Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 198/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 1486/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 16. März 2016 aufgehoben. Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.
Der 1965 geborene Kläger ist gelernter Lüftungs- und Heizungsbauer, der als Leitungs- und Rohrnetzbauer beim Wasserwerk O. versicherungspflichtig beschäftigt und zuletzt damit befasst war, im Wasserwerk die Wasserhochbehälter zu reinigen und instandzuhalten. Seit 21.05.2012 ist er arbeitsunfähig erkrankt, seit 12.02.2015 besteht ein Grad der Behinderung (GdB) von 50.
Am 02.07.2013 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog Befundberichte der behandelnden Ärzte, darunter der Fachärztin für Physikalische und Rehabilitative Medizin Dr. J.-K. sowie Entlassungsberichte über Aufenthalte im T.-L. Zentrum für ambulante Rehabilitation Berghaupten vom 27.08.2012 bis 14.09.2012 (Bericht vom 19.09.2012) sowie vom 13.03.2013 bis 04.04.2013 (Bericht vom 04.04.2013) bei. Im letztgenannten Bericht wurden beim Kläger die Diagnosen ASK mit arthroskopischer AM-Teilresektion und VKB-Plastik am 16.01.2013 (Operation vorderes Kreuzband rechts), distale Bizepssehnenruptur rechts, Z.n. operativer Naht am 22.06.2012, Diabetes mellitus, Lumbalbeschwerden bei Osteochondrose der LWS und Polyneuropathie gestellt. Der Kläger könne seine letzte Tätigkeit als Gas- und Wassermonteur bei kniender Arbeitsposition noch nicht wieder durchführen. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien mittelschwere körperliche Tätigkeiten vollschichtig zumutbar, für Tätigkeiten mit Kniebelastung werde aber eine Rekonvaleszenzzeit von sechs Monaten vorausgesetzt. Nach dieser Zeit könne er auch seinen ausgeübten Beruf wieder aufnehmen. Eine Beschränkung der Wegefähigkeit bestehe nicht. Die behandelnde Schmerztherapeutin Dr. J.-K. diagnostizierte beim Kläger am 11.06.2013 unter anderem ein multilokuläres, multifaktorielles Schmerzsyndrom im Chronifizierungsstadium III nach Gerbershagen bei Z. n. VKB Plastik rechts 1/2013, Z.n. Schulter-OP links 2009 und Z.n. Bizepssehnenruptur rechts 2012. Aufgrund des hohen Chronifizierungsgrads der Schmerzerkrankung halte sie die Durchführung einer stationären Schmerzanalyse mit anschließender Durchführung einer komplexen Schmerztherapie für dringend erforderlich. Es sei sinnvoll, den Kläger für 12 Monate aus dem Berufsleben herauszunehmen. Unter dem 09.10.2013 berichtete Dr. J.-K. über durchgeführte chirotherapeutische Mobilisierungen. Der Kläger stehe unter massivem Druck und starker Anspannung, was einer Schmerztherapie kontraproduktiv entgegenstehe. Er sei derzeit nicht in der körperlichen und psychischen Lage, seinen Beruf auszuüben, sondern nur unter drei Stunden/Tag arbeitsfähig.
Die Beklagte veranlasste sozialmedizinische Begutachtungen des Klägers durch die Fachärztin für Chirurgie Dr. L. und den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. N ... Dr. Lang stellte in ihrem Gutachten vom 02.09.2013 folgende Diagnosen: 1. Leicht verminderte Belastbarkeit LWS, degenerative Veränderung und anlagebedingte Störung Übergang LWS zum Kreuzbein mit endgradigen Funktionseinbußen ohne Wurzelreizzeichen oder neurologische Ausfälle 2. Diabetes mellitus Typ 2 mit Tabletten und einer insulinregulierenden Spritze behandelt, Einstellung befriedigend, inzwischen Nachweis einer beginnenden Polyneuropathie 3. anhaltende somatoforme Schmerzstörung bei Dysthymie 4. wiederhergestellte Kniestabilität rechts bei Zustand nach OP einer veralteten vorderen Kreuzbandruptur 01/2013 mit freier Funktion ohne Reizzustand bei diskreter Muskelminderung rechter Oberschenkel 5. gute Schulterfunktion beidseits bei Zustand nach operativer Behandlung links wegen Einengungssyndrom und bewegungsabhängiger Schmerzangabe beidseits. Dem Kläger seien leichte und mittelschwere Tätigkeiten noch mindestens sechs Stunden zumutbar. Auszuschließen seien Tätigkeiten in überwiegenden Wirbelsäulenzwangshaltungen, häufiges Bücken, besonders mit Anheben schwerer Gegenstände aus gebückter Haltung heraus, Tätigkeiten in Wechsel- und Nachtschicht, unter besonderem Zeitdruck sowie mit erhöhten Anforderungen an das Konzentrationsvermögen. Wegen der aktuell reduzierten Belastbarkeit des rechten Kniegelenks seien Tätigkeiten in überwiegend kniender oder hockender Position, gehäuft auf Leitern und Gerüsten sowie wegen der beginnenden sensomotorischen Polyneuropathie Tätigkeiten mit erhöhten Anforderungen an Stand- und Gangsicherheit nicht mehr zumutbar. Die Gehstrecke sei nicht in rentenrelevantem Umfang eingeschränkt. Öffentliche Verkehrsmittel könnten benutzt werden, auch das Fahren eines Pkw sei nicht auszuschließen.
Dr. N. stellte in seinem psychiatrischen Zusatzgutachten vom 27.08.2013 die Diagnosen Dysthymia, anhaltende somatoforme Schmerzstörung und leichte sensomotorische gemischte Neuropathie, am ehesten bei Diabetes mellitus. Aus psychiatrischer Sicht könne die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Tankreiniger sechs Stunden und mehr ausgeübt werden. Auch für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes bestehe ein vollschichtiges Leistungsvermögen. Aus der leichtgradigen Verstimmung, die nicht die Kriterien einer wenigstens leichten depressiven Episode erfülle und der subjektiven Beschwerdeangabe bei erhaltener Tagesstruktur und gutem sozialen Funktionsniveau sei keine Minderung des quantitativen Leistungsvermögens zu begründen. Es bestünden allenfalls qualitative Leistungseinschränkungen für Wechselschichttätigkeiten, Tätigkeiten in Nachtschicht, unter besonderem Zeitdruck und erhöhten Anforderungen an das Konzentrationsvermögen.
Mit Bescheid vom 05.09.2013 lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit der Begründung ab, die Einschränkungen, die sich aus den Krankheiten oder Behinderungen des Klägers ergäben, führten nicht zu einem Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 11.12.2013 zurückgewiesen.
Am 13.01.2014 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben mit der Begründung, den eingeholten Gutachten sei nicht zu folgen, da die orthopädischen Beeinträchtigungen, die chronische Schmerzstörung und die psychischen Beeinträchtigungen nicht ausreichend berücksichtigt worden seien.
Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Dr. H., Facharzt für Innere Medizin, hat unter dem 27.03.2014 ausgeführt, der Schwerpunkt der Leistungsbeeinträchtigung liege auf den chronifizierten Schmerzen und der Depression. Aufgrund der Depression halte er den Kläger derzeit nicht für arbeitsfähig. Dr. V., O. Klinikum O., hat unter dem 28.03.2014 ausgeführt, der Kläger leide unter einer chronischen Schmerzerkrankung mit somatischen, psychischen und psychosozialen Faktoren. Dr. S., Klinik für Schmerztherapie, Regionales Schmerzzentrum O., O. Klinikum L.-E., hat unter dem 24.04.2014 ausgeführt, der Kläger befinde sich seit 03.02.2014 in seiner ambulanten schmerzmedizinischen Behandlung. Beim Kläger liege ein chronisch multilokuläres Schmerzsyndrom mit Schwerpunkt Rückenschmerzen, pseudoradikulärer Ausstrahlung in beide Beine, Gelenkschmerzen in Knien und Schultergelenk sowie Schmerzen bei diabetischer Polyneuropathie vor. Das chronische Schmerzsyndrom werde unterhalten von Beschwerden aus dem Bereich der Orthopädie (degenerative Veränderung, muskuloskelettale Schmerzen bei Muskelspannungsstörung), Neurologie (Polyneuropathie) und Psychiatrie (Depression). Eine leichte körperliche Erwerbstätigkeit sei im Umfang von drei bis unter sechs Stunden möglich. Dr. M., Fachärztin für Psychiatrie hat unter dem 01.04.2014 über eine einmalige Vorstellung berichtet. Der Schwerpunkt liege auf neuroorthopädischem Fachgebiet.
Das SG hat sodann von Amts wegen ein Sachverständigengutachten bei Prof. Dr. E., Klinikum für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum F., eingeholt. Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist zudem ein Sachverständigengutachten bei Dr. S., Klinik für Schmerztherapie, Regionales Schmerzzentrum O., O. Klinikum L.-E., eingeholt worden.
Nach ambulanter Untersuchung des Klägers hat Prof. Dr. E. im Gutachten vom 30.08.2014 auf psychiatrischem Fachgebiet ein depressives Syndrom in Verbindung mit einem Schmerzsyndrom festgestellt. Es handele sich diagnostisch um eine depressive Episode. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien noch leichte körperliche Arbeiten ohne Akkord-, Fließband-, Schicht- oder Nachtarbeit, ohne mittelschwierige Tätigkeiten geistiger Art, ohne vermehrten Publikumsverkehr und ohne besondere nervliche Beanspruchung möglich. Langfristig und dauerhaft seien die Tätigkeiten unter Annahme einer Therapie und unter Berücksichtigung eines fluktuierenden Verlaufs und einer nicht immer und dauerhaft nachweisbaren Leistungshemmung noch mindestens sechs Stunden möglich. Besondere Arbeitsbedingungen seien nicht unerlässlich. Die Beurteilung der Leistungsfähigkeit weiche nicht von der des Gutachters Dr. N. ab.
Dr. S. hat zunächst mit Schreiben an das SG vom 27.11.2014 mitgeteilt, dass er Kontakt mit dem Kläger aufgenommen und diesen über mögliche Konflikte zwischen seiner Funktion als behandelndem Arzt und der als Gutachter unterrichtet habe. Der Kläger habe aber darauf bestanden, von ihm begutachtet zu werden. Dr. S. hat sodann nach ambulanter Untersuchung im Gutachten vom 24.04.2015 folgende Diagnosen gestellt: 1. Chronische Schmerzerkrankung mit somatischen und psychischen Faktoren (F45.41), 2. Lumbale Rückenschmerzen mit pseudoradikulärer Ausstrahlung (M54.4) 3. Lumbale Spondylarthrose (M47.86) 4. Knieschmerz bds. (M25.56) 5. Gonalgie rechts (M17.9) 6. Schulterschmerzen bds. (M25.51) 7. Episodischer Spannungskopfschmerz (G44.2) 8. Diabetische Polyneuropathie (G63.2) 9. Depressive Erkrankung, gegenwärtig mittelgradige depressive Episode (F32.1) 10. Arterielle Hypertonie (I10.00) 11. Hyperlipidämie (E78.2) 12. Adipositas (E66.02) 13. Allergie gegenüber Arzneimittel in der Eigenanamnese (Z88.8) 14. Diabetes mellitus mit Komplikationen (E11.40) 15. Reizdarmsyndrom, Diarrhoe (K58.0) 16. Nichtorganische Insomnie (F51.2) Dem Kläger seien noch leichte Arbeiten möglich in wechselnder sitzender, stehender und gehender Arbeitshaltung ohne Akkord,- Fließband-, Schicht- und Nachtarbeit, ohne mittelgradige Tätigkeiten geistiger Art, ohne vermehrten Publikumsverkehr und ohne besondere nervliche Beanspruch. Auszuschließen seien Tätigkeiten in Wirbelsäulenzwangshaltung, häufiges Bücken, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, Arbeiten in Kälte, Nässe, im Freien unter Zuglufteinfluss. Ein Heben und Tragen von Gewichten von mehr als 15 kg sollte vermieden werden. Die beschriebenen Tätigkeiten könnten arbeitstäglich von drei Stunden bis weniger als sechs Stunden durchgeführt werden. Dies folge aus dem Gesamtbild der chronischen Schmerzerkrankung und der depressiven Erkrankung. Der Zustand bestehe schon seit der Diagnose und Behandlung eines multilokulären multifaktoriellen Schmerzsyndroms im Chronifizierungsstadium III nach Gerbershagen durch Dr. J.-K. (Arztbericht vom 11.06.2013). Die Beurteilung weiche insoweit von der von Prof. Dr. E. ab, als mittlerweile ein längerer Behandlungsverlauf überblickt werden könne, währenddessen sich trotz adäquater und intensivster Behandlung keine wesentliche Besserungstendenz ergeben habe. Der Gutachter sei überzeugt, dass die vom Kläger geklagten Funktionsbeeinträchtigungen bestünden und diese auch durch Therapie in absehbarer Zeit und in wesentlichem Umfang nicht überwunden werden könnten. Beim Kläger bestehe eine leichte Tendenz zur Aggravation, die jedoch als krankheitsimmanent angesehen werden müsste. Eine Simulation könne nicht gesehen werden.
Zu dem Gutachten von Dr. S. hat die Beklagte unter Vorlage einer Stellungnahme ihres sozialmedizinischen Dienstes (Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. D.) Stellung genommen. Dem Gutachten von Dr. S., der zugleich behandelnder Arzt sei und selbst auf diesen Konflikt hingewiesen habe, sei nicht zu folgen. Dieser stütze seine Beurteilung auf die Diagnosen chronische Schmerzerkrankung mit somatischen und psychischen Faktoren, depressive Erkrankung, gegenwärtige mittelgradige depressive Episode. Allerdings ließen sich auch dem Gutachten von Dr. S. deutliche Antriebs- und Gestaltungstendenzen des Klägers in seinem Alltag entnehmen ("Kläger verbringt Nachmittage mit Hausarbeit, besucht zweimal in der Woche ein Fitnessstudio mit Ausdauer- und Gerätetraining, beschäftigt sich im Übrigen mit seinen Unterlagen und recherchiert im Internet"). Hinzu komme, dass Dr. S. einen Großteil seiner Schmerzdiagnostik auf Schmerzfragebögen, die Selbstbeurteilungsverfahren sind, gestützt habe und er zudem auch die psychische Befunderhebung überwiegend auf einen Screening-Fragebogen gestützt habe, also erneut auf ein Selbstbeurteilungsverfahren, ohne einen differenzierten psychischen Befund des Klägers nach einem objektiven Verfahren wie dem üblicherweise verwendeten AMDP-System zu erheben. Damit beruhten die von Dr. S. postulierten Ausprägungsgrade der Schmerzerkrankung und der postulierten mittelgradigen depressiven Episode des Klägers nicht auf einer validen Befunderhebung.
Durch Urteil vom 16.03.2016 hat das SG - unter Klageabweisung im Übrigen - die Beklagte unter Aufhebung der angegriffenen Bescheide verurteilt, dem Kläger, ausgehend von einem Leistungsfall am 20.08.2014 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung (wegen Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes) für die Zeit vom 01.03.2015 bis 28.02.2018 zu gewähren. Der Kläger sei teilweise erwerbsgemindert, da er nur noch in der Lage sei, leichte körperliche Tätigkeiten in einem Umfang von drei bis unter sechs Stunden täglich auszuüben. Dies folge aus dem Sachverständigengutachten des Dr. S., der eine chronische Schmerzerkrankung mit somatischen und psychischen Faktoren festgestellt habe, bei welcher das seit mehreren Jahren bestehende multilokuläre chronische Schmerzsyndrom im Vordergrund stehe, das seinen Ausgangspunkt in verschiedenen körperlichen Störungen (degenerative Wirbelsäulenveränderungen, Erkrankungen verschiedener Gelenke) habe. Dr. S. habe die Leistungsminderung nachvollziehbar aus dem Gesamtbild der chronischen Schmerzerkrankung und der depressiven Erkrankung hergeleitet. Prof. Dr. E. habe in seinem Sachverständigengutachten ausgeführt, dass seitens des psychiatrischen Fachgebiets ein depressives Syndrom in Verbindung mit einem Schmerzsyndrom vorliege. Es handele sich um eine depressive Episode. Er habe weiter ausgeführt, dass langfristig und dauerhaft unter Annahme einer Therapie und unter Berücksichtigung eines fluktuierenden Verlaufs und einer nicht immer und dauerhaft nachweisbaren Antriebshemmung Tätigkeiten im Umfang von noch sechs Stunden täglich möglich seien. Es könne daher von einer Arbeitsunfähigkeit bei einer therapierbaren Störung ausgegangen werden. Die Kammer folgere daraus, dass zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Prof. Dr. E. ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen vorhanden war. Nach der Begutachtung durch Prof. Dr. E. habe keine wesentliche Besserung stattgefunden, auch sei die von Prof. Dr. E. angesprochene stationäre Therapie in einer psychiatrischen Fachklinik nicht durchgeführt worden. Hinsichtlich des Eintritts des Leistungsfalls lägen die Beeinträchtigungen in quantitativer Hinsicht mit dem Untersuchungstag bei Prof. Dr. E. (20.08.2014) vor. Eine (teilweise) Erwerbsminderung auf Dauer bestehe dagegen nicht. Diesbezüglich überzeugten die Ausführungen des Dr. S. nicht. Dieser folgere aus dem bisherigen Verlauf, dass in absehbarer Zeit keine wesentliche Besserung eintreten könne. Auch wenn eine langjährige Chronifizierung des Schmerzsyndroms sowie der schmerzverstärkenden psychosozialen Faktoren vorliege, halte die Kammer eine Besserungsmöglichkeit nicht für ausgeschlossen. Denn die von Prof. Dr. E. in seinem Sachverständigengutachten angesprochene Behandlung sei noch nicht durchgeführt worden. Eine Behebung der Minderung der Erwerbsfähigkeit sei, sofern die Zeit genutzt werde, prinzipiell innerhalb von drei Jahren möglich und damit nicht unwahrscheinlich. Es sei eine Rente wegen voller Erwerbsminderung wegen Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes zu gewähren.
Gegen das ihr am 30.03.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 20.04.2016 Berufung eingelegt und zur Begründung unter Vorlage einer (weiteren) sozialmedizinischen Stellungnahme von Dr. D. ausgeführt, der Kläger sei nicht gehindert, leichte Arbeiten noch sechs Stunden und länger am Tag durchzuführen. Prof. Dr. E. sei in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger langfristig und dauerhaft und unter Berücksichtigung eines fluktuierenden Verlaufs und einer nicht immer und dauerhaft nachweisbaren Antriebshemmung Tätigkeiten noch mindestens sechs Stunden arbeitstäglich ausüben könne. Prof. Dr. E. habe aber ausdrücklich betont, dass seine Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Klägers auf psychiatrischem Gebiet nicht von der von Dr. N. abweiche, der ebenfalls ein Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr arbeitstäglich festgestellt habe. Die Leistungsbeurteilung durch Dr. S. sei nicht überzeugend, wie bereits früher ausgeführt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 16. März 2016 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angegriffene Urteil für zutreffend.
Im Rahmen der Beweisaufnahme hat der Senat Sachverständigengutachten bei Prof. Dr. L. (Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Chefarzt der Neurologischen Klinik M. Reha-Zentrum G.) und dem Facharzt für Orthopädie Dr. K. eingeholt.
Prof. Dr. L. hat im neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 30.09.2016 auf seinem Fachgebiet die Diagnosen rezidivierende depressive Phasen mit Wechsel zwischen leichten und mittelschweren Episoden, chronische Schmerzerkrankung mit somatischen und psychischen Faktoren und beginnende PNP (v.a. Small-Fiber-Polyneuropathie) gestellt und als Erkrankungen aus anderen Fachgebieten insulinpflichtigen Diabetes mellitus, eine degenerative Wirbelsäulenerkrankung, eine degenerative Knieerkrankung, ein Impingement-Syndrom beider Schultern, eine arterielle Hypertonie und Adipositas festgestellt. Es handele sich um multifaktoriell ausgelöste depressive Phasen. Ursächlich seien vermutlich reaktive Anteile aus dem wechselnden Schmerzerleben und Frustration über den bislang erfolglosen Kampf gegen Behörden und Dienststellen angesichts der als gerecht empfundenen Berentung nach langjähriger körperlicher harter Arbeit. Bei den im Vordergrund stehenden Schmerzen im unteren LWS-Bereich mit Ausstrahlung in die Beinregion handele es sich um einen lokalen Schmerz, der angesichts der degenerativen Veränderungen nachvollziehbar sei; radikuläre Ausfälle oder andere neurologische Defizite ließen sich nicht objektivieren. Auf Grund der orthopädischen Einschränkungen im Bereich der Wirbelsäule und an beiden Schultern könnten körperlich schwere Arbeiten, wie das Heben von schweren Lasten und das Arbeiten in ungünstigen körperlichen Positionen nicht durchgeführt werden, ebenso Tätigkeiten mit ungünstigen Witterungseinflüssen. Auf Grund des insulinpflichtigen Diabetes mellitus sollten Schichttätigkeiten, insbesondere Nachtschicht, nicht durchgeführt werden. Außerdem müssten mehrmals täglich Messungen des Blutzuckerspiegels möglich sein mit den erforderlichen Injektionen. Zusätzlich müsse bei Unterzuckerung jederzeit die Möglichkeit zur Nahrungsaufnahme bestehen. Bei den beschriebenen psychischen Alterationen mit depressiven Phasen könnten Tätigkeiten, die an Stresssituationen gekoppelt sind, nicht adäquat bewältigt werden. Bei Einhaltung dieser qualitativen Einschränkungen sei aus neurologisch-psychiatrischer Sicht eine vollschichtige Arbeitstätigkeit von mindestens sechs Stunden täglich zumutbar. Bei nicht relevant eingeschränkten motorischen Funktionen könne ein Fußweg von 500 Metern viermal täglich in einer adäquaten Zeit von unter 20 Minuten bewältigt werden. Die Aussagen zum Leistungsvermögen stimmten mit denen von Dr. L. und Dr. N. überein, im relevanten Kernpunkt der quantitativen Arbeitszeit auch mit denen von Prof. Dr. E.
Dr. K. hat im orthopädischen Gutachten vom 20.12.2016 eine wiederholt auftretende Beschwerdesymptomatik im Bereich der Lendenwirbelsäule, bei mäßiggradig ausgeprägter Entfaltungsminderung, Belastungsschmerzen bei längerem Gehen und Stehen mit Ausstrahlung im Bereich der Oberschenkel außenseitig beidseits ohne neurologische Zuordenbarkeit und ohne weitere neurologische Ausstrahlung im Bereich der unteren Extremitäten diagnostiziert, außerdem eine Bewegungseinschränkung mit Belastungsschmerzen im Bereich der Schulter beidseits bei Zustand nach operativer Versorgung der linken Schulter 2009 mit mäßiggradigen Belastungsschmerzen und Funktionsminderung, ferner eine Reizung des Gelenkraumes zwischen Kniescheibe und Oberschenkelknochen links mehr als rechts bei Zustand nach operativer Versorgung des rechten Kniegelenkes, Kreuzbandruptur 1/2013, derzeit ohne Ergussbildung, einen Zustand nach körperfernem Riss der Bizepssehne mit Wiederannähung in Höhe des Ellenbogengelenkes rechts, Narbenbildung, mäßiggradiger Kraftminderung und Änderung der Muskelsilhouette am rechten Ellenbogen, außerdem eine Spreizfußbildung sowie Übergewicht. Die Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule, Schulter und Kniegelenke begründeten eine Einschränkung für ungünstige körperliche Haltungen bzw. Arbeiten in Zwangshaltungen. Leichte, kurzfristig auch mittelschwere Tätigkeiten ohne Zwangshaltung, ohne Arbeiten über Kopf, ohne Zwangshaltung für Knie und Wirbelsäule seien aber sechs Stunden und mehr möglich. Eine Gehstrecke von viermal täglich 500 Meter in 15 bis 20 Minuten sei zumutbar, die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel möglich, Autofahrten würden über kurze Strecken noch durchgeführt.
Mit Schriftsätzen vom 09.03.2017 und 13.03.2017 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist auch begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht zur Gewährung einer solchen (befristeten) Rente verurteilt.
Gemäß § 43 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben - bei im Übrigen identischen Tatbestandsvoraussetzungen - Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingenden des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach diesen Grundsätzen besteht beim Kläger zur Überzeugung des Gerichts ein berufliches Leistungsvermögen jedenfalls für leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich. Dies folgt aus den im Wege des Urkundenbeweises verwertbaren Gutachten von Dr. L. und Dr. N. sowie dem Entlassungsbericht des T.-L. Zentrum für ambulante Rehabilitation Berghaupten vom 04.04.2013, dem erstinstanzlich eingeholten Gutachten von Prof. Dr. E. und den vom Senat eingeholten Gutachten von Prof. Dr. L. und Dr. K ... Hiernach ergibt sich weder für das neurologisch-psychiatrische noch für das orthopädische Fachgebiet noch bei einer Gesamtbetrachtung sämtlicher Leiden aus allen Fachgebieten ein Herabsinken der Leistungsfähigkeit jedenfalls für leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf unter sechs Stunden arbeitstäglich.
Der Kläger leidet zwar nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auf orthopädischem Fachgebiet unter mehreren, zum Teil degenerativen Erkrankungen insbesondere im Bereich der Lendenwirbelsäule, beider Schultern und der Kniegelenke, nach den Gutachten von Dr. L. und Dr. K. aber ohne radikuläre Symptomatik oder neurologische Ausfälle. Hieraus folgen jedoch nach den genannten Gutachten sowie dem Entlassungsbericht des Rehabilitationszentrums Berghaupten, wo der Kläger eine dreiwöchige teilstationäre Rehabilitation absolvierte, keine rentenrelevanten zeitlichen Einschränkungen seines Leistungsvermögens. Der Kläger kann trotz dieser Gesundheitsstörungen zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mindestens sechs Stunden arbeitstäglich verrichten.
Nichts anderes ergibt sich für das neurologisch-psychiatrische Fachgebiet aus den hierzu vorliegenden Gutachten, in denen beim Kläger jeweils eine leichtgradige depressive Symptomatik in Form einer Dysthymia (Dr. N.), einer depressiven Episode (Prof. Dr. E.) bzw. einer leicht- bis mittelgradigen depressiven Verstimmung bei rezidivierenden depressiven Phasen mit Wechsel zwischen leichten und mittelschweren Episoden (Prof. Dr. L.) diagnostiziert wurde. Hieraus folgt jedoch nach den schlüssigen Ausführungen der Sachverständigen - auch in Verbindung mit der Schmerzerkrankung - keine relevante Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens.
Soweit Dr. S. - ebenso wie die behandelnde Schmerztherapeutin Dr. J.-K. - mit Blick auf das Gesamtbild der chronischen Schmerzerkrankung und der depressiven Erkrankung eine zeitliche Leistungseinschränkung auf drei bis unter sechs Stunden angenommen hat, vermag dies nicht zu überzeugen. Die Beklagte hat unter Hinweis auf die sozialmedizinischen Stellungnahmen von Dr. D. zu Recht kritisiert, dass sowohl die Schmerzdiagnostik (Schmerz-Fragebogen) als auch die Erhebung des psychischen Befunds (Screening-Fragebogen) im Wesentlichen auf Selbstbeurteilungsverfahren fußt, ohne dass die subjektiv angegebene Symptombelastung hinterfragt bzw. einer objektiven Validierung in Form einer Plausibilitäts- und Konsistenzprüfung unterzogen wurde.
Der Senat ist daher zu der Überzeugung gelangt, dass dem Kläger leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mindestens sechs Stunden arbeitstäglich zumutbar sind. Nicht mehr leidensgerecht sind Tätigkeiten in regelmäßiger Zwangshaltung, in überwiegend kniender oder hockender Position, über Kopf, gehäuft auf Leitern und Gerüsten sowie wegen der beginnenden sensomotorischen Polyneuropathie solche mit erhöhten Anforderungen an Stand- und Gangsicherheit. Ausgeschlossen sind auch das Heben und Tragen von schweren Lasten ohne technische Hilfsmittel, das Arbeiten bei ungünstigen Witterungsbedingungen, unter besonderem Zeitdruck sowie mit erhöhten Anforderungen an das Konzentrationsvermögen. Aufgrund des Diabetes mellitus mit der Notwendigkeit regelmäßiger Insulininjektionen dürfen Schichtarbeiten, insbesondere Nachtschicht, nicht durchgeführt werden.
Diese qualitativen Einschränkungen sind durch das Erfordernis einer leichten Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erfasst und führen nicht zu einer darüber hinausgehenden schweren spezifischen Leistungseinschränkung oder zur Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschrän-kungen. Insbesondere ist auch nichts dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass aus der Diabetes-Erkrankung oder aus anderen Gründen ein unüblicher Pausenbedarf folgt. Die Notwendigkeit von Arbeitsunterbrechungen in einem das betriebsübliche Maß übersteigenden Rahmen (vgl. hierzu BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 136; BSG, Urteil vom 19.08.1997 - 13 RJ 11/96 - (juris)) hat keiner der sich zum Leistungsvermögen des Klägers schlüssig äußernden Ärzte beschrieben. Der Kläger ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch in der Lage, einen Arbeitsplatz aufzusuchen. Er kann eine Strecke von 500 Metern in einer Zeit von ungefähr 20 Minuten vier Mal arbeitstäglich zurücklegen. Zudem besitzt er ein Auto und nutzt dieses nach eigenen Angaben noch.
Schließlich führt auch die festgestellte Schwerbehinderung mit einem Grad der Behinderung (GdB) von zuletzt 50 zu keiner anderen Beurteilung. Als Schwerbehinderte anerkannte Versicherte gelten nicht gleichermaßen als erwerbsgemindert im Sinne des § 43 SGB VI, denn der GdB nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) bezieht sich auf die Auswirkung einer Behinderung in allen Lebensbereichen, nicht nur auf die Einschränkungen des beruflichen Leistungsvermögens. Unmittelbare Schlussfolgerungen allein aus dem GdB auf die Erwerbsminderung sind deshalb nicht möglich (Gürtner in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand September 2016, § 43 SGB VI, Rdnr. 5, m.w.N.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.
Der 1965 geborene Kläger ist gelernter Lüftungs- und Heizungsbauer, der als Leitungs- und Rohrnetzbauer beim Wasserwerk O. versicherungspflichtig beschäftigt und zuletzt damit befasst war, im Wasserwerk die Wasserhochbehälter zu reinigen und instandzuhalten. Seit 21.05.2012 ist er arbeitsunfähig erkrankt, seit 12.02.2015 besteht ein Grad der Behinderung (GdB) von 50.
Am 02.07.2013 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog Befundberichte der behandelnden Ärzte, darunter der Fachärztin für Physikalische und Rehabilitative Medizin Dr. J.-K. sowie Entlassungsberichte über Aufenthalte im T.-L. Zentrum für ambulante Rehabilitation Berghaupten vom 27.08.2012 bis 14.09.2012 (Bericht vom 19.09.2012) sowie vom 13.03.2013 bis 04.04.2013 (Bericht vom 04.04.2013) bei. Im letztgenannten Bericht wurden beim Kläger die Diagnosen ASK mit arthroskopischer AM-Teilresektion und VKB-Plastik am 16.01.2013 (Operation vorderes Kreuzband rechts), distale Bizepssehnenruptur rechts, Z.n. operativer Naht am 22.06.2012, Diabetes mellitus, Lumbalbeschwerden bei Osteochondrose der LWS und Polyneuropathie gestellt. Der Kläger könne seine letzte Tätigkeit als Gas- und Wassermonteur bei kniender Arbeitsposition noch nicht wieder durchführen. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien mittelschwere körperliche Tätigkeiten vollschichtig zumutbar, für Tätigkeiten mit Kniebelastung werde aber eine Rekonvaleszenzzeit von sechs Monaten vorausgesetzt. Nach dieser Zeit könne er auch seinen ausgeübten Beruf wieder aufnehmen. Eine Beschränkung der Wegefähigkeit bestehe nicht. Die behandelnde Schmerztherapeutin Dr. J.-K. diagnostizierte beim Kläger am 11.06.2013 unter anderem ein multilokuläres, multifaktorielles Schmerzsyndrom im Chronifizierungsstadium III nach Gerbershagen bei Z. n. VKB Plastik rechts 1/2013, Z.n. Schulter-OP links 2009 und Z.n. Bizepssehnenruptur rechts 2012. Aufgrund des hohen Chronifizierungsgrads der Schmerzerkrankung halte sie die Durchführung einer stationären Schmerzanalyse mit anschließender Durchführung einer komplexen Schmerztherapie für dringend erforderlich. Es sei sinnvoll, den Kläger für 12 Monate aus dem Berufsleben herauszunehmen. Unter dem 09.10.2013 berichtete Dr. J.-K. über durchgeführte chirotherapeutische Mobilisierungen. Der Kläger stehe unter massivem Druck und starker Anspannung, was einer Schmerztherapie kontraproduktiv entgegenstehe. Er sei derzeit nicht in der körperlichen und psychischen Lage, seinen Beruf auszuüben, sondern nur unter drei Stunden/Tag arbeitsfähig.
Die Beklagte veranlasste sozialmedizinische Begutachtungen des Klägers durch die Fachärztin für Chirurgie Dr. L. und den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. N ... Dr. Lang stellte in ihrem Gutachten vom 02.09.2013 folgende Diagnosen: 1. Leicht verminderte Belastbarkeit LWS, degenerative Veränderung und anlagebedingte Störung Übergang LWS zum Kreuzbein mit endgradigen Funktionseinbußen ohne Wurzelreizzeichen oder neurologische Ausfälle 2. Diabetes mellitus Typ 2 mit Tabletten und einer insulinregulierenden Spritze behandelt, Einstellung befriedigend, inzwischen Nachweis einer beginnenden Polyneuropathie 3. anhaltende somatoforme Schmerzstörung bei Dysthymie 4. wiederhergestellte Kniestabilität rechts bei Zustand nach OP einer veralteten vorderen Kreuzbandruptur 01/2013 mit freier Funktion ohne Reizzustand bei diskreter Muskelminderung rechter Oberschenkel 5. gute Schulterfunktion beidseits bei Zustand nach operativer Behandlung links wegen Einengungssyndrom und bewegungsabhängiger Schmerzangabe beidseits. Dem Kläger seien leichte und mittelschwere Tätigkeiten noch mindestens sechs Stunden zumutbar. Auszuschließen seien Tätigkeiten in überwiegenden Wirbelsäulenzwangshaltungen, häufiges Bücken, besonders mit Anheben schwerer Gegenstände aus gebückter Haltung heraus, Tätigkeiten in Wechsel- und Nachtschicht, unter besonderem Zeitdruck sowie mit erhöhten Anforderungen an das Konzentrationsvermögen. Wegen der aktuell reduzierten Belastbarkeit des rechten Kniegelenks seien Tätigkeiten in überwiegend kniender oder hockender Position, gehäuft auf Leitern und Gerüsten sowie wegen der beginnenden sensomotorischen Polyneuropathie Tätigkeiten mit erhöhten Anforderungen an Stand- und Gangsicherheit nicht mehr zumutbar. Die Gehstrecke sei nicht in rentenrelevantem Umfang eingeschränkt. Öffentliche Verkehrsmittel könnten benutzt werden, auch das Fahren eines Pkw sei nicht auszuschließen.
Dr. N. stellte in seinem psychiatrischen Zusatzgutachten vom 27.08.2013 die Diagnosen Dysthymia, anhaltende somatoforme Schmerzstörung und leichte sensomotorische gemischte Neuropathie, am ehesten bei Diabetes mellitus. Aus psychiatrischer Sicht könne die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Tankreiniger sechs Stunden und mehr ausgeübt werden. Auch für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes bestehe ein vollschichtiges Leistungsvermögen. Aus der leichtgradigen Verstimmung, die nicht die Kriterien einer wenigstens leichten depressiven Episode erfülle und der subjektiven Beschwerdeangabe bei erhaltener Tagesstruktur und gutem sozialen Funktionsniveau sei keine Minderung des quantitativen Leistungsvermögens zu begründen. Es bestünden allenfalls qualitative Leistungseinschränkungen für Wechselschichttätigkeiten, Tätigkeiten in Nachtschicht, unter besonderem Zeitdruck und erhöhten Anforderungen an das Konzentrationsvermögen.
Mit Bescheid vom 05.09.2013 lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit der Begründung ab, die Einschränkungen, die sich aus den Krankheiten oder Behinderungen des Klägers ergäben, führten nicht zu einem Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 11.12.2013 zurückgewiesen.
Am 13.01.2014 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben mit der Begründung, den eingeholten Gutachten sei nicht zu folgen, da die orthopädischen Beeinträchtigungen, die chronische Schmerzstörung und die psychischen Beeinträchtigungen nicht ausreichend berücksichtigt worden seien.
Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Dr. H., Facharzt für Innere Medizin, hat unter dem 27.03.2014 ausgeführt, der Schwerpunkt der Leistungsbeeinträchtigung liege auf den chronifizierten Schmerzen und der Depression. Aufgrund der Depression halte er den Kläger derzeit nicht für arbeitsfähig. Dr. V., O. Klinikum O., hat unter dem 28.03.2014 ausgeführt, der Kläger leide unter einer chronischen Schmerzerkrankung mit somatischen, psychischen und psychosozialen Faktoren. Dr. S., Klinik für Schmerztherapie, Regionales Schmerzzentrum O., O. Klinikum L.-E., hat unter dem 24.04.2014 ausgeführt, der Kläger befinde sich seit 03.02.2014 in seiner ambulanten schmerzmedizinischen Behandlung. Beim Kläger liege ein chronisch multilokuläres Schmerzsyndrom mit Schwerpunkt Rückenschmerzen, pseudoradikulärer Ausstrahlung in beide Beine, Gelenkschmerzen in Knien und Schultergelenk sowie Schmerzen bei diabetischer Polyneuropathie vor. Das chronische Schmerzsyndrom werde unterhalten von Beschwerden aus dem Bereich der Orthopädie (degenerative Veränderung, muskuloskelettale Schmerzen bei Muskelspannungsstörung), Neurologie (Polyneuropathie) und Psychiatrie (Depression). Eine leichte körperliche Erwerbstätigkeit sei im Umfang von drei bis unter sechs Stunden möglich. Dr. M., Fachärztin für Psychiatrie hat unter dem 01.04.2014 über eine einmalige Vorstellung berichtet. Der Schwerpunkt liege auf neuroorthopädischem Fachgebiet.
Das SG hat sodann von Amts wegen ein Sachverständigengutachten bei Prof. Dr. E., Klinikum für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum F., eingeholt. Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist zudem ein Sachverständigengutachten bei Dr. S., Klinik für Schmerztherapie, Regionales Schmerzzentrum O., O. Klinikum L.-E., eingeholt worden.
Nach ambulanter Untersuchung des Klägers hat Prof. Dr. E. im Gutachten vom 30.08.2014 auf psychiatrischem Fachgebiet ein depressives Syndrom in Verbindung mit einem Schmerzsyndrom festgestellt. Es handele sich diagnostisch um eine depressive Episode. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien noch leichte körperliche Arbeiten ohne Akkord-, Fließband-, Schicht- oder Nachtarbeit, ohne mittelschwierige Tätigkeiten geistiger Art, ohne vermehrten Publikumsverkehr und ohne besondere nervliche Beanspruchung möglich. Langfristig und dauerhaft seien die Tätigkeiten unter Annahme einer Therapie und unter Berücksichtigung eines fluktuierenden Verlaufs und einer nicht immer und dauerhaft nachweisbaren Leistungshemmung noch mindestens sechs Stunden möglich. Besondere Arbeitsbedingungen seien nicht unerlässlich. Die Beurteilung der Leistungsfähigkeit weiche nicht von der des Gutachters Dr. N. ab.
Dr. S. hat zunächst mit Schreiben an das SG vom 27.11.2014 mitgeteilt, dass er Kontakt mit dem Kläger aufgenommen und diesen über mögliche Konflikte zwischen seiner Funktion als behandelndem Arzt und der als Gutachter unterrichtet habe. Der Kläger habe aber darauf bestanden, von ihm begutachtet zu werden. Dr. S. hat sodann nach ambulanter Untersuchung im Gutachten vom 24.04.2015 folgende Diagnosen gestellt: 1. Chronische Schmerzerkrankung mit somatischen und psychischen Faktoren (F45.41), 2. Lumbale Rückenschmerzen mit pseudoradikulärer Ausstrahlung (M54.4) 3. Lumbale Spondylarthrose (M47.86) 4. Knieschmerz bds. (M25.56) 5. Gonalgie rechts (M17.9) 6. Schulterschmerzen bds. (M25.51) 7. Episodischer Spannungskopfschmerz (G44.2) 8. Diabetische Polyneuropathie (G63.2) 9. Depressive Erkrankung, gegenwärtig mittelgradige depressive Episode (F32.1) 10. Arterielle Hypertonie (I10.00) 11. Hyperlipidämie (E78.2) 12. Adipositas (E66.02) 13. Allergie gegenüber Arzneimittel in der Eigenanamnese (Z88.8) 14. Diabetes mellitus mit Komplikationen (E11.40) 15. Reizdarmsyndrom, Diarrhoe (K58.0) 16. Nichtorganische Insomnie (F51.2) Dem Kläger seien noch leichte Arbeiten möglich in wechselnder sitzender, stehender und gehender Arbeitshaltung ohne Akkord,- Fließband-, Schicht- und Nachtarbeit, ohne mittelgradige Tätigkeiten geistiger Art, ohne vermehrten Publikumsverkehr und ohne besondere nervliche Beanspruch. Auszuschließen seien Tätigkeiten in Wirbelsäulenzwangshaltung, häufiges Bücken, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, Arbeiten in Kälte, Nässe, im Freien unter Zuglufteinfluss. Ein Heben und Tragen von Gewichten von mehr als 15 kg sollte vermieden werden. Die beschriebenen Tätigkeiten könnten arbeitstäglich von drei Stunden bis weniger als sechs Stunden durchgeführt werden. Dies folge aus dem Gesamtbild der chronischen Schmerzerkrankung und der depressiven Erkrankung. Der Zustand bestehe schon seit der Diagnose und Behandlung eines multilokulären multifaktoriellen Schmerzsyndroms im Chronifizierungsstadium III nach Gerbershagen durch Dr. J.-K. (Arztbericht vom 11.06.2013). Die Beurteilung weiche insoweit von der von Prof. Dr. E. ab, als mittlerweile ein längerer Behandlungsverlauf überblickt werden könne, währenddessen sich trotz adäquater und intensivster Behandlung keine wesentliche Besserungstendenz ergeben habe. Der Gutachter sei überzeugt, dass die vom Kläger geklagten Funktionsbeeinträchtigungen bestünden und diese auch durch Therapie in absehbarer Zeit und in wesentlichem Umfang nicht überwunden werden könnten. Beim Kläger bestehe eine leichte Tendenz zur Aggravation, die jedoch als krankheitsimmanent angesehen werden müsste. Eine Simulation könne nicht gesehen werden.
Zu dem Gutachten von Dr. S. hat die Beklagte unter Vorlage einer Stellungnahme ihres sozialmedizinischen Dienstes (Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. D.) Stellung genommen. Dem Gutachten von Dr. S., der zugleich behandelnder Arzt sei und selbst auf diesen Konflikt hingewiesen habe, sei nicht zu folgen. Dieser stütze seine Beurteilung auf die Diagnosen chronische Schmerzerkrankung mit somatischen und psychischen Faktoren, depressive Erkrankung, gegenwärtige mittelgradige depressive Episode. Allerdings ließen sich auch dem Gutachten von Dr. S. deutliche Antriebs- und Gestaltungstendenzen des Klägers in seinem Alltag entnehmen ("Kläger verbringt Nachmittage mit Hausarbeit, besucht zweimal in der Woche ein Fitnessstudio mit Ausdauer- und Gerätetraining, beschäftigt sich im Übrigen mit seinen Unterlagen und recherchiert im Internet"). Hinzu komme, dass Dr. S. einen Großteil seiner Schmerzdiagnostik auf Schmerzfragebögen, die Selbstbeurteilungsverfahren sind, gestützt habe und er zudem auch die psychische Befunderhebung überwiegend auf einen Screening-Fragebogen gestützt habe, also erneut auf ein Selbstbeurteilungsverfahren, ohne einen differenzierten psychischen Befund des Klägers nach einem objektiven Verfahren wie dem üblicherweise verwendeten AMDP-System zu erheben. Damit beruhten die von Dr. S. postulierten Ausprägungsgrade der Schmerzerkrankung und der postulierten mittelgradigen depressiven Episode des Klägers nicht auf einer validen Befunderhebung.
Durch Urteil vom 16.03.2016 hat das SG - unter Klageabweisung im Übrigen - die Beklagte unter Aufhebung der angegriffenen Bescheide verurteilt, dem Kläger, ausgehend von einem Leistungsfall am 20.08.2014 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung (wegen Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes) für die Zeit vom 01.03.2015 bis 28.02.2018 zu gewähren. Der Kläger sei teilweise erwerbsgemindert, da er nur noch in der Lage sei, leichte körperliche Tätigkeiten in einem Umfang von drei bis unter sechs Stunden täglich auszuüben. Dies folge aus dem Sachverständigengutachten des Dr. S., der eine chronische Schmerzerkrankung mit somatischen und psychischen Faktoren festgestellt habe, bei welcher das seit mehreren Jahren bestehende multilokuläre chronische Schmerzsyndrom im Vordergrund stehe, das seinen Ausgangspunkt in verschiedenen körperlichen Störungen (degenerative Wirbelsäulenveränderungen, Erkrankungen verschiedener Gelenke) habe. Dr. S. habe die Leistungsminderung nachvollziehbar aus dem Gesamtbild der chronischen Schmerzerkrankung und der depressiven Erkrankung hergeleitet. Prof. Dr. E. habe in seinem Sachverständigengutachten ausgeführt, dass seitens des psychiatrischen Fachgebiets ein depressives Syndrom in Verbindung mit einem Schmerzsyndrom vorliege. Es handele sich um eine depressive Episode. Er habe weiter ausgeführt, dass langfristig und dauerhaft unter Annahme einer Therapie und unter Berücksichtigung eines fluktuierenden Verlaufs und einer nicht immer und dauerhaft nachweisbaren Antriebshemmung Tätigkeiten im Umfang von noch sechs Stunden täglich möglich seien. Es könne daher von einer Arbeitsunfähigkeit bei einer therapierbaren Störung ausgegangen werden. Die Kammer folgere daraus, dass zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Prof. Dr. E. ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen vorhanden war. Nach der Begutachtung durch Prof. Dr. E. habe keine wesentliche Besserung stattgefunden, auch sei die von Prof. Dr. E. angesprochene stationäre Therapie in einer psychiatrischen Fachklinik nicht durchgeführt worden. Hinsichtlich des Eintritts des Leistungsfalls lägen die Beeinträchtigungen in quantitativer Hinsicht mit dem Untersuchungstag bei Prof. Dr. E. (20.08.2014) vor. Eine (teilweise) Erwerbsminderung auf Dauer bestehe dagegen nicht. Diesbezüglich überzeugten die Ausführungen des Dr. S. nicht. Dieser folgere aus dem bisherigen Verlauf, dass in absehbarer Zeit keine wesentliche Besserung eintreten könne. Auch wenn eine langjährige Chronifizierung des Schmerzsyndroms sowie der schmerzverstärkenden psychosozialen Faktoren vorliege, halte die Kammer eine Besserungsmöglichkeit nicht für ausgeschlossen. Denn die von Prof. Dr. E. in seinem Sachverständigengutachten angesprochene Behandlung sei noch nicht durchgeführt worden. Eine Behebung der Minderung der Erwerbsfähigkeit sei, sofern die Zeit genutzt werde, prinzipiell innerhalb von drei Jahren möglich und damit nicht unwahrscheinlich. Es sei eine Rente wegen voller Erwerbsminderung wegen Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes zu gewähren.
Gegen das ihr am 30.03.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 20.04.2016 Berufung eingelegt und zur Begründung unter Vorlage einer (weiteren) sozialmedizinischen Stellungnahme von Dr. D. ausgeführt, der Kläger sei nicht gehindert, leichte Arbeiten noch sechs Stunden und länger am Tag durchzuführen. Prof. Dr. E. sei in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger langfristig und dauerhaft und unter Berücksichtigung eines fluktuierenden Verlaufs und einer nicht immer und dauerhaft nachweisbaren Antriebshemmung Tätigkeiten noch mindestens sechs Stunden arbeitstäglich ausüben könne. Prof. Dr. E. habe aber ausdrücklich betont, dass seine Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Klägers auf psychiatrischem Gebiet nicht von der von Dr. N. abweiche, der ebenfalls ein Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr arbeitstäglich festgestellt habe. Die Leistungsbeurteilung durch Dr. S. sei nicht überzeugend, wie bereits früher ausgeführt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 16. März 2016 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angegriffene Urteil für zutreffend.
Im Rahmen der Beweisaufnahme hat der Senat Sachverständigengutachten bei Prof. Dr. L. (Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Chefarzt der Neurologischen Klinik M. Reha-Zentrum G.) und dem Facharzt für Orthopädie Dr. K. eingeholt.
Prof. Dr. L. hat im neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 30.09.2016 auf seinem Fachgebiet die Diagnosen rezidivierende depressive Phasen mit Wechsel zwischen leichten und mittelschweren Episoden, chronische Schmerzerkrankung mit somatischen und psychischen Faktoren und beginnende PNP (v.a. Small-Fiber-Polyneuropathie) gestellt und als Erkrankungen aus anderen Fachgebieten insulinpflichtigen Diabetes mellitus, eine degenerative Wirbelsäulenerkrankung, eine degenerative Knieerkrankung, ein Impingement-Syndrom beider Schultern, eine arterielle Hypertonie und Adipositas festgestellt. Es handele sich um multifaktoriell ausgelöste depressive Phasen. Ursächlich seien vermutlich reaktive Anteile aus dem wechselnden Schmerzerleben und Frustration über den bislang erfolglosen Kampf gegen Behörden und Dienststellen angesichts der als gerecht empfundenen Berentung nach langjähriger körperlicher harter Arbeit. Bei den im Vordergrund stehenden Schmerzen im unteren LWS-Bereich mit Ausstrahlung in die Beinregion handele es sich um einen lokalen Schmerz, der angesichts der degenerativen Veränderungen nachvollziehbar sei; radikuläre Ausfälle oder andere neurologische Defizite ließen sich nicht objektivieren. Auf Grund der orthopädischen Einschränkungen im Bereich der Wirbelsäule und an beiden Schultern könnten körperlich schwere Arbeiten, wie das Heben von schweren Lasten und das Arbeiten in ungünstigen körperlichen Positionen nicht durchgeführt werden, ebenso Tätigkeiten mit ungünstigen Witterungseinflüssen. Auf Grund des insulinpflichtigen Diabetes mellitus sollten Schichttätigkeiten, insbesondere Nachtschicht, nicht durchgeführt werden. Außerdem müssten mehrmals täglich Messungen des Blutzuckerspiegels möglich sein mit den erforderlichen Injektionen. Zusätzlich müsse bei Unterzuckerung jederzeit die Möglichkeit zur Nahrungsaufnahme bestehen. Bei den beschriebenen psychischen Alterationen mit depressiven Phasen könnten Tätigkeiten, die an Stresssituationen gekoppelt sind, nicht adäquat bewältigt werden. Bei Einhaltung dieser qualitativen Einschränkungen sei aus neurologisch-psychiatrischer Sicht eine vollschichtige Arbeitstätigkeit von mindestens sechs Stunden täglich zumutbar. Bei nicht relevant eingeschränkten motorischen Funktionen könne ein Fußweg von 500 Metern viermal täglich in einer adäquaten Zeit von unter 20 Minuten bewältigt werden. Die Aussagen zum Leistungsvermögen stimmten mit denen von Dr. L. und Dr. N. überein, im relevanten Kernpunkt der quantitativen Arbeitszeit auch mit denen von Prof. Dr. E.
Dr. K. hat im orthopädischen Gutachten vom 20.12.2016 eine wiederholt auftretende Beschwerdesymptomatik im Bereich der Lendenwirbelsäule, bei mäßiggradig ausgeprägter Entfaltungsminderung, Belastungsschmerzen bei längerem Gehen und Stehen mit Ausstrahlung im Bereich der Oberschenkel außenseitig beidseits ohne neurologische Zuordenbarkeit und ohne weitere neurologische Ausstrahlung im Bereich der unteren Extremitäten diagnostiziert, außerdem eine Bewegungseinschränkung mit Belastungsschmerzen im Bereich der Schulter beidseits bei Zustand nach operativer Versorgung der linken Schulter 2009 mit mäßiggradigen Belastungsschmerzen und Funktionsminderung, ferner eine Reizung des Gelenkraumes zwischen Kniescheibe und Oberschenkelknochen links mehr als rechts bei Zustand nach operativer Versorgung des rechten Kniegelenkes, Kreuzbandruptur 1/2013, derzeit ohne Ergussbildung, einen Zustand nach körperfernem Riss der Bizepssehne mit Wiederannähung in Höhe des Ellenbogengelenkes rechts, Narbenbildung, mäßiggradiger Kraftminderung und Änderung der Muskelsilhouette am rechten Ellenbogen, außerdem eine Spreizfußbildung sowie Übergewicht. Die Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule, Schulter und Kniegelenke begründeten eine Einschränkung für ungünstige körperliche Haltungen bzw. Arbeiten in Zwangshaltungen. Leichte, kurzfristig auch mittelschwere Tätigkeiten ohne Zwangshaltung, ohne Arbeiten über Kopf, ohne Zwangshaltung für Knie und Wirbelsäule seien aber sechs Stunden und mehr möglich. Eine Gehstrecke von viermal täglich 500 Meter in 15 bis 20 Minuten sei zumutbar, die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel möglich, Autofahrten würden über kurze Strecken noch durchgeführt.
Mit Schriftsätzen vom 09.03.2017 und 13.03.2017 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist auch begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht zur Gewährung einer solchen (befristeten) Rente verurteilt.
Gemäß § 43 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben - bei im Übrigen identischen Tatbestandsvoraussetzungen - Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingenden des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach diesen Grundsätzen besteht beim Kläger zur Überzeugung des Gerichts ein berufliches Leistungsvermögen jedenfalls für leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich. Dies folgt aus den im Wege des Urkundenbeweises verwertbaren Gutachten von Dr. L. und Dr. N. sowie dem Entlassungsbericht des T.-L. Zentrum für ambulante Rehabilitation Berghaupten vom 04.04.2013, dem erstinstanzlich eingeholten Gutachten von Prof. Dr. E. und den vom Senat eingeholten Gutachten von Prof. Dr. L. und Dr. K ... Hiernach ergibt sich weder für das neurologisch-psychiatrische noch für das orthopädische Fachgebiet noch bei einer Gesamtbetrachtung sämtlicher Leiden aus allen Fachgebieten ein Herabsinken der Leistungsfähigkeit jedenfalls für leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf unter sechs Stunden arbeitstäglich.
Der Kläger leidet zwar nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auf orthopädischem Fachgebiet unter mehreren, zum Teil degenerativen Erkrankungen insbesondere im Bereich der Lendenwirbelsäule, beider Schultern und der Kniegelenke, nach den Gutachten von Dr. L. und Dr. K. aber ohne radikuläre Symptomatik oder neurologische Ausfälle. Hieraus folgen jedoch nach den genannten Gutachten sowie dem Entlassungsbericht des Rehabilitationszentrums Berghaupten, wo der Kläger eine dreiwöchige teilstationäre Rehabilitation absolvierte, keine rentenrelevanten zeitlichen Einschränkungen seines Leistungsvermögens. Der Kläger kann trotz dieser Gesundheitsstörungen zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mindestens sechs Stunden arbeitstäglich verrichten.
Nichts anderes ergibt sich für das neurologisch-psychiatrische Fachgebiet aus den hierzu vorliegenden Gutachten, in denen beim Kläger jeweils eine leichtgradige depressive Symptomatik in Form einer Dysthymia (Dr. N.), einer depressiven Episode (Prof. Dr. E.) bzw. einer leicht- bis mittelgradigen depressiven Verstimmung bei rezidivierenden depressiven Phasen mit Wechsel zwischen leichten und mittelschweren Episoden (Prof. Dr. L.) diagnostiziert wurde. Hieraus folgt jedoch nach den schlüssigen Ausführungen der Sachverständigen - auch in Verbindung mit der Schmerzerkrankung - keine relevante Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens.
Soweit Dr. S. - ebenso wie die behandelnde Schmerztherapeutin Dr. J.-K. - mit Blick auf das Gesamtbild der chronischen Schmerzerkrankung und der depressiven Erkrankung eine zeitliche Leistungseinschränkung auf drei bis unter sechs Stunden angenommen hat, vermag dies nicht zu überzeugen. Die Beklagte hat unter Hinweis auf die sozialmedizinischen Stellungnahmen von Dr. D. zu Recht kritisiert, dass sowohl die Schmerzdiagnostik (Schmerz-Fragebogen) als auch die Erhebung des psychischen Befunds (Screening-Fragebogen) im Wesentlichen auf Selbstbeurteilungsverfahren fußt, ohne dass die subjektiv angegebene Symptombelastung hinterfragt bzw. einer objektiven Validierung in Form einer Plausibilitäts- und Konsistenzprüfung unterzogen wurde.
Der Senat ist daher zu der Überzeugung gelangt, dass dem Kläger leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mindestens sechs Stunden arbeitstäglich zumutbar sind. Nicht mehr leidensgerecht sind Tätigkeiten in regelmäßiger Zwangshaltung, in überwiegend kniender oder hockender Position, über Kopf, gehäuft auf Leitern und Gerüsten sowie wegen der beginnenden sensomotorischen Polyneuropathie solche mit erhöhten Anforderungen an Stand- und Gangsicherheit. Ausgeschlossen sind auch das Heben und Tragen von schweren Lasten ohne technische Hilfsmittel, das Arbeiten bei ungünstigen Witterungsbedingungen, unter besonderem Zeitdruck sowie mit erhöhten Anforderungen an das Konzentrationsvermögen. Aufgrund des Diabetes mellitus mit der Notwendigkeit regelmäßiger Insulininjektionen dürfen Schichtarbeiten, insbesondere Nachtschicht, nicht durchgeführt werden.
Diese qualitativen Einschränkungen sind durch das Erfordernis einer leichten Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erfasst und führen nicht zu einer darüber hinausgehenden schweren spezifischen Leistungseinschränkung oder zur Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschrän-kungen. Insbesondere ist auch nichts dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass aus der Diabetes-Erkrankung oder aus anderen Gründen ein unüblicher Pausenbedarf folgt. Die Notwendigkeit von Arbeitsunterbrechungen in einem das betriebsübliche Maß übersteigenden Rahmen (vgl. hierzu BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 136; BSG, Urteil vom 19.08.1997 - 13 RJ 11/96 - (juris)) hat keiner der sich zum Leistungsvermögen des Klägers schlüssig äußernden Ärzte beschrieben. Der Kläger ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch in der Lage, einen Arbeitsplatz aufzusuchen. Er kann eine Strecke von 500 Metern in einer Zeit von ungefähr 20 Minuten vier Mal arbeitstäglich zurücklegen. Zudem besitzt er ein Auto und nutzt dieses nach eigenen Angaben noch.
Schließlich führt auch die festgestellte Schwerbehinderung mit einem Grad der Behinderung (GdB) von zuletzt 50 zu keiner anderen Beurteilung. Als Schwerbehinderte anerkannte Versicherte gelten nicht gleichermaßen als erwerbsgemindert im Sinne des § 43 SGB VI, denn der GdB nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) bezieht sich auf die Auswirkung einer Behinderung in allen Lebensbereichen, nicht nur auf die Einschränkungen des beruflichen Leistungsvermögens. Unmittelbare Schlussfolgerungen allein aus dem GdB auf die Erwerbsminderung sind deshalb nicht möglich (Gürtner in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand September 2016, § 43 SGB VI, Rdnr. 5, m.w.N.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved