L 6 SB 2246/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 16 SB 2141/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 2246/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 18. Mai 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte berechtigt war, den der Klägerin zuerkannten Grad der Behinderung (GdB) nach Eintritt der Heilungsbewährung eines Tumorleidens von 70 auf 40 herabzusetzen.

Die im Jahr 1962 geborene Klägerin ist gelernte Erzieherin und an einer Grundschule in der Schülerbetreuung 12 Stunden wöchentlich tätig. Seit Oktober 2009 ist sie geschieden und lebt zusammen mit ihrem minderjährigen Sohn in einem Haushalt. Sie erfährt dabei Unterstützung von ihrer Mutter (vgl. Reha-Bericht Bl. 69 ff. der Verwaltungsakte). Die Klägerin litt an einem im August 2006 diagnostizierten Mammakarzinom in der rechten Brust. Nach zunächst brusterhaltender Therapie erfolgten im Januar 2007 eine operative Mastektomie und die Einlage einer Silikonprothese.

Das Landratsamt Emmendingen (im Folgenden: Landratsamt) stellte auf den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 3. April 2007 einen GdB von 50 seit dem 1. August 2006 fest. Auf einen Verschlimmerungsantrag hin hob es den Bescheid vom 3. April 2007 wieder auf und setzte den GdB zunächst auf 60 (Bescheid 26. September 2008) und im anschließend geführten Widerspruchsverfahren letztlich auf 70 ab dem 7. August 2008 (Abhilfebescheid vom 17. November 2008) fest. Der Bescheid wurde bestandskräftig. Darin wies das Landratsamt darauf hin, dass Gesundheitsstörungen im Stadium der Heilungsbewährung berücksichtigt worden seien. Eine Nachprüfung sei im August 2011 von Amts wegen vorgesehen. Dem Bescheid lag folgende versorgungsmedizinische Einschätzung vom Arzt G. vom 10. November 2008 zugrunde:

Erkrankung der rechten Brust (in Heilungsbewährung), Verlust der rechten Brust, Aufbauplastik der rechten Brust Teil-GdB 60 Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks Teil-GdB 20

Der Versorgungsarzt berücksichtigte dabei Behinderungen resultierend aus einem komplizierten Verlauf nach wiederholten Brustoperationen.

Im August 2011 teilte das Landratsamt der Klägerin mit, die Feststellungen von Amts wegen zu überprüfen. Mit dem hierzu übersandten Formular beantragte diese am 16. September 2011 zugleich die Erhöhung des GdB. Sie führte hierbei an, dass aus ihrer Sicht nicht von einer Heilungsbewährung gesprochen werden könne. Es sei zwar richtig, dass bisher kein Rezidiv gefunden worden sei. Sie sei aber noch nicht darüber hinweg und leide unter depressiven Verstimmungen und Migräneanfällen. Sie habe Funktionseinschränkungen in vielen Bereichen. Beispielsweise dürfe sie nicht schwimmen. Der Schwerbehindertenausweis sei weiterhin berechtigt.

Das Landratsamt zog medizinische Unterlagen bei und befragte die Behandler. Im Entlassungsbericht des Reha-Zentrums Bad Homburg vom 17. März 2010 wurde von reizlosen Narben bei der Mamma und einem kosmetisch guten Ergebnis nach vielen Operationen berichtet. Es bestünden kein Lymphödem und keine Lymphknoten. Die Rotation der Halswirbelsäule sei nach rechts hälftig eingeschränkt, die seitliche Abduktion des rechten Armes bei 100°. An der Wirbelsäule bestünde kein Klopfschmerz, der Finger-Boden-Abstand betrage 0 cm. Die Klägerin sei leicht depressiv aufgrund ihrer familiären Situation. Im Arztbrief des Orthopäden Dr. V. vom 19. April 2010 wurde eine leichte Bewegungseinschränkung bei Flexion und Druckschmerzen im Iliosakralgelenk links als Befund erhoben. Fersen- und Zehengang seien ohne Einschränkung möglich gewesen. Der Finger-Boden-Abstand habe 10 cm betragen, Lasègue sei beidseits negativ gewesen. In den Arztbriefen der Radiologischen Gemeinschaftspraxis Emmendingen vom 14. Mai 2010 und 31. Mai 2011 wurde u.a. nach Mammographie kein Anhalt für ein Lokalrezidiv oder Zweit-Karzinom links gesehen. Der vom Landratsamt befragte Psychologe K. berichtete im Oktober 2011 von einer weiterhin verzagten und gedrückten Grundstimmung bei der Klägerin. Die Resonanzfähigkeit sei gegeben. Das Gefühlsleben sei sehr gemütvoll und gutherzig. Die Klägerin habe von sehr häufigen starken Kopfschmerzen, Konzentrationsproblemen und Grübeln berichtet. Es bestünde kein psychotisches Erleben. Der Psychologe diagnostizierte eine mittelgradige depressive Episode. Im April 2012 führte er an, dass die Episode andauere. Die Klägerin leide stark unter den Attacken des Ex-Mannes, der den Kontakt zu den beiden älteren Kindern fast verunmöglicht habe. Sie pflege aber den Kontakt zum Jüngsten sehr intensiv und habe sich wieder im Freundeskreis integriert. Ihre Berufstätigkeit erlebe sie als deutlich befriedigend, beeinträchtigt durch häufige Migräne. Eine kognitive Verhaltenstherapie werde fortgeführt. Der Frauenarzt Dr. K. referierte im April 2012 über eine ausgeprägte Karzinophobie mit Angst vor Rezidiv. Zurzeit sei die Klägerin rezidivfrei. Es bestehe eine mäßige Lymphstauung im rechten Arm.

Nach Anhörung lehnte das Landratsamt mit Bescheid vom 8. April 2013, abgeschickt am selben Tag, eine Höherbewertung des GdB ab, hob den Bescheid vom 17. November 2008 auf und setzte den GdB ab 11. April 2013 neu auf 40 fest. Zur Begründung führte es an, dass der Zeitraum der Heilungsbewährung zwischenzeitlich abgelaufen sei. Der GdB sei nun nach den verbliebenen tatsächlichen Funktionsbeeinträchtigungen neu festzustellen. Es legte dabei die versorgungsmedizinische Einschätzung von Dr. K. vom September 2012 zugrunde:

Verlust der rechten Brust, Aufbauplastik der rechten Brust, Lymphstauung des rechten Armes Teil-GdB 20 Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks Teil-GdB 20 Depressive Verstimmung, Migräne Teil-GdB 20 Funktionsbehinderung der Wirbelsäule Teil-GdB 10 Chronische Magenschleimhautentzündung Teil-GdB 10

Der Versorgungsarzt berücksichtigte dabei, dass die Grunderkrankung heilungsbewährt sei. Es könne nur noch der Organverlust berücksichtigt werden. Es liege eine mäßige Lymphstauung im rechten Arm vor. Weiter bestünden depressive Episoden, jedoch eine gute Integration in den Freundeskreis. Die rezidivierende Migräne sei ebenfalls berücksichtigt. Eine Schwerbehinderung könne nicht mehr festgestellt werden.

Den ohne Begründung eingelegten Widerspruch wies das Regierungspräsidium Stuttgart - Landesversorgungsamt - mit Widerspruchsbescheid vom 2. April 2014 zurück.

Am 5. Mai 2014 hat die Klägerin beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben und angeführt, dass der Widerspruchsbescheid ihrem Prozessbevollmächtigten am 5. April 2014 zugegangen sei. Eine weitere Klagebegründung oder Klageanträge hat sie trotz Aufforderung nicht abgegeben bzw. gestellt.

Mit angekündigtem Gerichtsbescheid vom 18. Mai 2015, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 20. Mai 2015, hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat sie als reine Anfechtungsklage ausgelegt. Die Klage sei unbegründet, da der GdB jedenfalls ab 11. April 2013 nur noch mit 40 festzustellen gewesen sei und der Beklagte den Bescheid vom 17. November 2013 wegen einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse habe aufheben müssen. Das operierte Mammakarzinom würde keinen Einzel-GdB mehr begründen. Es hätte kein Anhalt für ein Lokalrezidiv bestanden. Die Bewertung des Verlusts der Brust, der Aufbauplastik mit sehr gutem kosmetischem Ergebnis und nur mäßiger Lymphstauung des rechten Armes mit einem Einzel-GdB von 20 sei nicht zu beanstanden. Gleiches gelte für die übrigen vom Beklagten angenommenen Einzel-GdB-Werte und den daraus gebildeten Gesamt-GdB von nicht mehr als 40. Ohne ein Vorbringen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin seien auch keine behandelnden Ärzte zu befragen gewesen.

Ihre am 27. Mai 2015 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhobene Berufung begründet die Klägerin zuletzt damit, dass sie an Depressionen aufgrund der erlittenen Erkrankung und der Gesamtumstände in familiärer Hinsicht leide. Sie habe jedoch aufgehört, eine Therapie deswegen durchzuführen. In subjektiver Hinsicht sei zudem bei ihr wegen der Narben ein Entstellungssyndrom vorhanden. Einen Bikini könne sie nicht mehr tragen. Den rechten Arm könne sie nur 45 bis 50° anheben.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 18. Mai 2015 und den Bescheid vom 8. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. April 2014 aufzuheben, hilfsweise von den behandelnden Ärzten Dr. D.-L. und Dr. K. ärztliche Befundberichte einzuholen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Ein – nicht näher begründeter – Befangenheitsantrag gegen die frühere Berichterstatterin des Senats wurde mit Beschluss vom 29. Dezember 2015 (Az. L 6 SF 4413/15 AB) zurückgewiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von dem Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Obgleich für die Klägerin zur mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist, konnte der Senat verhandeln und entscheiden, denn die Klägerin ist - mit Hinweis auf diese Möglichkeit - ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung am 17. November 2016 geladen worden (§ 153 Abs. 1 i. V. m. § 110 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG; vgl. BSG, Beschluss vom 30. Mai 1958 - 2 RU 159/57 -, juris, Rz. 6).

Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§§ 143, 144 SGG), aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist ausdrücklich alleine ein Anfechtungsantrag (vgl. Schreiben des klägerischen Prozessbevollmächtigten vom 15. November 2016). Die (isolierte) Anfechtungsklage ist im Hinblick auf die Herabsetzung des GdB von 70 auf 40 im angegriffenen Bescheid vom 8. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. April 2014 gemäß § 54 Abs. 1 SGG die zulässige Klageart. Dabei ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, also nach § 95 SGG der Widerspruchsentscheidung (vgl. BSG, Urteil vom 12. November 1996 – 9 RVs 5/95 –, juris, Rz. 14 und Senatsurteile vom 17. Dezember 2015 – L 6 SB 3978/14 –, juris, Rz. 31 und vom 29. April 2014 – L 6 SB 3891/13 –, juris, Rz. 31). Nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens ist damit der Verschlimmerungsantrag, dessen Ablehnung im angegriffenen Bescheid 8. April 2013 ebenfalls verfügt worden war und mit einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (vgl. zur Klageart BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 6/12 R -, juris, Rz. 25 m. w. N.) hätte weiterverfolgt werden müssen. Insoweit wurde der Bescheid bestandskräftig.

Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 8. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. April 2014 ist - soweit noch angegriffen - rechtmäßig.

Der Rechtmäßigkeit der Aufhebungsentscheidung steht nicht entgegen, dass darin vom Beklagten ausdrücklich nur der Bescheid vom 17. November 2008 aufgehoben wurde, da der frühere bestandskräftigte Feststellungsbescheid vom 3. April 2007 bereits durch den Bescheid vom 26. September 2008 aufgehoben worden ist und damit keine Rechtswirkungen mehr entfalten konnte. Der Bescheid vom 26. September 2008 wiederum erhielt seine endgültige Gestalt durch den im Rahmen des gegen ihn angestrengten Widerspruchsverfahrens ergangen Abhilfebescheid vom 17. November 2008.

In formeller Hinsicht ist insbesondere die nach § 24 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X) erforderliche Anhörung zu der beabsichtigten Herabsetzung des Grades der Behinderung für die Zukunft mit Schreiben vom 7. Dezember 2011 und 8. August 2012 erfolgt.

Seine materielle Ermächtigungsgrundlage findet der von der Klägerin angefochtene Bescheid vom 8. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. April 2014 in § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Als wesentliche Änderung des Gesundheitszustandes gilt – sowohl hinsichtlich der Besserung als auch der Verschlechterung – jedenfalls eine Veränderung, die es erforderlich macht, den Gesamtgrad der Behinderung um mindestens 10 anzuheben oder abzusenken.

Auf der Grundlage von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X hat der Beklagte zu Recht den Bescheid vom 17. November 2008 aufgehoben und den Behinderungsgrad neu festgestellt. Es ist eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen durch den Ablauf der Heilungsbewährung nach der Mastektomie und der Einlage einer Silikonprothese aufgrund eines Mammakarzinoms eingetreten, die nicht mehr den mit Bescheid vom 17. November 2008 festgestellten GdB von 70, sondern nur noch eine Bewertung mit 40 rechtfertigt.

Eine Neubewertung des GdB war vorliegend bereits aufgrund des Ablaufs der Heilungsbewährung zulässig (vgl. Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" - VG - zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV, Teil A, Nr. 7 b). Der Beklagte hatte mit Bescheid vom 17. November 2008 den GdB mit 70 wegen der Erkrankung der rechten Brust festgestellt und zur Begründung darauf hingewiesen, dass bei der Bewertung des GdB eine Gesundheitsstörung im Stadium der Heilungsbewährung berücksichtigt worden ist, dieser also höher eingeschätzt worden ist, als es dem tatsächlichen Zustand entsprach. Nach VG, Teil B, Nr. 1 c beträgt der Zeitraum des Abwartens einer Heilungsbewährung in der Regel fünf Jahre; kürzere Zeiträume werden in der Tabelle vermerkt. Nach VG, Teil B, Nr. 14.1 ist nach Entfernung eines malignen Brustdrüsentumors - wie bei der Klägerin durch Operation im Januar 2007 geschehen - in den ersten fünf Jahren eine Heilungsbewährung abzuwarten.

Die Behandlungen wegen des Mammakarzinoms und die in diesem Zusammenhang vorgenommene Entfernung der ganzen Brust in der Gynäkologischen Abteilung des Kreiskrankenhauses Emmendingen waren im Zeitpunkt des Erlasses des angegriffenen Aufhebungsbescheides bereits seit über sechs Jahren abgeschlossen. Aus den Arztbriefen der Radiologischen Gemeinschaftspraxis Emmendingen vom 14. Mai 2010 und 31. Mai 2011 ergeben sich keine Hinweise auf ein Lokalrezidiv oder ein Zweitkarzinom auf der linken Seite. Auch im Befundbericht von Dr. K. vom 3. April 2012 wird - wie von der Klägerin selbst in ihrem Schreiben vom 29. August 2012 angeführt - von einer Rezidivfreiheit ausgegangen. Auch in ihrem letzten Schreiben von November 2016 berichtet die Klägerin nicht von einem Wiederauftritt der Krebserkrankung. Der damit eingetretene positive Ablauf der Heilungsbewährung stellt eine tatsächliche Änderung im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB X dar. Die Zeitdauer der Heilungsbewährung bei malignen Erkrankungen basiert auf Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft über die Gefahr des Auftretens einer Rezidiverkrankung in den ersten fünf Jahren nach der Erstbehandlung sowie der regelmäßig vorhandenen subjektiven Befürchtung vor einem Rezidiv. Die Heilungsbewährung erfasst darüber hinaus auch die vielfältigen Auswirkungen, die mit der Feststellung, der Beseitigung und der Nachbehandlung eines Tumors in allen Lebensbereichen verbunden sind. Dies rechtfertigt es nach der sozialmedizinischen Erfahrung, bei Krebserkrankungen zunächst nicht nur den Organverlust zu bewerten und für einen gewissen Zeitraum unterschiedslos den Schwerbehindertenstatus zu gewähren. Die pauschale, umfassende Berücksichtigung körperlicher und seelischer Auswirkungen der Erkrankung kann jedoch nicht auf Dauer Bestand haben. Da nach der medizinischen Erfahrung nach rückfallfreiem Ablauf von fünf Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit die Krebserkrankung überwunden ist und außerdem neben der unmittelbaren Lebensbedrohung auch die vielfältigen Auswirkungen der Krankheit auf die gesamte Lebensführung entfallen sind, ist der GdB dann nur noch anhand der noch verbliebenen Funktionseinschränkungen zu bewerten (BSG, Urteil vom 9. August 1995 - 9 RVs 14/94 -, juris, Rz. 13).

Für die Feststellung des GdB aufgrund der nach der Überwindung der Krebserkrankung noch verbliebenen Funktionseinschränkungen zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (Widerspruchsbescheid vom 2. April 2014) ist das Neunte Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) maßgebend. Nach § 69 Abs. 1 und 3 SGB IX stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Menschen sind nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Schwerbehindert sind gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX Menschen, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG (bis 30. Juni 2011: § 30 Abs. 17 BVG) erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Von dieser Ermächtigung hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Gebrauch gemacht und die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412) erlassen, um unter anderem die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG zu regeln (vgl. § 1 VersMedV). Die zugleich in Kraft getretenen, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellten und fortentwickelten VG sind an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R -, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.

Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen, unabhängig ihrer Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als "Alterskrankheiten" (etwa "Altersdiabetes" oder "Altersstar") bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2 c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 e). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 69 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.

Nach diesen Maßstäben kann für die Funktionseinschränkungen der Klägerin ein GdB von 40 festgestellt werden. Die bei ihr nach Ablauf der Heilungsbewährung von fünf Jahren vorliegenden Funktionseinschränkungen rechtfertigen nach den eingeholten Befundberichten nebst Anlagen unter Berücksichtigung der versorgungsärztlichen Stellungnahmen keinen höheren GdB.

Die Gesundheitsstörungen infolge der Brustkrebserkrankung und den nachfolgenden Operationen sind dem Funktionssystem "Geschlechtsapparat" zuzuordnen und rechtfertigen einen GdB von 20.

Für den einseitigen Verlust der Brust der Klägerin mit anschließendem Wiederaufbau ist nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG, Teil B, Nr. 14.1) ein Bewertungsrahmen von 10 bis 30 eröffnet. Der GdB hängt von dem Ergebnis (Kapselfibrose, Dislokation der Prothese, Symmetrie) ab. Funktionseinschränkungen im Schultergürtel, des Arms oder der Wirbelsäule als Operations- oder Bestrahlungsfolgen (z.B. Lymphödem, Muskeldefekte, Nervenläsionen, Fehlhaltungen) sind ggf. zusätzlich zu berücksichtigen.

Bei der Klägerin wurde nach einer sich zunächst nach der Sofortrekonstruktion mittels Silikonimplantat entwickelnden Kapselfribose erfolgreich eine Brustrekonstruktion mit Eigengewebe durchgeführt. Das kosmetische Ergebnis mit Mamillenrekonstruktion ist - nach einer Mehrzahl von Operationen - gut und die Narben sind im Brustbereich reizlos (vgl. Reha-Entlassungsbericht vom März 2010), so dass unter Berücksichtigung einer lediglich mäßigen Lymphstauung im rechten Arm (Befundbericht Dr. K. vom April 2012) und der angegebenen seitlichen Abduktionseinschränkung der rechten Schulter ein Einzel-GdB von 20, d. h. im mittleren Bereich, angemessen, aber auch ausreichend ist.

Die Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk wurde vom Beklagten zusätzlich mit einem Einzel-GdB von 20 versehen, was eher großzügig ist, wenn dies im Reha-Zentrum Bad Homburg gemessenen Werte u. a. mit einer seitlichen Anhebung von 100° (vgl. Entlassungsbericht vom 17. März 2010) berücksichtigt werden, da nach VG, Teil B, Nr. 18.13 erst eine Bewegungseinschränkung des Schultergelenks (einschließlich Schultergürtel) bei einer Armhebung nur bis zu 90° mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit einen derartigen GdB zur Folge hat. Unter Berücksichtigung des zuletzt erfolgten Vortrags der Klägerin, worin sie von einer Anhebung nur bis 50° berichtet, lässt sich der Teil-GdB von 20 jedoch rechtfertigen.

Im Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" bestehen bei der Klägerin eine mittelgradige depressive Episode und Migräneanfälle. Sie leidet dabei insbesondere unter einer Rezidivangst und ihren familiären Problemen. Das konnte der Senat auf Grundlage der Befundberichte vom Psychologen K. und des Frauenarztes Dr. K. feststellen. Nach VG, Teil B, Nr. 3.7 sind Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen wie folgt zu bewerten: Leichtere psychovegetative oder psychische Störungen 0 bis 20, erst stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) 30 bis 40.

Unter Berücksichtigung, dass die Klägerin trotz ihrer Karzinomphobie und der Probleme mit ihrem geschiedenen Ehemann sich wieder in ihrem Freundeskreis integriert hat, den Kontakt zum jüngsten Sohn intensiv pflegt und ihre Berufstätigkeit als deutlich befriedigend erlebt (vgl. Befundbericht K. vom April 2012), konnte der Senat - wie auch schon das SG - eine wesentliche Beeinträchtigung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit nicht feststellen, so dass insoweit ein höherer Einzel-GdB-Wert als 20 nicht in Betracht kommt. Auch der zuletzt erfolgte Vortrag der Klägerin führt zu keiner anderen Einschätzung. Sie befindet sich in keiner nervenärztlichen oder psychologischen Behandlung. Ihre Psychotherapie beim Psychologen K. führt sie nicht mehr fort. Sie wird nach ihren Angaben nur noch von ihrer Hausärztin Dr. D.-L. und dem Gynäkologen Dr. K. behandelt. Bei einem relevantem Leidensdruck wäre jedoch davon auszugehen, dass eine fachärztliche Behandlung in Anspruch genommen würde (ständige Rechtsprechung des Senats, so zuletzt Urteil vom 21. April 2016 - L 6 SB 461/15; vgl. hierzu auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Dezember 2010 - L 8 SB 1549/10, juris). Der Therapieaufwand korreliert mit der Ausprägung der psychischen Erkrankung, je höher der Leidensdruck, desto mehr ist eine therapeutische Intervention erforderlich. Ohne jegliche Behandlung ist nach Überzeugung des Senats der vom Beklagten angesetzte Teil-GdB-Wert von 20 für das Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" nur unter Mitberücksichtigung der Migräne (vgl. hierzu VG, Teil B, Nr. 2.3), die auch unter dieses Funktionssystem zu fassen ist (vgl. Urteil des Senats vom 21. März 2013 – L 6 SB 4703/12 –, juris, Rz. 27), vertretbar. Das bloße Risiko, an einem Rezidiv zu erkranken, kann im Übrigen nicht dazu führen, die Heilungsbewährungszeit zu verlängern. Dies widerspricht der Grundwertung der VG, nur beim Auftreten eines konkreten Rezidivs zu einer Verlängerung der Heilungsbewährung zu gelangen. Solange sich ein Gesundheitsrisiko nicht konkret realisiert hat, kann es keine funktionalen Auswirkungen entfalten und ist damit für eine GdB-Bewertung ohne Bedeutung.

Für die weiter bestehenden Wirbelsäulenfunktionseinschränkungen sind die maßgeblichen Bewertungskriterien in VG, Teil B, Nr. 18.9 vorgegeben. Danach folgt der GdB bei Wirbelsäulenschäden primär aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung, der Wirbelsäuleninstabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Abschnitte der Wirbelsäule. Erst mittelgradige funktionelle Auswirkungen von Wirbelsäulenschäden in einem Wirbelsäulenabschnitt, z.B. eine anhaltende Bewegungseinschränkung oder eine Instabilität mittleren Grades, bedingen einen Einzel-GdB von 20, Funktionsstörungen geringeren Grades allenfalls einen Einzel-GdB von 10.

Bei der Klägerin besteht nach Dr. V. (Arztbrief vom 19. April 2010) ein Iliosakralgelenk-Syndrom. Sie zeigt leichte Bewegungseinschränkungen bei der Flexion. Da jedoch der Finger-Boden-Abstand mit 10 cm noch im Normalbereich liegt, das Lasègue-Zeichen beidseits negativ gewesen ist sowie der Fersen- und Zehengang noch möglich (Dr. V. a.a.O.), sind die Funktionsstörungen in den einzelnen Wirbelsäulenabschnitten noch nicht als mittelgradig einzustufen, so dass der von dem Beklagten herangezogene Einzel-GdB von 10 nicht zu beanstanden ist.

Gleiches gilt für den GdB-Wert für die Magenschleimhautentzündung. Die chronische Antrumgastritis wird im Arztbrief des Praxiszentrums Innere Medizin Emmendingen vom 25. März 2010 als gering bezeichnet, so dass nach VG, Teil B, Nr. 10.2.1 allenfalls ein Einzel-GdB von 10 in Betracht kommt.

Weitere GdB-erhöhende Gesundheitsstörungen sind für den hier streitbefangenen Zeitraum bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides vom 2. April 2014 nicht nachgewiesen und auch nicht näher vorgetragen. Für die Narben ist - über den psychischen Bereich hinaus - im Hinblick auf das äußere Erscheinungsbild kein eigener GdB-Wert anzusetzen, da grundsätzlich nur im jederzeit sichtbaren Gesichtsbereich eine Entstellung zusätzlich berücksichtigt wird (vgl. VG, Teil B, Nr. 2.1).

Nicht zu beanstanden ist letztlich die Bildung des Gesamt-GdB. Er ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 17). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - B 9 SB 35/10 B -, juris, Rz. 5). Gemessen an diesen Voraussetzungen begründen der Teil-GdB von jeweils 20 für die Funktionssysteme "Geschlechtsapparat", "Arme" und "Gehirn einschließlich Psyche" einen Gesamt-GdB von 40. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass kein Teil-GdB von mindestens 30 vorliegt. Die mit lediglich 10 oder weniger als 10 bewerteten Behinderungen (u.a. Wirbelsäule, Magenschleimhautentzündung) sind demgegenüber zu vernachlässigen (vgl. VG, Teil A, Nr. 3 d ee). Ein höherer GdB als 40 kommt damit bis zum relevanten Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung am 2. April 2014 nicht in Betracht.

Dahinstehen kann, ob der Beklagte den Bescheid vom 17. November 2008 mit dem angefochtenen vom 8. April 2013 zutreffend ab dem 11. April 2013 mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben hat. Der im Inland durch einen Postdienstleister übermittelte Bescheid vom 8. April 2013, der ausweislich eines Vermerkes des Beklagten am selben Tag zur Post gegeben worden war, gilt gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X am 11. April 2013 als bekannt gegeben, weshalb die Aufhebung möglicherweise erst für den Folgetag hätte erfolgen dürfen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 24. Februar 1987 - 11b RAr 53/86 -, BSGE 61, 189 (190); Schütze, in von Wulffen/Schütze, Kommentar zum SGB X, 8. Aufl. 2014, § 48 Rz. 18 m. w. N.; a. A. Steinwedel, in Kasseler Kommentar zum SGB X, Stand: August 2012, § 48 Rz. 34, wonach auf den Zeitpunkt ab Bekanntgabe abzustellen ist). Die Berufung ist auch insoweit unbegründet, da der Klage hierfür das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Vorliegend ist es nicht erforderlich, insoweit gerichtlichen Rechtsschutz zur Verfügung zu stellen (vgl. K., in Meyer-Ladewig/K./Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl. 2014, Vorbem. vor § 51 Rz. 16a). Die besonderen Regelungen für Menschen mit Schwerbehinderung werden zwar nicht angewendet nach dem Wegfall der Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 SGB IX (§ 116 Abs. 1 Halbsatz 1 SGB IX). Wenn sich der GdB auf weniger als 50 verringert gilt dies jedoch erst am Ende des dritten Kalendermonats nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des die Verringerung feststellenden Bescheides (§ 116 Abs. 1 Halbsatz 2 SGB IX). Wegen des erst jetzt abgeschlossenen Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 8. April 2013 bislang noch nicht unanfechtbar gewesen, weshalb die Klägerin, bezogen auf den vormals festgestellten GdB von 70 nach wie vor im Genuss aller Rechte aus dem SGB IX und sonstiger Schutzbestimmungen geblieben ist (vgl. Pahlen, in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, Kommentar zum SGB IX, 12. Aufl. 2010, § 116 Rz. 3).

Die von der Klägerin beantragte weitere Sachaufklärung durch Einholung von ärztlichen Befundberichten bei den behandelnden Ärzten Dr. D.-L. und Dr. K. hält das Gericht nach den vorliegenden ärztlichen Auskünften und Berichten sowie ihrem Vortrag nicht für erforderlich. Der Sachverhalt ist medizinisch - bis zum relevanten Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung am 2. April 2014 - hinreichend geklärt. Die Amtsermittlungspflicht des Gerichtes bestimmt sich nach dem Einzelfall und dem Vortrag der Beteiligten (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/K./Leitherer, SGG-Kommentar, 11. Aufl., 2014, § 103 Rz. 4). Ein relevanter neuer medizinischer Sachverhalt wurde von der Klägerin nicht dargelegt. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen und ihr Vorbringen haben die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt. Anhaltspunkte für das Bestehen von Behinderungen, die einen Gesamt-GdB von 50 oder mehr rechtfertigen würden, sind daraus nicht ersichtlich.

Die Berufung der Klägerin war daher mit der Kostenfolge des § 193 SGG zurückzuweisen.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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