhebungs- bzw. Rücknahmeanspruch stützende materiell-rechtliche Regelungen handeln, bei denen eine Kausalität zwischen unrichtiger Rechtsanwendung bei Erlass des Aufhebungs- bzw. Rücknahmebescheids und der unrechtmäßigen Aufhebung bzw. Rücknahme der Bewilligung von Sozialleistungen durchaus bestehen kann. Dieser Überlegung entsprechen auch die vom BSG entschiedenen Fälle, in denen die Behörde zu Unrecht Unlauterkeit (§§ 45 Abs. 2 Satz 3, 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X) angenommen hatte, die Jahresfrist (§§ 45 Abs. 4 Satz 2, 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X) bereits abgelaufen war oder eine erforderliche Ermessensausübung (§§ 45 Abs. 1, 48 Abs. 1 Satz 2 (im atypischen Fall) SGB X) unterlassen worden war (dazu vgl. BSG 28.05.1997 – 14/10 RKg 25/95 - SozR 3-1300 § 44 Nr. 21 = juris; Siewert/Waschull in LPK-SGB X, 4. Auflage, § 44 RdNr 24).
Zwar dient das in § 44 SGB X geregelte Zugunstenverfahren der Herstellung materieller Gerechtigkeit (BSG 04.02.1998 – B 9 V 16/96 R – SozR 3-1300 § 44 Nr. 24 = juris RdNr. 16). Ein Betroffener soll über diese Regelung nicht die Wiedereinräumung einer ihm materiell nicht zustehenden Rechtsposition verlangen können (BSG a.a.O. juris RdNr. 16) oder mehr erlangen können, als ihm zusteht (BSG24.04.2014 – B 13 R 3/13 R - SozR 4-1300 § 44 Nr. 30 = juris RdNr. 22 = SgB 2015, 285-291 mit Anmerkung Mey). Ziel des § 44 SGB X ist die Auflösung der Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines unrichtigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zugunsten letzterer (BSG SozR 5870 § 2 Nr. 44 = juris). Das Gebot, der materiellen Gerechtigkeit zum Erfolg zu verhelfen, bedeutet nach der Rechtsprechung des BSG (04.02.1998 – B 9 V 16/96 R – SozR 3-1300 § 44 Nr. 24 = juris RdNr. 16), dass einem Betroffenen im Zugunstenverfahren (nur) diejenigen Leistungen gewährt werden, die ihm nach materiellem Recht bei von Anfang an zutreffender Rechtsanwendung zugestanden hätte. Dem materiellen Recht widersprechende Besserstellungen schließt § 44 SGB X aus (BSG a.a.O. unter Hinweis auf BSG SozR 1300 § 44 Nr. 38). Daraus folgt aber nicht, dass ein Verwaltungsakt, der eine nach Grundsätzen des Vertrauensschutzes unaufhebbar gewordene rechtswidrige Leistungsbewilligung aufhebt, nicht auch nach § 44 SGB X zu korrigieren wäre (BSG 04.02.1998 – B 9 V 16/96 R – SozR 3-1300 § 44 Nr. 24 = juris RdNr. 16). Der Gesetzgeber hat damit anerkannt, dass – was auch bei der Anwendung Fall des § 45 SGB X möglich ist – in manchen Fällen ein Begünstigter eine rechtswidrige Leistung behalten darf, mithin unter bestimmten Voraussetzungen eine rechtswidrig bewilligte Sozialleistung ungeachtet des Widerspruchs zum materiellen Leistungsrecht für die Zukunft weiter zu gewähren oder für die Vergangenheit zu behalten ist (§§ 45, 48 SGB X; zu letzterem: BSG 04.02.1998 – B 9 V 16/96 R – SozR 3-1300 § 44 Nr. 24 = juris RdNr. 16).
Somit stellt sich nicht die Frage, ob ein Verstoß gegen "bloßes" Verfahrensrecht im Hinblick auf die materielle Rechtslage im Rahmen der Prüfung nach § 44 SGB X unbeachtlich bleiben muss oder ob durch eine Beachtung der Verstöße gegen "lediglich" formelles Recht ein "Unpünktlicher" besser gestellt würde als ein "Pünktlicher" (Steinwedel in KassKomm, § 44 RdNr. 42a; Mey, SGb 2015, 288, 290f.), mithin der Beteiligte bei sofortiger Anfechtung des formell fehlerhaften Verwaltungsaktes gegenüber einer späteren Prüfung im Rahmen eines Verfahrens nach § 44 SGB X – z.B. wegen Heilung durch Nachholung i.S.d. § 41 Abs. 1 SGB X - schlechter gestellt würde. Vielmehr ist zu fragen, ob der Verstoß gegen das formelle Recht Ursache einer unrechtmäßigen Aufhebung bzw. Rücknahme der Bewilligung von Sozialleistungen ist; eine beachtliche Heilung des Anhörungsfehlers wäre in einem Widerspruchs- bzw. Klageverfahren, aber auch von Amts wegen außerhalb eines solchen Verfahrens durch Aufhebung des belastenden Verwaltungsaktes und ggfs. Neuentscheidung unter den Voraussetzungen der §§ 45 bzw. 48 SGB X möglich, sodass auch bei einem "Unpünktlichen" der Fehler repariert werden könnte bzw. – was die gerichtliche Erfahrung und Praxis zeigt – auch bei "Pünktlichen" eine Heilung durch Nachholung nicht immer erfolgt.
Bei dieser Kausalitätsprüfung ist zunächst jeder Rechtsverstoß gesondert zu prüfen. Vorliegend war die Aufhebung der Bewilligung von Alg alleine wegen eines Anhörungsverstoßes rechtswidrig. Ob ein solcher Anhörungsverstoß immer einem Verfahren nach § 44 SGB X zum Erfolg verhilft (so noch Schütze in von Wulffen, SGB X, 7. Auflage, § 42 RdNr. 10 unter Hinweis auf BSG 31.10.1978 – 2 RU 39/78 – SozR 1200 § 34 Nr. 4 = juris) oder jedenfalls im Rahmen eines Verfahrens nach § 44 SGB X beachtlich ist oder nie von Bedeutung ist (BSG 20.07.2011 – B 13 R 40/10 R – juris RdNr. 40; offen lassend BSG 07.04.2016 – B 5 R 26/15 R – SozR 4-2600 § 89 Nr. 3, = juris RdNr. 39; BSG 04.12.2014 – B 5 RE 12/14 R – SozR 4-2600 § 165 Nr. 1, = juris RdNr. 17), ist nach der bestehenden Rechtslage nicht maßgeblich. Diese verlangt vielmehr eine Kausalität zwischen der Rechtswidrigkeit des nach § 44 SGB X zu überprüfenden Verwaltungsaktes und einer zu Unrecht erfolgten Aufhebung bzw. Rücknahme von Sozialleistungen. So ist im Rahmen der Kausalitätsprüfung bei § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X festzustellen, ob der formelle Fehler des Aufhebungs-/Rücknahmebescheids Ursache einer zu Unrecht erfolgten Aufhebung bzw. Rücknahme der Sozialleistungen ist.
Insoweit muss vorliegend darauf hingewiesen werden, dass das Ergebnis der Anhörung für den Erlass der Aufhebungs- und Erstattungsbescheide materiell ohne rechtliche Relevanz gewesen wäre. Denn anhand der festgestellten und objektiv vorliegenden Umstände war die Beklagte nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 4 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III sowie § 50 Abs. 1 SGB X und § 335 Abs. 1 und 3 SGB III verpflichtet, die Bewilligung von Alg in den Zeiträumen vom 04.10.2011 bis zum 23.10.2011, vom 08.11.2011 bis zum 13.12.2011 und vom 19.12.2011 bis zum 08.01.2012 aufzuheben (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 2 und 4 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III) sowie gezahltes Alg und die geleisteten Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung erstattet zu verlangen. Die Beklagte hatte weder Ermessen auszuüben, noch Vertrauensschutzgesichtspunkte zu prüfen. Die Anhörung hätte insoweit "lediglich" der Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts gedient.
Damit scheint es zunächst so, als hätte sich die fehlende Anhörung, die zwar die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide rechtswidrig gemacht hatte, nicht auf die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Bewilligung von Alg in den Zeiträumen vom 04.10.2011 bis zum 23.10.2011, vom 08.11.2011 bis zum 13.12.2011 und vom 19.12.2011 bis zum 08.01.2012 sowie die Erstattung von Alg und Beiträgen ausgewirkt, weshalb eine Kausalität zwischen der Rechtswidrigkeit des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids einerseits und einer unrechtmäßigen Aufhebung der Bewilligung von Alg bzw. der unrechtmäßigen Festsetzung der Erstattung von Alg bzw. von Beiträgen nicht naheliegend scheint.
Jedoch sind bei der Beurteilung der Kausalität auch gesetzliche Wertungen zu berücksichtigen. Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass sich der Gesetzgeber mit § 44 SGB X an der materiell-rechtlichen Rechtslage orientiert. Zu beachten sind aber auch Wertungen aus anderen gesetzlichen Grundlagen. Insoweit hat der Gesetzgeber in § 42 Satz 1 SGB X ausgeführt, dass die Aufhebung eines nicht nichtigen Verwaltungsaktes nicht allein deshalb beansprucht werden kann, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn zugleich offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat; dass § 42 SGB X aber lediglich im Widerspruchs- und Klageverfahren gegen einen Verwaltungsakt Geltung findet, nicht aber in Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.
§ 42 Satz 1 SGB X fordert für den Fall einer zulässigen Aufhebung eines formell rechtswidrigen Verwaltungsaktes eine besonders ausgestaltete Kausalität ("wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat") zwischen der formellen Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsaktes und dem Ergebnis der Verwaltungsentscheidung (zur Kausalität bei § 42 SGB X vgl. Leopold in Schlegel/Voelzke, LPK-SGB X, § 42 RdNr. 45 ff.; Littmann in Hauck/Noftz, SGB X, § 42 RdNr. 16 ff., 18); eine solche dürfte bei gebundenen Entscheidungen grds. nicht bestehen. Das entspricht im Ergebnis dem zu § 44 SGB X von Rechtsprechung und Literatur – wenn auch mit anderen Argumenten - vertretenen Ansatz, dass reine Verfahrensverstöße eine Rücknahme nach § 44 SGB X nicht rechtfertigen; denn nach dem vorliegend vertretenen Verständnis des Senats dürften diese in § 42 Satz 1 SGB X in Bezug genommene Fehler nicht kausal für die Aufhebung bzw. Rücknahme von Sozialleistungen sein.
Die Bestimmung des § 42 Satz 1 SGB X gilt nach dessen Satz 2 aber gerade dann nicht, wenn – wie vorliegend - die erforderliche Anhörung unterblieben oder nicht wirksam nachgeholt ist. Damit misst der Gesetzgeber der fehlenden Anhörung auch dann Bedeutung und Gewicht bei, wenn ganz offensichtlich ist, dass selbst bei stattgefundener Anhörung ein anderes Ergebnis, mithin eine andere Verwaltungsentscheidung, nicht getroffen werden durfte, und bringt zum Ausdruck, dass eine fehlende Anhörung das Kausalitätserfordernis verdrängt. Somit ist der Anhörungsfehler – anders als in Verfahren nach dem VwVfG, wo eine § 42 Satz 2 SGB X entsprechende Regelung fehlt (vgl. § 46 VwVfG) - auch dann beachtlich, wenn es sich um eine gebundene Verwaltungsentscheidung handelt.
Die Einführung des § 42 Satz 2 SGB X wurde im Gesetzgebungsverfahren durch den Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung (11. Ausschuss; BT-Drucks 8/4022 Seite 82) aus folgenden Gründen vorgeschlagen: "Die Anfügung von Satz 2 trägt der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Rechnung (vgl. z. B. Urteil vom 31. Oktober 1978 — 2 RU 39/78 —, Urteil vom 2. Mai 1979 — 2 RU 9/79). Mit der gesetzlichen Festlegung (§ 34 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch, nunmehr § 23 a des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch) des zum Grundrecht erhobenen Grundsatzes des rechtlichen Gehörs (Artikel 103 Abs. 1 GG) im Verfahren der Sozialverwaltung ist der in Rechtsprechung und Rechtslehre vertretenen Auffassung Rechnung getragen worden, daß es mit Rücksicht auf das auch die Verwaltung verpflichtende Rechtsstaatsprinzip und damit im Kern zur Wahrung der Menschenwürde geboten ist, das rechtliche Gehör im Verwaltungsverfahren jedenfalls dann zu geben, wenn in die Rechte eines Beteiligten eingegriffen werden soll."
In den zitierten Entscheidungen hat das BSG (31.10.1978 – 2 RU 39/78 – SozR 1200 § 34 Nr. 4 = juris) ausgeführt, dass der Anhörung Beteiligter vor Erlass eines Verwaltungsaktes ähnliches Gewicht zu komme wie dem Grundrecht des rechtlichen Gehörs im gerichtlichen Verfahren. Mit der gesetzlichen Festlegung des zum Grundrecht erhobenen Grundsatzes des rechtlichen Gehörs im Verfahren der Sozialverwaltungen sei der in Rechtsprechung und Rechtslehre vertretenen Auffassung Rechnung getragen, dass es mit Rücksicht auf das auch die Verwaltung verpflichtende Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und damit im Kern zur Wahrung der Menschwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) geboten sei, das rechtliche Gehör im Verwaltungsverfahren jedenfalls dann zu gewähren, wenn in die Rechte eines Beteiligten eingegriffen werden soll (BSG 31.10.1978 – 2 RU 39/78 – SozR 1200 § 34 Nr. 4 = juris RdNr. 16 unter Hinweis auf BVerfGE 9, 89, 95; 27, 88, 103; Maunz/Dürig/Herzog, Grundgesetz, Art 103 RdNrn. 4, 92, 93; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 8. Aufl Seite 79 z m.N.). Der Einzelne solle nicht bloßes Objekt des Verwaltungsverfahrens sein (BSG 02.05.1979 – 2 RU 9/79 – =juris RdNr. 14). § 34 SGB I (jetzt § 24 SGB X) wolle die Anhörung des Beteiligten im Verwaltungsverfahren selbst sichern, und zwar durch die Stelle, die über den Erlass und den Inhalt des Verwaltungsaktes zu entscheiden habe, damit der Beteiligte auf das Verfahren und den Inhalt der Entscheidung Einfluss nehmen könne (BSG 02.05.1979 – 2 RU 9/79 – =juris RdNr. 14). Sie diene der Verbesserung des Schutzes gegen Überraschungsentscheidungen und solle allgemein das Vertrauensverhältnis zwischen den Bürgern und der Sozialverwaltung stärken (BSG a.a.O.). Daraus leite sich her, dass § 34 Abs. 1 SGB I (jetzt § 24 Abs. 1 SGB X) nicht nur eine bloße, den ordnungsmäßigen Ablauf des Verfahrensganges regelnde Formvorschrift sei, deren Verletzung ohne Auswirkung auf die Sachentscheidung bleibe (BSG a.a.O.). Dem Zweck und der Schutzfunktion dieser Vorschrift stehe zwar im Grundsatz die Nachholung der vorschriftswidrig unterbliebenen Anhörung mit heilender Wirkung nicht entgegen, jedoch nur solange, wie sich der bezweckte Sinn der Anhörung in einem späteren Verfahrensstadium noch uneingeschränkt auszuwirken vermöge (BSG a.a.O.). Zwar hatte das BSG eine Heilung im Widerspruchsverfahren zugelassen (BSG a.a.O. unter Hinweis auf BSG SozR 1200 § 34 Nrn. 1 und 7), doch hat es gleichwohl erwogen, dass auch gegen eine Heilung der unterbliebenen Anhörung im Widerspruchsverfahren Bedenken bestehen, da § 34 Abs. 1 SGB I (jetzt § 24 Abs. 1 SGB X) auch die Vorstellung des Normgebers zugrunde liege, dass die Anhörung vor Erlass des Verwaltungsaktes einen wirksameren Schutz gewährleiste als die Prüfung nachträglicher Einwendungen durch die Widerspruchsstelle. Zwar werde von der Widerspruchsstelle auch die Zweckmäßigkeit eines Verwaltungsaktes nachgeprüft (§ 78 Abs. 1 Satz 1 SGG), jedoch könne eine einmal ausgesprochene Rentenherabsetzung oder -entziehung zu einem bestimmten Zeitpunkt bereits eine Verfestigung zu Lasten des Beteiligten bedeuten, der gegenüber das Vorbringen des Beteiligten im Widerspruchsverfahren zu keiner günstigeren Entscheidung mehr führe (BSG a.a.O.). Andererseits könne sich der mit der Anhörung bezweckte Sinn im Widerspruchsverfahren noch auswirken, da der Widerspruch gegen Verwaltungsakte, welche in der Sozialversicherung eine laufende Leistung entzögen, aufschiebende Wirkung habe (§ 86 Abs. 2 SGG; BSG a.a.O.). Sei allerdings die Herabsetzung oder die Entziehung der Rente wirksam geworden, was regelmäßig im Klageverfahren der Fall sei, könne der mit der vorherigen Anhörung beabsichtigte Zweck nicht mehr verwirklicht werden (BSG a.a.O.). Der Verfahrensmangel gewinne vom Zeitpunkt der Vollziehung des Verwaltungsaktes an einen Schweregrad, der zur Aufhebung des Rentenentziehungs- oder -herabsetzungsbescheides führe, auch wenn die getroffene Maßnahme sachlich gerechtfertigt sein sollte (BSG a.a.O. unter Hinweis auf BVerwGE 27, 295, 302 und BVerwGE 44, 17, 21).
Vor diesem Hintergrund muss die Bestimmung des § 42 Satz 2 SGB X als gesetzliche Wertung verstanden werden, die nicht nur mit Bezug auf ein dem fehlerhaften Verwaltungsakt nachfolgendes Widerspruchs- und Klageverfahren zu sehen ist, sondern auch im Hinblick auf Entscheidungen nach §§ 44 und 45 SGB X Bedeutung hat. Nach § 42 Satz 2 SGB X kommt es nicht darauf an, ob der Anhörungsfehler kausal für die konkret getroffene Entscheidung ist. Vielmehr ist dieser Wertung zu entnehmen, dass eine unterbliebene Anhörung im Rahmen einer "untechnisch verstandenen" Aufhebung (Rücknahme und Aufhebung auch i.S.d. §§ 44 bis 48 SGB X) Kausalitätserwägungen beiseite drängt und daher immer von Bedeutung ist. Hat der Gesetzgeber einer Anhörung, die – heute – im Ausgangsverfahren sogar noch unter den erleichterten Bedingungen des § 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X bis zur letzten Tatsacheninstanz im gerichtlichen Verfahren nachgeholt werden kann, und die trotz der ausgeweiteten Heilungsmöglichkeiten unterblieben ist, aber mit § 42 Satz 2 SGB X ein solches Gewicht beigemessen, dass es bei einer Aufhebung nicht darauf ankommt, ob sich durch die Anhörung das Ergebnis der Verwaltungsentscheidung ändern könnte, sondern dass alleine die fehlende Anhörung Grund einer Aufhebung sein kann, so bleiben bei fehlender Anhörung nicht nur der ursprüngliche Aufhebungs- und Rücknahmebescheid formell rechtswidrig, vielmehr wird auch die mit diesem Verfahrensfehler behaftete Aufhebung der Bewilligung der zugrundeliegenden Sozialleistung rechtswidrig. Damit macht die fehlende Anhörung beim Erlass der Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 12.01.2012 und 07.03.2012 nicht nur diese Bescheide formell rechtswidrig sondern bedingt auch die rechtliche Wertung, dass die Bewilligung von Sozialleistungen zu Unrecht aufgehoben oder zurückgenommen und Erstattungspflichten zu Unrecht festgestellt worden sind; einer Rüge des Anhörungsfehlers bedarf es nicht, da dieser von Amts wegen zu beachten ist (Littmann in Hauck/Noftz, SGB X, § 42 RdNr. 28 unter Hinweis auf Großer Senat des BSG 19.02.1992 – GS 1/89 – SozR 3-1300 § 24 Nr. 6 = juris). Diese aus dem Gewicht des Verfahrensverstoßes resultierende Konsequenz verhilft letztlich dem Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs in dem vom Gesetzgeber vorgesehenen Verfahrensabschnitt zur Durchsetzung, da die Verwaltung ansonsten in Abkehr von der gesetzlichen Regelung immer auf die Nachholung und Heilung im nachfolgenden Verfahrensabschnitten vertrauen könnte. Damit muss der Senat aber feststellen, dass vorliegend die fehlende Anhörung die unrechtmäßige Aufhebung bzw. Rücknahme der Bewilligung von Alg bzw. die unrechtmäßige Feststellung von Erstattungspflichten bedingt. Insoweit schlägt die unterbliebene Anhörung beim Erlass der Bescheide vom 12.01.2012 und 07.03.2012 auf die Prüfung nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X durch.
Diese vom Senat angenommene Rechtsfolge steht nicht im Wertungswiderspruch zu den Erfordernissen des gerichtlichen Rechtsbehelfs einer Anhörungsrüge nach § 178a SGG, der ausdrücklich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise fordert. Insoweit verlangt der Gesetzgeber, dass der Verstoß nur dann erfolgreich gerügt werden kann, wenn nicht auszuschließen ist, dass das Gericht ohne die Verletzung des rechtlichen Gehörs zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl, § 178 Rn. 5b mit weiteren Nachweisen). Abgesehen davon, dass für diesen Rechtsbehelf der Gesetzgeber die Kausalität des Rechtsverstoßes ausdrücklich geregelt hat, ist die Differenzierung zwischen der Rüge der Gehörsverletzung im gerichtlichen Verfahren und der vergleichbaren Rüge in einem Verwaltungsverfahren mit dem Ziel des Erlasses eines belastenden Verwaltungsaktes gerechtfertigt. Im gerichtlichen Verfahren gilt die Dispositionsmaxime, weshalb der Kläger grundsätzlich Herr des Verfahrens ist und den Umfang des auf seiner Initiative beruhenden Verfahrens bzw. Begehrens selbst bestimmen kann, was in der Regel auch in dem mit der Anhörungsrüge angegriffenen abgeschlossenen Verfahren der Fall war. Demgegenüber wird der Adressat eines belastenden Verwaltungsakts ohne eigenes Zutun – oft unerwartet – durch den Rechtsetzungsakt der Behörde in einem eigenen Recht tangiert, so dass er bei unterbliebener Anhörung unvermittelt durch den Verwaltungsakt belastet ist ohne jemals eigene Einwendungen gegen den Erlass der Verwaltungsentscheidung erheben zu können bzw. erhoben zu haben.
Die Beklagte war daher unter Aufhebung der Bescheide vom 04.07.2012 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 23.08.2012 zu verpflichten, die Bescheide vom 12.01.2012 und 07.03.2012 zurückzunehmen. Sie ist nunmehr nach Ablauf der Jahresfrist (§ 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X) nicht mehr in der Lage, die in den aufzuhebenden Bescheiden getroffenen Regelungen erneut zu erlassen. Damit erlangt der Kläger mit der vorliegenden Entscheidung auch keine Rechtsposition, die er sofort (§§ 45, 48, 50 Abs. 1 SGB X) wieder an die Beklagte zurückzugeben hätte (§ 242 BGB). Daher kann der vorliegenden Entscheidung nicht entgegen gehalten werden, dass sie zu einer unzulässigen Rechtsausübung führt (§ 242 BGB).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtlichen Kosten in beiden Instanzen zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen eines Verfahrens nach § 44 SGB X streitig, ob die Beklagte berechtigt war, dem Kläger bewilligtes Arbeitslosengeld (Alg) wegen Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung im Umfang von mehr als 15 Stunden wöchentlich zeitweise aufzuheben und die Erstattung von bezogenem Alg sowie gezahlter Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung festzustellen.
Der 1965 geborene Kläger, serbischer Staatsangehöriger, war bis 31.07.2011 als Maurer-Vorarbeiter abhängig beschäftigt (vgl. Blatt 1 der Beklagtenakte). Nachdem er zum 31.10.2016 gekündigt worden war (Blatt 12/13 der Beklagtenakte) und für die Zeit vom 01.08.2011 bis zum 31.10.2011 wegen Insolvenz des Arbeitgebers freigestellt wurde (vgl. Arbeitsbescheinigung Blatt 6/9 der Beklagtenakte), meldete er sich am 01.08.2011 (Blatt 1 der Beklagtenakte) und am 29.08.2011 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg; der Kläger erhielt das Merkblatt 1 für Arbeitslose, nahm von dessen Inhalt Kenntnis und bestätigte dies mit seiner Unterschrift (Blatt 3/5 der Beklagtenakte).
Die Beklagte bewilligte und zahlte dem Kläger Alg ab dem 01.08.2011. Wegen Ortsabwesenheit von über 3 Wochen war der Leistungsbezug vom 23.08.2011 bis 27.08.2011 unterbrochen (Blatt 44 der Beklagtenakte).
Mit Veränderungsmitteilung vom 14.12.2011 (Blatt 46 der Beklagtenakte) teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er ab 11.11.2011 eine berufliche Tätigkeit als Maurer bei der Firma D. von weniger als 15 Stunden aufgenommen habe.
Die Beklagte forderte den Kläger auf, Bescheinigungen über die tatsächliche Höhe des Nebeneinkommen abzugeben und rechnete vorläufig ab 01.12.2011 täglich 7,83 EUR aus Nebeneinkommen auf das gezahlte Alg an (Schreiben vom 14.12.2011, Blatt 48 der Beklagtenakte; was mit Bescheid vom 14.12.2011, (Blatt 43/44 der Senatsakte) umgesetzt worden war. Mit Bescheid vom 21.12.2011 (Blatt 45/46 der Senatsakte) änderte die Beklagte das Alg des Klägers erneut ab 01.11.2011 unter Berücksichtigung von Anrechnungsbeträgen wegen Nebeneinkommen (im November: 3,50 EUR/Tag; im Dezember 7,83/Tag).
Aus der vorgelegten Bescheinigung über Nebeneinkommen im Monat November (Blatt 50/51 der Beklagtenakte) ergab sich, dass der Kläger 22,5 Arbeitsstunden insgesamt gearbeitet hatte.
Von der Beklagten aufgefordert, legte die M. Bau M. D. , S. (im Folgenden: Arbeitgeber) der Beklagten (Blatt 54/57 der Beklagtenakte) Lohnabrechnungen für Oktober 2011 (gearbeitet in KW 40 am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag jeweils 8,00 Stunden), November (gearbeitet in KW 45 am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag jeweils 7,50 Stunden) und einen Kalender aus dem Jahr 2011 vor.
Mit Bescheid vom 12.01.2012 (Blatt 67/68 der Beklagtenakte) hob die Beklagte die Bewilligung von Alg für den Zeitraum vom 04.10.2011 bis 23.10.2011 auf. Der Kläger sei ab 04.10.2011 wöchentlich 15 Stunden und mehr tätig und damit nicht mehr arbeitslos gewesen. Deshalb sei die Arbeitslosmeldung unwirksam geworden. Da sich der Kläger erst wieder am 24.10.2011 erneut persönlich arbeitslos gemeldet habe, habe er keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 04.10.2011 bis 23.10.2011 gehabt. Der überzahlte Betrag i.H.v. 976,00 EUR sei zu erstatten. Außerdem seien die Beiträge zur Krankenversicherung i.H.v. 251,65 EUR und die Beiträge zur Pflegeversicherung i.H.v. 31,66 EUR zu erstatten.
Mit weiterem Bescheid vom 12.01.2012 (Blatt 69/70 der Beklagtenakte) hob die Beklagte die Bewilligung von Alg für die Zeit vom 08.11.2011 bis 13.12.2011 auf. Der Kläger sei ab 08.11.2011 wöchentlich 15 Stunden oder mehr tätig und damit nicht mehr arbeitslos gewesen. Somit sei die Arbeitslosmeldung unwirksam geworden. Der Kläger habe sich erst am 14.12.2011 erneut persönlich arbeitslos gemeldet. Für die Zeit vom 08.11.2011 bis 13.12.2011 habe kein Anspruch auf Alg bestanden. Der überzahlte Betrag für die Zeit vom 08.11.2011 bis 13.12.2011 i.H.v. 1.574,51 EUR sei zu erstatten. Außerdem seien die Beiträge zur Krankenversicherung i.H.v. 488,50 EUR und die Beiträge zur Pflegeversicherung i.H.v. 61,46 EUR zu erstatten. Darüber hinaus berechnete die Beklagte mit weiterem Bescheid vom 12.01.2012 (Blatt 47/49 der Senatsakte) das Alg entsprechend.
Im Ermittlungsverfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten gab der Kläger nach Anhörung zum Vorwurf einer Ordnungswidrigkeit (Schreiben vom 15.02.2012) an (Blatt 78 der Beklagtenakte), er habe der Beklagten mitgeteilt, dass er geringfügig beschäftigt sei. Die Agentur für Arbeit verhängte eine Geldbuße einschließlich Gebührenfestsetzung und Auslagenersatz in Höhe von 143,50 EUR (Bußgeldbescheid vom 26.04.2012).
Nachdem nun neben Lohnabrechnungen für Oktober und November 2011 und Nebeneinkommensbescheinigungen (Blatt 84/92 der Beklagtenakte) auch eine Lohnabrechnung und Nebeneinkommensbescheinigung für den Monat Dezember 2011 vorgelegt wurde (Blatt 83, 87 der Beklagtenakte), aus der sich ergibt, dass der Kläger in KW 51 am Montag 6,00 Stunden, am Mittwoch 6,50 Stunden und am Donnerstag 3,50 Stunden gearbeitet hatte, hob die Beklagte mit Bescheid vom 07.03.2012 die Bewilligung von Alg für den Zeitraum vom 19.12.2011 bis 08.01.2012 auf (Blatt 101/102 der Beklagtenakte). Der Kläger sei ab 19.12.2011 wöchentlich 15 Stunden oder mehr tätig gewesen. Die Arbeitslosmeldung sei daher unwirksam geworden. Der Kläger habe sich erst am 09.01.2012 erneut persönlich arbeitslos gemeldet. Für die Zeit vom 19.12.2011 bis 08.01.2012 habe kein Anspruch auf Alg bestanden. Der überzahlte Betrag i.H.v. 913,54 EUR sei zu erstatten. Außerdem müssten die Beiträge zur Krankenversicherung i.H.v. 251,65 EUR und die Beiträge zur Pflegeversicherung in Höhe von 31,66 EUR erstattet werden.
Am 04.06.2012 beantragte der Kläger die Überprüfung der Bescheide vom 12.01.2012 (Blatt 128 der Beklagtenakte). Er sei in den fraglichen Zeiträumen wöchentlich nicht 15 Stunden oder mehr tätig gewesen. Nach Einsicht in die OWiG-Akte habe sich kein Hinweis über den behaupteten zeitlichen Umfang der Nebentätigkeit gefunden. Darüber hinaus beantragte der Kläger am 19.06.2012 die Überprüfung des Bescheids vom 07.03.2012 (Blatt 134 der Beklagtenakte); er habe in der Zeit vom 19.12.2011 bis 08.01.2012 keine Erwerbstätigkeit von wöchentlich 15 Stunden oder mehr ausgeübt. Er bitte um baldige Mitteilung, bei welchem Unternehmen dies gewesen sein soll und wer dies behaupte.
Mit Bescheiden vom 04.07.2012 (Blatt 135, 136 der Beklagtenakte) lehnte die Beklagte die Aufhebung der Bescheide vom 12.01.2012 und 07.03.2012 im Überprüfungsverfahren ab.
Hiergegen legte der Kläger am 30.07.2012 (Blatt 147, 148 der Beklagtenakte) Widerspruch ein. Er habe im Dezember 2012 zwar insgesamt 16 Stunden gearbeitet, nach seiner Erinnerung habe sich die Arbeitszeit aber auf mehr als drei Kalendertage erstreckt, die vom Arbeitgeber angegebenen Zahlen bezüglich der KW 51 seien unzutreffend. In KW 40 habe er nicht dreimal 8,00 Stunden und in KW 45 nicht dreimal 7,5 Stunden gearbeitet. Der Arbeitgeber habe willkürlich die Stunden auf jeweils die erste Woche des Monats zusammengefasst, weil er sich den Aufwand einer exakten Abrechnung habe sparen wollen. Tatsächlich habe er nie nur in der ersten Woche gearbeitet, auch habe er nie an drei Tagen in Folge gearbeitet. Dies könnten seine Kollegen bestätigen.
Auf Befragen durch die Beklagte legte der Arbeitgeber Aufstellungen über die Tätigkeit des Klägers in den Monaten Oktober, November und Dezember 2011 sowie Lohnabrechnungen für diese Monate vor (Blatt 154/159 der Beklagtenakte).
Mit Widerspruchsbescheiden vom 23.08.2012 (Blatt 160/162, 164/166 der Beklagtenakte) wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen richtet sich die am 14.09.2012 zum Sozialgericht (SG) Stuttgart erhobene Klage. Er habe während des Bewilligungszeitraumes eine Erwerbstätigkeit ausgeübt aber nicht in einem zeitlichen Umfang von wenigstens 15 Stunden. Er habe auf Abruf für die Fa. M. Bau D. gearbeitet. Die Darstellung des Arbeitgebers zur Arbeitszeit sei nicht richtig. Er habe in einer Woche nie mehr als 15 Stunden gearbeitet. Dies möge allenfalls einmal vor Weihnachten der Fall gewesen sein. Der Arbeitgeber habe die Arbeitszeiten seiner Aushilfskräfte willkürlich auf die Arbeitszeitlisten eingetragen. Dies werde besonders deutlich in den Aufstellungen für die Monate Januar und März 2012.
Das SG hat Beweis erhoben und den Arbeitgeber schriftlich befragt (Aussage vom 12.10.2013, Blatt 13/19 der SG-Akte).
Hiergegen hat der Kläger vorgebracht (Blatt 22 der SG-Akte), die Ausführungen des Arbeitgebers seien unglaubhaft. Ausweislich der Arbeitszeitliste März 2012 habe dieser jede Woche vier Arbeiter beschäftigt, allerdings an jedem Tag einen anderen. Es sei nicht ersichtlich, weshalb er die anfallende Arbeit auf vier Personen verteilt habe. Im Januar 2012 habe er im gleichen Modell verfahren. Lediglich im November 2011 wolle er einen Mitarbeiter an drei Tagen hintereinander beschäftigt haben.
Das SG hat den Kläger im nichtöffentlichen Termin am 05.05.2014 angehört (zur Niederschrift vgl. Blatt 28/29 der SG.-Akte) und die Klage mit Gerichtsbescheid vom 14.09.2015 abgewiesen. Der Kläger habe am 04.10.2011, 08.11.2011 und 19.12.2011 eine mehr als nur geringfügige Beschäftigung bei der Firma D. aufgenommen und jeweils 7,5 Stunden und damit 22,5 Stunden sowie am 19.12.2011, 21.12.2011 und 22.12.2011 6,0 Stunden, 6,5 Stunden und 3,5 Stunden und damit insgesamt 16 Stunden gearbeitet. Damit sei der Kläger nicht nur an diesen Tagen nicht beschäftigungslos gewesen, sondern vielmehr sei im Hinblick auf die jeweilige Beschäftigung auch die Arbeitslosmeldung des Klägers erloschen. Damit sei die Beklagte verpflichtet gewesen, gemäß § 48 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III, die Bewilligung von Alg vom 08.11.2011 bis 13.12.2011, vom 04.10.2011 bis 23.10.2011 und vom 19.12.2011 bis 08.01.2012 aufzuheben und gemäß § 50 Abs. l SGB X den Kläger zur Erstattung des geleisteten Alg zu verpflichten. Gleichzeitig sei der Kläger auch zur Erstattung der Beiträge zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung gemäß § 335 SGB III verpflichtet.
Gegen den seinem Bevollmächtigten am 15.09.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 21.09.2015 beim SG (Eingang beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg am 28.09.2015) Berufung erhoben. Das SG sei zu der Überzeugung gelangt, er habe von Oktober bis Dezember 2011 bei der Firma D. eine mehr als nur geringfügige Beschäftigung ausgeübt. Nachdem er dem Inhalt der Zeugenaussage widersprochen habe, wäre das SG verpflichtet gewesen, den Zeugen persönlich vernehmen. Aus rechtsstaatlichen Grundsätzen hätte das SG ihm Gelegenheit geben müssen, Fragen unmittelbar an den Zeugen zu stellen. Die Möglichkeit einer konfrontativen Befragung müsse auch in der Sozialgerichtsbarkeit bestehen. Nach § 119 Abs. 3 SGB III blieben gelegentliche Abweichungen von geringfügiger Dauer unberücksichtigt. Jedenfalls im Dezember 2011 handele es sich um eine solche Abweichung.
Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart sowie die Bescheide der Beklagten vom 04.07.2012 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 23.08.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Bescheide vom 12.01.2012 und 07.03.2012 zurückzunehmen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Gelegentliche Abweichungen i.S.d § 119 Abs. 3 SGB III a.F. seien solche, die nicht in regelmäßiger Wiederkehr aufträten und nicht voraussehbar seien. Diese Voraussetzungen würden - auch im Dezember 2011 - nicht erfüllt. Es sei somit nicht festzustellen, dass bei Erlass der strittigen Bescheide das Recht nicht richtig angewandt oder von einem falschen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Im Übrigen läge die Beweislast bei verbleibenden Zweifeln im Zugunstenverfahren beim Kläger.
Im nichtöffentlichen Termin am 17.06.2016 wurde J. D. , der Inhaber der früheren M. Bau D. als Zeuge vernommen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses des Termins sowie der Zeugenaussage wird auf Blatt 20/35 der Senatsakte Bezug genommen. Der Zeuge D. hat u.a. angegeben, die Eintragungen in den von ihm vorgelegten Tabellen seien richtig. Er habe damals jeden Monat die Stundenlisten an den Steuerberater gegeben. Er habe gewusst, dass der Kläger arbeitslos gewesen sei. Aber er habe nicht gewusst, ob es eine Obergrenze oder zeitliche Bestimmungen gibt. Manchmal habe er ein paar Tage hintereinander gearbeitet, dann wieder ein paar Tage nicht. Wenn jemand von den Aushilfen gerade frei gewesen sei, habe er mit ihnen gearbeitet, ansonsten habe er jemand anderes angerufen. Er habe die Aushilfen beschäftigt wie auf den Aufschrieben dargelegt. Der Steuerberater habe im Januar gesagt, dass die Mitarbeiter nicht drei bis vier Tage hintereinander beschäftigt werden dürften. Er hatte gesagt, dass in Zukunft anders abgerechnet werden müsse; wenn die Aushilfen drei oder vier Tage hintereinander beschäftigt würden, könnte man das nicht mehr als Aushilfe abrechnen.
Der Kläger hat hierzu ausgeführt, dass er seit vielen Jahren beitragspflichtig gearbeitet habe. Außerdem sei ihm die Bedeutung der Regelung nicht klar gewesen, auch dem Zeugen sei nicht klar gewesen, dass eine zeitliche Obergrenze bestanden hatte. Außerdem deute die Arbeitszeitaufteilung und die Aussage des Zeugen, dass er von einer Obergrenze erst im Januar durch den Steuerberater erfahren habe, daraufhin, dass der Aufhebungsbescheid der Beklagten rechtswidrig sei.
Der Kläger hat nunmehr (Schreiben vom 13.07.2016, Blatt 38/39 der Senatsakte) behauptet, Mitte November 2011 persönlich bei der Beklagten vorgesprochen und der für ihn zuständigen Sachbearbeiterin mitgeteilt zu haben, er habe eine geringfügige Erwerbstätigkeit aufgenommen. Er arbeite stundenweise und auf Abruf bei der Fa. D ... Dabei habe er die auf 11.11.2011 datierte Lohnabrechnung für Oktober 2011 übergeben. In dieser Abrechnung seien im Bereich "Kalender" für die 40. KW 24 Arbeitsstunden angegeben. Allerdings seien 48 Stunden abgerechnet. Die Sachbearbeiterin habe dies bemerkt und ihn befragte. Er habe erklärte, er habe im Oktober 24 Stunden gearbeitet. Die Sachbearbeiterin habe ihn dann aufgefordert, ihr eine korrigierte Lohnabrechnung zu bringen. Am 28.11.2011 habe der Zeuge D. dann die korrigierte und ebenfalls dem Gericht übergebene Lohnabrechnung Oktober 2011 erstellt. Diese weise erneut für die KW 40 insgesamt 24 Arbeitsstunden aus und sei unverzüglich von ihm der für ihn zuständigen Mitarbeiterin der Beklagten übergeben worden. Zu keinem Zeitpunkt habe die Sachbearbeiterin ihn darauf hingewiesen, es sei unzulässig, in einer Woche 15 Stunden oder mehr zu arbeiten. Unter den gegebenen Umständen, sei die Sachbearbeiterin verpflichtet gewesen, ihn, der erstmals arbeitslos gewesen sei, hierauf hinzuweisen. Sie könne sich nicht darauf berufen, er habe Wochen zuvor das Informationsblatt erhalten. Auch die Lohnabrechnung November 2011 sei der Beklagten übergeben worden. Auch hier sei kein Hinweis auf die 15-Stundenregelung erfolgt. Es seien die Vorschriften über die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes anzuwenden. Der Beklagten sei im November 2011 bekannt gewesen, dass er im Monat zuvor mehr als 15 Stunden gearbeitet habe. Dennoch sei kein Aufhebungs- und Erstattungsbescheid ergangen. Auch als die Abrechnung November 2011 vorgelegt worden sei, sei kein Bescheid ergangen. Damit habe die Beklagte einen Vertrauenstatbestand geschaffen. Er sei seiner Mitwirkungspflicht vollständig nachgekommen. Er habe monatlich Abrechnungen über seine Erwerbstätigkeit vorgelegt. Aus diesen habe sich die Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden und die Höhe des erzielten Einkommens ergeben.
Die Beklagte hat (Schreiben vom 28.07.2016, Blatt 41/49 der Senatsakte) unter Vorlage des Bescheids vom 14.12.2011 (Bewilligung von Alg ab 01.12.2011), des Änderungsbescheids vom 21.12.2011 (Alg ab 01.11.2011) und 12.01.2012 (Alg ab 04.10.2011) ausgeführt, der Kläger habe am - 26.09.2011 zwecks Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung, - 24.10.2011 zwecks Abgabe der Nachweise zu den Eigenbemühungen - 14.12.2011 u.a. zwecks Mitteilung der Nebentätigkeit seit 11.11.2011und am - 20.12.2011 zur Abgabe der vom Arbeitgeber ausgefüllten Nebeneinkommensbescheinigung vorgesprochen. Die Nebentätigkeit ab 11.11.2011 sei erstmals bei der Vorsprache am 14.12.2011 erklärt und die Veränderungsmitteilung ausgefüllt worden. Hier habe der Kläger auch angegeben, dass die Nebentätigkeit weniger als 15 Std./Woche umfasse. Durch persönliche Einreichung der Nebeneinkommensbescheinigung am 20.12.2011 sei die Höhe des Nebeneinkommens für November 2011 bekannt geworden. Die Anrechnung i.H.v. 3,50 EUR für November 2011 sei mit Änderungsbescheid vom 21.12.2011 umgesetzt worden. Die Lohnabrechnung für November 2011 sei vom Arbeitgeber am 28.12.2011 eingereicht worden. Hiermit sei erstmals bekannt geworden, dass die Nebentätigkeit bereits im Oktober 2011 begonnen hatte. Es sei eine Überprüfung erfolgt mit der Folge eines weiteren Änderungsbescheides vom 12.01.2012 und dem Erlass der streitgegenständlichen Bescheide. Es treffe nicht zu, dass der Kläger Mitte November 2011 wegen der Aufnahme der Nebentätigkeit ab Oktober 2011 vorgesprochen habe. Es sei weder eine Vorsprache dokumentiert noch die behauptete "falsche Lohnabrechnung" als Kopie in der Akte, noch sei aus der Akte zu entnehmen, dass der Kläger in einer weiteren Vorsprache Ende November 2011 die korrigierte Lohnabrechnung für Oktober 2011 vorgelegt haben will. Die Lohnabrechnungen für Oktober 2011 und November 2011 seien vielmehr Ende Dezember 2011 durch den Arbeitgeber vorgelegt worden. Auf richterlichen Hinweis vom 08.11.2016 hat sie vorgetragen, die fehlende Anhörung sei im Verfahren nach § 44 SGB X unerheblich (Blatt 57 der Senatsakte).
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Blatt 52, 53 bzw. 59, 60 der Senatsakte).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig und begründet.
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten 04.07.2012 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 23.08.2012 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat Anspruch auf Aufhebung der Bescheide vom 12.01.2012 und 07.03.2012; die Beklagte ist bei Erlass der Bescheide vom 12.01.2011 und 07.03.2011 zwar nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen, doch hat sie mangels Anhörung des Klägers das Recht unrichtig angewandt.
Nach § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Im Übrigen ist nach § 44 Abs. 2 SGB X ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
Diese Regelung findet entsprechende Anwendung, soweit mit einem Aufhebungsbescheid i.S.d. §§ 45, 48 SGB X eine Leistungsbewilligung zurückgenommen worden ist (BSG 13.02.2014 – B 4 AS 19/13 R – BSGE 115, 121-126 = SozR 4-1300 § 44 Nr. 29 = SozR 4-4200 § 40 Nr. 6 = juris RdNr. 14; BSG 04.02.1998 – B 9 V 16/96 R – SozR 3-1300 § 44 Nr. 24 = juris; BSG 28.05.1997 – 14/10 RKg 25/95 - SozR 3-1300 § 44 Nr. 21 = juris; BSG 12.12.1996 – B 11 Rar 31/96 - BSG SozR 3-1300 § 44 Nr. 19 = juris RdNr. 16; BVerwGE 97, 103, 107; Senatsurteil vom 20.02.2015 – L 8 AL 2518/14 – juris; Baumeister in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 44 SGB X, RdNr. 73; Schütze in von Wulffen/Schütze, 8. Auflage 2014, § 44 RdNr 16 f; Siewert/Waschull in LPK-SGB X, 4. Auflage, § 44 RdNr 23; Merten in Hauck/Noftz, SGB X, Stand 08/16, § 44 RdNr. 70/72; a.A. Steinwedel in KassKomm, § 44 RdNr. 42, Stand Juni 2016). Die entsprechende Anwendung folgt aus dem Regelungszweck der Vorschrift, die nicht nur Fälle erfasst, in denen den Betroffenen ein rechtlicher Nachteil durch unrechtmäßiges Vorenthalten einer Sozialleistung entstanden ist, sondern auch solche, in denen der Bürger zwar Sozialleistungen erhalten hat, die Leistungsbewilligung nachträglich jedoch zurückgenommen worden ist (BSG 13.02.2014 – B 4 AS 19/13 R – a.a.O.). Insoweit ist diejenige Vorschrift des § 44 SGB X entsprechend anzuwenden, die auch bei der "Überprüfung" der Leistungsbewilligung gegolten hätte, jedenfalls, wenn wie hier die Leistungsbewilligung aufgehoben und zugleich die gewährte Leistung zurückgefordert wird (BSG 04.02.1998 – B 9 V 16/96 R – SozR 3-1300 § 44 Nr. 24 = juris; BSG 12.12.1996 – B 11 Rar 31/96 - BSG SozR 3-1300 § 44 Nr. 19 = juris; Siewert/Waschull in LPK-SGB X, 4. Auflage, § 44 RdNr 23). Damit ist – wie im vorliegenden Fall – bei der Überprüfung von Bescheiden, die eine Sozialleistung aufheben bzw. zurücknehmen und zugleich die bereits bewilligte Leistung zurückfordern § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X entsprechend wie folgt zu lesen: Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb die Bewilligung von Sozialleistungen zu Unrecht aufgehoben oder zurückgenommen worden ist, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Maßgeblich ist in diesen Fällen daher, ob der (1.) Aufhebungs- bzw. Rücknahmebescheid rechtswidrig ist und (2.) wegen (i.S. einer Kausalität) dessen Rechtswidrigkeit die Bewilligung von Sozialleistungen zu Unrecht aufgehoben oder zurückgenommen wurde.
Der Senat konnte feststellen, dass der Kläger in der Zeit vom 04.10.2011 bis zum 23.10.2011, vom 08.11.2011 bis 13.12.2011 und vom 19.12.2011 bis zum 08.01.2012 keinen Anspruch auf Alg hatte.
Der Kläger hat im Oktober 2011 in der Kalenderwoche (KW) 40 am 04.10.2011, 05.10.2011 und 06.10.2011 jeweils 8 Stunden beim Zeugen gegen Entgelt gearbeitet. Er war daher nicht beschäftigungslos i.S.d. § 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III (in der im Jahr 2011 geltenden Fassung, im Folgenden a.F.). Die Ausübung einer Beschäftigung schließt die Beschäftigungslosigkeit nach § 119 Abs. 3 SGB III a.F. nicht aus, wenn die Arbeits- oder Tätigkeitszeit (Arbeitszeit) weniger als 15 Stunden wöchentlich umfasst. Vorliegend hat der Kläger in KW 40 insgesamt 24 Stunden gearbeitet, weshalb er nicht mehr beschäftigungslos und damit nicht arbeitslos war. Dass nach § 119 Abs. 3 HS 2 SGB III a.F. gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer unberücksichtigt bleiben, führt vorliegend nicht dazu, dass der Kläger trotz seiner 24-stündigen Beschäftigung in KW 40 noch arbeitslos wäre. Denn der Kläger hat während seiner Arbeitslosigkeit im Jahr 2011 schon von der ersten (Neben-)Beschäftigung an ständig mehr als 15 Stunden wöchentlich gearbeitet, weshalb von einem bloß gelegentlichen Überschreiten der 15-Stundengrenze nicht ausgegangen werden kann.
Die 15-Stunden-Grenze des § 119 Abs. 3 SGB III a.F. für Erwerbstätigkeiten ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Denn sie schränkt nicht den Anspruch auf Alg ein sondern erweitert diesen. Trotz Ausübung einer Beschäftigung von unter 15 Stunden pro Woche gilt – trotz tatsächlicher Beschäftigung und Ausübung einer Arbeit - Arbeitslosigkeit als eingetreten bzw. fortbestehend. Insoweit wird ein grundrechtlich geschütztes Recht nicht beeinträchtigt, vielmehr einfachgesetzlich erweitert. Denn auch Art. 12 und 14 GG gebieten trotz des durch Arbeit und Beitragszahlung erworbenen und daher geschützten Versicherungsschutzes nicht, dass Alg auch neben einer auch nur geringfügigen Beschäftigung gezahlt wird; vielmehr ist lediglich geschützt, dass Alg bei Arbeitslosigkeit zu zahlen ist. Auch soweit der Kläger die 15-Stundengrenze als willkürlich betrachtet, folgt ihm der Senat nicht. Denn die Grenze von 15 Stunden ist weder willkürlich noch ohne sachliche Rechtfertigung. Vielmehr durfte der Gesetzgeber im Rahmen der ihm zustehenden Pauschalisierungs- und Typisierungsmöglichkeit bei der Regelung vielgestaltiger und vielfältiger Sachverhalte eine zeitliche Grenze setzen, die ein Maß für eine geringe Beschäftigung darstellt. Insoweit hat er mit der Grenze von 15 Stunden pro Woche (entspricht 3 Stunden pro üblichem Arbeitstag, was auch im Rahmen des Rechts der Gesetzlichen Rentenversicherung dem Nichtvorhandensein auch nur einer geringen Erwerbsfähigkeit entspricht (§ 43 SGB VI)) eine zeitliche Grenze in einem Maß gesetzt, dass dadurch die Erwerbstätigkeit der Woche noch kein Gepräge gibt und der Arbeitslose daher nicht als erwerbstätig anzusehen ist. So hat schon der Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung (BT-Drucks 13/8994, Seite 60 zu Art. 1 Nr. 10a; dazu auch Söhngen in Eicher/Schlegel, SGB III (a.F.), Stand August 2006, § 119 RdNr. 25) darauf hingewiesen, dass die allgemeine Geringfügigkeitsgrenze i.S. einer Entgeltgrenze kein geeignetes Abgrenzungskriterium für den Versicherungsfall der "Arbeitslosigkeit" darstellt. Daher knüpft das Recht der Arbeitslosenversicherung als Voraussetzung der Arbeitslosigkeit allein an eine Zeitgrenze an (BT-Drucks a.a.O.). Bezieher von Alg sollen durch die Ausübung einer Beschäftigung, die weniger als 15 Stunden wöchentlich umfasst, ihren Leistungsanspruch nicht verlieren (BT-Drucks a.a.O.). Insoweit entspricht die 15-Stundengrenze der Geringfügigkeit einer Erwerbstätigkeit, die den Wochenverlauf nicht wesentlich prägt, und durfte daher zulässigerweise als Grenze bei der Beurteilung des Vorliegens von Arbeitslosigkeit herangezogen werden.
Der Kläger war daher am 04.10.2011, 05.10.2011 und 06.10.2011 nicht arbeitslos. Mit Aufnahme der mehr als 15 Stunden wöchentlich umfassenden Tätigkeit, die der Kläger der Beklagten nicht unverzüglich angezeigt hatte, war nicht nur Arbeitslosigkeit entfallen, vielmehr war auch die Arbeitslosmeldung erloschen (§ 122 Abs. 2 Nr. 2 SGB III a.F.). Die Beklagte hat erst durch Nachfrage beim Arbeitgeber Ende Dezember von der Ausübung dieser Beschäftigung erfahren. Damit war die Arbeitslosmeldung des Klägers erloschen, sodass er auch nach Ende der Tätigkeit am 06.10.2011 keinen Anspruch auf Alg mehr hatte. Erst mit der nächsten Vorsprache des Klägers bei der Agentur für Arbeit am 24.10.2011 konnte wieder eine Arbeitslosmeldung angenommen werden, sodass der Kläger in der Zeit vom 04.10.2011 bis zum 23.10.2011 keinen Anspruch auf Alg hatte.
Der Kläger hat im November 2011 in der Kalenderwoche 45 am 08.11.2011, 09.11.2011 und 10.11.2011 jeweils 7,5 Stunden beim Zeugen gegen Entgelt gearbeitet. Er war daher nicht beschäftigungslos i.S.d. § 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III a.F. Er hat daher in dieser Beschäftigungswoche mehr als 15 Stunden gearbeitet, weshalb er nicht mehr beschäftigungslos und damit nicht arbeitslos war. Da der Kläger während seiner Arbeitslosigkeit im Jahr 2011 schon von der ersten (Neben-)Beschäftigung an ständig mehr als 15 Stunden wöchentlich gearbeitet hat, handelt es sich auch bezüglich der Beschäftigung im November nicht um ein bloß gelegentliches Überschreiten der 15-Stundengrenze.
Der Kläger war daher am 08.11.2011, 09.11.2011 und 10.11.2011 nicht arbeitslos. Mit Aufnahme der mehr als 15 Stunden wöchentlich umfassenden Tätigkeit, die der Kläger der Beklagten nicht unverzüglich angezeigt hatte, war nicht nur Arbeitslosigkeit entfallen, vielmehr war auch die Arbeitslosmeldung erloschen (§ 122 Abs. 2 Nr. 2 SGB III a.F.). Der Kläger hat der Beklagten erst mit Veränderungsmitteilung vom 14.12.2011 (Blatt 46 der Beklagtenakte) eine Beschäftigungsaufnahme ab dem 11.11.2011 von weniger als 15 Stunden pro Woche mitgeteilt. Damit war die Arbeitslosmeldung des Klägers erloschen, sodass er auch nach Ende der Tätigkeit am 10.11.2011 keinen Anspruch auf Alg mehr hatte. Erst mit der nächsten Vorsprache des Klägers bei der Agentur für Arbeit am 14.12.2011 konnte wieder eine Arbeitslosmeldung angenommen werden, sodass der Kläger in der Zeit vom 08.11.2011 bis zum 13.12.2011 keinen Anspruch auf Alg hatte.
Im Dezember 2012 hat der Kläger in der Kalenderwoche 51 am 19.12.2011, 21.12.2011 und 22.12.2011 im Umfang von 6,0 Stunden, 6,5 Stunden und 3,5 Stunden beim Zeugen gegen Entgelt gearbeitet. Er hat daher 16 Stunden gearbeitet und war nicht beschäftigungslos i.S.d. § 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III a.F. und damit auch nicht arbeitslos. Da der Kläger während seiner Arbeitslosigkeit im Jahr 2011 schon von der ersten (Neben-)Beschäftigung an ständig mehr als 15 Stunden wöchentlich gearbeitet hat, handelt es sich auch bezüglich der Beschäftigung im Dezember nicht um ein bloß gelegentliches Überschreiten der 15-Stundengrenze.
Die Ausübung einer 15 Stunden und mehr umfassenden Erwerbstätigkeit in KW 51 am 19.12.2011, 21.12.2011 und 22.12.2011 bedeutet nicht, dass Beschäftigungslosigkeit erst mit Überschreiten der 15-Stundengrenze entfallen wäre. Vielmehr ist vorausschauend zu beurteilen (BSG 29.1.2008 – B 11 AL 52/07 R und B 11 AL 44/07 R; Söhngen in Eicher/Schlegel a.a.O. RdNr. 64), ob die 15-Stundengrenze überschritten wird oder nicht. Da der Kläger im Jahr 2011 zwar nur in wenigen Wochen, aber immer mehr als 15 Stunden gearbeitet hatte und Umstände, weshalb dies in KW 51 nicht ebenso sein sollte, nicht vorgelegen haben, ist bereits mit Aufnahme der Tätigkeit am Montag, dem 19.12.2011, Beschäftigungslosigkeit für die ganze Beschäftigungswoche entfallen. Damit lag auch am 20.12.2011 Beschäftigungslosigkeit nicht mehr vor, obwohl der Kläger an diesem Tag nicht gearbeitet hatte und sogar bei der Beklagten vorgesprochen hatte.
Der Kläger war daher am 19.12.2011, 20.12.2011, 21.12.2011 und 22.12.2011 nicht arbeitslos. Mit Aufnahme der mehr als 15 Stunden wöchentlich umfassenden Tätigkeit am 19.12.2011, die der Kläger der Beklagten nicht unverzüglich angezeigt hatte, war nicht nur Arbeitslosigkeit entfallen, vielmehr war auch die Arbeitslosmeldung erloschen (§ 122 Abs. 2 Nr. 2 SGB III a.F.). Der Kläger hatte der Beklagten zwar mit Veränderungsmitteilung vom 14.12.2011 (Blatt 46 der Beklagtenakte) eine Beschäftigungsaufnahme ab dem 11.11.2011 von weniger als 15 Stunden pro Woche mitgeteilt, eine Beschäftigung im Umfang von mehr als 15 Stunden hat er dagegen nicht mitgeteilt. Insoweit wäre es Obliegenheit des Klägers gewesen, der Beklagten mitzuteilen, dass er prognostisch bzw. vorausschauend (dazu vgl. Söhngen in Eicher/Schlegel, a.a.O. RdNr. 64) in KW 51 mehr als nur geringfügig tätig wird. Damit war die Arbeitslosmeldung des Klägers bereits am 19.12.2011 erloschen. Zwar hat der Kläger am 20.12.2011 bei der Beklagten vorgesprochen, sodass die mit Aufnahme der Tätigkeit am 19.12.2011 unwirksam gewordene Arbeitslosmeldung am 20.12.2011 durch erneute persönliche Arbeitslosmeldung wieder ersetzt werden konnte. Doch hat der Kläger auch zu diesem Zeitpunkt nicht angegeben, dass er am 21.12.2011 und 22.12.2011 erneut arbeiten wird, sodass diese nicht unverzüglich mitgeteilte Arbeitsaufnahme die Arbeitslosmeldung erneut nach § 122 Abs. 2 Nr. 2 SGB III a.F. entfallen ließ, weshalb der Kläger auch ab dem 23.12.2011 keinen Anspruch auf Alg mehr hatte. Erst mit der nächsten Vorsprache des Klägers bei der Agentur für Arbeit am 09.01.2012 konnte wieder eine Arbeitslosmeldung angenommen werden, sodass der Kläger in der Zeit vom 19.12.2011 bis zum 08.01.2012 keinen Anspruch auf Alg hatte.
Dass der Kläger an den genannten Tagen und wöchentlich mehr als 15 Stunden gearbeitet hatte, konnte der Senat den überzeugenden und damit glaubhaften Ausführungen des Zeugen D. entnehmen. Dieser konnte unter Vorlage der Lohnabrechnungen und der Arbeitsaufschriebe nachweisen, dass der Kläger an diesen Tagen gearbeitet hatte. Dass bereits im Jahr 2011 die später im Jahr 2012 dokumentierte Arbeitspraxis, nämlich die Aushilfen nicht drei bis vier Tage hintereinander in der Woche zu beschäftigen, bestanden hatte, hat der Zeuge deutlich verneint. Denn erst zum Jahreswechsel hatte ihn sein Steuerberater auf die im Jahr 2011 gepflegte, sozialrechtlich ungünstige Gestaltung der Arbeitszeit, nämlich der Beschäftigung von Aushilfen jeweils für eine ganze Woche, hingewiesen, woraufhin das Arbeitszeitmodell in Bezug auf die beim Zeugen beschäftigten Aushilfen umgestellt wurde (statt jede Woche eine andere Aushilfe nun jeden Tag eine andere Aushilfe). Damit war der Vortrag des Klägers, er habe an den dokumentierten Tagen nicht gearbeitet bzw. er habe nie drei Tage hintereinander gearbeitet, nicht nachvollziehbar und falsch. Insoweit handelt es sich, wie auch bei der Behauptungen, die Aufnahme und den vollen Umfang der Arbeitstätigkeit der Beklagten rechtzeitig – seinen Angaben nach schon im November - mitgeteilt zu haben, was sich angesichts der dokumentierten Niederschriften über die mit dem Kläger stattgefundenen Vorsprachen nicht hat beweisen lassen, um reine ins Blaue hinein gemachte Schutzbehauptungen, die der Wahrheit nicht entsprechen.
Zutreffend hat das SG daher ausgeführt, dass die Beklagte berechtigt war, nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III die Bewilligung von Alg rückwirkend jeweils ab Eintritt und für die Dauer der Änderung, mithin in der Zeit vom 04.10.2011 bis zum 23.10.2011, vom 08.11.2011 bis zum 13.12.2011 und vom 19.12.2011 bis zum 08.01.2012 aufzuheben. Der Kläger war im Merkblatt 1 für Arbeitslose, dessen Erhalt und Kenntnisnahme vom Inhalt er mit seiner Unterschrift bestätigt hatte (Blatt 5 der Beklagtenakte) hinreichend deutlich darüber belehrt worden, dass eine Beschäftigung von 15 Stunden und mehr pro Woche Arbeitslosigkeit ausschließt, dass er die Aufnahme einer Beschäftigung unverzüglich mitzuteilen hat und dass die nicht unverzügliche Mitteilung der Beschäftigungsaufnahme die persönliche Arbeitslosmeldung zum Erlöschen bringt. Hat der Kläger das Merkblatt entgegen seiner unterschriftlich bestätigten Erklärung nicht gelesen, so hat er zumindest grob fahrlässig gehandelt. Hat er das Merkblatt gelesen, so waren ihm diese Folgen einer Beschäftigungsaufnahme bekannt. Auf letzteres deutet auch hin, dass der Kläger am 14.12.2011 zumindest eine unter 15-stündige Beschäftigung ab November 2011 angezeigt hatte. Jedoch hat er auch insoweit seinen Obliegenheiten nicht genüge getan, denn er hatte tatsächlich eine mehr als 15 Stunden pro Woche umfassende Beschäftigung, und auch nicht erst ab November 2011, aufgenommen. Damit ist der Kläger seinen Mitteilungsobliegenheiten (§ 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB I) nicht nachgekommen und ist i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X der durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen. Im Übrigen wusste der Kläger durch das insoweit ausreichend deutliche Merkblatt, dass der sich aus der Bewilligung von Alg ergebende Anspruch kraft Gesetzes zumindest teilweise weggefallen ist. Sollte der Kläger das Merkblatt nicht gelesen haben, wusste er, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hatte, zumindest grob fahrlässig nicht, dass der Alg-Anspruch kraft Gesetzes zumindest teilweise weggefallen war. Damit war die Beklagte verpflichtet, die Bewilligung von Alg für die genannten Zeiträume vom 04.10.2011 bis zum 23.10.2011, vom 08.11.2011 bis zum 13.12.2011 und vom 19.12.2011 bis zum 08.01.2012 aufzuheben (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 2 und 4 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III).
Folge dieser Aufhebung war, dass der Kläger die in dieser Zeit bezogenen Alg-Beträge einschließlich der entsprechenden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu erstatten hat (§ 50 Abs. 1 SGB X, § 335 Abs. 1 und 5 SGB III a.F.). Die Beklagte hat die Beträge zutreffend ermittelt. Der Kläger hat insoweit auch keine Einwände geltend gemacht, Fehler bei der Berechnung des Erstattungsbetrages konnte der Senat – nach eigener Prüfung – nicht feststellen.
Damit erweisen sich die Bescheide vom 12.01.2012 und 07.03.2012 als materiellrechtlich zutreffend. Insoweit hat die Beklagte weder das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erwiesen hat. Insoweit besteht kein Anspruch auf Rücknahme der genannten Bescheide nach § 44 SGB X.
§ 44 SGB X erfasst auf erster Ebene (Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes) aber nicht nur Fälle einer materiellrechtlichen Rechtswidrigkeit. Vielmehr ist der Anwendungsbereich des § 44 SGB X auch dann eröffnet, wenn sich die Rechtswidrigkeit aus Verstößen gegen formelles Recht ergibt (Baumeister in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 44 RdNr. 40; Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage, § 44 RdNr. 7; Siewert/Waschull, LPK-SGB X, 4. Auflage, § 44 RdNr. 30; Steinwedel in KassKomm, Stand Juni 2016, § 44 RdNr. 39; Merten in Hauck/Noftz, SGB X, Stand 08/16, § 44 RdNr. 16; offen lassend Senatsurteil vom 20.02.2015 – L 8 AL 2518/14 – juris RdNr. 56).
Vorliegend sind die in den Bescheiden vom 12.01.2012 und 07.03.2012 beinhalteten belastenden Verwaltungsakte (Rücknahme der Leistungsbewilligung und Feststellung der Erstattungspflicht) deswegen rechtswidrig, weil die Beklagte den Kläger entgegen § 24 SGB X nicht zuvor angehört hat. Eine Heilung i.S.d. § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X durch Nachholung der Anhörung ist nicht eingetreten, da gegen die genannten Bescheide kein Widerspruchs- oder Klageverfahren durchgeführt worden war und auch sonst keine Nachholung stattgefunden hatte; eine eventuelle Einlassung des Klägers im OWiG-Verfahren genügt als Anhörung i.S.d. § 24 SGB X nicht, denn die mit Anhörungsschreiben vom 15.02.2012 im Bußgeldverfahren erfolgten Hinweise zum Schuldvorwurf und zum Recht, die Aussage zu verweigern, dienten ersichtlich anderen Zwecken, abgesehen davon, dass auch nur die Sachverhalte im Oktober und November 2011 im Anhörungsschreiben der Agentur für Arbeit Gegenstand der Anhörung waren. Auch war die Anhörung nicht gemäß § 24 Abs. 2 SGB X entbehrlich. Darüber hinaus hat der Kläger zu keinem Zeitpunkt, auch nicht im vorliegenden Verfahren, auf sein Anhörungsrecht verzichtet. Der – vom Senat bei den Agenturen für Arbeit in letzter Zeit zunehmend festgestellte – Mangel der Anhörung vor Erlass von Verwaltungsakten, die in Rechte eines Beteiligten eingreifen, führt zur Rechtswidrigkeit der Verwaltungsakte vom 12.01.2012 und 07.03.2012. Damit hat die Beklagte nicht nur gegen § 24 Abs. 1 SGB X verstoßen, sondern auch das dieser Vorschrift zugrundeliegende, aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG entspringende Gebot der Anhörung des Bürgers vor dem Eingriff in dessen Rechts verletzt. Mittlerweile ist die Rechtswidrigkeit der Bescheide vom 12.01.2012 und 07.03.2012 auch nicht mehr behebbar. Damit handelt es sich bei den in diesen Bescheiden verlautbarten Verwaltungsakten um solche, bei deren Erlass das Recht i.S.d. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X unrichtig angewandt worden war.
Auf zweiter Ebene ist im Rahmen des § 44 SGB X das Vorliegen von Kausalität zu prüfen. So verlangt § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X bereits in seinem Regelanwendungsfall, dass "deshalb" (wegen der unrichtigen Rechtsanwendung oder des sich als unrichtig herausstellenden Sachverhalts) Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Im vorliegenden Fall einer entsprechenden Anwendung des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X auf Rücknahme- bzw. Aufhebungsbescheide bedeutet dies, dass wegen der Rechtswidrigkeit des Aufhebungs- bzw. Rücknahmebescheids die Bewilligung von Sozialleistungen zu Unrecht aufgehoben oder zurückgenommen worden sein muss. Damit muss eine Kausalität bestehen zwischen der Rechtswidrigkeit des Aufhebungs- bzw. Rücknahmebescheids und der unrechtmäßigen Aufhebung bzw. Rücknahme der Bewilligung von Sozialleistungen.
Eine solche Kausalität kann bei dem formellen Recht zuzurechnenden bloßen Formvorschriften (z.B. §§ 33, 35, 36 SGB X) regelmäßig nicht festgestellt werden. Insoweit bedarf es dann auch nicht einer einschränkenden Lesart des § 44 SGB X zur Durchsetzung materiell-rechtlicher Gerechtigkeit bzw. Rechtmäßigkeit (vgl. z.B. Siewert/Waschull in LPK-SGB X, 4. Auflage, § 44 RdNr 24; Steinwedel in KassKomm, a.a.O. § 44 RdNr. 39 ff.). Insoweit dürfte es sich auch bei den Voraussetzungen der §§ 45 und 48 SGB X, die zwar im Verwaltungsverfahren geregelt sind, eher um einen Aufhebungs- bzw. Rücknahmeanspruch stützende materiell-rechtliche Regelungen handeln, bei denen eine Kausalität zwischen unrichtiger Rechtsanwendung bei Erlass des Aufhebungs- bzw. Rücknahmebescheids und der unrechtmäßigen Aufhebung bzw. Rücknahme der Bewilligung von Sozialleistungen durchaus bestehen kann. Dieser Überlegung entsprechen auch die vom BSG entschiedenen Fälle, in denen die Behörde zu Unrecht Unlauterkeit (§§ 45 Abs. 2 Satz 3, 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X) angenommen hatte, die Jahresfrist (§§ 45 Abs. 4 Satz 2, 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X) bereits abgelaufen war oder eine erforderliche Ermessensausübung (§§ 45 Abs. 1, 48 Abs. 1 Satz 2 (im atypischen Fall) SGB X) unterlassen worden war (dazu vgl. BSG 28.05.1997 – 14/10 RKg 25/95 - SozR 3-1300 § 44 Nr. 21 = juris; Siewert/Waschull in LPK-SGB X, 4. Auflage, § 44 RdNr 24).
Zwar dient das in § 44 SGB X geregelte Zugunstenverfahren der Herstellung materieller Gerechtigkeit (BSG 04.02.1998 – B 9 V 16/96 R – SozR 3-1300 § 44 Nr. 24 = juris RdNr. 16). Ein Betroffener soll über diese Regelung nicht die Wiedereinräumung einer ihm materiell nicht zustehenden Rechtsposition verlangen können (BSG a.a.O. juris RdNr. 16) oder mehr erlangen können, als ihm zusteht (BSG24.04.2014 – B 13 R 3/13 R - SozR 4-1300 § 44 Nr. 30 = juris RdNr. 22 = SgB 2015, 285-291 mit Anmerkung Mey). Ziel des § 44 SGB X ist die Auflösung der Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines unrichtigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zugunsten letzterer (BSG SozR 5870 § 2 Nr. 44 = juris). Das Gebot, der materiellen Gerechtigkeit zum Erfolg zu verhelfen, bedeutet nach der Rechtsprechung des BSG (04.02.1998 – B 9 V 16/96 R – SozR 3-1300 § 44 Nr. 24 = juris RdNr. 16), dass einem Betroffenen im Zugunstenverfahren (nur) diejenigen Leistungen gewährt werden, die ihm nach materiellem Recht bei von Anfang an zutreffender Rechtsanwendung zugestanden hätte. Dem materiellen Recht widersprechende Besserstellungen schließt § 44 SGB X aus (BSG a.a.O. unter Hinweis auf BSG SozR 1300 § 44 Nr. 38). Daraus folgt aber nicht, dass ein Verwaltungsakt, der eine nach Grundsätzen des Vertrauensschutzes unaufhebbar gewordene rechtswidrige Leistungsbewilligung aufhebt, nicht auch nach § 44 SGB X zu korrigieren wäre (BSG 04.02.1998 – B 9 V 16/96 R – SozR 3-1300 § 44 Nr. 24 = juris RdNr. 16). Der Gesetzgeber hat damit anerkannt, dass – was auch bei der Anwendung Fall des § 45 SGB X möglich ist – in manchen Fällen ein Begünstigter eine rechtswidrige Leistung behalten darf, mithin unter bestimmten Voraussetzungen eine rechtswidrig bewilligte Sozialleistung ungeachtet des Widerspruchs zum materiellen Leistungsrecht für die Zukunft weiter zu gewähren oder für die Vergangenheit zu behalten ist (§§ 45, 48 SGB X; zu letzterem: BSG 04.02.1998 – B 9 V 16/96 R – SozR 3-1300 § 44 Nr. 24 = juris RdNr. 16).
Somit stellt sich nicht die Frage, ob ein Verstoß gegen "bloßes" Verfahrensrecht im Hinblick auf die materielle Rechtslage im Rahmen der Prüfung nach § 44 SGB X unbeachtlich bleiben muss oder ob durch eine Beachtung der Verstöße gegen "lediglich" formelles Recht ein "Unpünktlicher" besser gestellt würde als ein "Pünktlicher" (Steinwedel in KassKomm, § 44 RdNr. 42a; Mey, SGb 2015, 288, 290f.), mithin der Beteiligte bei sofortiger Anfechtung des formell fehlerhaften Verwaltungsaktes gegenüber einer späteren Prüfung im Rahmen eines Verfahrens nach § 44 SGB X – z.B. wegen Heilung durch Nachholung i.S.d. § 41 Abs. 1 SGB X - schlechter gestellt würde. Vielmehr ist zu fragen, ob der Verstoß gegen das formelle Recht Ursache einer unrechtmäßigen Aufhebung bzw. Rücknahme der Bewilligung von Sozialleistungen ist; eine beachtliche Heilung des Anhörungsfehlers wäre in einem Widerspruchs- bzw. Klageverfahren, aber auch von Amts wegen außerhalb eines solchen Verfahrens durch Aufhebung des belastenden Verwaltungsaktes und ggfs. Neuentscheidung unter den Voraussetzungen der §§ 45 bzw. 48 SGB X möglich, sodass auch bei einem "Unpünktlichen" der Fehler repariert werden könnte bzw. – was die gerichtliche Erfahrung und Praxis zeigt – auch bei "Pünktlichen" eine Heilung durch Nachholung nicht immer erfolgt.
Bei dieser Kausalitätsprüfung ist zunächst jeder Rechtsverstoß gesondert zu prüfen. Vorliegend war die Aufhebung der Bewilligung von Alg alleine wegen eines Anhörungsverstoßes rechtswidrig. Ob ein solcher Anhörungsverstoß immer einem Verfahren nach § 44 SGB X zum Erfolg verhilft (so noch Schütze in von Wulffen, SGB X, 7. Auflage, § 42 RdNr. 10 unter Hinweis auf BSG 31.10.1978 – 2 RU 39/78 – SozR 1200 § 34 Nr. 4 = juris) oder jedenfalls im Rahmen eines Verfahrens nach § 44 SGB X beachtlich ist oder nie von Bedeutung ist (BSG 20.07.2011 – B 13 R 40/10 R – juris RdNr. 40; offen lassend BSG 07.04.2016 – B 5 R 26/15 R – SozR 4-2600 § 89 Nr. 3, = juris RdNr. 39; BSG 04.12.2014 – B 5 RE 12/14 R – SozR 4-2600 § 165 Nr. 1, = juris RdNr. 17), ist nach der bestehenden Rechtslage nicht maßgeblich. Diese verlangt vielmehr eine Kausalität zwischen der Rechtswidrigkeit des nach § 44 SGB X zu überprüfenden Verwaltungsaktes und einer zu Unrecht erfolgten Aufhebung bzw. Rücknahme von Sozialleistungen. So ist im Rahmen der Kausalitätsprüfung bei § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X festzustellen, ob der formelle Fehler des Aufhebungs-/Rücknahmebescheids Ursache einer zu Unrecht erfolgten Aufhebung bzw. Rücknahme der Sozialleistungen ist.
Insoweit muss vorliegend darauf hingewiesen werden, dass das Ergebnis der Anhörung für den Erlass der Aufhebungs- und Erstattungsbescheide materiell ohne rechtliche Relevanz gewesen wäre. Denn anhand der festgestellten und objektiv vorliegenden Umstände war die Beklagte nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 4 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III sowie § 50 Abs. 1 SGB X und § 335 Abs. 1 und 3 SGB III verpflichtet, die Bewilligung von Alg in den Zeiträumen vom 04.10.2011 bis zum 23.10.2011, vom 08.11.2011 bis zum 13.12.2011 und vom 19.12.2011 bis zum 08.01.2012 aufzuheben (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 2 und 4 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III) sowie gezahltes Alg und die geleisteten Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung erstattet zu verlangen. Die Beklagte hatte weder Ermessen auszuüben, noch Vertrauensschutzgesichtspunkte zu prüfen. Die Anhörung hätte insoweit "lediglich" der Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts gedient.
Damit scheint es zunächst so, als hätte sich die fehlende Anhörung, die zwar die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide rechtswidrig gemacht hatte, nicht auf die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Bewilligung von Alg in den Zeiträumen vom 04.10.2011 bis zum 23.10.2011, vom 08.11.2011 bis zum 13.12.2011 und vom 19.12.2011 bis zum 08.01.2012 sowie die Erstattung von Alg und Beiträgen ausgewirkt, weshalb eine Kausalität zwischen der Rechtswidrigkeit des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids einerseits und einer unrechtmäßigen Aufhebung der Bewilligung von Alg bzw. der unrechtmäßigen Festsetzung der Erstattung von Alg bzw. von Beiträgen nicht naheliegend scheint.
Jedoch sind bei der Beurteilung der Kausalität auch gesetzliche Wertungen zu berücksichtigen. Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass sich der Gesetzgeber mit § 44 SGB X an der materiell-rechtlichen Rechtslage orientiert. Zu beachten sind aber auch Wertungen aus anderen gesetzlichen Grundlagen. Insoweit hat der Gesetzgeber in § 42 Satz 1 SGB X ausgeführt, dass die Aufhebung eines nicht nichtigen Verwaltungsaktes nicht allein deshalb beansprucht werden kann, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn zugleich offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat; dass § 42 SGB X aber lediglich im Widerspruchs- und Klageverfahren gegen einen Verwaltungsakt Geltung findet, nicht aber in Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.
§ 42 Satz 1 SGB X fordert für den Fall einer zulässigen Aufhebung eines formell rechtswidrigen Verwaltungsaktes eine besonders ausgestaltete Kausalität ("wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat") zwischen der formellen Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsaktes und dem Ergebnis der Verwaltungsentscheidung (zur Kausalität bei § 42 SGB X vgl. Leopold in Schlegel/Voelzke, LPK-SGB X, § 42 RdNr. 45 ff.; Littmann in Hauck/Noftz, SGB X, § 42 RdNr. 16 ff., 18); eine solche dürfte bei gebundenen Entscheidungen grds. nicht bestehen. Das entspricht im Ergebnis dem zu § 44 SGB X von Rechtsprechung und Literatur – wenn auch mit anderen Argumenten - vertretenen Ansatz, dass reine Verfahrensverstöße eine Rücknahme nach § 44 SGB X nicht rechtfertigen; denn nach dem vorliegend vertretenen Verständnis des Senats dürften diese in § 42 Satz 1 SGB X in Bezug genommene Fehler nicht kausal für die Aufhebung bzw. Rücknahme von Sozialleistungen sein.
Die Bestimmung des § 42 Satz 1 SGB X gilt nach dessen Satz 2 aber gerade dann nicht, wenn – wie vorliegend - die erforderliche Anhörung unterblieben oder nicht wirksam nachgeholt ist. Damit misst der Gesetzgeber der fehlenden Anhörung auch dann Bedeutung und Gewicht bei, wenn ganz offensichtlich ist, dass selbst bei stattgefundener Anhörung ein anderes Ergebnis, mithin eine andere Verwaltungsentscheidung, nicht getroffen werden durfte, und bringt zum Ausdruck, dass eine fehlende Anhörung das Kausalitätserfordernis verdrängt. Somit ist der Anhörungsfehler – anders als in Verfahren nach dem VwVfG, wo eine § 42 Satz 2 SGB X entsprechende Regelung fehlt (vgl. § 46 VwVfG) - auch dann beachtlich, wenn es sich um eine gebundene Verwaltungsentscheidung handelt.
Die Einführung des § 42 Satz 2 SGB X wurde im Gesetzgebungsverfahren durch den Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung (11. Ausschuss; BT-Drucks 8/4022 Seite 82) aus folgenden Gründen vorgeschlagen: "Die Anfügung von Satz 2 trägt der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Rechnung (vgl. z. B. Urteil vom 31. Oktober 1978 — 2 RU 39/78 —, Urteil vom 2. Mai 1979 — 2 RU 9/79). Mit der gesetzlichen Festlegung (§ 34 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch, nunmehr § 23 a des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch) des zum Grundrecht erhobenen Grundsatzes des rechtlichen Gehörs (Artikel 103 Abs. 1 GG) im Verfahren der Sozialverwaltung ist der in Rechtsprechung und Rechtslehre vertretenen Auffassung Rechnung getragen worden, daß es mit Rücksicht auf das auch die Verwaltung verpflichtende Rechtsstaatsprinzip und damit im Kern zur Wahrung der Menschenwürde geboten ist, das rechtliche Gehör im Verwaltungsverfahren jedenfalls dann zu geben, wenn in die Rechte eines Beteiligten eingegriffen werden soll."
In den zitierten Entscheidungen hat das BSG (31.10.1978 – 2 RU 39/78 – SozR 1200 § 34 Nr. 4 = juris) ausgeführt, dass der Anhörung Beteiligter vor Erlass eines Verwaltungsaktes ähnliches Gewicht zu komme wie dem Grundrecht des rechtlichen Gehörs im gerichtlichen Verfahren. Mit der gesetzlichen Festlegung des zum Grundrecht erhobenen Grundsatzes des rechtlichen Gehörs im Verfahren der Sozialverwaltungen sei der in Rechtsprechung und Rechtslehre vertretenen Auffassung Rechnung getragen, dass es mit Rücksicht auf das auch die Verwaltung verpflichtende Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und damit im Kern zur Wahrung der Menschwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) geboten sei, das rechtliche Gehör im Verwaltungsverfahren jedenfalls dann zu gewähren, wenn in die Rechte eines Beteiligten eingegriffen werden soll (BSG 31.10.1978 – 2 RU 39/78 – SozR 1200 § 34 Nr. 4 = juris RdNr. 16 unter Hinweis auf BVerfGE 9, 89, 95; 27, 88, 103; Maunz/Dürig/Herzog, Grundgesetz, Art 103 RdNrn. 4, 92, 93; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 8. Aufl Seite 79 z m.N.). Der Einzelne solle nicht bloßes Objekt des Verwaltungsverfahrens sein (BSG 02.05.1979 – 2 RU 9/79 – =juris RdNr. 14). § 34 SGB I (jetzt § 24 SGB X) wolle die Anhörung des Beteiligten im Verwaltungsverfahren selbst sichern, und zwar durch die Stelle, die über den Erlass und den Inhalt des Verwaltungsaktes zu entscheiden habe, damit der Beteiligte auf das Verfahren und den Inhalt der Entscheidung Einfluss nehmen könne (BSG 02.05.1979 – 2 RU 9/79 – =juris RdNr. 14). Sie diene der Verbesserung des Schutzes gegen Überraschungsentscheidungen und solle allgemein das Vertrauensverhältnis zwischen den Bürgern und der Sozialverwaltung stärken (BSG a.a.O.). Daraus leite sich her, dass § 34 Abs. 1 SGB I (jetzt § 24 Abs. 1 SGB X) nicht nur eine bloße, den ordnungsmäßigen Ablauf des Verfahrensganges regelnde Formvorschrift sei, deren Verletzung ohne Auswirkung auf die Sachentscheidung bleibe (BSG a.a.O.). Dem Zweck und der Schutzfunktion dieser Vorschrift stehe zwar im Grundsatz die Nachholung der vorschriftswidrig unterbliebenen Anhörung mit heilender Wirkung nicht entgegen, jedoch nur solange, wie sich der bezweckte Sinn der Anhörung in einem späteren Verfahrensstadium noch uneingeschränkt auszuwirken vermöge (BSG a.a.O.). Zwar hatte das BSG eine Heilung im Widerspruchsverfahren zugelassen (BSG a.a.O. unter Hinweis auf BSG SozR 1200 § 34 Nrn. 1 und 7), doch hat es gleichwohl erwogen, dass auch gegen eine Heilung der unterbliebenen Anhörung im Widerspruchsverfahren Bedenken bestehen, da § 34 Abs. 1 SGB I (jetzt § 24 Abs. 1 SGB X) auch die Vorstellung des Normgebers zugrunde liege, dass die Anhörung vor Erlass des Verwaltungsaktes einen wirksameren Schutz gewährleiste als die Prüfung nachträglicher Einwendungen durch die Widerspruchsstelle. Zwar werde von der Widerspruchsstelle auch die Zweckmäßigkeit eines Verwaltungsaktes nachgeprüft (§ 78 Abs. 1 Satz 1 SGG), jedoch könne eine einmal ausgesprochene Rentenherabsetzung oder -entziehung zu einem bestimmten Zeitpunkt bereits eine Verfestigung zu Lasten des Beteiligten bedeuten, der gegenüber das Vorbringen des Beteiligten im Widerspruchsverfahren zu keiner günstigeren Entscheidung mehr führe (BSG a.a.O.). Andererseits könne sich der mit der Anhörung bezweckte Sinn im Widerspruchsverfahren noch auswirken, da der Widerspruch gegen Verwaltungsakte, welche in der Sozialversicherung eine laufende Leistung entzögen, aufschiebende Wirkung habe (§ 86 Abs. 2 SGG; BSG a.a.O.). Sei allerdings die Herabsetzung oder die Entziehung der Rente wirksam geworden, was regelmäßig im Klageverfahren der Fall sei, könne der mit der vorherigen Anhörung beabsichtigte Zweck nicht mehr verwirklicht werden (BSG a.a.O.). Der Verfahrensmangel gewinne vom Zeitpunkt der Vollziehung des Verwaltungsaktes an einen Schweregrad, der zur Aufhebung des Rentenentziehungs- oder -herabsetzungsbescheides führe, auch wenn die getroffene Maßnahme sachlich gerechtfertigt sein sollte (BSG a.a.O. unter Hinweis auf BVerwGE 27, 295, 302 und BVerwGE 44, 17, 21).
Vor diesem Hintergrund muss die Bestimmung des § 42 Satz 2 SGB X als gesetzliche Wertung verstanden werden, die nicht nur mit Bezug auf ein dem fehlerhaften Verwaltungsakt nachfolgendes Widerspruchs- und Klageverfahren zu sehen ist, sondern auch im Hinblick auf Entscheidungen nach §§ 44 und 45 SGB X Bedeutung hat. Nach § 42 Satz 2 SGB X kommt es nicht darauf an, ob der Anhörungsfehler kausal für die konkret getroffene Entscheidung ist. Vielmehr ist dieser Wertung zu entnehmen, dass eine unterbliebene Anhörung im Rahmen einer "untechnisch verstandenen" Aufhebung (Rücknahme und Aufhebung auch i.S.d. §§ 44 bis 48 SGB X) Kausalitätserwägungen beiseite drängt und daher immer von Bedeutung ist. Hat der Gesetzgeber einer Anhörung, die – heute – im Ausgangsverfahren sogar noch unter den erleichterten Bedingungen des § 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X bis zur letzten Tatsacheninstanz im gerichtlichen Verfahren nachgeholt werden kann, und die trotz der ausgeweiteten Heilungsmöglichkeiten unterblieben ist, aber mit § 42 Satz 2 SGB X ein solches Gewicht beigemessen, dass es bei einer Aufhebung nicht darauf ankommt, ob sich durch die Anhörung das Ergebnis der Verwaltungsentscheidung ändern könnte, sondern dass alleine die fehlende Anhörung Grund einer Aufhebung sein kann, so bleiben bei fehlender Anhörung nicht nur der ursprüngliche Aufhebungs- und Rücknahmebescheid formell rechtswidrig, vielmehr wird auch die mit diesem Verfahrensfehler behaftete Aufhebung der Bewilligung der zugrundeliegenden Sozialleistung rechtswidrig. Damit macht die fehlende Anhörung beim Erlass der Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 12.01.2012 und 07.03.2012 nicht nur diese Bescheide formell rechtswidrig sondern bedingt auch die rechtliche Wertung, dass die Bewilligung von Sozialleistungen zu Unrecht aufgehoben oder zurückgenommen und Erstattungspflichten zu Unrecht festgestellt worden sind; einer Rüge des Anhörungsfehlers bedarf es nicht, da dieser von Amts wegen zu beachten ist (Littmann in Hauck/Noftz, SGB X, § 42 RdNr. 28 unter Hinweis auf Großer Senat des BSG 19.02.1992 – GS 1/89 – SozR 3-1300 § 24 Nr. 6 = juris). Diese aus dem Gewicht des Verfahrensverstoßes resultierende Konsequenz verhilft letztlich dem Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs in dem vom Gesetzgeber vorgesehenen Verfahrensabschnitt zur Durchsetzung, da die Verwaltung ansonsten in Abkehr von der gesetzlichen Regelung immer auf die Nachholung und Heilung im nachfolgenden Verfahrensabschnitten vertrauen könnte. Damit muss der Senat aber feststellen, dass vorliegend die fehlende Anhörung die unrechtmäßige Aufhebung bzw. Rücknahme der Bewilligung von Alg bzw. die unrechtmäßige Feststellung von Erstattungspflichten bedingt. Insoweit schlägt die unterbliebene Anhörung beim Erlass der Bescheide vom 12.01.2012 und 07.03.2012 auf die Prüfung nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X durch.
Diese vom Senat angenommene Rechtsfolge steht nicht im Wertungswiderspruch zu den Erfordernissen des gerichtlichen Rechtsbehelfs einer Anhörungsrüge nach § 178a SGG, der ausdrücklich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise fordert. Insoweit verlangt der Gesetzgeber, dass der Verstoß nur dann erfolgreich gerügt werden kann, wenn nicht auszuschließen ist, dass das Gericht ohne die Verletzung des rechtlichen Gehörs zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl, § 178 Rn. 5b mit weiteren Nachweisen). Abgesehen davon, dass für diesen Rechtsbehelf der Gesetzgeber die Kausalität des Rechtsverstoßes ausdrücklich geregelt hat, ist die Differenzierung zwischen der Rüge der Gehörsverletzung im gerichtlichen Verfahren und der vergleichbaren Rüge in einem Verwaltungsverfahren mit dem Ziel des Erlasses eines belastenden Verwaltungsaktes gerechtfertigt. Im gerichtlichen Verfahren gilt die Dispositionsmaxime, weshalb der Kläger grundsätzlich Herr des Verfahrens ist und den Umfang des auf seiner Initiative beruhenden Verfahrens bzw. Begehrens selbst bestimmen kann, was in der Regel auch in dem mit der Anhörungsrüge angegriffenen abgeschlossenen Verfahren der Fall war. Demgegenüber wird der Adressat eines belastenden Verwaltungsakts ohne eigenes Zutun – oft unerwartet – durch den Rechtsetzungsakt der Behörde in einem eigenen Recht tangiert, so dass er bei unterbliebener Anhörung unvermittelt durch den Verwaltungsakt belastet ist ohne jemals eigene Einwendungen gegen den Erlass der Verwaltungsentscheidung erheben zu können bzw. erhoben zu haben.
Die Beklagte war daher unter Aufhebung der Bescheide vom 04.07.2012 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 23.08.2012 zu verpflichten, die Bescheide vom 12.01.2012 und 07.03.2012 zurückzunehmen. Sie ist nunmehr nach Ablauf der Jahresfrist (§ 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X) nicht mehr in der Lage, die in den aufzuhebenden Bescheiden getroffenen Regelungen erneut zu erlassen. Damit erlangt der Kläger mit der vorliegenden Entscheidung auch keine Rechtsposition, die er sofort (§§ 45, 48, 50 Abs. 1 SGB X) wieder an die Beklagte zurückzugeben hätte (§ 242 BGB). Daher kann der vorliegenden Entscheidung nicht entgegen gehalten werden, dass sie zu einer unzulässigen Rechtsausübung führt (§ 242 BGB).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
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