L 3 U 76/13

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 23 U 65/11
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 76/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 10/17 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Bei einem bisegmentalen LWS-Bandscheibenschaden und dem Fehlen einer Begleitspondylose ist ein beruflicher Zusammenhang im Sinne der B2-Konstellation 1. Zusatzkriterium der Konsensempfehlungen (Höhenminderung und/Prolaps an mehreren Bandscheiben) nur dann anzunehmen, wenn eine Veränderung an einem weiteren, dritten Segment zumindest in Form einer black disc festzustellen ist.

2. Zu den Anforderungen an das 3. Zusatzkriterium der B2-Konstellation der Konsensempfehlungen (hohe Belastungsspitzen).
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 26. März 2013 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger streitet um die Feststellung einer Berufskrankheit (BK) Nr. 2108 im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens.

Er bezieht von der Beklagten eine Unfallrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 25 v.H. wegen Erblindung des rechten Auges als Folge eines Arbeitsunfalles aus dem Jahre 1974.

Der 1955 geborene Kläger war nach seiner Ausbildung zunächst als Maschinenschlosser (1971 bis 1974) und anschließend überwiegend als Zweiradmechaniker beschäftigt. Von Februar 1975 bis September 1980 war er bei der Fa. Zweirad-C. in C-Stadt, von Oktober 1980 bis September 1982 bei der Fa. Autohaus D. in D-Stadt sowie von Oktober 1982 bis März 1988 bei der Fa. E. Automobile in E-Stadt (Zweiradmechaniker, Ersatzteil-Lagerist, Verkauf, Auftragsabwicklung, Haustechniker) tätig. Von April 1988 bis Januar 1996 arbeitete er bei der Fa. F. in A-Stadt als Elektromechaniker, mitarbeitender Abteilungsleiter Datenaufbereitung und Haustechniker. Nach einer vorübergehenden Arbeitslosigkeit war er von August 1996 bis Dezember 1996 bei der Fa. Aufzugsdienst G. in G-Stadt als Aufzug- und Fördertechnik-Monteur beschäftigt. Von Januar 1997 bis März 1998 folgte eine Anstellung bei der Fa. Autohaus H. in E-Stadt (Mechanikermeister, Kundenberater, Haustechniker), die dem Kläger zum 1. April 1998 betriebsbedingt kündigte. Auf eine Arbeitsunfähigkeit von April 1998 bis Juni 1999 folgte Arbeitslosigkeit von Juli 1999 bis Januar 2001. Seit Februar 2001 erhält der Kläger Berufsunfähigkeitsrente.

Am 27. April 1998 beantragte der Kläger bei der Beklagten eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule (LWS) als BK nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) anzuerkennen, nachdem er im März 1998 einen Bandscheibenvorfall zwischen 4. und 5. Lendenwirbelkörper (LWK 4/5) erlitten hatte. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10. November 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 1999 ab. Das Sozialgericht Frankfurt am Main (Sozialgericht) wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 21. September 2004 ab, nachdem es von Amts wegen das Gutachten nach Aktenlage des Chirurgen Prof. J. vom 14. Juli 2001 eingeholt hatte. Im dagegen angestrengten Berufungsverfahren erstattete der Orthopäde Dr. K. auf Antrag des Klägers das Gutachten vom 2. Juli 2005 sowie der Orthopäde Dr. L. von Amts wegen das Gutachten vom 17. April 2006 mit ergänzender Stellungnahme vom 1. September 2008. Die Berufung wurde sodann mit Urteil des Senats vom 18. August 2009 zurückgewiesen, da die Voraussetzungen der BK Nr. 2108 beim Kläger nicht festzustellen seien. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen erfülle der Kläger unstreitig, nicht aber die medizinischen Voraussetzungen. Beide im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten hätten keine Begleitspondylosen bei bisegmentalem Befall der Lendenwirbelkörper (LWK) 4/5 und L 5/S 1 festgestellt. Es liege keines der zur Konstellation B2 genannten Zusatzkriterien vor und das Krankheitsbild des Klägers entspreche der Konstellation B3, bezüglich derer die Sachverständigen keine Einigung hätten erzielen können. Damit sei nach dem derzeitigen Stand der medizinischen Diskussion ein Zusammenhang eines maximal bisegmentalen Bandscheibenschadens im Bereich der unteren LWS, wie er bei dem Kläger beschrieben sei, zwar nicht auszuschließen. Er lasse sich in dieser Konstellation jedoch nicht im erforderlichen Maß wahrscheinlich machen, was im Rahmen der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers gehe.

Am 7. Oktober 2010 stellte der Kläger einen Überprüfungsantrag bei der Beklagten mit dem Ziel der Rücknahme der zur BK Nr. 2108 ergangenen Bescheide nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Verwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X). Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 30. November 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2011 ab. Die dagegen vor dem Sozialgericht erhobene Klage wurde mit Urteil vom 26. März 2013 abgewiesen. Das dritte Zusatzkriterium der Konstellation B2 "Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen" habe der Senat im Urteil vom 18. August 2009 mit überzeugender Begründung verneint. Der Kläger habe weder im Überprüfungsverfahren bei der Beklagten noch im gerichtlichen Verfahren neue Tatsachen und Gesichtspunkte vorgetragen oder neue Beweismittel benannt, die für die Unrichtigkeit der ablehnenden Entscheidung sprechen könnten. Die Beklagte sei daher nicht veranlasst gewesen, ihre Entscheidung als unrichtig in Frage zu stellen und auch das Gericht habe keinen Anlass gesehen, erneute Ermittlungen durchzuführen.

Nach Zustellung des Urteils am 4. April 2013 hat der Kläger dagegen am 10. April 2013 Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Er hält die Voraussetzungen des § 44 SGB X für erfüllt, da die in seiner Person bestehenden Belastungsspitzen nicht hinreichend ermittelt und auch nicht sachgerecht gewürdigt worden seien. Entgegen der Senatsentscheidung vom 18. August 2009 sei es nicht Aufgabe eines medizinischen Sachverständigen – insbesondere des Sachverständigen Dr. L. – festzustellen, ob Belastungsspitzen bei seiner beruflichen Hebe- und Tragebelastung bestanden hätten. Dies sei vielmehr Aufgabe eines technischen Sachverständigen. Dabei sei vor allem auf die Verhältnisse als Zweirad-Mechaniker bei der Firma Zweirad-C. in C-Stadt im Zeitraum von Februar 1975 bis September 1978 abzustellen. Der Betrieb sei damals neu eingerichtet worden und die finanziellen Mittel hätten gefehlt, um die Werkstatt nach modernem Standard einzurichten. Hebehilfen hätten aus finanziellen Gründen nicht angeschafft werden können, so dass die Arbeiten mit körperlicher Kraft hätten ausgeführt werden müssen, insbesondere das Herunterheben der Motorräder von den Lkw´s, mit denen diese angeliefert worden seien. Es habe keinen Kran und auch keine Verladeplattform gegeben. Entsprechende Belastungen seien bei den weiteren Arbeitgebern – der Firma Autohaus D. in D-Stadt, der Firma E. Automobile- und Zweiradhandel, E-Stadt, dem Aufzugsdienst G. GmbH in G-Stadt und dem Autohaus H. in E-Stadt – aufgetreten, wie der Kläger im Schriftsatz vom 19. Mai 2014 samt Anlagen im Detail dargestellt hat, auf den wegen Einzelheiten verwiesen wird. Auf Basis dieser Belastungen müsse eine Berechnung zur Intensität der Belastungsspitzen vom TAD der Beklagten angestellt werden.

Die Beklagte hat unter dem 23. September 2014 die auf Basis des Klägervorbringens erstattete TAD-Stellungnahme vorgelegt, die davon ausgeht, dass der Kläger bei der Firma Zweirad C. von Februar 1975 bis September 1980 insbesondere bei Anlieferung und Abladen sowie der Montage von Motorrädern durch Heben und Tragen belastet gewesen sei. Die leichteren Motorräder hätten etwa 130 kg gewogen und die schwereren Maschinen 260 kg. Pro Jahr seien 150 Motorräder geliefert worden – 60 % leichtere und 40 % schwerere Maschinen. Weiter berücksichtigt wurde die Einlagerung von etwa 10 Motorrädern jährlich im Keller und deren Rücktransport aus dem Keller in die Werkstatt, zudem der Transport von etwa 50 Motorrädern jährlich in den Ausstellungsraum sowie der Transport von 30 Maschinen im Hol- und Bringdienst, den die Firma angeboten hatte. 30mal jährlich wurden Ölfässer mit Schmiermitteln angeliefert, die ein Gewicht von etwa 55 kg hatten, vom Lkw abzuladen und auf den Hof abzustellen waren. Beim Autohaus D. kam es in der Beschäftigungszeit von Oktober 1980 bis September 1982 zu vergleichbaren Belastungen wie bei der Firma Zweirad C., wobei hier etwa 200 Motorräder jährlich angeliefert wurden. Dasselbe galt für die Beschäftigung des Klägers bei der Firma E. von Oktober 1982 bis März 1988, wo etwa 120 Motorräder jährlich geliefert wurden. Von Januar 1997 bis März 1998 war der Kläger schließlich bei der Firma Auto H. in der Pkw-Werkstatt mit dem Ein- und Ausbau von etwa 20 Getrieben mit einem Gewicht von 80 kg jährlich befasst. Drei Kompressoren waren pro Jahr auszubauen und in den Keller zu transportieren mit Gewichten von 100 kg. Die schweren Hebe- und Tragearbeiten bei der Firma Auto H. wurden generell zu zweit verrichtet. Das Anheben der Karosserien mit beiden Händen, um bei tiefergelegten Kraftfahrzeugen die Schwenkarme der Hebebühne unter das Kfz schieben zu können, verrichtete der Kläger etwa 50mal jährlich allein, wobei es jeweils zu vier Hebevorgängen á 80 kg kam. Zusätzlich waren 20 Ölfässer wie bei der Firma Zweirad-C. jährlich abzuladen und zu transportieren. Unter Berücksichtigung dieser vom Kläger im Detail angegebenen Hebe- und Tragebelastungen gelangte die TAD Stellungnahme vom 23. September 2014 zu dem Ergebnis, dass der Kläger die Hälfte des MDD-Tagesdosis-Richtwertes durch hohe Belastungsspitzen an 27 Tagen des Gesamtbelastungszeitraumes erfüllt habe – ausgehend davon, dass die Tagesdosis bei Männern 6 kN betrug.

Der Kläger hat hierzu mit Schriftsatz vom 8. Januar 2015 kritisch angemerkt, die TAD Stellungnahme komme auf die 27 Tage mit hohen Belastungsspitzen ausschließlich unter Berücksichtigung der Tätigkeit beim "Überwintern" der Motorräder im Keller. Dies sei nicht korrekt. Insbesondere dürften die Belastungen nicht auf alle Tage der Beschäftigungsdauer gleichmäßig verteilt werden. Die Spedition, die die Motorräder antransportiert habe, habe an einem Arbeitstag drei bis vier Motorräder gebracht, die abzuladen und zu montieren gewesen seien. Dies gelte für die schweren Maschinen mit einem Gewicht von 260 kg bei der Firma Zweirad-C. Von den leichteren Motorrädern seien an einem Arbeitstag vier oder fünf abgeladen und montiert worden. Dasselbe gelte für das Verbringen der Motorräder in die Ausstellung. Üblicherweise sei höchstens einmal monatlich die Schaufensterauslage umdekoriert worden und an diesem Tag sei selbstverständlich eine Mehrzahl von Motorrädern in die Ausstellung verbracht worden. Auch das Anheben der 130 kg schweren Maschinen auf die Präsentationsfläche könne nicht auf mehrere Tage verteilt werden. Richtig sei vielmehr, dass an einem Tag dann mindestens sechs Motorräder der leichteren Bauart auf die Präsentationsfläche gehoben worden seien und mindestens vier der schwereren Bauart. Somit errechneten sich für die Beschäftigungsdauer bei der Firma Zweirad-C. 274 hohe Belastungsspitzen unter Berücksichtigung der bereits anerkannten 11. Dies ergebe bei 5,66 Jahren etwa 48,5 hohe Belastungsspitzen in einem Arbeitsjahr. Bei den nächsten Firmen habe sich bei vergleichbarer Hebe- und Tragebelastung die Anzahl der jährlich verkauften Motorräder geändert, wobei im Autohaus D. von 200 Maschinen jährlich und bei der Firma E. von 120 Maschinen jährlich auszugehen gewesen sei. Dies ergebe für die zwei Jahre bei der Firma Autohaus D. 64,67 Belastungsspitzen pro Jahr und 129 insgesamt sowie bei der Firma E. 38,8 Belastungsspitzen pro Jahr bei 213 insgesamt in 5 1/2 Jahren. Für die Gesamtbelastungsdauer resultiere daraus ein Ergebnis von 616 hohen Belastungsspitzen gemäß den Konsensempfehlungen.

Der TAD der Beklagten hat die Einwände des Klägers berücksichtigt und das Ausmaß der Belastungsspitzen mit Stellungnahme vom 10. März 2015 neu berechnet. Danach geht er davon aus, dass bei der Firma Zweirad-C. 17 Tage jährlich – insgesamt 97 Tage im Gesamtbeschäftigungszeitraum – für die Konstellation B2 relevante Belastungsspitzen erreicht wurden, beim Autohaus D. an 22 Tagen jährlich – insgesamt 44 Tage – und bei der Firma E. an 14 Tagen jährlich – insgesamt 77 Tage. Daraus resultiere eine Belastung von 218 Tagen für die Gesamtbeschäftigungsdauer von 15,16 Jahren, was pro Jahr 14,73 Tage ergebe.

Die Beklagte hat hierzu geäußert, die in der zweiten TAD Stellungnahme errechneten 17 Tage pro Jahr mit hohen Belastungsspitzen bei der Firma Zweirad-C., von 22 Tagen bei der Firma Autohaus D. und von 14 Tagen bei Firma E. ergäben eine eher seltene hohe Wirbelsäulenbelastung, wodurch das Zusatzkriterium 3 der Konstellation B2 nicht erfüllt werde. Davon sei selbst dann nicht auszugehen, wenn man die Angaben des Klägers für zutreffend erachten würde. Regelmäßigen oder häufig wiederkehrenden hohen Belastungsspitzen – wie vorwiegend in den Pflegeberufen – hätte der Kläger auch dann nicht unterlegen. 616 Tage mit relevanten Belastungsspitzen in 13 Jahren entspreche etwa einem Arbeitstag mit ausreichenden Belastungsspitzen pro Arbeitswoche und stelle nur einen Bruchteil der Belastung im Pflegebereich dar.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der vom TAD mit Stellungnahme vom 10. März 2015 erfolgten Berechnung sei weiterhin nicht zu folgen, vielmehr sei von 616 Tagen mit ausreichenden Belastungsspitzen für den Gesamtbeschäftigungszeitraum auszugehen, wodurch er die Voraussetzungen des dritten Zusatzkriteriums der Konstellation B2 der Konsensempfehlungen erfülle.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 26. März 2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30. November 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2011 zu verurteilen, den Bescheid vom 10. November 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 1999 zurückzunehmen und bei ihm eine BK Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV festzustellen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene, zulässige (§§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG) Berufung des Klägers ist nicht begründet. Beklagte und Sozialgericht haben in dem im Oktober 2010 eingeleiteten Überprüfungsverfahren zu Recht daran festgehalten, dass der Kläger keinen Anspruch darauf hat, dass eine bandscheibenbedingte LWS-Erkrankung als BK Nr. 2108 festgestellt wird. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, den dies ablehnenden Bescheid vom 10. November 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 1999 aufzuheben und dem vom Kläger erhobenen Anfechtungs- und Feststellungsbegehren (§§ 54 Abs. 1 i.V.m. 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) zu entsprechen.

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes (VA) das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der VA, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Ziel des § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen VA und der materiellen Gerechtigkeit zu Gunsten letzterer aufzulösen. Auch wenn der Versicherte schon wiederholt Überprüfungsanträge nach § 44 SGB X gestellt hat, darf die Verwaltung einen erneuten Antrag nicht ohne Rücksicht auf die wirkliche Sach- und Rechtslage zurückweisen – selbst wenn der VA durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde. Entsprechend dem Umfang des Vorbringens des Versicherten muss sie in eine erneute Prüfung eintreten und den Antragsteller bescheiden (BSG SozR 3-2600 § 243 Nr. 8 S. 28 f.; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 23 S. 119, BSGE 97, S. 54, 57, 58; Schütze in: von Wulffen, Schütze, SGB X, Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz, Kommentar, 8. Auflage, § 44 Rdzi. 38 b).

Rechtsgrundlage des klägerischen Begehrens ist § 9 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch – Gesetzliche Unfallversicherung – SGB VII (i.V.m. der Berufskrankheitenverordnung BKV). BK´en sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BK´en bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BK´en zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS wurden mit der zweiten Verordnung zur Änderung der BKV unter der Nr. 2108 in die BK-Liste aufgenommen. Danach sind BK´en bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Die Anerkennung einer BK setzt voraus, dass die Verrichtung einer versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und die Einwirkung eine Krankheit verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Schließlich ist Anerkennungsvoraussetzung, dass der Versicherte deshalb seine Tätigkeit aufgeben musste sowie alle gefährdenden Tätigkeiten unterlässt. Dass die berufsbedingte Erkrankung gegebenenfalls den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität, ist keine Voraussetzung einer Listen-BK. Bei einer solchen müssen die versicherte Tätigkeit, die Verrichtung, die Einwirkung und die Krankheit im Sinne des Vollbeweises – also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit – nachgewiesen sein. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit. Bei vernünftiger Abwägung aller für und gegen den Zusammenhang sprechenden Umstände müssen die für den Zusammenhang sprechenden Erwägungen so stark überwiegen, dass die dagegen sprechenden billigerweise für die Bildung und Rechtfertigung richterlicher Überzeugung außer Betracht bleiben können (BSG in SozR Nr. 20 zu § 542 RVO a.F.). Die für den Zusammenhang sprechenden Umstände müssen dabei die dagegen sprechenden deutlich überwiegen (BSGE 32, 203, 209; BSG Urteil vom 2. Februar 1978 – 8 RU 66/77 – juris Rdzi. 13). Der ursächliche Zusammenhang ist jedoch nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (BSGE 60, 58, 59).

Der Kläger leidet an einer "bandscheibenbedingten LWS-Erkrankung" im Sinne der BK Nr. 2108. Nach dem "Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zur BKNr. 2108" (veröffentlicht in: Bundesarbeitsblatt 1993, S. 50 ff.) unter III ist die Diagnose einer bandscheibenbedingten LWS-Erkrankung auf der Grundlage der Vorgeschichte sowie der Ergebnisse von klinischer und radiologischer Untersuchung zu stellen. Die ausgelösten degenerativen Prozesse, zu denen anlagebedingte Wirbelsäulenstörungen und -fehlhaltungen nicht gehören, müssen sich in einer radiologisch objektivierbaren Form wiederfinden. Neben einem objektivierbaren Bandscheibenschaden muss die klinische Relevanz dieses Schadens in Form eines chronischen oder chronisch rezidivierenden Beschwerdebildes mit Funktionseinschränkungen gesichert sein, damit der Begriff einer bandscheibenbedingten Erkrankung erfüllt ist (dazu Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl., S. 511-513.; Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung (BKV), Kommentar, Anm. 5.1. und 5.2. zu M 2108; Brandenburg, Wirbelsäulenerkrankungen als Berufskrankheit, Die Berufsgenossenschaft 1993, 791, 794). Das Erkrankungsbild des Klägers ist geprägt durch zwei Bandscheibenvorfälle in den Segmenten L4/5 und L5/S1. Es handelt sich dabei um einen die Altersnorm überschreitenden krankhaften Befund. Das von den Konsensempfehlungen geforderte Ausmaß einer Bandscheibenvorwölbung von mehr als 5 mm ist für beide Bandscheibenvorfälle zu bestätigen, wobei eine radikuläre Kompression nur für das Segment L4/5 und eine Chondrose von zumindest Grad II nur für das Segment L5/S1 von den Sachverständigen Dres. K. und L. bestätigt wird. Den radiologischen Befunden entsprechend haben beide Sachverständige auch zugehörige klinische Befunde bestätigt in Gestalt einer Entfaltungsstörung der LWS und eines lokalen Lumbalsyndroms mit Zeichen der Reizung und Schädigung der Nervenwurzeln an den veränderten Segmenten L4/5 und L5/S1. Beim Kläger hatten im Jahr 1996 erst Bandscheibenvorwölbungen (Protrusionen) bestanden, die sich bis 1998 zu Bandscheibenvorfällen (Prolapsen) entwickelt hatten, worüber beide gerichtliche Sachverständigen Dres. K. und L. wie auch die Beteiligten übereinstimmen.

Die sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt der Kläger ebenfalls.

Der TAD der Beklagten hat sich zur Quantifizierung der Hebe- und Tragebelastung des Klägers des sogenannten Mainz-Dortmunder-Dosis-Modells (MDD-Modell) bedient. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 18. März 2003 – B 2 U 13/02 R – juris und vom 19. August 2003 – B 2 U 1/02 R – juris) ist das MDD-Modell eine geeignete Grundlage zur Konkretisierung der im Text der BK Nr. 2108 mit den unbestimmten Rechtsbegriffen "langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten" oder "langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung" nur ungenau umschriebenen Einwirkungen. Da das MDD-Modell für die Belastung durch Heben und Tragen keine Mindestwerte festsetzt, die erreicht werden müssen, damit von einem erhöhten Risiko für Bandscheibenschäden durch die berufliche Tätigkeit ausgegangen werden kann, sondern die angegebenen Richtwerte insbesondere für die Gesamtbelastungsdosis als bloße Orientierungswerte anzusehen sind, kann nicht grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass ein Unterschreiten dieser Werte das Vorliegen einer BK von vornherein ausschließt. Da Orientierungswerte aber andererseits auch keine unverbindliche Größe sind, die beliebig unterschritten werden kann, ist unter Zuhilfenahme medizinischer, naturwissenschaftlicher und technischer Sachkunde nach dem im Entscheidungszeitpunkt aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu entscheiden (so das BSG im Urteil vom 30. Oktober 2007 – B 2 U 4/06 R – juris). Das BSG hat in dieser Entscheidung am MDD-Modell grundsätzlich festgehalten. Da es aufgrund einer vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften initiierten Fallkontrollstudie zur besseren epidemiologischen Klärung der Dosis-Wirkungs-Beziehungen zwischen beruflichen Belastungen und Entstehung von bandscheibenbedingten Wirbelsäulenerkrankungen (sog. Deutsche Wirbelsäulenstudie) Hinweise gibt, dass auch unterhalb des Orientierungswertes nach dem MDD-Modell ein erhöhtes Risiko für bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS bestehen kann, hat es das BSG im Urteil vom 30. Oktober 2007 für sachgerecht erachtet, den unteren Grenzwert, bei dessen Unterschreitung nach gegenwärtigem Wissensstand ein Kausalzusammenhang zwischen beruflichen Einwirkungen und bandscheibenbedingten Erkrankungen der LWS ausgeschlossen ist und deshalb auf einzelfallbezogene medizinische Ermittlungen verzichtet werden kann, im Licht dieser neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse auf die Hälfte des im MDD-Modell vorgeschlagenen Orientierungswertes für die Gesamtbelastungsdosis von 25 MNh für Männer und 17 MNh für Frauen zu reduzieren. Zudem ist nach der BSG-Entscheidung vom 30. Oktober 2007 die dem MDD-Modell zugrunde liegende Druckkraft pro Arbeitsvorgang von 3.200 N bei Männern auf den Wert von 2.700 N zu reduzieren. Auf eine Mindesttagesdosis ist entsprechend dem Ergebnis der Deutschen Wirbelsäulenstudie zu verzichten, zumal es für die bisher geforderte Mindesttagesdosis von 5.550 Nh für Männer keine gesicherte Ableitung gibt. Danach wird es für sachgerecht gehalten, alle Hebe- und Tragebelastungen, die die aufgezeigte Mindestbelastung von 2.700 N bei Männern erreichen, entsprechend dem quadratischen Ansatz zu berechnen und aufzuaddieren. Das MDD-Model wird vom BSG auch in seiner neusten Rechtsprechung als geeignete Grundlage zur Konkretisierung der im Rahmen der BK Nr. 2108 relevanten Exposition angesehen (Urteile des BSG vom 23. April 2015 B 2 U 6/13 R sowie B 2 U 10/14 R jeweils Rdzi. 17 – juris).

Nach der Stellungnahme des Technischen Aufsichtsbeamten Dr. M. vom 24. Juni 2008 ist die Hebe- und Tragebelastung des Klägers in der Lehrzeit als Maschinenschlosser von September 1971 bis August 1974 sowie in seiner anschließenden Tätigkeit vor allem als Zweiradmechaniker von Februar 1975 bis 31. März 1988 bei der Firma Zweirad-C. in C-Stadt, dem Autohaus D. in D-Stadt, der Firma E. Automobile in E-Stadt, im zweiten Halbjahr 1996 die Tätigkeit beim Aufzugsdienst G. in G-Stadt und von Januar 1997 bis zum März 1998 beim Autohaus H. in E-Stadt für die Expositionsermittlung bedeutsam. Unter Berücksichtigung des Gesamtzeitraumes hat Dr. M. eine Gesamtbelastungsdosis von 17,3 x 106 NH ermittelt, der den vom BSG fixierten unteren Grenzwert von 12,5 MNh überschreitet.

Allerdings führt die Tatsache, dass sowohl die arbeitstechnischen Voraussetzungen schweren Hebens und Tragens als auch der vom Verordnungsgeber in der BK Nr. 2108 geforderte Befund eines bandscheibenbedingten LWS-Leidens zur Überzeugung des Senats nachgewiesen sind, nicht zu der im Sinne eines Anscheinsbeweises zu rechtfertigenden Annahme (dazu § 9 Abs. 3 SGB VII), dass damit auch von einem wahrscheinlichen ursächlichen Zusammenhang der Erkrankung mit der beruflichen Belastung im Rahmen der medizinischen Zusammenhangsbeurteilung auszugehen ist. Denn die Pathogenese bandscheibenbedingter LWS-Erkrankung ist vielgestaltig und der berufliche Einfluss ist nur einer unter vielen denkbaren Kausalfaktoren, so dass es immer einer individuellen Abwägung im Einzelfall bedarf und der ursächliche Zusammenhang mit beruflichen Belastungseinwirkungen anhand zusätzlicher Merkmale positiv festzustellen und zu begründen ist, wobei der Senat folgende Kriterien als für die Beurteilung des Ursachenzusammenhangs im Rahmen der BK Nr. 2108 wesentlich ansieht: das Krankheitsbild – insbesondere in Form eines die Altersnorm überschreitenden Wirbelsäulenbefundes einerseits und eines belastungskonformen Schadensbildes andererseits, das Bestehen einer konstitutionellen Veranlagung bzw. weitergehender konkurrierender Erkrankungen sowie die Eignung der belastenden Einwirkung zur Verursachung der Krankheit, biomechanische Begleitumstände wie Körperhaltung und zur Verfügung stehende Hilfsmittel, individuelle Konstitution und zeitliche Korrelation zwischen Erkrankungsverlauf und beruflichen Überlastungen (dazu Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheiten-Verordnung (BKV), Kommentar, Anm. 6.2. zu M 2108; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl., S. 513 ff. sowie Urteil des BSG vom 27. Juni 2006 – B 2 U 13/05 R – juris).

Auch die "Medizinischen Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten BK´en der LWS", die "Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung" aus dem Jahr 2005 (veröffentlicht in: Trauma und Berufskrankheit, 2005, Seiten 211 ff. (Teil I), 320 ff. (Teil II), gehen von diesen Vorgaben aus (ebenso Urteil des BSG vom 27. Juni 2006). Es handelt sich dabei um eine Zusammenfassung aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse für eine qualifizierte Begutachtung der BK´en 2108 bis 2110. Diese Konsensempfehlungen stellen – jedenfalls soweit sie einvernehmlich verfasst wurden – die von der Rechtsprechung bei Beurteilung derartiger Zusammenhangsfragen zugrunde zu legende herrschende Meinung der einschlägig tätigen Fachwissenschaftler dar (dazu BSG-Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 26/04 R – juris sowie auch in der neuesten Rechtsprechung – BSG-Urteil vom 23. April 2015 – B 2 U 6/13 R und B 2 U 10/14 R – jeweils Rdzi. 21 – juris; Mehrtens/Brandenburg, a.a.O., Anm. 6.1. zu M 2108, S. 146). Die Konsensempfehlungen beschreiben das belastungskonforme Schadensbild durch den Vergleich der Veränderungen zwischen Beschäftigten mit hoher Wirbelsäulenbelastung und der Normalbevölkerung hinsichtlich der Kriterien Lebensalter beim Auftreten der Schädigung, Ausprägungsgrad in einem bestimmten Alter, Verteilungsmuster der Bandscheibenschäden an der LWS sowie Lokalisationsunterschiede zwischen biomechanisch hoch und mäßig belasteten Wirbelsäulenabschnitten der gleichen Person und Entwicklung einer Begleitspondylose (dazu: S. 212, 214 der Konsensempfehlungen unter Ziffer 1.1.3). Sind die Grundvoraussetzungen zur Anerkennung gemäß Ziffer 1.4. erfüllt – also das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung einerseits und einer ausreichenden beruflichen Belastung andererseits sowie einer plausiblen zeitlichen Korrelation zur Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung – soll anhand folgender Kriterien abgewogen werden, ob ein Ursachenzusammenhang wahrscheinlich ist: Eine Betonung der Bandscheibenschäden an den unteren drei Segmenten der LWS spricht eher für einen Zusammenhang, ein Befall der HWS und/oder der BWS je nach Fallkonstellation eher gegen einen Zusammenhang der Befunde mit beruflichen Belastungen. Eine Aussparung der beiden unteren LWS-Segmente spricht gegen eine berufliche Verursachung, Begleitspondylosen haben eine positive Indizwirkung, wenn sie über das Altersmaß hinausgehen. Die Konsensempfehlungen enthalten 21 Fallkonstellationen, wobei für sechs Konstellationen kein Konsens erzielt werden konnte, wofür als Gründe neben dem Phänomen der Begleitspondylose als Positivkriterium die Bedeutung degenerativer HWS-Veränderungen als möglicher Hinweis auf ein schicksalhaftes Geschehen zu nennen sind. Bei der Beurteilung der übrigen 15 Befundkonstellationen bestand Einigkeit.

Während beim Kläger das von der BK Nr. 2108 geforderte Erkrankungsbild und eine ausreichende Hebe- und Tragebelastung gesichert sind, ist eine plausible zeitliche Korrelation zwischen Exposition und Entwicklung der Bandscheibenerkrankung der Vorwölbungen bzw. Vorfälle in den Segmenten L4/5 und L5/S1 zwischen den Sachverständigen Dr. L. einerseits und Dr. K. andererseits umstritten geblieben. Der Kläger war indessen langjährig – d.h. mehr als zehn Jahre (dazu aktuelles Merkblatt zur BK Nr. 2108 im Bundesarbeitsblatt 2006, Seite 30 unter IV) – belastet tätig gewesen, bevor es zu Bandscheibenprotrusionen ab 1996 und den Bandscheibenvorfällen ab 1998 kam. In der Lehrzeit sowie bei der Firma Zweirad-C. hatte er über 16 Jahre Berufe mit schwerem Heben und Tragen ausgeübt und diese Belastung setzte sich für weitere fast 2 Jahre von August 1996 bis März 1998 fort. Dr. L. hat zwar darauf hingewiesen, dass die seit Februar 1975 bestehende Belastung als Zweiradmonteur, die bis März 1998 angedauert hatte, seit 1995 nur zu leichten Wirbelsäulenbeschwerden geführt hatte, was von Dr. K. und Prof. J. übereinstimmend berichtet wird. Der Kläger war danach von April 1988 bis Ende 1996 ohne Hebe- und Tragebelastung bei der Firma F. als Elektromechaniker tätig gewesen, so dass nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. L. im Gutachten vom 17. April 2006 eine 1996 eingetretene Zunahme von Wirbelsäulenbeschwerden einer vorausgehenden und sich zeitlich anschließenden Hebe- und Tragebelastung nicht ohne Weiteres zugeordnet werden kann. Dennoch waren dem Auftreten von Beschwerden und der Feststellung von Protrusionen/Vorfällen im Anschluss von Januar 1997 bis März 1998 unter anderem als Mechanikermeister und Haustechniker bei der Firma H. eine erneute Hebe- und Tragebelastung vorausgegangen und hatten am 9. März 1998 im Rahmen eines "Verhebetraumas" beim Tragen und Bewegen eines über 10 kg schweren Eimers in gebückter Körperhaltung zu erheblichen Beschwerden geführt, was dem Sachverständigen Dr. K. zu Folge den zeitlichen Zusammenhang der Wirbelsäulenbeschwerden mit beruflichen Belastungen stützt. Im Anschluss konnte sodann auch ein Fortschreiten der Bandscheibenprotrusionen bis hin zu Bandscheibenvorfällen durch CT festgestellt werden, so dass der zeitliche Zusammenhang für den Senat für beide Bandscheibenvorfälle danach in Übereinstimmung mit Dr. K. plausibel erscheint.

Trotzdem sind die für einen wesentlichen beruflichen Zusammenhang sprechenden medizinischen Gründe unter Berücksichtigung der einschlägigen Konstellationen der Konsensempfehlungen nicht deutlich überwiegend, so dass ein wesentlich beruflicher Entstehungszusammenhang der bandscheibenbedingten LWS-Erkrankung des Klägers nicht mit Wahrscheinlichkeit festzustellen ist. Da der Kläger eine Bandscheibenerkrankung der Segmente L4/5 und L5/S1 aufweist, die zumindest seit März 1998 in Form von durch CT gesicherten Bandscheibenvorfällen besteht, sind die beiden unteren LWS-Segmente betroffen, was nach Ziffer 1.4. der Konsensempfehlung zunächst mit einem beruflichen Zusammenhang vereinbar ist und wofür die B Konstellationen der Konsensempfehlung einschlägig sind. In diesem Zusammenhang scheidet die B1-Konstellation aus, die für die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs unter anderem eine Begleitspondylose voraussetzt. Eine solche weist die LWS des Klägers nach übereinstimmender Beurteilung aller Sachverständiger Prof. J., Dr. L., Dr. K. – nicht auf. Die oberhalb des Segmentes L4/5 liegenden LWKs sind allesamt ohne Signalminderungen und ohne verstärkte knöcherne Reaktionen. Dies ist auch zwischen den Beteiligten nicht streitig.

Die Voraussetzungen der Konstellation B2 bedurften nach den Vorgaben des § 44 Abs. 1 SGB X einer umfassenden Überprüfung, die – wie mit den Beteiligten im Senatstermin erörtert – nicht nur das im Mittelpunkt des Neuprüfungsbegehrens stehende Zusatzkriterium 3, sondern auch die Zusatzkriterien 1 und 2 beinhalten musste und im Ergebnis dazu führt, dass der Kläger keines der beim Fehlen einer Begleitspondylose geforderten Zusatzkriterien erfüllt.

Die B2-Konstellation erfordert bei fehlender Begleitspondylose, dass wesentliche konkurrierende Ursachenfaktoren nicht erkennbar sind, was der erkennende Senat beim Kläger in Übereinstimmung mit den Sachverständigen Dres. K. und L. bejaht. Soweit Prof. J. hierzu im Aktengutachten vom 14. Juli 2001 zu einer abweichenden Auffassung gelangte, bleibt dies unbeachtlich, da sein Gutachten vor Veröffentlichung der Konsensempfehlungen im Jahr 2005 gefertigt wurde und die im Gutachten enthaltenen medizinischen Bewertungskriterien die neuesten medizinischen Erkenntnisse ab 2005 nicht beachten konnten. Nach den Feststellungen des Dr. K., denen Dr. L. im Wesentlichen gefolgt ist, weist die HWS des Klägers einen altersentsprechenden Befund auf, so dass eine Konkurrenzsituation insoweit nicht auftreten kann. Die Wirbelsäule des Klägers zeigt eine Skoliose. Dabei zeigt sich die Primärkrümmung im BWS-Bereich, wo eine fast vollständige Versteifung in Hyperkyphose festzustellen ist, während es an der LWS zu einer rechtsseitigen sekundären Konvexität mit Scheitel bei L1 gekommen ist unter Hinterlassen eines Skoliosewinkels von 20°. Dabei handelt es sich um keine Prädisposition im Sinne der Konsensempfehlungen, da gemäß dortiger Ziffer 2.1.5 von einem konkurrierenden Kausalfaktor erst gesprochen werden kann, wenn der Skoliosewinkel 25° überschreitet, worauf Dr. K. zutreffend hingewiesen hat. Ein beim Kläger bestehender Beckentiefstand wegen einer Beinverkürzung beträgt weniger als 3 cm und kommt danach gemäß Ziffer 2.1.6 der Konsensempfehlungen auch nicht als Konkurrenzursache in Betracht. Die BWS-Erkrankung beim Kläger stellt ebenfalls keine Prädisposition im Sinne der Konsensempfehlungen dar. Diese fordern unter 2.1.9, dass ein thorakaler Scheuermann bei mehrsegmental fixierter Kyphose besteht, woran es beim Kläger fehlt, wie Dr. K. zutreffend ausgeführt hat. Auch das beim Kläger bestehende Übergewicht stellt mit Dr. K. unter Hinweis auf die Konsensempfehlungen Ziffer 2.1.6 keine konkurrierend zu bewertende Ursache dar. Der Kläger wog ausweislich seiner Untersuchung durch Dr. K. bei einer Größe von 1,86 m 105 kg.

Der Kläger erfüllt keines der Zusatzkriterien, die das Fehlen einer Begleitspondylose ersetzen sollen und in derartigen Fällen fehlender Konkurrenzursache ein belastungskonformes Schadensbild begründen. Liegt keine Begleitspondylose vor, wird der Zusammenhang nach den Konsensempfehlungen als wahrscheinlich betrachtet, wenn eine Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben besteht. Alternativ müssen bei nur monosegmentaler Chondrose bzw. monosegmentalem Vorfall in L5/S1 oder L4/5 im MRT in mindestens zwei angrenzenden Segmenten "black discs" vorliegen (Zusatzkriterium 1). Als weitere Alternative genügt für die Konstellation B2 das Bestehen einer besonders intensiven Belastung, wobei hierfür als Anhaltspunkt das Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis in weniger als 10 Jahren gilt (Zusatzkriterium 2) oder ein besonderes Gefährdungspotenzial durch hohe Belastungsspitzen, wofür als Anhaltspunkt das Erreichen der Hälfte des MDD-Tagesdosis-Richtwertes durch Belastungsspitzen verlangt wird (Zusatzkriterium 3).

Der Kläger hatte seinen Neuprüfungsantrag vom Oktober 2010 maßgeblich damit begründet, dass das Zusatzkriterium 3 erfüllt sei, wenn die von ihm detailliert dargelegten Spitzenbelastungen beim Transport von Motorrädern sachverständig bewertet würden. Dies habe auch Dr. L. in der ergänzenden Stellungnahme vom 1. September 2008 als arbeitstechnisch und berufskundlich zu beantwortende Frage bezeichnet (Seite 7 der Stellungnahme). Diese vom Kläger geforderte Bewertung hat der TAD der Beklagten auf Veranlassung des Senates durchgeführt und hat seine erste Stellungnahme vom 23. September 2014 auf die Kritik des Klägers im Schriftsatz vom 8. Januar 2015 hin in einer zweiten Stellungnahme vom 10. März 2015 modifiziert. Demnach konnte der TAD einen dem Zusatzkriterium 3 der Konstellation B2 genügenden Belastungsumfang an 17 Tagen jährlich bei der Fima Zweirad-C. für die Dauer von 5,66 Jahren von Februar 1975 bis September 1980 feststellen. Eine entsprechende Belastung bei der Firma Autohaus D. bestand für die zwei Jahre von Oktober 1980 bis September 1982 an 22 Tagen jährlich und an 14 Tagen jährlich bei der Firma E. Autohaus für 5 ½ Jahre von Oktober 1982 bis März 1988. Über die gesamte mit Heben und Tragen belastete Beschäftigungsdauer war der Kläger danach an 218 Tagen insgesamt einem Belastungsumfang ausgesetzt, der die Vorgaben des Zusatzkriteriums 3 erfüllte. Dies ergibt eine Belastung von 1 – 2 Tagen monatlich, an denen der Kläger die Hälfte der Tagesdosis von 6 kN für Männer allein durch die Einwirkung hoher Spitzenbelastungen erreichte.

Einer Belastung dieses Umfanges fehlt es an der notwendigen Regelmäßigkeit. Eine zahlenmäßige Quantifizierung erforderlicher Belastungsspitzen findet sich indessen weder in den Konsensempfehlungen selbst noch in den hierzu vorliegenden Kommentierungen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Mehrtens, Brandenburg, Hauck). Dr. L. hatte als Mitverfasser der Konsensempfehlungen in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 1. September 2008 dargelegt, dass das Zusatzkriterium 3 der Konstellation B2 mit dem dort formulierten besonderen Gefährdungspotenzial sich aus "häufig wiederkehrenden kurzzeitigen Einzelbelastungsspitzen" ergebe, und war zu einer für den Kläger negativen Bewertung gelangt. Eine Belastung an nur wenigen Tagen im Monat erreicht auch nicht den Umfang, dessen es nach der Rechtsprechung des Senats in vergleichbaren Fällen bedarf, um einen beruflichen Zusammenhang mit Wahrscheinlichkeit begründen zu können. Da für das 3. Zusatzkriterium als spezieller Pathomechanismus – neben der typischerweise angenommenen und durch die Belastung hervorgerufenen Ernährungsstörung – eine direkte Schädigung der Bandscheibe durch Mikrotraumatisierungen in Betracht gezogen wird, ist auf Erkenntnisse abzustellen, die für dasselbe Schädigungsmuster beim Pflegepersonal gewonnen wurden. Hierzu hatte der Senat im Urteil vom 18. August 2009 ausgeführt:

"Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass sich auch unter Zugrundelegung der vom Kläger selbst vorgebrachten Hebebelastung von 5.252 Hebevorgängen in 13,2 Berufsjahren – einschließlich derer mit eher geringer Gewichtsbelastung – durchschnittlich nicht einmal zwei (kontrollierte) Hebevorgänge pro Arbeitstag errechnen, was deutlich unter denen des Pflegealltags liegt, wo bereits beispielsweise bei nur einem pflegebedürftigen Patienten für die einmalige Überwindung des Weges vom Krankenbett zur Toilette und zurück oder aber der entsprechenden Verrichtungen mit Waschen und Umbetten im Krankenbett deutlich mehr Hebevorgänge nicht nur mit der entsprechenden Gewichtsbelastung, sondern auch mit der Notwendigkeit des Drehens des Körpers in gebeugter Haltung unter dieser Gewichtsbelastung erforderlich sind."

Aus diesen Ausführungen wie auch anderen Urteilen des Senats (beispielweise Urteil vom 13. März 2007 – L 3 U 889/03) und anderer Landessozialgerichte (Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 17. August 2011 – L 6 U 76/08 – juris) wird deutlich, dass es einer entsprechenden Spitzenbelastung regelmäßig bzw. bei der allein durch Studien untersuchten Personengruppe des Pflegepersonals täglich bedarf, um zu einer positiven Feststellung des beruflichen Zusammenhangs zu gelangen. Auch die neueste Rechtsprechung des BSG knüpft – wenn auch in anderem Zusammenhang – an das Erfordernis der "Regelmäßigkeit" der Hebe- und Tragebelastung an, wofür es unter Hinweis auf das ärztliche Merkblatt zur BK Nr. 2108 vom 1. September 2008 (Seiten 10, 12) mindestens 60 Arbeitsschichten pro Jahr fordert (BSG-Urteil vom 23. April 2015 B 2 U 116/13 R – juris – Rdzi. 27). Eine derartige "Regelmäßigkeit" hat der Kläger selbst in Abrede gestellt. Er hatte zur ersten TAD-Stellungnahme kritisch angemerkt, dass die im Umgang mit den Motorrädern anfallende Hebe- und Tragebelastung nicht täglich, sondern nur sporadisch – dann aber in erhöhtem Umfang – aufgetreten sei. Dem war der TAD gefolgt, was dazu geführt hat, dass der TAD in der zweiten Stellungnahme die zuvor ermittelte Belastung von 27 auf 217 Tage für die Gesamtbelastungsdauer erhöht hat, womit er aber letztlich immer noch weiter unter dem für das dritte Zusatzkriterium relevanten Belastungsausmaß verbleibt.

Die vom Kläger an beiden TAD-Stellungnahmen mit Schriftsätzen vom 8. Januar und 5. Mai 2015 geübte Kritik mit dem Ergebnis, dass sich nach seiner Berechnung 616 Tage mit hohen Belastungsspitzen ergeben sollen gegenüber den vom TAD errechneten 218 Tagen, bedarf keiner weiteren Aufklärung. Denn selbst nach den Berechnungen des Klägers wird die Zahl von mindestens 60 im Sinne des Zusatzkriteriums 3 belastenden Arbeitsschichten pro Jahr nur bei der Firma Autohaus D. für 2 Jahre von Oktober 1980 bis September 1982 mit 64,67 leicht überschritten. Ansonsten bleibt diese Zahl mit 48,5 Arbeitsstunden bei der Firma Zweirad-C. und 38,8 bei der Firma E. Autohaus weit darunter. Von einer regelmäßigen annähernd täglichen Exposition gegenüber Belastungsspitzen – wie bei Pflegeberufen – kann daher selbst dann keine Rede sein, wenn der Senat vom Ausmaß der vom Kläger selbst errechneten Belastungstage ausgeht, woraus sich maximal für einen Tag wöchentlich eine relevante Belastung in Form von Leistungsspitzen ergeben würde. Im Urteil vom 18. August 2009 war der Senat damit übereinstimmend zur Auffassung gelangt, dass unter Berücksichtigung aller vom Kläger vorgebrachter Hebevorgänge durchschnittlich nicht einmal zwei "kontrollierte" Hebevorgänge pro Tag festzustellen seien, was deutlich unter den Belastungen des Pflegealltags liege. Dabei fielen in der Tätigkeit des Klägers als Zweiradmechaniker in der Regel "kontrollierte Hebevorgänge" an, während die Beschäftigten in der Pflege unter erschwerten Bedingungen mit Patienten umzugehen haben, die wegen unkontrollierter Bewegung oft nur schwer zu heben und zu tragen sind. Dazu heißt es bereits im Urteil des Senats vom 18. August 2009:

"Die Belastung der Pflegekraft reduziert sich auch nicht, wie dies der Prozessbevollmächtigte des Klägers schriftsätzlich andeutet, auf eine "gewisse körperliche Anstrengung", wenn "diese morgens 10 bis 15 Patienten waschen muss". Wie Dr. L. zu Recht ausführt, sind die Belastungen des Klägers nicht mit den Spitzenbelastungen der Alten- und Krankenpfleger beim Versorgen und Bewegen immobiler Patienten gleichzusetzen, denn die dort getroffene Beurteilung findet ihre Begründung nicht allein in dem - häufig durchaus erheblichen - zu hebenden Gewicht der immobilen Patienten. Maßgeblich für die Bewertung als Spitzenbelastung ist vielmehr die Tatsache, dass sich diese Patienten häufig auch beim Anheben eigenständig und unkontrolliert bewegen oder ihr Gewicht verlagern, dass sie demzufolge oder aufgrund der Körpermasse, der Körperkonturen oder der Schmerzhaftigkeit verletzter oder frisch operierter Körperregionen nur schlecht zu fassen und zu halten sind und dass dies schließlich zumeist auch noch aus einer biophysikalisch ungünstigen, vorgebückten Haltung des Pflegenden zu geschehen hat."

Der Kläger unterlag auch keiner besonders intensiven Belastung, wofür das Zusatzkriterium 2 der Konstellation B2 beispielhaft das Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis in weniger als 10 Jahren anführt. Während die Verfasser der Konsensempfehlungen insoweit von Richtwerten in Höhe von 25 MNh ausgingen, hat das Bundessozialgericht die mit Urteil vom 30. Oktober 2007 vorgenommene Halbierung der MDD-Orientierungswerte in seiner neuesten Rechtsprechung (Urteil vom 23. April 2015 – B 2 U 10/14 R – juris Rdnr. 26, 27) auch im Hinblick auf das Zusatzkriterium 3 der Konstellation B2 – die vom LSG Sachsen zugrunde gelegt worden war – nicht beanstandet. Selbst wenn man diese reduzierte Exposition als ausreichend für das Zusatzkriterium ansehen würde, würde der Kläger die Voraussetzungen nicht erfüllen. Nach der Berechnung des Technischen Aufsichtsbeamten Dr. M. vom 24. Juni 2008 bewegt sich selbst in dem 13-Jahreszeitraum mit der höchsten Hebe- und Tragebelastung von Februar 1975 bis März 1988 die Exposition des Klägers mit 11,1 MNh deutlich unterhalb eines reduzierten Orientierungswertes von 12,5 MNh.

Schließlich erfüllt der Kläger auch die Voraussetzungen des Zusatzkriteriums 1 der Konstellation B2 nicht, da lediglich die Segmente L4/5 und L5/S1 Bandscheibenvorfälle aufweisen, also allein ein bisegmentaler Schaden vorliegt. Um trotz fehlender Begleitspondylose bei einer solchen Erkrankung von einem belastungskonformen Schadensbild ausgehen zu können, fordert der Senat in seiner ständigen Rechtsprechung (Urteile des Senats vom 20. April 2010 – L 3 U 212/06, vom 27. März 2012 – L 3 U 81/11 – juris; vom 18. August 2009 – L 3 U 202/04 -juris; ebenso LSG Bayern, Urteile vom 31. Januar 2013 – L 17 U 244/06 – juris sowie vom 20. August 2009 – L 2 U 330/07 – juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 28. Januar 2011 – L 8 U 4946/08 – juris; neuerdings ebenso Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage, Seite 537, Fußnote 293) auch in einer dritten LWS-Bandscheibe den Hinweis auf eine belastungsinduzierte Veränderung. Der Senat hatte hierzu im Urteil vom 27. März 2012 ausgeführt:

"Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. u. a. Urteil vom 18. August 2009 – L 3 U 202/04 - juris) sind mit "mehreren" Bandscheiben mindestens drei gemeint. Für diese Auslegung spricht schon die Systematik der in den Konsensempfehlungen definierten Fallkonstellationen. Alle B-Konstellationen gehen schon von einer Lokalisation der bandscheibenbedingten Erkrankung bei L5/S1 und/oder L4/L5 aus, also an einer oder zwei Bandscheiben. In der B1 Konstellation muss sodann die Begleitspondylose als Positivkriterium hinzukommen, um einen Zusammenhang wahrscheinlich zu machen. In der B2 Konstellation wird das Fehlen der Begleitspondylose durch die dort genannten Zusatzkriterien ersetzt, so dass mit "mehreren" Bandscheiben über die in den B Konstellationen grundsätzlich vorausgesetzten Veränderungen hinausgehend mindestens drei betroffene Bandscheiben gemeint sind."

Dieser Auffassung widersprechen andere Landessozialgerichte, die sich allesamt inhaltlich auf die Auffassung von Prof. Bolm-Audorff stützen, die er in seinem zur Auswertung der Deutschen Wirbelsäulenstudie verfassten Aufsatz "Informationen für den Gutachter der Berufskrankheit 2108", Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie 2014, Seiten 35, 38 dargelegt hat. Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (Urteile vom 11. Juli 2013 – L 4 U 59/11 – juris sowie vom 21. Juni 2010 – L 2 U 170/08 LW – juris sowie Urteil vom 12. Juni 2014 – L 6 U 60/12 – juris; ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 3. November 2011 – L 3 U 229/08 – juris, LSG Sachsen, Urteile vom 21. Juni 2010 – L 2 U 170/08 LW – juris sowie vom 23. September 2010 L 2 U 198/107 – juris) sieht die Vorgabe einer "Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben" als erfüllt, wenn zwei Bandscheiben der LWS zumindest eine zweitgradige Chondrose aufweisen und wenn dabei eines der beiden unteren LWS-Segmente einbezogen ist, da bei der Forderung nach einem Befall von zumindest drei Bandscheiben der bisegmentale Bandscheibenschaden von der Konsensusgruppe nicht geregelt worden wäre, wovon nicht auszugehen sei. Es sei schlüssig, bei zwei schweren Bandscheibenbefunden im Sinne von Chondrose bzw. von Vorfällen an der unteren LWS von der Forderung einer "black disc" als radiologisch auffälliger Erscheinung abzusehen (Rdzi. 70, 73, 75 der Entscheidung vom 11. Juli 2013).

Der Senat hält an seiner Auffassung fest. Der bisegmentale Bandscheibenschaden ist in den B-Konstellationen durchaus geregelt. Der berufliche Zusammenhang eines bisegmentalen Schadens soll nach den Konsensempfehlungen grundsätzlich nur bei Vorliegen einer Begleitspondylose bejaht werden. Fehlt es an diesem positiven Indiz für eine berufliche Verursachung, bedarf es nach der Konstellation B2 des Vorliegens eines der drei dort genannten Zusatzkriterien. Lässt sich keines der Zusatzkriterien feststellen, greift die Konstellation B3, die als eine von sechs nicht im Konsens verblieben ist. Die Relevanz der Begleitspondylose für die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhangs, wie sie von Grosser und Schröter im Anhang 1 der Konsensempfehlungen erläutert wird (s. Anmerkungen zu den nicht im Konsens beurteilten Fallkonstellationen Seiten 219, 220) überzeugt den Senat vor allem zur Feststellung eines belastungskonformen Schadenbildes sowie zur Unterscheidung einer belastungsinduzierten Bandscheibenschädigung von dem typischen Bandscheibenschadensbild in der Allgemeinbevölkerung. Beim Vorliegen eines bisegmentalen Schadensbildes ohne Begleitspondylose, welches schon der Grundvoraussestzung der B-Konstellationen entspricht, sollten daher zusätzlich an einem weiteren Segment der LWS Spuren der Belastung zumindest im Sinne einer black disc erkennbar sein, um einen beruflichen Zusammenhang annehmen zu können. Denn eine bandscheibenbedingte LWS-Erkrankung an den beiden unteren Segmenten entspricht dem typischen Degenerationsmuster in der durch Heben und Tragen nicht belasteten Bevölkerung (dazu Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung (BKV), Kommentar, M 2108, Seite 42; Grosser/Schröder im Anhang 1 der Konsensempfehlungen: Anmerkungen zu den nicht im Konsens beurteilten Fallkonstellationen Seite 219; Urteile des Senats vom 20. April 2010, a.a.O und vom 27. März 2012, a.a.O.). Auch das Bundessozialgericht weist in seiner neuesten Rechtsprechung unter Auswertung der Deutschen Wirbelsäulenstudie darauf hin, dass Lokalisation und Häufigkeit der Verteilung von Bandscheibenschäden im nach der BK Nr. 2108 belasteten Kollektiv zu 96 % mit denen der Normalbevölkerung identisch sind (Rdnr. 21 der Entscheidungen vom 23. April 2015), die auf innere Ursachen zurückgeführt werden müssen. Ein solches allgemein verbreitetes Erkrankungsbild kann nicht als belastungstypisch bezeichnet werden und als belastungskonform nur dann, wenn über das bisegmentale Erkrankungsbild hinaus ein Hinweis auf eine Einwirkung durch die beruflich bedingte mechanische Dauerbelastung in einem weiteren LWS-Segment besteht. Eine derartige mechanische Dauerbelastung behindert den Flüssigkeitsaustausch der Bandscheibe und soll so zu belastungsinduzierten Veränderungen führen. Derartige Befunde erscheinen im hochsensiblen MRT als Begleitspondylose oder zumindest als black disc, die einen Wasserverlust der Bandscheibe signalisiert, ohne dass sie bereits Krankheitswert erreichen muss. Ist nur ein Segment der LWS bandscheibenbedingt erkrankt, fordert das Zusatzkriterium 1 der B2 Konstellation ausdrücklich Flüssigkeitsveränderungen (black discs) in mindestens zwei angrenzenden Segmenten. Folgerichtig ist nach Auffassung des Senats bei einer Bandscheibenerkrankung von zwei Segmenten der unteren LWS – zur Unterscheidung vom "Normalbefund der Allgemeinbevölkerung" – eine solche Veränderung an zumindest einem weiteren, dritten Segment zu fordern, um einen beruflichen Zusammenhang annehmen zu können.

Der beim Kläger festgestellte Bandscheibenschaden an den beiden unteren LWS-Segmenten unterfällt daher der Konstellation B3, für die die Konsensarbeitsgruppe kein Einvernehmen erzielte und keine Anerkennungsempfehlung aussprach und für die der Senat in ständiger Rechtsprechung von einer zwar möglichen aber nicht mit Wahrscheinlichkeit nachgewiesenen beruflichen Verursachung ausgegangen ist (Urteile vom 18. August 2009, a.a.O., vom 20. April 2010 – L 3 U 212/06 sowie vom 27. März 2012, a.a.O.). Nach der neuesten Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 23. April 2015 B 2 U 6/13 R – Rdzi. 26 – juris) soll der fehlende Konsens aber nicht so zu deuten sein, dass damit eine Anerkennung des Verursachungszusammenhanges im Einzelfall unmöglich wäre. Vielmehr soll im Rahmen der Amtsermittlung festgestellt werden, ob es nach dem neusten Stand der medizinischen Wissenschaft einen anerkannten Erfahrungssatz gibt, nach dem isolierte Bandscheibenvorfälle ohne die in der Konstellation B2 genannten Zusatzkriterien durch schweres Heben und Tragen verursacht werden können, die sodann in die Einzelfallprüfung einzufließen hätte.

Einen solchen durch neue Erkenntnisse bestätigten Erfahrungssatz hat der Senat nicht feststellen können. Grosser, Meyer-Clement und Schröter, Auswirkungen der Deutschen Wirbelsäulenstudie, in: Der medizinische Sachverständige 2015, Seiten 140 bis 143 haben diese Frage untersucht und nach Bewertung der 2007 veröffentlichten Studie und ihrer 2013 veröffentlichten Nachauswertung (DWS II) festgestellt, dass deren Inhalt weder neue Dosisrichtwerte begründet noch neue medizinische Kriterien für die Zusammenhangsbeurteilung hergibt (ebenso: Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 7. April 2014 – L 9 U 121/11 – juris – Rdnr. 40 sowie Kranig, Die Krux mit dem Kreuz – Anmerkungen zu dem Urteil des BSG vom 23. April 2015 zur Berufskrankheit Nr. 2108, in: Die Sozialgerichtsbarkeit 2016, 504, 509). Selbst Prof. Bolm-Audorff, a.a.O. Zentralblatt 35, 43 spricht sich lediglich für eine Überarbeitung der Konsensempfehlungen aus und führt speziell zur Konstellation B3 aus, dass die Studienergebnisse "im Rahmen einer multivarianten Auswertung überprüft werden" sollten. Für die Beurteilung des Einzelfalls verwertbare Ergebnisse hat auch er nicht mitgeteilt und auch der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnungen hat nach Vorstellung der Ergebnisse der DWS im ärztlichen Sachverständigenbeirat die Aufnahmen neuer Beratungen abgelehnt und weiteren Forschungsbedarf konstatiert, so dass die DGUV keinen Anlass sieht, die bisherigen Empfehlungen zur Bearbeitung der BK 2108 zu verändern (dazu: Römer in: Hauck, Sozialgesetzbuch, SGB VII, Gesetzliche Unfallversicherung, Kommentar, Anhang zu K § 9 Anlage zur BKV BK-Nrn. 2108 bis 2110, Seite 13).

Die vom BSG auch für die Konstellation B3 geforderte Einzelfallprüfung mit Bewertung aller relevanten Kriterien (so bereits Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 13. September 2011 – L 15 U 132/09 – juris – Rdnr. 47 sowie Kranig a.a.O., Sozialgerichtsbarkeit 2016, 504, 509; Mehrtens, Brandenburg, a.a.O., M 2108, Seite 42) führt nach Durchführung durch den Senat nicht zu einer für den Kläger positiven Entscheidung. Angesichts der deutlich unter dem Dosisrichtwert von 25 MNh liegenden Hebe- und Tragebelastung, die auf die Erfordernisse einer besonders intensiven Belastung oder eines besonderen Gefährdungspotenzial im Sinne der Zusatzkriterien 2 und 3 zur Konstellation B2 nicht erfüllt, eines zwar beide unteren LWK betreffenden Schadensmusters, das allerdings darüber hinaus keine belastungsadaptiven Reaktionen zeigt, bei fehlender individueller Disposition (beispielswiese durch ein erhebliches Über- oder Untergewicht) ergibt sich kein deutliches Überwiegen der für den beruflichen Zusammenhang sprechenden Gesichtspunkte. Da weder die vom BSG geforderten neuen medizinischen Erkenntnisse zur Konstellation B3 vorliegen noch die Bewertung im Einzelfall zu einer überzeugenden Begründung des beruflichen Zusammenhanges führt, hatte der Kläger nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast den Nachteil zu tragen, dass sich der berufliche Zusammenhang seiner Bandscheibenvorfälle nicht wahrscheinlich machen lässt (Römer, a.a.O., Anmerkung 18 unter Hinweis auf das Urteil des BSG vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R - juris, Rdnr. 60). Die erstinstanzliche Entscheidung war folglich zu bestätigen und die dagegen gerichtete Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision zugelassen, da der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Denn die von der ständigen Rechtsprechung des Senates abweichende Bewertung anderer Landessozialgerichte im Hinblick auf das Zusatzkriterium 1 der Konstellation B2 würde eine im Sinne des Klägers ergehende positive Entscheidung rechtfertigen. Das Bundessozialgericht hat die im Falle des Klägers streitentscheidende Frage im Urteil vom 23. April 2015 – B 2 U 10/14 R, Rdnr. 30 juris als für die Entscheidung nicht erheblich offen gelassen, die nunmehr einer Klärung bedarf.
Rechtskraft
Aus
Saved