L 6 SB 692/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SB 1974/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 692/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10. Februar 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) mit 50 und damit die Schwerbehinderteneigenschaft.

Die 1954 in Polen geborene Klägerin reiste 1989 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sie ist verheiratet, hat drei Kinder und mittlerweile drei Enkelkinder. Sie arbeitete bis 2014 als Altenpflegerin und ist seither arbeitslos. Bei ihr wurde mit Bescheid vom 9. Dezember 2009 der GdB mit 40 seit 1. Januar 2009 festgestellt. Dieser Feststellung lag die versorgungsärztliche Einschätzung von Dr. Z.-C. von Anfang Dezember 2009 zugrunde, wonach die Sarkoidose, welche im Wesentlichen wegen des Berichtes von Dr. Sch., Chefarzt der Medizinischen Klinik 4, unter anderem Pneumologie, der St. V.-Kliniken Karlsruhe von Februar 2009 angenommen wurde, einen Teil-GdB von 30 sowie die Finger-Polyarthrose, die Periarthritis der rechten Schulter und die Kniearthrose einen Teil-GdB von 20 bedingten. Die Hämorrhoiden, die Darmpolypen, der Verlust der Gallenblase, die Unterfunktion der Schilddrüse, der Zustand nach einer Operation der Blase und die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule hätten jeweils keinen GdB in messbarem Grad zur Folge. Hiergegen strengte die Klägerin ein gerichtliches Verfahren an (Sozialgericht Karlsruhe (SG), Az. S 3 SB 1681/10; Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG), Az. L 3 SB 3377/11), welches durch Rücknahme der Berufung im November 2011 endete.

Am 10. September 2013 beantragte die Klägerin unter Hinweis auf den Zustand nach einer Operation und wegen der Schädigung eines Kniegelenkes, Beeinträchtigungen beider Schultergelenke und der Wirbelsäule sowie die Lungenerkrankung die Neufeststellung des GdB.

Der Beklagte zog den Entlassungsbericht des Leitenden Arztes V., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Rehaklinik S. in Donaueschingen, über den stationären Aufenthalt der Klägerin vom 27. September bis 18. Oktober 2013 bei. Danach seien eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (ICD-10 F45.41), eine Gonarthrose rechts nach dem Zustand einer Arthroskopie am 30. November 2012 (ICD-10 M17.1), ein chronisches rezidivierendes Wirbelsäulensyndrom bei Skoliose und Osteochondrosen der unteren Lendenwirbelsäule (ICD-10 M41.95) sowie der Verdacht auf Läsionen der Rotatorenmanschette beidseits (ICD-10 M75.1) diagnostiziert worden. Der Blutdruck sei bei der Aufnahme mit 160/90 mmHg gemessen worden. Bei der körperlichen Untersuchung zum Zeitpunkt der Entlassung sei die Auskultation von Herz und Lunge unauffällig gewesen. Unverändert habe sich die Kyphoskoliose mit Schwerpunkt im Bereich der Brustwirbelsäule und entsprechend ausgleichenden Hals- und Lendenwirbelsäulenanteilen gezeigt. Die Rotation der Halswirbelsäule sei beidseits bis 70° gelungen. Die Seitneige sei bis 15° sowie die In- und Reklination bis 30/0/10° möglich gewesen. Die Rotation der Brustwirbelsäule sei wie die Seitneigung der Lendenwirbelsäule bis 20°, die Rumpfbeugung sei bis zu einem Finger-Boden-Abstand von 15 cm vorgenommen worden. Das Zeichen nach Schober sei mit 10/14 cm gemessen worden. Beide Schultergelenke hätten einen Bewegungsumfang bei der Ante- und Retroflexion von 150/0/20° sowie bei der Ab- und Adduktion von 110/0/20° eingenommen. Die Außen-/Innenrotation sei angesichts der Schmerzangabe innerhalb der Kapsel mit Limitierung bis 20/0/80° am hängenden Arm und in 90°-Abduktion bis 30/0/20° gelungen. Das Gangbild sei unauffällig gewesen. Der Zehen- und Hackengang seien sicher ausgeführt worden. Bei der Untersuchung im Liegen hätten sich beide Kniegelenke frei beweglich bei stabiler Bandführung gezeigt. Auffällig gewesen sei die atrophische Oberschenkelmuskulatur rechts. Zuletzt habe die Medikation aus Novalgin, 500 mg (1-1-1-1), Valoron 50/4 mg (1-0-1), L-Thyroxin, 100 mg (1-0-0) und Neurexan (0-0-0-1) bestanden.

Nach der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. Z.-C. von März 2014 sei die Sarkoidose weiterhin mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten und nunmehr auch die Kniegelenkarthrose beidseits mit einem Teil-GdB von 20, demgegenüber die Fingerpolyarthrose und die Funktionsbehinderung beider Schultergelenke, genauso wie die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, mit einem Teil-GdB von jeweils lediglich 10. Der Gesamt-GdB betrage daher weiterhin 40. Daraufhin lehnte der Beklagte den Antrag auf Neufeststellung des GdB mit Bescheid vom 20. März 2014 ab. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 2014 zurückgewiesen.

Hiergegen hat die Klägerin am 11. Juni 2014 beim SG Klage erhoben, welches schriftliche sachverständige Zeugenaussagen bei dem Facharzt für Innere Medizin Sch., den Ärzten für Orthopädie Dr. von L. und Dr. H. sowie dem Arzt für Pneumologie und Allergologie Dr. H. eingeholt hat, welche im August 2014 und im Folgemonat vorgelegt worden sind.

Der Facharzt für Innere Medizin Sch. hat ausgeführt, die Klägerin befinde sich seit Oktober 2011 in seiner hausärztlichen Behandlung, welche im Wesentlichen symptomorientiert erfolgt sei, also nicht unbedingt regelmäßig. Er bewerte die Sarkoidose als leichtgradig, die beidseitige Kniearthrose als höhergradig, genauso wie die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule und die Funktionsbehinderung beider Schultergelenke. Wegen der Wirbelsäulenbeschwerden habe sie von ihm zweimal analgetische Spritzen und einmalig ein Rezept über fünfzig Tabletten Diclofenac erhalten. Insgesamt habe sie einen höhergradigen Leidensdruck ausgestrahlt. Die Stimmungslage sei deutlich gedrückt gewesen. Ein ihm mitgeteilter Suizidversuch des Ehemannes im März 2013 habe dies noch verstärkt. Medikamentös sei im Jahre 2011 ein Therapieversuch mit Opipramol über einen mitbehandelnden Neurologen erfolgt.

Dr. von L. hat mitgeteilt, seiner Auffassung nach sei die Gonarthrose mit einem GdB von 20 zu niedrig bewertet, vielmehr ein solcher von 30 angemessen. Mit den sonstigen Einstufungen sei er jedoch einverstanden.

Dr. H. hat einen beidseitigen Hallux valgus und eine rechtsseitige Gonarthrose diagnostiziert. Die Kniegelenkproblematik sei maximal mit einem GdB von 20 zu bewerten, die Hallux valgus-Beschwerden mit einem solchen von 10.

Dr. H. hat für die Sarkoidose einen GdB von 30 für ausreichend erachtet, zumal keine Funktionsstörungen bestünden. Die Erkrankung liege in chronischer Form vor. Im Vergleich zu Dezember 2009 hätten sich weder röntgenologisch noch lungenfunktionell Veränderungen eingestellt.

Das SG hat Dr. M. mit der Erstattung eines orthopädischen Gutachtens beauftragt. Nach ambulanter klinischer und radiologischer Untersuchung der Klägerin am 31. März 2015 hat er ausgeführt, hinsichtlich der im Bescheid vom 9. Dezember 2009 anerkannten Behinderungen sei offensichtlich keine wesentliche Änderung eingetreten. Die Fingerpolyarthrose habe unverändert bestanden, die Beweglichkeit aller Fingergelenke einschließlich des Faustschlusses sei aber frei gewesen. Eine Funktionsstörung der Ellenbogengelenke habe nicht nachgewiesen werden können. Die rechte Schulter habe ebenfalls eine freie Beweglichkeit gezeigt. Hinsichtlich der Rückenschmerzen hätten bei der gutachterlichen Untersuchung eine freie Beweglichkeit und Entfaltbarkeit, keine manualmedizinisch nachweisbare segmentale Funktionsstörung sowie keine Nervenausfälle vorgelegen. Radiologisch hätten sich die degenerativen Veränderungen vorwiegend im unteren Segment der Lendenwirbelsäule dargestellt. Zudem seien spondylotische Abstützvorgänge der unteren drei Segmente in diesem Wirbelsäulenabschnitt zu erkennen gewesen. Der GdB sei insoweit mit 10 anzusetzen. Die Kniegelenkarthrose rechts habe sich ausschließlich radiologisch dargestellt, ohne Funktionsstörung und Reizzustand. Neu hinzugetreten seien nach Aussage der Klägerin die Schmerzen des linken Kniegelenkes. Auch insoweit sei jedoch eine freie Beweglichkeit festzustellen gewesen. Eine Ergussbildung habe nicht bestanden. Es seien weder Punktionen noch Injektionen durchgeführt worden. Somit sei bei nur minimalen degenerativen Veränderungen im Röntgenbild kein messbarer GdB bezüglich des linken Kniegelenkes festzustellen. Weiterhin habe ein Hallux valgus mit beginnender Arthrose der Großzehengrundgelenke bestanden. Der versorgungsärztlichen Einschätzung der orthopädischen Beeinträchtigungen sei zuzustimmen. Lediglich die Ballenzehenbildung beiderseits sei mit einem weiteren GdB von 10 zu berücksichtigen, was sich jedoch auf den Gesamt-GdB nicht auswirke. Bereits im Entlassungsbericht der Rehaklinik S. sei die Diagnose eines chronifizierten Schmerzsyndroms mit somatischen und psychischen Faktoren gestellt worden. Dies habe sich bei seiner Untersuchung bestätigt, nachdem ein chronifiziertes Schmerzsyndrom vom so genannten "Fibromyalgietyp" vorgelegen habe. Gemessen am Verhalten und am Beschwerdevortrag bestünde bei der Klägerin offensichtlich ein hoher Leidensdruck, so dass er eine psychiatrische Zusatzbegutachtung empfehle.

Das SG hat daraufhin den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie sowie Psychotherapeutische Medizin Dr. W. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Nach ambulanter klinischer Untersuchung der Klägerin am 16. Juli 2015 hat dieser kundgetan, bei ihr liege eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung vor, die ab September 2013 nachweisbar sei. Diese bedinge einen GdB von 30, da es sich um eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit handele. Dadurch erhöhe sich der Gesamt-GdB ab diesem Monat auf 50. Die als Einzelkind aufgewachsene Klägerin habe sich selbst als schon immer schüchtern und zurückhaltend bezeichnet. Sie sei schon früher schwer in der Lage gewesen, Kontakt zu anderen Menschen aufzunehmen. Das habe sich in den letzten Jahren wegen der Schmerzen noch verstärkt, sie habe sich völlig zurückgezogen. Sie habe jahrelang hohe Dosen an Schmerzmitteln eingenommen, welche sie wegen einer Allergieentwicklung nicht mehr vertragen habe. Von ihrem Hausarzt sei ihr aktuell ein Antidepressivum für die Nacht verschrieben worden. Wegen ihrer Neigung zu Allergien erhalte sie Kortison. Ob einer Unterfunktion der Schilddrüsen sei ihr L-Thyroxin verordnet worden. Sie habe zum Tagesablauf angegeben, gegen 7:30 Uhr aufzustehen und die Morgentoilette zu machen. Dann frühstücke sie allein, da ihr Ehemann noch berufstätig sei und das Haus bereits verlassen habe. Sie versuche anschließend im Rahmen ihrer Möglichkeiten den Haushalt zu machen. Zu Fuß erledige sie kleine Einkäufe, wobei sich die Lebensmittelgeschäfte direkt gegenüber befänden. Großeinkäufe erledige sie am Wochenende gemeinsam mit ihrem Ehemann und mit dem Personenkraftwagen. Mittags koche sie sich eine Kleinigkeit. Ihr Ehemann komme gegen 16 Uhr von der Arbeit zurück. Gegen 19 Uhr gebe es kaltes Abendessen. Sie gehe gegen 23 Uhr zu Bett. Der Schlaf sei unregelmäßig, sie müsse nachts häufig wegen der Schmerzen aufstehen und etwas herumlaufen. Die Schwingungsfähigkeit und der Antrieb seien deutlich gemindert gewesen. Die Stimmung sei ausgesprochen dysphorisch-moros und leichtgradig depressiv mit thematischer Fixierung auf die eigene körperliche Befindlichkeit und die chronische Schmerzsymptomatik gewesen. Beim Test zur Erfassung der Schwere der Depression (TSD) habe die Klägerin einen Score von 68 erreicht, was eine leichte, weitgehend somatisierte depressive Symptomatik widerspiegle. Dieser Befund sei typisch für eine Verdrängung der seelischen Schmerzen in den körperlichen Schmerzbereich hinein. Nach der Grundpersönlichkeit handele es sich bei der Klägerin um eine psychasthenische und überwiegend histrionisch strukturierte Persönlichkeit mit massiven Verdrängungs- und Somatisierungstendenzen. Die Reproduktionsfähigkeit der Gedächtnisinhalte, die Konzentration und das Durchhaltevermögen seien noch normal, allerdings im unteren Drittel des Normbereiches gewesen. Die kognitiven Fähigkeiten wie die Geschwindigkeit der Verarbeitung von Informationen, die Flexibilität und die Umstellungsfähigkeit hätten ebenfalls am unteren Ende der Normskala gelegen und seien damit noch in Ordnung gewesen. Insgesamt sei der cerebrale Insuffizienz (CI)-Test noch altersentsprechend unauffällig gewesen. Die Klägerin leide im Wesentlichen, bei durchaus vorhandenen orthopädischen degenerativen Erscheinungen, an einer chronischen Schmerzsymptomatik und habe sich sozial weitgehend zurückgezogen.

Diesem Gutachten ist der Beklagte, im Wesentlichen gestützt auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. R. von Dezember 2015, entgegengetreten. Dr. W. könne nicht gefolgt werden, er habe Überschneidungen zum orthopädischen Fachgebiet nicht beachtet. Eine Schmerztherapie habe nach den Ausführungen von Dr. M. seit einem Jahr nicht mehr stattgefunden. Eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit in allen Lebensbereichen habe sich nicht feststellen lassen. Die prämorbide Krankheitsentwicklung und das psychosoziale Umfeld seien in dem Gutachten von Dr. W. nicht hinreichend detailliert dargestellt worden. Der Alltag könne strukturiert bewältigt werden. Die Anamnese sei in Bezug auf die Einnahme von Medikamenten leer gewesen. Die im Entlassungsbericht der Rehaklinik S. aufgeführte Medikation werde daher offensichtlich nicht mehr eingenommen. Ein höherer Leidensdruck lasse sich daraus folglich nicht ableiten. Die im Gutachten von Dr. W. angeführte Einnahme von Kortison ohne entsprechende Dosierung beziehungsweise die Angabe eines Antidepressivums decke sich nicht mit den Äußerungen, welche im orthopädischen Gutachten von Dr. M. enthalten seien. Auch der Teil-GdB von 30 für die Sarkoidose sei wohlwollend, da seit Dezember 2009 insoweit keine Veränderung eingetreten sei und daher keine Funktionsstörungen bestünden.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 10. Februar 2016 abgewiesen. Ein höherer Gesamt-GdB als 40 lasse sich nicht feststellen. Insbesondere seien die psychischen Beschwerden in Form einer somatoformen Schmerzstörung selbst unter Berücksichtigung des Gutachtens von Dr. W. mit einem Teil-GdB von 20 ausreichend bewertet. Anders als dieser sei nicht von einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit auszugehen. Stärkere soziale Anpassungsschwierigkeiten seien keinesfalls nachgewiesen. Der Tagesablauf der Klägerin, welcher regelmäßiges Aufstehen, selbstständiges Zubereiten der Mahlzeiten, Haushaltsarbeiten, Einkaufen und Fernsehen beinhalte, lasse eine gewisse Struktur erkennen. Krankheitsbedingte erhebliche familiäre Probleme seien nicht ersichtlich. Eine adäquate Medikation werde nicht eingenommen. Ebenso wenig erfolgten eine regelmäßige adäquate Schmerztherapie oder fachpsychiatrische beziehungsweise psychotherapeutische Behandlungen. Auch dies lasse auf einen insoweit fehlenden Leidensdruck schließen, wie er üblicherweise bei einer stärker behindernden Störung vorliege. Das Funktionssystem "Beine" sei, anders als vom Beklagten vorgenommen, mit einem Teil-GdB von 10 ausreichend bewertet. Die Kniebeschwerden begründeten keinen höheren GdB als 10. Insgesamt sei ein Gesamt-GdB von 40 daher weiterhin leidensgerecht.

Hiergegen hat die Klägerin am 23. Februar 2016 Berufung beim LSG eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, mit ihren Behinderungen gingen Einschränkungen wie ständige Schmerzen, Ein- und Durchschlafstörungen, ständiges Grübeln in der Nacht sowie Konzentrationsstörungen einher. Insbesondere die Expertise von Dr. W. stütze einen Gesamt-GdB von 50. Auf ihr Kostenrisiko solle kein Gutachten eingeholt werden. Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10. Februar 2016 und den Bescheid vom 20. März 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Mai 2014 aufzuheben sowie den Beklagten zu verpflichten, bei ihr unter Abänderung des Bescheides vom 9. Dezember 2009 den Grad der Behinderung mit mindestens 50 ab 10. September 2013 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Er hält einen Gesamt-GdB von 40 für ausreichend, der von Dr. W. angenommene von 50 sei nicht begründbar.

Die Klägerin ist in der nichtöffentlichen Sitzung beim LSG am 24. Juni 2016 vom Berichterstatter gehört und auf die Erfolgslosigkeit des Rechtsmittels hingewiesen worden. Sie hat angegeben, mittlerweile drei Enkelkinder zu haben. Derzeit nehme sie Tavor und Duloxetin, 30 mg als Medikation zu sich. Bei diesem Termin ist ihr mitgeteilt worden, dass über das Rechtsmittel ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden wird. Den Beteiligten ist Gelegenheit gegeben worden, hierzu Stellung zu nehmen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und auf die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die Berufung nach § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richterinnen und Richter durch Beschluss, da die Berufsrichterin und -richter des Senats die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halten. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu dieser Verfahrensweise gegeben worden. Zudem ist die Klägerin darauf hingewiesen worden, dass die Berufung wenig aussichtsreich erscheint (vgl. BSG, Urteil vom 25. November 1999 - B 13 RJ 25/99 R -, SozR 3-1500 § 153 Nr. 9, S. 27).

Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143, § 144 SGG), aber unbegründet. Das SG hat die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG, vgl. zur Klageart BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 6/12 R -, juris, Rz. 25 m. w. N.) zulässige Klage, mit welcher die Feststellung des GdB mit mindestens 50 verfolgt worden ist, zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat ab dem Tag des Antrages auf Neufeststellung vom 10. September 2013 keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40, wie er bereits mit nach Rücknahme der Berufung im November 2011 bestandskräftigem Bescheid vom 9. Dezember 2009 zuerkannt worden ist. Daher ist der angefochtene Bescheid vom 20. März 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Mai 2014 rechtmäßig und verletzt diese nicht in ihren Rechten.

Gegenstand der Klage ist ein Anspruch der Klägerin auf Neufeststellung des GdB mit mindestens 50 ab 10. September 2013 aufgrund einer geltend gemachten Verschlimmerung desjenigen Gesundheitszustandes, welcher dem Bescheid vom 9. Dezember 2009 zugrunde lag. Diesem Anspruch steht die angefochtene Verwaltungsentscheidung entgegen, da sie das SG nicht zumindest teilweise aufgehoben hat. Die gerichtliche Nachprüfung richtet sich, bezogen auf die tatsächlichen Verhältnisse, in Fällen einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl. 2014, § 54 Rz. 34; vgl. auch BSG, Urteil vom 12. November 1996 - 9 RVs 5/95 -, BSGE 79, 223 (225) zum selben Beurteilungszeitpunkt bei der isolierten Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung).

Der Bevollmächtigte der Klägerin, ein Rentenberater, ist in diesem Verfahren nach Maßgabe des § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGG vertretungsbefugt und war daher nicht gemäß § 73 Abs. 3 Satz 1 SGG zurückzuweisen. Nach § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGG sind Rentenberaterinnen und Rentenberater im Umfang ihrer Befugnisse nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) vertretungsbefugt. Der Bevollmächtigte der Klägerin darf danach als natürliche Person aufgrund besonderer Sachkunde Rechtsdienstleistungen in den Bereichen Rentenberatung auf dem Gebiet der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung, des sozialen Entschädigungsrechts, des übrigen Sozialversicherungs- und Schwerbehindertenrechts mit Bezug zu einer gesetzlichen Rente sowie der betrieblichen und berufsständischen Versorgung erbringen. Wie die Vorschrift ausdrücklich bestimmt, muss auf dem Gebiet des Schwerbehindertenrechts indes ein konkreter Rentenbezug vorliegen (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 SB 3/13 R -, SozR 4-1200 § 66 Nr. 7, Rz. 13; vgl. auch Köhler, SGb 2009, S. 441 (444)). Hierauf weist auch der Entwurf des Gesetzes der Bundesregierung zur Neuregelung des Rechtsberatungsgesetzes (RBerG) vom 30. November 2006 hin, wonach die Beratungs- und Vertretungsbefugnis der Rentenberaterinnen und Rentenberater auch künftig stets einen Bezug zu einer der im Entwurf genannten Rentenformen voraussetzt (vgl. BT-Drucks 16/3655, S. 64). Ein solcher ist vorliegend gegeben, da die 62-jährige Klägerin die Statusfeststellung der Schwerbehinderung begehrt, was Voraussetzung für ein festzustellendes Recht auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen ist (§ 37 Satz 1 Nr. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI i. V. m. § 2 Abs. 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IX). Deren sogar abschlagsfreie Inanspruchnahme ist der 1954 geborenen Klägerin, bei der bislang noch kein Recht auf eine Rente nach dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung festgestellt ist, gemäß § 236a Abs. 2 Satz 2 SGB VI ab einem Alter von 63 Jahren und 8 Monaten möglich. Der Senat nimmt in dieser Konstellation einen konkreten Rentenbezug an.

Grundlage für den Klageanspruch ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten der Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X). Dabei liegt eine wesentliche Änderung vor, soweit der Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen nicht mehr so erlassen werden dürfte, wie er ergangen war. Die Änderung muss sich nach dem zugrundeliegenden materiellen Recht auf den Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes auswirken. Das ist bei einer tatsächlichen Änderung nur dann der Fall, wenn diese so erheblich ist, dass sie rechtlich zu einer anderen Bewertung führt. Von einer wesentlichen Änderung ist im vorliegenden Zusammenhang bei einer Verschlechterung im Gesundheitszustand der Klägerin auszugehen, wenn aus dieser die Erhöhung des Gesamt-GdB um wenigstens 10 folgt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 11.November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 12). Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt - teilweise - aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG, Urteil vom 22. Oktober 1986 - 9a RVs 55/85 -, juris, Rz. 11 m. w. N.). Die Feststellung einer wesentlichen Änderung setzt einen Vergleich der Sach- und Rechtslage bei Erlass des - teilweise - aufzuhebenden Verwaltungsaktes und zum Zeitpunkt der Überprüfung voraus (vgl. BSG, Urteil vom 2. Dezember 2010 - B 9 V 2/10 R -, juris, Rz. 38 m. w. N.; Schütze, in von Wulffen/Schütze, Kommentar zum SGB X, 8. Aufl. 2014, § 48 Rz. 4).

Bei dem Bescheid vom 9. Dezember 2009 über die Feststellung des GdB mit 40 seit 1. Januar 2009 handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 6/12 R -, juris, Rz. 31 m. w. N.). In den tatsächlichen Verhältnissen, die bei Erlass dieser Verwaltungsentscheidung vorlagen, ist keine wesentliche Änderung eingetreten.

Der Anspruch der Klägerin richtet sich nach § 69 Abs. 1 und 3 SGB IX. Danach stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Menschen sind nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Schwerbehindert sind gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX Menschen, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG (bis 30. Juni 2011: § 30 Abs. 17 BVG) erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Von dieser Ermächtigung hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Gebrauch gemacht und die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412) erlassen, um unter anderem die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG zu regeln (vgl. § 1 VersMedV). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellte und fortentwickelte Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R -, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.

Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen, unabhängig ihrer Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als "Alterskrankheiten" (etwa "Altersdiabetes" oder "Altersstar") bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2 c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 e). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 69 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.

Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 17 m. w. N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - B 9 SB 35/10 B -, juris, Rz. 5).

Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer unbenannten Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzel-fall zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (BSG, Urteil vom 24. Juni 1998 - B 9 SB 17/97 R -, juris, Rz. 13). Der Teil-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder der Vorinstanz Teil-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird.

In Anwendung dieser durch den Gesetz- und Verordnungsgeber vorgegebenen Grundsätze sowie unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen der Klägerin auch nach dem 9. September 2013 keinen höheren GdB als 40 begründen, wie er vom Beklagten bereits festgestellt worden ist.

Das Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" hat einen Teil-GdB von 20 zur Folge.

Die mit der von dem Sachverständigen Dr. W. diagnostizierten anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, welche nach der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme ICD-10-GM-2016 mit "F45.40" zu verschlüsseln ist, einhergehenden und bei der Klägerin bestehenden Funktionseinschränkungen rechtfertigen in Anlehnung an die VG, Teil B, Nr. 3.7 zwar einen GdB von 20, ein höherer, Dr. W. hat 30 angenommen, ist indes nicht begründbar. Danach sind Neurosen bei leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen mit einem GdB von 0 bis 20, bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit einem GdB von 30 bis 40 sowie bei schweren Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem GdB von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einen GdB von 80 bis 100 zu bewerten. Ein höherer GdB als 20 ist vorliegend nicht angemessen, da die Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit durch die anhaltende somatoforme Schmerzstörung nicht wesentlich eingeschränkt ist. Der von Dr. W. angenommene weitgehende soziale Rückzug, welchen er an einer Stelle seines Gutachtens sogar als "völlig" bezeichnet hat, ist nicht, jedenfalls nicht ausschließlich als krankheitsbedingt, belegt. Eine solche Beschränkung auf die Familie, also ihre drei Kinder und mittlerweile drei Enkelkinder, ist überhaupt nicht zu verzeichnen. Zudem hat die Klägerin gegenüber Dr. W. geäußert, schon immer, also bereits vor der Erkrankung, schüchtern und zurückhaltend gewesen zu sein. Sie sei schon immer schwer in der Lage gewesen, Kontakt zu anderen Menschen aufzunehmen. Gegen eine stärker behindernde Störung spricht weiter die noch weitgehend erhaltene Tagesstruktur. Die Klägerin steht täglich gegen 7:30 Uhr auf und geht etwa um 23 Uhr zu Bett. Sie bereitet sich selbst die Mahlzeiten zu und erledigt kleine Einkäufe selbstständig. Es ist ihr zudem nicht unmöglich, die Hausarbeit zu verrichten. Der von Dr. W. erhobene psychopathologische Befund mit deutlich geminderter Schwingungsfähigkeit und erheblich reduziertem Antrieb bei ausgesprochen dysphorisch-moroser Stimmung und leichtgradiger Depressivität mit thematischer Fixierung auf die eigene körperliche Befindlichkeit und die Schmerzsymptomatik sowie die geringe Schlafstörung, bei der es ihr bereits hilft, etwas herumzulaufen, als psychovegetative Begleiterscheinung stützen dann lediglich einen GdB von 20 am oberen Ende des insoweit eröffneten GdB-Rahmens, zumal wegen dieser Erkrankung zum Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung durch Dr. W. Mitte Juli 2015 durch den Hausarzt Sch. nur ein Antidepressivum für die Nacht verschrieben worden war und aktuell lediglich eine symptom-orientierte medikamentöse Behandlung mit den Wirkstoffen Lorazepam in dem Medikament Tavor und Duloxetin, 30 mg erfolgt, wie sie in der nichtöffentlichen Sitzung beim LSG Ende Juni 2016 gegenüber dem Berichterstatter kundtat. Hierbei hat der Senat auch berücksichtigt, dass ihr zum Zeitpunkt des stationären Aufenthaltes in der Rehaklinik S. im Herbst 2013 insoweit noch Novalgin, 500 mg (1-1-1-1), Valoron 50/4 mg (1-0-1) und Neurexan (0-0-0-1) verbreicht wurden und sie wegen Allergieerscheinungen von der Einnahme dieser Medikamente wie auch von Ibuprofen mittlerweile Abstand genommen hat. Hiernach ist der GdB mit 20 angemessen, aber auch ausreichend bewertet.

Ein Hirnschaden (VG, Teil B, Nr. 3.1) ist weder nachgewiesen noch, unterstellt eine solcher liegt vor, eine damit einhergehende, für den GdB relevante Leistungsbeeinträchtigung, wie etwa die von der Klägerin angeführten Konzentrationsstörungen, objektiviert. Die Reproduktionsfähigkeit der Gedächtnisinhalte, die Konzentration und das Durchhaltevermögen sind bei der gutachterlichen Untersuchung durch Dr. W. zwar im unteren Drittel des Normbereiches, damit aber immer noch normal gewesen. Die kognitiven Fähigkeiten wie die Geschwindigkeit der Verarbeitung von Informationen, die Flexibilität und die Umstellungsfähigkeit lagen ebenfalls noch am unteren Ende der Normskala. Insgesamt war der CI-Test noch altersentsprechend unauffällig. Der Teil-GdB von 20 für das Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" erhöht sich wegen eines Hirnschadens folglich nicht.

Das Funktionssystem "Atmung" erreicht keinen Teil-GdB in messbarem Grad.

Der GdB bei einer Sarkoidose richtet sich nach der Aktivität mit ihren Auswirkungen auf den Allgemeinzustand und nach denjenigen an den verschiedenen Organen. Bei chronischem Verlauf mit klinischen Aktivitätszeichen und Auswirkungen auf den Allgemeinzustand ist ohne Funktionseinschränkung von betroffenen Organen ein GdB von 30 anzunehmen (VG, Teil B, Nr. 8.9). Eine Sarkoidose der Lunge (ICD-10-GM-2016 D86.0) liegt bei der Klägerin bereits nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 16. Februar 2012 - B 9 SB 1/11 R -, SozR 4-3250 § 69 Nr. 15, Rz. 46) vor, weshalb der Senat von diesem Krankheitsbild bei ihr nicht voll überzeugt ist. Diese Erkrankung legte der Beklagte zwar bereits dem bestandskräftigen Bescheid vom 9. Dezember 2009 zugrunde, wobei er sich im Wesentlichen auf den Bericht von Dr. Sch. nach der ambulanten Untersuchung der Klägerin Anfang Februar 2009 stützte, welcher indes nur einen dringenden Verdacht auf diese pathologische Entität äußerte. So bot die bronchoalveoläre Lavage, ein Verfahren, welches im Rahmen einer Bronchoskopie angewendet wird, zwar eine sehr ausgeprägte rein lymphozytäre Alveolitis mit starker Erhöhung des CD4/CD8-Quotienten, also des Verhältnisses der T-Helferzellen zu den regulatorischen T-Zellen, was für eine Sarkoidose typisch ist. Es konnte hingegen der Nachweis einer granulomatösen Entzündung nicht erbracht werden, weshalb Dr. Sch. nachvollziehbar nicht von einer gesicherten Diagnose ausgegangen ist. Soweit der Facharzt für Radiologe Dr. G. bei der Computertomographie des Brustkorbes im Januar 2009 pulmonale Veränderungen feststellte, welche in erster Linie auf eine chronisch entzündliche Erkrankung hindeuteten, konnte er nicht sicher sagen, ob sie infektiös oder autoimmunologisch bedingt waren. Priv.-Doz. Dr. F., Ärztliche Leiter Rheumatologie des Rheumazentrums Baden-Baden, bei dem sich die Klägerin im April 2009 vorstellte, hat die Verdachtsdiagnose von Dr. Sch. lediglich übernommen. Die Äußerungen der sachverständigen Zeugen Sch. und Dr. H., wonach die Sarkoidose leichtgradig sei beziehungsweise einen chronischen Verlauf genommen habe, sind daher mangels gesicherter Diagnose nicht nachvollziehbar. Ohnehin wäre mangels von Letzterem beschriebener klinischer Aktivitätszeichen und Funktionsstörungen kein GdB von wenigstens 10 erreicht.

Die bei der Klägerin wegen der Gesundheitsstörungen an den Haltungs- und Bewegungsorganen vorliegenden Funktionsbehinderungen bedingen in Bezug auf die Funktionssysteme "Rumpf" und "Beine" jeweils nur Teil-GdB von 10, das Funktionssystem "Arme" erreicht nicht einmal diesen Grad. Nach den VG, Teil B, Nr. 18.1 wird der GdB für angeborene und erworbene Schäden an den Haltungs- und Bewegungsorganen entscheidend bestimmt durch die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen (Bewegungsbehinderung und Minderbelastbarkeit) sowie die Mitbeteiligung anderer Organsysteme. Die üblicherweise auftretenden Beschwerden sind dabei mitberücksichtigt. Außergewöhnliche Schmerzen sind gegebenenfalls zusätzlich zu werten (vgl. VG, Teil A, Nr. 2 j). Schmerzhafte Bewegungseinschränkungen der Gelenke können schwerwiegender als eine Versteifung sein. Bei Haltungsschäden und/oder degenerativen Veränderungen an Gliedmaßengelenken und an der Wirbelsäule (z. B. Arthrose, Osteochondrose) sind auch Gelenkschwellungen, muskuläre Verspannungen, Kontrakturen oder Atrophien zu berücksichtigen. Mit bildgebenden Verfahren festgestellte Veränderungen (z. B. degenerativer Art) allein rechtfertigen noch nicht die Annahme eines GdB. Ebenso kann die Tatsache, dass eine Operation an einer Gliedmaße oder an der Wirbelsäule (z. B. Meniskusoperation, Bandscheibenoperation, Synovialektomie) durchgeführt wurde, für sich allein nicht die Annahme eines GdB begründen.

Das Funktionssystem "Rumpf" ist mit einem Teil-GdB von 10 ausreichend bewertet.

Nach den VG, Teil B, Nr. 18.9 ergibt sich der GdB bei angeborenen und erworbenen Wirbelsäulenschäden (einschließlich Bandscheibenschäden, Scheuermann-Krankheit, Spondylolisthesis, Spinalkanalstenose und dem so genannten "Postdiskotomiesyndrom") primär aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und -instabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte. Der Begriff Instabilität beinhaltet die abnorme Beweglichkeit zweier Wirbel gegeneinander unter physiologischer Belastung und die daraus resultierenden Weichteilveränderungen und Schmerzen. So genannte "Wirbelsäulensyndrome" (wie Schulter-Arm-Syndrom, Lumbalsyndrom, Ischialgie sowie andere Nerven- und Muskelreizerscheinungen) können bei Instabilität und bei Einengungen des Spinalkanals oder der Zwischenwirbellöcher auftreten. Für die Bewertung von chronisch-rezidivierenden Bandscheibensyndromen sind aussagekräftige anamnestische Daten und klinische Untersuchungsbefunde über einen ausreichend langen Zeitraum von besonderer Bedeutung. Im beschwerdefreien Intervall können die objektiven Untersuchungsbefunde nur gering ausgeprägt sein.

Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität haben einen GdB von 0 zur Folge. Gehen diese mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurzdauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) einher, ist ein GdB von 10 gerechtfertigt. Ein GdB von 20 ist bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) vorgesehen. Liegen schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt vor (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ist ein Teil-GdB von 30 angemessen. Ein GdB-Rahmen von 30 bis 40 ist bei mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorgesehen. Besonders schwere Auswirkungen (etwa Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst [z.B. Milwaukee-Korsett]; schwere Skoliose [ab ca. 70° nach Cobb]) eröffnen einen GdB-Rahmen von 50 bis 70. Schließlich ist bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB-Rahmen zwischen 80 und 100 vorgesehen. Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen - oder auch die intermittierenden Störungen bei der Spinalkanalstenose - sowie Auswirkungen auf die inneren Organe (etwa Atemfunktionsstörungen) sind zusätzlich zu berücksichtigen. Bei außergewöhnlichen Schmerzsyndromen kann auch ohne nachweisbare neurologische Ausfallerscheinungen (z. B. Postdiskotomiesyndrom) ein GdB über 30 in Betracht kommen.

Die Klägerin leidet nach dem im Wege des Urkundenbeweises (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 415 ff. Zivilprozessordnung - ZPO) verwerteten Entlassungsbericht des Leitenden Arztes V. an einem chronischen rezidivierenden Wirbelsäulensyndrom bei Skoliose und Osteochondrosen im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule. Bei der radiologischen Untersuchung des Sachverständigen Dr. M. stellten sich die degenerativen Veränderungen ebenfalls vorwiegend im unteren Segment der Lendenwirbelsäule dar. Zudem waren spondylotische Abstützvorgänge der unteren drei Segmente in diesem Wirbelsäulenabschnitt zu erkennen. Bei seiner gutachterlichen Untersuchung Ende März 2015 konnten indes eine freie Beweglichkeit und Entfaltbarkeit, keine manualmedizinisch nachweisbare segmentale Funktionsstörung sowie keine Nervenausfälle festgestellt werden. Die Funktionsprüfung nach der Neutral-0-Methode belegt dies. Die Seitneigung der Halswirbelsäule konnte beidseits bis 45° vorgenommen werden (Referenzwerte: 45-0-45°; vgl. hierzu und zu den folgenden Daten Buckup, Klinische Tests an Knochen, Gelenken und Muskeln, 5. Aufl. 2012, S. 23 ff.). Das Vor-/Rückneigen wurde mit 70-0-60° (35 bis 45-0-35 bis 45°; nach dem Messblatt "Wirbelsäule" 50 bis 70-0-40 bis 50°, im Internet unter "www.dguv.de/medien/formtexte/aerzte/f 6222/f6222.pdf") und die Rotation rechts/links beidseits mit 80º (80-0-80º) gemessen. Die Rumpfwirbelsäule, also auch im Bereich der Lendenwirbelsäule, wies eine gute Inklination und Reklination auf. Die Klägerin nahm eine Seitneigung von 50-0-45º (30 bis 40º-0-30 bis 40º) ein. Die Rotation war sogar beidseits bis 60º (30-0-30º; nach dem Messblatt "Wirbelsäule" 30 bis 50-0-30 bis 50°, a. a. O.) möglich. Der Finger-Boden-Abstand betrug 5 cm. Die Zeichen nach Ott und Schober wurden mit 30/32 cm (Zunahme um 2 bis 4 cm) und 10/14 cm (Zunahme um 5 cm) festgestellt. Außergewöhnliche Schmerzen, die zusätzlich zu berücksichtigen wären (VG, Teil A, Nr. 2 j; st. Rspr. vgl. Urteil des Senats vom 26. Februar 2015 - L 6 SB 2969/14 -, juris, Rz. 56), wurden nicht nachgewiesen. Damit in Einklang steht, dass sich die Klägerin seit etwa Frühjahr 2014 nicht mehr in schmerztherapeutischer Behandlung befunden hat, worauf der Versorgungsarzt Dr. R. im Dezember 2015 unter Bezugnahme auf Dr. M. zutreffend hingewiesen hat. Der behandelnde Hausarzt, der sachverständige Zeuge Sch. hat seit Behandlungsbeginn im Oktober 2011 lediglich zwei analgetische Spritzen verabreicht und einmalig ein Rezept über fünfzig Tabletten Diclofenac ausgestellt. Die nach dem stationären Aufenthalt der Klägerin in der Rehaklinik S. von dem Leitenden Arzt V. angeblich festgestellten funktionellen Einschränkungen im Bereich der gesamten Wirbelsäule haben sich damit durch die gezielte gutachterliche Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. M. nicht bestätigt. Ohnehin ist es nicht schlüssig, dass der Klägerin die Seitneige der Brust- und Lendenwirbelsäule jeweils nur bis 20° möglich gewesen sein soll. Denn sie zeigte ein unauffälliges Gangbild und führte den Zehen- und Hackengang sicher aus. Hinzu kommt, dass das nicht zur aktiven Funktionsprüfung zählende Zeichen nach Schober, mit dem die Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule getestet wird, von dem Leitenden Arzt V. mit dem identischen Wert festgestellt worden ist, wie ihn Dr. M. eineinhalb Jahre später ermittelt hat. Weiter erscheint es nicht plausibel, dass die Seitneige der Halswirbelsäule lediglich bis 15° habe erfolgen können sowie die In- und Reklination bei 30-0-10° geendet haben soll, ohne dass diesen Werten eine pathologische Entität zugrunde lag. Eine Krankheit im Bereich der Halswirbelsäule diagnostizierte der Leitende Arzt V. nicht. Ein höherer Teil-GdB als 10 ist ob der lediglich objektivierten geringen funktionellen Auswirkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule für das Funktionssystem "Rumpf" nicht erreicht, wobei die üblicherweise damit einhergehenden Schmerzen in den in der GdB-Tabelle angegebenen Werten eingeschlossen sind.

Der GdB bei Gliedmaßenschäden ergibt sich nach den VG, Teil B, Nr. 18.11 aus dem Vergleich mit dem GdB für entsprechende Gliedverluste. Trotz erhaltener Extremität kann der Zustand gelegentlich ungünstiger sein als der Verlust. Die aufgeführten GdB für Gliedmaßenverluste gehen, soweit nichts anderes erwähnt ist, von günstigen Verhältnissen des Stumpfes und der benachbarten Gelenke aus. Bei ausgesprochen ungünstigen Stumpfverhältnissen, bei nicht nur vorübergehenden Stumpfkrankheiten sowie bei nicht unwesentlicher Funktionsbeeinträchtigung des benachbarten Gelenkes sind diese Sätze im allgemeinen um 10 zu erhöhen, unabhängig davon, ob Körperersatzstücke getragen werden oder nicht. Körperersatzstücke, orthopädische und andere Hilfsmittel mindern bei Verlust und Funktionsstörungen der Gliedmaßen sowie bei Funktionseinschränkungen des Rumpfes die Auswirkungen der Behinderung, ohne dass dadurch der durch den Schaden allein bedingte GdB eine Änderung erfährt. Bei der Bewertung des GdB von Pseudarthrosen ist zu berücksichtigen, dass straffe günstiger sind als schlaffe. Bei habituellen Luxationen richtet sich die Höhe des GdB außer nach der Funktionsbeeinträchtigung der Gliedmaße auch nach der Häufigkeit der Ausrenkungen.

Das Funktionssystem "Arme" hat keinen Teil-GdB in messbarem Grad zur Folge.

Die Fingerpolyarthrose bestand bei der gutachterlichen Untersuchung von Dr. M. unverändert fort, indes war die Beweglichkeit aller Fingergelenke einschließlich des Faustschlusses frei. Eine Funktionsstörung der Ellenbogengelenke konnte nicht nachgewiesen werden. Die rechte Schulter zeigte ebenfalls eine freie Beweglichkeit. Die freie Beweglichkeit der Gelenke der oberen Extremitäten belegen auch die von Dr. M. gemessenen Werte nach der Neutral-0-Methode, so dass unter Berücksichtigung der VG, Teil B, Nr. 18.13 keine GdB von wenigstens 10 erreicht ist. Insbesondere gelang die Schultervorhebung beidseits bis 170°; von dem Leitenden Arzt V. wurde sie im Herbst 2013 mit 150° gemessen. Die Streckung und Beugung der Ellenbogengelenke konnte Ende März 2015 beidseits mit 0-0-140° vorgenommen werden. Ein GdB von wenigstens 10 ist daher für das Funktionssystem "Arme" nicht erreicht.

Das Funktionssystem "Beine" ist mit einem Teil-GdB von 10 ausreichend bewertet.

Die Kniegelenkarthrose rechts (ICD-10-GM-2016 M17.1), welche bereits der Leitende Arzt V. diagnostizierte, stellte sich bei der gutachterlichen Untersuchung durch Dr. M. ausschließlich radiologisch dar, ohne Funktionsstörung und Reizzustand. Mit bildgebenden Verfahren festgestellte Veränderungen allein rechtfertigen nach den VG, Teil B, Nr. 18.1 indes nicht die Annahme eines GdB. Bei der Klägerin sind zwar seit der letzten bestandskräftigen Feststellung des GdB Schmerzen im Bereich des linken Kniegelenkes neu hinzugetreten, die sich durch die minimalen degenerativen Veränderungen, welche sich Dr. M. im Röntgenbild zeigten, hingegen nicht erklären lassen. Dieser Sachverständige stellte auch für diese Körperseite eine freie Beweglichkeit fest, was durch das identischen Bewegungsmaß wie rechts von 0-0-150° dokumentiert ist. Eine Ergussbildung bestand ebenfalls nicht. Es wurden weder Punktionen noch Injektionen durchgeführt. Objektivieren ließ sich einzig ein Hallux valgus mit beginnender Arthrose der Großzehengrundgelenke. Funktionseinschränkungen größeren Ausmaßes bestehen deswegen nicht, was durch die von Dr. M. festgestellten seitengleichen Umfangmaße der unteren Extremitäten verdeutlich wird. Hierdurch ist eine Schonung der unteren Extremitäten ausgeschlossen. Die noch von dem Leitenden Arzt V. im Herbst 2013 beschriebene auffällige atrophische Oberschenkelmuskulatur rechts kann demzufolge nicht lange angehalten haben. Unter Berücksichtigung der VG, Teil B, Nr. 18.14 ist daher für das Funktionssystem "Beine" nur ein Teil-GdB von 10 gerechtfertigt. Den Einschätzungen der sachverständigen Zeugen Dr. H. mit einem GdB von 20 und Dr. von L., der für die Gonarthrose sogar einen GdB von 30 als angemessen angesehen hat, folgt der Senat nicht, zumal diese keinen selbst erhobenen hierfür hinreichenden Befund mitgeteilt haben.

Mit den sonstigen in den medizinischen Unterlagen erwähnten Erkrankungen sind vorliegend gleichermaßen keine Gesundheitsstörungen nachgewiesen, derentwegen einem Funktionssystem zuzuordnende Einschränkungen vorliegen, welche überhaupt erst geeignet wären, den Gesamt-GdB zu erhöhen. Insbesondere die Hämorrhoiden, die Darmpolypen, der Verlust der Gallenblase, die Unterfunktion der Schilddrüse, weswegen die Klägerin L-Thyroxin, 100 mg (1-0-0) einnimmt, der Zustand nach einer Operation der Blase und die Allergien haben bis aktuell jeweils keinen GdB in messbarem Grad zur Folge.

Unter Berücksichtigung der Grundsätze für die Bildung des Gesamt-GdB, wonach insbesondere einzelne Teil-GdB-Werte nicht addiert werden dürfen (VG, Teil A, Nr. 3 a) und grundsätzlich leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen (VG, Teil A, Nr. 3 d ee), ist im Falle der Klägerin nach dem 9. September 2013 mit einem nur gerechtfertigten Gesamt-GdB von 20 nicht einmal der bereits vom Beklagten festgestellte GdB von 40 begründet. Der von Dr. W. befürwortete GdB von 50 entbehrt jeder Grundlage. Die Aufhebung der Feststellung des GdB ist dem Gericht wegen des im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz - GG) verankerten Grundsatzes der reformatio in peius, wonach eine Rechtsmittelführenden gegenüber ergangene Verwaltungsentscheidung auch im Berufungsverfahren nicht zu ihren Ungunsten abgeändert werden darf (vgl. BSG, Urteil vom 29. Februar 1956 - 10 RV 75/55 -, BSGE 2, 225 (228 f.)), indes verwehrt.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved