Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
23
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 23 U 65/11
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 76/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 10/17 R
Datum
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule (LWS) als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) streitig.
Der 1955 geborene Kläger war nach seiner Ausbildung zunächst als Maschinenschlosser (1970 bis 1974) und anschließend überwiegend als Zweiradmechaniker beschäftigt. Von Februar 1975 bis September 1980 war er bei der Firma XY in D-Stadt, von Oktober 1980 bis September 1982 bei der Firma Autohaus BD in X-Stadt sowie von Oktober 1982 bis März 1988 bei der Firma FX in ZL. (Zweiradmechaniker, Ersatzteil-Lagerist, Verkauf, Auftragsabwicklung, Haustechniker) tätig. Von April 1988 bis Januar 1996 arbeitete er bei der Firma FR in A-Stadt als Elektromechaniker, mitarbeitender Abteilungsleiter Datenaufbereitung und Haustechniker. Nach einer vorübergehenden Arbeitslosigkeit war er von August 1996 bis Dezember 1996 bei der Firma BX in O-Stadt als Aufzug- und Fördertechnik-Monteur beschäftigt. Von Januar 1997 bis März 1998 folgte eine Anstellung bei der Firma SB in ZL. (Mechanikermeister, Kundenberater, Haustechniker), die dem Kläger zum 1. April 1998 betriebsbedingt kündigte. Auf eine Arbeitsunfähigkeit von April 1998 bis Juni 1999 folgte Arbeitslosigkeit von Juli 1999 bis Januar 2001. Seit Februar 2001 erhält der Kläger Berufsunfähigkeitsrente.
Am 27.04.1998 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Überprüfung des Vorliegens einer BK. Am 09.03.1998 war es beim Anheben eines Altöleimers bei dem Kläger zu einem akuten Schmerzereignis in der LWS gekommen. Nach einer Computertomographie vom 24.03.1998 diagnostizierte der Arzt für Neurochirurgie Dr. HX. am 31.03.1998 einen medialen raumfordernden Bandscheibenvorfall im Segment L4/5. Am 02.04.1998 erfolgte operativ eine mikroneurochirurgische Dekompression im Bereich L4/5 und L5/S1. Der Radiologe RA. gab in seinem Bericht vom 17.09.1998 nach erfolgter Kernspintomographie an, dass nur geringgradige Protrusionen in den beiden betroffenen Bewegungssegmenten vorlägen und die übrigen Bandscheibenfächer regelrecht seien.
Nachdem der Kläger gegenüber der Beklagten Angaben zu seiner beruflichen Wirbelsäulenbelastung gemacht hatte, erklärte der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten in einer Stellungnahme vom 29.09.1998, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht vorlägen.
Mit Bescheid vom 10.11.1998 lehnte die Beklagte daraufhin die Anerkennung der Wirbelsäulenerkrankung des Klägers als BK ab. Der Kläger habe jedenfalls in der Zeit nach dem Stichtag 31.03.1988 keine Arbeiten ausgeführt, die die erforderlichen Belastungsgrenzwerte erreicht oder überschritten hätten. Nachdem der Kläger gegen den Bescheid Widerspruch eingelegt hatte, holte die Beklagte eine erneute Stellungnahme ihres TAD ein. Dieser gab am 03.02.1999 an, dass der Kläger bei seiner Tätigkeit als Abteilungsleiter sowie als Haustechniker keinerlei schwere Teile zu heben oder zu tragen gehabt habe. Dies gelte auch für seine Tätigkeit als Zweiradmechaniker. Zudem habe keine extreme Rumpfbeugehaltung bestanden. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.04.1999 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch zurück.
Hiergegen erhob der Kläger am 11.05.1999 Klage zum Sozialgericht Frankfurt, die unter dem Aktenzeichen S 1/18 U 1714/99 geführt wurde. Im Rahmen des Klageverfahrens legte die Beklagte Stellungnahmen des TAD vom 5.11.1999, 02.02.2000, 10.10.2002 sowie vom 29.07.2003 vor, auf deren Inhalt verwiesen wird. Hiernach betrug die berufliche Gesamtbelastungsdosis lediglich 0,045 x 106 Nh.
Das Sozialgericht hat im Verfahren sodann von Amts wegen Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Arztes für Chirurgie Prof. Dr. R. vom 14.07.2001. Dieser hat bei dem Kläger eine skoliotische Fehlhaltung der Wirbelsäule mit einem linksgerichteten Scheitelwinkel von 20° in Höhe L2 festgestellt. Ferner liege eine Beckenkammasymmetrie mit Linksneigung sowie Übergewichtigkeit vor. Bei den bandscheibenbedingten Veränderungen des Klägers handele es sich um isolierte chronische Bandscheibenschäden der Bewegungssegmente L4/5 und L5/S1. Die darüber liegenden lumbalen Bewegungssegmente zeigten unauffällige Bandscheibenstrukturen ohne Signalminderung im Rahmen regulärer Flüssigkeitsgehalte. Spondylotische Randzackenbildungen seien nicht feststellbar. Ferner lägen bei dem Kläger ausgeprägte konkurrierende Wirbelsäulenerkrankungen vor, welche eine wesentliche Veränderung der Statik des Achsenorgans bedingten. Darüber hinaus hätten der Beckenschiefstand sowie das Übergewicht des Klägers Einfluss auf die Wirbelsäulenstatik. Es bestünde kein Grund für die Annahme, dass die behandelten Bandscheibenvorfälle und weiterhin vorhandenen Bandscheibenvorwölbungen der Bewegungssegmente L4/5 und L5/S1 als berufsbedingte Krankheiten anzusehen seien.
Mit Gerichtsbescheid vom 21.09. 2004 wies das SG die Klage daraufhin ab unter Verweis auf die fehlenden arbeitsmedizinischen Voraussetzungen. Hiergegen legte der Kläger am 19.10.2004 beim Hessischen Landessozialgericht Berufung ein, welche unter dem Aktenzeichen L 3 U 202/04 geführt wurde.
Im Berufungsverfahren ließ der Kläger dabei u.a. vortragen, dass er ganz extremen Belastungsspitzen ausgesetzt gewesen sei. So habe er in 13,2 Jahren mindestens 5.252 Mal schwer heben und tragen müssen. In den Fragebögen seien Hebegewichte von 80 bis 260 kg beschrieben, woraus deutlich werde, dass diese Belastungsspitzen weitaus höher seien als die in den Pflegeberufen.
Infolge des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30.10.2007 (B 2 U 4/06 R) nahm die Beklagte sodann eine Dosisberechnung nach dem MDD unter Verwendung der geänderten Richtwerte vorgenommen und kam zu dem Ergebnis, dass nunmehr vom Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen auszugehen sei. Sie wandte sich aber weiter gegen das Vorliegen der arbeitsmedizinischen Voraussetzungen, da es an einem belastungskonformen Schadensbild fehle.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) holte das LSG sodann ein Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. N. ein. Dieser kam in seinem Gutachten vom 02.07.2005 zu dem Ergebnis, dass die Verteilung der Bandscheibenschäden und das Ausmaß der reaktiven umformenden Veränderungen nicht gegen die Anerkennung einer BK sprächen. Insbesondere könnten konkurrierende Ursachen ausgeschlossen werden, da weder die beschriebene Skoliose noch der Beckenschiefstand oder das Übergewicht des Klägers in der Lage seien, die bandscheibenbedingte Erkrankung in Form von Bandscheibenvorfällen auszulösen. Das Fehlen von Begleitspondylosen spreche nicht gegen das Vorliegen eines belastungskonformen Krankheitsbildes, da es sich um Bandscheibenvorfälle in den beiden unteren Lendensegmenten handele.
Das LSG holte daraufhin von Amts wegen ein Gutachten des Oberarztes der Orthopädischen Klinik ZO., Universitätsklinikum, Dr. F ein. Dieser kam in seinem Gutachten vom 17.04.2006 zu dem Schluss, dass bei dem Kläger ein bisegmentales Befundbild am unteren Lendenwirbelsäulenende ohne belastungsadaptive Veränderungen (Begleitspondylose) an übergelagerten, bandscheibengesunden Bewegungssegmenten vorläge. Die Lendenwirbelsäule weise keine idiopathische Fehlstatik auf, sondern sei lediglich in den Auslauf der Brustwirbelsäulenskoliose mit einbezogen. Mono- und bisegmentale Chondrosen/Vorfallsbildungen seien nach den Konsensempfehlungen dann als BKen anzusehen, wenn zusätzlich an zwei angrenzenden Lendenwirbelsäulensegmenten - also an insgesamt wenigstens drei Lendenbandscheiben - zumindest im hochsensitiven Kernspintomogramm degenerationsadäquate Befunde mit Bandscheibensignalminderung gefunden worden seien, der Richtwert für die Lebensdosis in weniger als 10 Jahren akkumuliert worden sei und/oder wenn ein besonders hohes Gefährdungspotential infolge des wiederkehrenden Erreichens der Hälfte des MDD-Tagesdosis-Richtwertes durch hohe Belastungsspitzen angenommen werden könne. Diese Voraussetzungen seien bei dem Kläger nicht erfüllt. Der Sachverständige weist darauf hin, dass damit die Konstellation B3 der Konsensempfehlungen vorliege, für welche bezüglich des Kriteriums der "Begleitspondylose" kein Konsens erzielt worden sei. Nach der Mehrheit der Arbeitsgruppenteilnehmer spreche jedoch das Fehlen einer Begleitspondylose in dieser Konstellation gegen eine Expositionsabhängigkeit der bandscheibenbedingten Erkrankung. Das Vorliegen einer Lendenbandscheiben-BK bei dem Kläger sei daher nicht hinreichend wahrscheinlich.
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 01.09.2008 teilte Dr. F zudem unter Berücksichtigung der durch das BSG in seinem Urteil vom 30.10.2007 geänderten Richtwerte mit, dass die geänderte Schwellendosis als Entscheidungsgrundlage im Grundsatz nichts an dem Umstand ändere, dass auch diese neu definierte Belastung immer noch die gesamte Lendenwirbelsäule in von oben nach unten hin zunehmender Intensität betreffe und demzufolge auch mehr als ein- oder zweisegmentale Auswirkungen zeitigen müsse. Gleiches gelte für die Feststellung eine "Begleitspondylose". Für das klinische und bildtechnische Erscheinungsbild einer Bandscheibendegeneration habe die Quantität einer eine Grenzwertschwelle übersteigenden Wirbelsäulenbelastung keinen biomechanisch plausiblen oder epidemiologisch bewiesenen Einfluss. Anderes gelte nur in einigen Fällen für die Qualität der Wirbelsäulenbelastung: (1) bei einer nach Höhe, Einwirkungsfrequenz und Einwirkungsdauer besonders intensiven Wirbelsäulenbelastung bei Betroffenen, die schon nach weniger als 10 Berufsjahren mit sehr hoher Wirbelsäulenbelastung bandscheibenkrankheitsbedingt aus dem Arbeitsprozess ausscheiden müssen, (2) bei einem besonderen Gefährdungspotential durch regelmäßig oder häufig wiederkehrende kurzzeitige Einzelbelastungsspitzen. Bezüglich der zweiten Gruppe sei von medizinischer Seite bislang nur für die medizinischen Pflegeberufe und deren Belastungen und Arbeitsbedingungen eine erhöhte Bandscheibenerkrankungsrate nur mono- oder bisegmental am unteren Lendenwirbelsäulenende ohne begleitende proximale Spondylose statistischepidemiologisch bewiesen worden, nicht aber für andere Berufsbilder. Der Kläger erfülle keine der unter (1) oder (2) genannten medizinischen Belastungskonformitätskriterien.
Mit Urteil vom 18.08.2009 wies das LSG sodann die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid vom 21.09.2004 zurück. Eine Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision verwarf das BSG mit Beschluss vom 17.02.2010 als unzulässig.
Am 07.10.2010 beantragte der Kläger sodann, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, bei der Beklagten die Überprüfung des Bescheids vom 10.11.1998. Zur Begründung ließ er vortragen, dass zwischenzeitlich medizinisch neue Erkenntnisse vorlägen, insbesondere neuere Untersuchungsmethoden gegeben seien. es sei daher beabsichtigt, den Gesamtsachverhalt einer erneuten gerichtlichen Klärung zuzuführen.
Mit Bescheid vom 30.11.2010 lehnte die Beklagte daraufhin gegenüber dem Kläger die Rücknahme des Bescheids vom 10.11.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.04.1999 ab. Die Beurteilung des medizinischen Bildes der bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS sei nach den Konsensempfehlungen erfolgt. Hiernach habe ein belastungskonformes Schadensbild nicht festgestellt werden können. An dieser Einschätzung habe sich bis heute nichts geändert.
Gegen den Bescheid legte der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 06.12.2010 Widerspruch ein, welchen er nicht weiter begründete. Mit Widerspruchsbescheid vom 31.03.2011 wies die Beklagte den Widerspruch daraufhin zurück. Es hätten sich auch nach erneuter Überprüfung keine neuen Tatsachen ergeben, die für die Unrichtigkeit des zur Überprüfung gestellten Bescheides sprächen.
Hiergegen richtet sich die am 11.04.2011 zum Sozialgericht Frankfurt erhobene Klage. Zur Begründung ließ der Kläger vortragen, dass die bei dem Kläger vorliegende Wirbelsäulenerkrankung auf seine berufliche Tätigkeit zurückzuführen sei und er die Voraussetzungen der BK 2108 erfülle. Bei dem Kläger liege nach der Konsensempfehlung die Konstellation B2 vor, auch wenn unstreitig eine Begleitspondylose nicht bestehe. Es bestünden Bandscheibenvorfälle in den beiden unteren Lendensegmenten. Dies falle unter die Konstellation B2, weil bei dem Kläger insbesondere in den letzten Jahren als Zweiradmechaniker immer wieder hohe Belastungsspitzen aufgetreten seien, etwa wenn ein Motorrad oder schwere Teile davon angehoben worden seien. Dies sei vergleichbar mit den Arbeitskräften in der Pflege. Das Gericht müsse diesbezüglich neue Ermittlungen aufnehmen. Schon seinerzeit sei vorgetragen worden, dass solche Belastungsspitzen aufgetreten seien, es sei aber keiner nachhaltig darauf eingegangen. Der TAD der Beklagten müsse nunmehr noch einmal die Angaben des Klägers auswerten und ggf. seien die schon damals benannten Zeugen zu hören.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihren Bescheid vom 30.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.03.2011 zurückzunehmen und in Abänderung des Bescheids vom 10.11.1998 in Form des Widerspruchsbescheids vom 21.04.1999 in der Person des Klägers die Berufskrankheit im Sinne der Nr. 2108 der Berufskrankheitenliste anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung ihres Antrags verwies die Beklagte darauf, dass Inhalt der Klage ein Antrag nach § 44 SGB X sei und die Prüfung nicht ergeben habe, das ursprünglich nicht beachtete Tatsachen oder Erkenntnisse vorlägen, die für die Entscheidung wesentlich seien. Eine erneute Sachprüfung sei vorliegend nicht erforderlich gewesen, da der Vortrag des Klägers zu keinem Zeitpunkt Anhaltspunkte hierfür geliefert habe. Die vom Klägervertreter nunmehr vorgetragenen Belastungsspitzen seien nicht Gegenstand des Antrags nach § 44 SGB X. Unabhängig davon habe das Hessische LSG sich mit dieser Frage ausführlich auseinander gesetzt.
Auf Anfrage des Gerichts erklärten die Beteiligten sich mit einer Entscheidung des Rechtsstreits durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht zum örtlich und sachlich zuständigen Sozialgericht Frankfurt erhobene Klage ist zulässig, in der Sache aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 30.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.03.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Das Gericht konnte dabei den vorliegenden Rechtsstreit durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 SGG entscheiden, da die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben.
Gemäß § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass dieses Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Nach Abs. 3 der Vorschrift entscheidet dabei über die Rücknahme nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde.
Gegenstand der vorliegenden Klage ist somit nur der auf den § 44er-Antrag des Klägers ergangene Bescheid der Beklagten vom 30.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.03.2011. Der mit dem Antrag nach § 44 SGB X angegriffene Bescheid vom 10.11.1998 in Form des Widerspruchsbescheids vom 21.04.1999 bleibt bestandskräftig, solange die Beklagte ihn nicht nach § 44 SGB X abändert oder aufhebt. Das Gericht selbst ist nicht befugt, diesen ursprünglichen Bescheid aufzuheben, da die Bestandskraft insoweit entgegensteht. Dies ergibt sich auch aus dem Wortlaut des § 44 Abs. 3 SGB X, wonach die zuständige Behörde über eine eventuelle Rücknahme entscheidet. Das Gericht könnte demnach lediglich die Beklagte verpflichten, den ursprünglichen Bescheid aufzuheben oder abzuändern, so dass es sich vorliegend um eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage handelt.
Die Beklagte hat jedoch zu Recht den Überprüfungsantrag des Klägers nach § 44 SGB X zurückgewiesen.
Der Kläger begehrt vorliegend die Aufhebung des ursprünglichen Bescheids und die Anerkennung einer BK 2108. Sein Vortrag im gerichtlichen Verfahren bezieht sich dabei auf die Zuerkennung der Konstellation B2 nach den Konsensempfehlungen wegen der Erfüllung des 3. Zusatzkriteriums, des Gefährdungspotenzials durch hohe Belastungsspitzen. Mit dieser Argumentation hat sich jedoch im ursprünglichen Verfahren nicht nur der gerichtliche Gutachter Dr. F, sondern auch das Hessische LSG in seinem Urteil vom 18.08.2009 ausführlich auseinandergesetzt und die Voraussetzungen verneint.
Das LSG (a.a.O.) führt hierzu u.a. aus:
"Ferner liegt lediglich ein bisegmentaler Befund an der unteren LWS (L 4/5 und L5/S1) vor. Es fehlt mithin an einer Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben in mindestens 2 angrenzenden Segmenten. Dies ist aber entgegen der Auffassung von Dr. N. erforderlich, wie Dr. F, der in oben genannter Arbeitsgruppe an der Erarbeitung der Konsensempfehlungen beteiligt war, überzeugend ausgeführt hat. Die Voraussetzungen der Konstellation B2, unter denen auf die Bedingung des Vorliegens einer Begleitspondylose verzichtet werden kann, sind beim Kläger nicht erfüllt. Das Vorliegen einer im MRT gesicherten "black disc" in mindestens zwei angrenzenden Segmenten ist nicht gegeben. Der Kläger gehörte auch nicht zu der Gruppe der "Schwerstarbeiter", zu denen Transportarbeiter im Umzugsgewerbe oder Lastenarbeiter in Seehäfen zählen, und hat auch nicht wie diese in weniger als 10 Jahren bereits die Risikodosis durch die Belastungen, denen er unterlag, erreicht. Schließlich kann auch kein besonders hohes Gefährdungspotential in Folge des wiederkehrenden Erreichens der Hälfte des MDD-Tagesdosis-Richtwertes durch hohe Belastungsspitzen angenommen werden. Dr. F hat zu der Frage der Belastungsspitzen ausführlich dargelegt, dass es medizinischerseits ausschließlich für die medizinischen Pflegeberufe und deren besondere Arbeitsbelastungen und auch Arbeitsbedingungen entsprechende Nachweise einer erhöhten Bandscheibenerkrankungsrate nur mono- oder bisegmental am unteren Lendenwirbelsäulenende ohne Begleitspondylose gibt. Die Belastung der Pflegekraft reduziert sich auch nicht, wie dies der Prozessbevollmächtigte des Klägers schriftsätzlich andeutet, auf eine "gewisse körperliche Anstrengung", wenn "diese morgens 10 bis 15 Patienten waschen muss". Wie Dr. F zu Recht ausführt, sind die Belastungen des Klägers nicht mit den Spitzenbelastungen der Alten- und Krankenpfleger beim Versorgen und Bewegen immobiler Patienten gleichzusetzen, denn die dort getroffene Beurteilung findet ihre Begründung nicht allein in dem - häufig durchaus erheblichen - zu hebenden Gewicht der immobilen Patienten. Maßgeblich für die Bewertung als Spitzenbelastung ist vielmehr die Tatsache, dass sich diese Patienten häufig auch beim Anheben eigenständig und unkontrolliert bewegen oder ihr Gewicht verlagern, dass sie demzufolge oder aufgrund der Körpermasse, der Körperkonturen oder der Schmerzhaftigkeit verletzter oder frisch operierter Körperregionen nur schlecht zu fassen und zu halten sind und dass dies schließlich zumeist auch noch aus einer biophysikalisch ungünstigen, vorgebückten Haltung des Pflegenden zu geschehen hat. Entsprechende epidemiologische Studien zu anderen Berufsgruppen liegen dagegen nicht vor. Die von Dr. F dargelegte Schilderung der für die Begründung der Spitzenbelastungen relevanten Arbeitsbedingungen bei Pflegekräften zeigt deutlich, dass die Hebebelastungen im Berufsfeld des Klägers dieser Form der Belastungsspitzen, die gerade nicht rein gewichtsabhängig sind, keinesfalls vergleichbar sind. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass sich auch unter Zugrundelegung der vom Kläger selbst vorgebrachten Hebebelastung von 5.252 Hebevorgängen in 13,2 Berufsjahren - einschließlich derer mit eher geringer Gewichtsbelastung - durchschnittlich nicht einmal zwei (kontrollierte) Hebevorgänge pro Arbeitstag errechnen, was deutlich unter denen des Pflegealltags liegt, wo bereits beispielsweise bei nur einem pflegebedürftigen Patienten für die einmalige Überwindung des Weges vom Krankenbett zur Toilette und zurück oder aber der entsprechenden Verrichtungen mit Waschen und Umbetten im Krankenbett deutlich mehr Hebevorgänge nicht nur mit der entsprechenden Gewichtsbelastung, sondern auch mit der Notwendigkeit des Drehens des Körpers in gebeugter Haltung unter dieser Gewichtsbelastung erforderlich sind."
Diesen schlüssigen Ausführungen schließt die Kammer sich wie auch im Übrigen der Entscheidung des LSG, auf die insoweit verwiesen wird, vollumfänglich an. Zur Überzeugung der Kammer hat Dr. F die medizinischen Voraussetzungen der BK 2108, insbesondere die Konstellation B2, bei dem Kläger zu Recht verneint. Der Kläger hat darüber hinaus auch weder im Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X bei der Beklagten noch im gerichtlichen Verfahren neuen Tatsachen und Gesichtspunkte vorgetragen oder neue Beweismittel benannt, die für die Unrichtigkeit der Vorentscheidung sprechen könnten. Die Beklagte war deshalb auch nicht veranlasst, ihre durch rechtskräftiges Urteil bestätigte Entscheidung erneut unter dem Gesichtspunkt einer Unrichtigkeit in Frage zu stellen. Auch das Gericht hat aus diesem Grund keinen Anlass gesehen, erneute Ermittlungen durchzuführen (zum Ermittlungsumfang bei einem Antrag nach § 44 SGB X vgl. BSG, Urteil vom 28.01.1981, 9 RV 29/80).
Der Bescheid der Beklagten vom 30.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.03.2011 erweist sich damit als rechtmäßig, so dass die Klage abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule (LWS) als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) streitig.
Der 1955 geborene Kläger war nach seiner Ausbildung zunächst als Maschinenschlosser (1970 bis 1974) und anschließend überwiegend als Zweiradmechaniker beschäftigt. Von Februar 1975 bis September 1980 war er bei der Firma XY in D-Stadt, von Oktober 1980 bis September 1982 bei der Firma Autohaus BD in X-Stadt sowie von Oktober 1982 bis März 1988 bei der Firma FX in ZL. (Zweiradmechaniker, Ersatzteil-Lagerist, Verkauf, Auftragsabwicklung, Haustechniker) tätig. Von April 1988 bis Januar 1996 arbeitete er bei der Firma FR in A-Stadt als Elektromechaniker, mitarbeitender Abteilungsleiter Datenaufbereitung und Haustechniker. Nach einer vorübergehenden Arbeitslosigkeit war er von August 1996 bis Dezember 1996 bei der Firma BX in O-Stadt als Aufzug- und Fördertechnik-Monteur beschäftigt. Von Januar 1997 bis März 1998 folgte eine Anstellung bei der Firma SB in ZL. (Mechanikermeister, Kundenberater, Haustechniker), die dem Kläger zum 1. April 1998 betriebsbedingt kündigte. Auf eine Arbeitsunfähigkeit von April 1998 bis Juni 1999 folgte Arbeitslosigkeit von Juli 1999 bis Januar 2001. Seit Februar 2001 erhält der Kläger Berufsunfähigkeitsrente.
Am 27.04.1998 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Überprüfung des Vorliegens einer BK. Am 09.03.1998 war es beim Anheben eines Altöleimers bei dem Kläger zu einem akuten Schmerzereignis in der LWS gekommen. Nach einer Computertomographie vom 24.03.1998 diagnostizierte der Arzt für Neurochirurgie Dr. HX. am 31.03.1998 einen medialen raumfordernden Bandscheibenvorfall im Segment L4/5. Am 02.04.1998 erfolgte operativ eine mikroneurochirurgische Dekompression im Bereich L4/5 und L5/S1. Der Radiologe RA. gab in seinem Bericht vom 17.09.1998 nach erfolgter Kernspintomographie an, dass nur geringgradige Protrusionen in den beiden betroffenen Bewegungssegmenten vorlägen und die übrigen Bandscheibenfächer regelrecht seien.
Nachdem der Kläger gegenüber der Beklagten Angaben zu seiner beruflichen Wirbelsäulenbelastung gemacht hatte, erklärte der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten in einer Stellungnahme vom 29.09.1998, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht vorlägen.
Mit Bescheid vom 10.11.1998 lehnte die Beklagte daraufhin die Anerkennung der Wirbelsäulenerkrankung des Klägers als BK ab. Der Kläger habe jedenfalls in der Zeit nach dem Stichtag 31.03.1988 keine Arbeiten ausgeführt, die die erforderlichen Belastungsgrenzwerte erreicht oder überschritten hätten. Nachdem der Kläger gegen den Bescheid Widerspruch eingelegt hatte, holte die Beklagte eine erneute Stellungnahme ihres TAD ein. Dieser gab am 03.02.1999 an, dass der Kläger bei seiner Tätigkeit als Abteilungsleiter sowie als Haustechniker keinerlei schwere Teile zu heben oder zu tragen gehabt habe. Dies gelte auch für seine Tätigkeit als Zweiradmechaniker. Zudem habe keine extreme Rumpfbeugehaltung bestanden. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.04.1999 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch zurück.
Hiergegen erhob der Kläger am 11.05.1999 Klage zum Sozialgericht Frankfurt, die unter dem Aktenzeichen S 1/18 U 1714/99 geführt wurde. Im Rahmen des Klageverfahrens legte die Beklagte Stellungnahmen des TAD vom 5.11.1999, 02.02.2000, 10.10.2002 sowie vom 29.07.2003 vor, auf deren Inhalt verwiesen wird. Hiernach betrug die berufliche Gesamtbelastungsdosis lediglich 0,045 x 106 Nh.
Das Sozialgericht hat im Verfahren sodann von Amts wegen Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Arztes für Chirurgie Prof. Dr. R. vom 14.07.2001. Dieser hat bei dem Kläger eine skoliotische Fehlhaltung der Wirbelsäule mit einem linksgerichteten Scheitelwinkel von 20° in Höhe L2 festgestellt. Ferner liege eine Beckenkammasymmetrie mit Linksneigung sowie Übergewichtigkeit vor. Bei den bandscheibenbedingten Veränderungen des Klägers handele es sich um isolierte chronische Bandscheibenschäden der Bewegungssegmente L4/5 und L5/S1. Die darüber liegenden lumbalen Bewegungssegmente zeigten unauffällige Bandscheibenstrukturen ohne Signalminderung im Rahmen regulärer Flüssigkeitsgehalte. Spondylotische Randzackenbildungen seien nicht feststellbar. Ferner lägen bei dem Kläger ausgeprägte konkurrierende Wirbelsäulenerkrankungen vor, welche eine wesentliche Veränderung der Statik des Achsenorgans bedingten. Darüber hinaus hätten der Beckenschiefstand sowie das Übergewicht des Klägers Einfluss auf die Wirbelsäulenstatik. Es bestünde kein Grund für die Annahme, dass die behandelten Bandscheibenvorfälle und weiterhin vorhandenen Bandscheibenvorwölbungen der Bewegungssegmente L4/5 und L5/S1 als berufsbedingte Krankheiten anzusehen seien.
Mit Gerichtsbescheid vom 21.09. 2004 wies das SG die Klage daraufhin ab unter Verweis auf die fehlenden arbeitsmedizinischen Voraussetzungen. Hiergegen legte der Kläger am 19.10.2004 beim Hessischen Landessozialgericht Berufung ein, welche unter dem Aktenzeichen L 3 U 202/04 geführt wurde.
Im Berufungsverfahren ließ der Kläger dabei u.a. vortragen, dass er ganz extremen Belastungsspitzen ausgesetzt gewesen sei. So habe er in 13,2 Jahren mindestens 5.252 Mal schwer heben und tragen müssen. In den Fragebögen seien Hebegewichte von 80 bis 260 kg beschrieben, woraus deutlich werde, dass diese Belastungsspitzen weitaus höher seien als die in den Pflegeberufen.
Infolge des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30.10.2007 (B 2 U 4/06 R) nahm die Beklagte sodann eine Dosisberechnung nach dem MDD unter Verwendung der geänderten Richtwerte vorgenommen und kam zu dem Ergebnis, dass nunmehr vom Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen auszugehen sei. Sie wandte sich aber weiter gegen das Vorliegen der arbeitsmedizinischen Voraussetzungen, da es an einem belastungskonformen Schadensbild fehle.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) holte das LSG sodann ein Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. N. ein. Dieser kam in seinem Gutachten vom 02.07.2005 zu dem Ergebnis, dass die Verteilung der Bandscheibenschäden und das Ausmaß der reaktiven umformenden Veränderungen nicht gegen die Anerkennung einer BK sprächen. Insbesondere könnten konkurrierende Ursachen ausgeschlossen werden, da weder die beschriebene Skoliose noch der Beckenschiefstand oder das Übergewicht des Klägers in der Lage seien, die bandscheibenbedingte Erkrankung in Form von Bandscheibenvorfällen auszulösen. Das Fehlen von Begleitspondylosen spreche nicht gegen das Vorliegen eines belastungskonformen Krankheitsbildes, da es sich um Bandscheibenvorfälle in den beiden unteren Lendensegmenten handele.
Das LSG holte daraufhin von Amts wegen ein Gutachten des Oberarztes der Orthopädischen Klinik ZO., Universitätsklinikum, Dr. F ein. Dieser kam in seinem Gutachten vom 17.04.2006 zu dem Schluss, dass bei dem Kläger ein bisegmentales Befundbild am unteren Lendenwirbelsäulenende ohne belastungsadaptive Veränderungen (Begleitspondylose) an übergelagerten, bandscheibengesunden Bewegungssegmenten vorläge. Die Lendenwirbelsäule weise keine idiopathische Fehlstatik auf, sondern sei lediglich in den Auslauf der Brustwirbelsäulenskoliose mit einbezogen. Mono- und bisegmentale Chondrosen/Vorfallsbildungen seien nach den Konsensempfehlungen dann als BKen anzusehen, wenn zusätzlich an zwei angrenzenden Lendenwirbelsäulensegmenten - also an insgesamt wenigstens drei Lendenbandscheiben - zumindest im hochsensitiven Kernspintomogramm degenerationsadäquate Befunde mit Bandscheibensignalminderung gefunden worden seien, der Richtwert für die Lebensdosis in weniger als 10 Jahren akkumuliert worden sei und/oder wenn ein besonders hohes Gefährdungspotential infolge des wiederkehrenden Erreichens der Hälfte des MDD-Tagesdosis-Richtwertes durch hohe Belastungsspitzen angenommen werden könne. Diese Voraussetzungen seien bei dem Kläger nicht erfüllt. Der Sachverständige weist darauf hin, dass damit die Konstellation B3 der Konsensempfehlungen vorliege, für welche bezüglich des Kriteriums der "Begleitspondylose" kein Konsens erzielt worden sei. Nach der Mehrheit der Arbeitsgruppenteilnehmer spreche jedoch das Fehlen einer Begleitspondylose in dieser Konstellation gegen eine Expositionsabhängigkeit der bandscheibenbedingten Erkrankung. Das Vorliegen einer Lendenbandscheiben-BK bei dem Kläger sei daher nicht hinreichend wahrscheinlich.
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 01.09.2008 teilte Dr. F zudem unter Berücksichtigung der durch das BSG in seinem Urteil vom 30.10.2007 geänderten Richtwerte mit, dass die geänderte Schwellendosis als Entscheidungsgrundlage im Grundsatz nichts an dem Umstand ändere, dass auch diese neu definierte Belastung immer noch die gesamte Lendenwirbelsäule in von oben nach unten hin zunehmender Intensität betreffe und demzufolge auch mehr als ein- oder zweisegmentale Auswirkungen zeitigen müsse. Gleiches gelte für die Feststellung eine "Begleitspondylose". Für das klinische und bildtechnische Erscheinungsbild einer Bandscheibendegeneration habe die Quantität einer eine Grenzwertschwelle übersteigenden Wirbelsäulenbelastung keinen biomechanisch plausiblen oder epidemiologisch bewiesenen Einfluss. Anderes gelte nur in einigen Fällen für die Qualität der Wirbelsäulenbelastung: (1) bei einer nach Höhe, Einwirkungsfrequenz und Einwirkungsdauer besonders intensiven Wirbelsäulenbelastung bei Betroffenen, die schon nach weniger als 10 Berufsjahren mit sehr hoher Wirbelsäulenbelastung bandscheibenkrankheitsbedingt aus dem Arbeitsprozess ausscheiden müssen, (2) bei einem besonderen Gefährdungspotential durch regelmäßig oder häufig wiederkehrende kurzzeitige Einzelbelastungsspitzen. Bezüglich der zweiten Gruppe sei von medizinischer Seite bislang nur für die medizinischen Pflegeberufe und deren Belastungen und Arbeitsbedingungen eine erhöhte Bandscheibenerkrankungsrate nur mono- oder bisegmental am unteren Lendenwirbelsäulenende ohne begleitende proximale Spondylose statistischepidemiologisch bewiesen worden, nicht aber für andere Berufsbilder. Der Kläger erfülle keine der unter (1) oder (2) genannten medizinischen Belastungskonformitätskriterien.
Mit Urteil vom 18.08.2009 wies das LSG sodann die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid vom 21.09.2004 zurück. Eine Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision verwarf das BSG mit Beschluss vom 17.02.2010 als unzulässig.
Am 07.10.2010 beantragte der Kläger sodann, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, bei der Beklagten die Überprüfung des Bescheids vom 10.11.1998. Zur Begründung ließ er vortragen, dass zwischenzeitlich medizinisch neue Erkenntnisse vorlägen, insbesondere neuere Untersuchungsmethoden gegeben seien. es sei daher beabsichtigt, den Gesamtsachverhalt einer erneuten gerichtlichen Klärung zuzuführen.
Mit Bescheid vom 30.11.2010 lehnte die Beklagte daraufhin gegenüber dem Kläger die Rücknahme des Bescheids vom 10.11.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.04.1999 ab. Die Beurteilung des medizinischen Bildes der bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS sei nach den Konsensempfehlungen erfolgt. Hiernach habe ein belastungskonformes Schadensbild nicht festgestellt werden können. An dieser Einschätzung habe sich bis heute nichts geändert.
Gegen den Bescheid legte der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 06.12.2010 Widerspruch ein, welchen er nicht weiter begründete. Mit Widerspruchsbescheid vom 31.03.2011 wies die Beklagte den Widerspruch daraufhin zurück. Es hätten sich auch nach erneuter Überprüfung keine neuen Tatsachen ergeben, die für die Unrichtigkeit des zur Überprüfung gestellten Bescheides sprächen.
Hiergegen richtet sich die am 11.04.2011 zum Sozialgericht Frankfurt erhobene Klage. Zur Begründung ließ der Kläger vortragen, dass die bei dem Kläger vorliegende Wirbelsäulenerkrankung auf seine berufliche Tätigkeit zurückzuführen sei und er die Voraussetzungen der BK 2108 erfülle. Bei dem Kläger liege nach der Konsensempfehlung die Konstellation B2 vor, auch wenn unstreitig eine Begleitspondylose nicht bestehe. Es bestünden Bandscheibenvorfälle in den beiden unteren Lendensegmenten. Dies falle unter die Konstellation B2, weil bei dem Kläger insbesondere in den letzten Jahren als Zweiradmechaniker immer wieder hohe Belastungsspitzen aufgetreten seien, etwa wenn ein Motorrad oder schwere Teile davon angehoben worden seien. Dies sei vergleichbar mit den Arbeitskräften in der Pflege. Das Gericht müsse diesbezüglich neue Ermittlungen aufnehmen. Schon seinerzeit sei vorgetragen worden, dass solche Belastungsspitzen aufgetreten seien, es sei aber keiner nachhaltig darauf eingegangen. Der TAD der Beklagten müsse nunmehr noch einmal die Angaben des Klägers auswerten und ggf. seien die schon damals benannten Zeugen zu hören.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihren Bescheid vom 30.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.03.2011 zurückzunehmen und in Abänderung des Bescheids vom 10.11.1998 in Form des Widerspruchsbescheids vom 21.04.1999 in der Person des Klägers die Berufskrankheit im Sinne der Nr. 2108 der Berufskrankheitenliste anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung ihres Antrags verwies die Beklagte darauf, dass Inhalt der Klage ein Antrag nach § 44 SGB X sei und die Prüfung nicht ergeben habe, das ursprünglich nicht beachtete Tatsachen oder Erkenntnisse vorlägen, die für die Entscheidung wesentlich seien. Eine erneute Sachprüfung sei vorliegend nicht erforderlich gewesen, da der Vortrag des Klägers zu keinem Zeitpunkt Anhaltspunkte hierfür geliefert habe. Die vom Klägervertreter nunmehr vorgetragenen Belastungsspitzen seien nicht Gegenstand des Antrags nach § 44 SGB X. Unabhängig davon habe das Hessische LSG sich mit dieser Frage ausführlich auseinander gesetzt.
Auf Anfrage des Gerichts erklärten die Beteiligten sich mit einer Entscheidung des Rechtsstreits durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht zum örtlich und sachlich zuständigen Sozialgericht Frankfurt erhobene Klage ist zulässig, in der Sache aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 30.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.03.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Das Gericht konnte dabei den vorliegenden Rechtsstreit durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 SGG entscheiden, da die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben.
Gemäß § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass dieses Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Nach Abs. 3 der Vorschrift entscheidet dabei über die Rücknahme nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde.
Gegenstand der vorliegenden Klage ist somit nur der auf den § 44er-Antrag des Klägers ergangene Bescheid der Beklagten vom 30.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.03.2011. Der mit dem Antrag nach § 44 SGB X angegriffene Bescheid vom 10.11.1998 in Form des Widerspruchsbescheids vom 21.04.1999 bleibt bestandskräftig, solange die Beklagte ihn nicht nach § 44 SGB X abändert oder aufhebt. Das Gericht selbst ist nicht befugt, diesen ursprünglichen Bescheid aufzuheben, da die Bestandskraft insoweit entgegensteht. Dies ergibt sich auch aus dem Wortlaut des § 44 Abs. 3 SGB X, wonach die zuständige Behörde über eine eventuelle Rücknahme entscheidet. Das Gericht könnte demnach lediglich die Beklagte verpflichten, den ursprünglichen Bescheid aufzuheben oder abzuändern, so dass es sich vorliegend um eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage handelt.
Die Beklagte hat jedoch zu Recht den Überprüfungsantrag des Klägers nach § 44 SGB X zurückgewiesen.
Der Kläger begehrt vorliegend die Aufhebung des ursprünglichen Bescheids und die Anerkennung einer BK 2108. Sein Vortrag im gerichtlichen Verfahren bezieht sich dabei auf die Zuerkennung der Konstellation B2 nach den Konsensempfehlungen wegen der Erfüllung des 3. Zusatzkriteriums, des Gefährdungspotenzials durch hohe Belastungsspitzen. Mit dieser Argumentation hat sich jedoch im ursprünglichen Verfahren nicht nur der gerichtliche Gutachter Dr. F, sondern auch das Hessische LSG in seinem Urteil vom 18.08.2009 ausführlich auseinandergesetzt und die Voraussetzungen verneint.
Das LSG (a.a.O.) führt hierzu u.a. aus:
"Ferner liegt lediglich ein bisegmentaler Befund an der unteren LWS (L 4/5 und L5/S1) vor. Es fehlt mithin an einer Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben in mindestens 2 angrenzenden Segmenten. Dies ist aber entgegen der Auffassung von Dr. N. erforderlich, wie Dr. F, der in oben genannter Arbeitsgruppe an der Erarbeitung der Konsensempfehlungen beteiligt war, überzeugend ausgeführt hat. Die Voraussetzungen der Konstellation B2, unter denen auf die Bedingung des Vorliegens einer Begleitspondylose verzichtet werden kann, sind beim Kläger nicht erfüllt. Das Vorliegen einer im MRT gesicherten "black disc" in mindestens zwei angrenzenden Segmenten ist nicht gegeben. Der Kläger gehörte auch nicht zu der Gruppe der "Schwerstarbeiter", zu denen Transportarbeiter im Umzugsgewerbe oder Lastenarbeiter in Seehäfen zählen, und hat auch nicht wie diese in weniger als 10 Jahren bereits die Risikodosis durch die Belastungen, denen er unterlag, erreicht. Schließlich kann auch kein besonders hohes Gefährdungspotential in Folge des wiederkehrenden Erreichens der Hälfte des MDD-Tagesdosis-Richtwertes durch hohe Belastungsspitzen angenommen werden. Dr. F hat zu der Frage der Belastungsspitzen ausführlich dargelegt, dass es medizinischerseits ausschließlich für die medizinischen Pflegeberufe und deren besondere Arbeitsbelastungen und auch Arbeitsbedingungen entsprechende Nachweise einer erhöhten Bandscheibenerkrankungsrate nur mono- oder bisegmental am unteren Lendenwirbelsäulenende ohne Begleitspondylose gibt. Die Belastung der Pflegekraft reduziert sich auch nicht, wie dies der Prozessbevollmächtigte des Klägers schriftsätzlich andeutet, auf eine "gewisse körperliche Anstrengung", wenn "diese morgens 10 bis 15 Patienten waschen muss". Wie Dr. F zu Recht ausführt, sind die Belastungen des Klägers nicht mit den Spitzenbelastungen der Alten- und Krankenpfleger beim Versorgen und Bewegen immobiler Patienten gleichzusetzen, denn die dort getroffene Beurteilung findet ihre Begründung nicht allein in dem - häufig durchaus erheblichen - zu hebenden Gewicht der immobilen Patienten. Maßgeblich für die Bewertung als Spitzenbelastung ist vielmehr die Tatsache, dass sich diese Patienten häufig auch beim Anheben eigenständig und unkontrolliert bewegen oder ihr Gewicht verlagern, dass sie demzufolge oder aufgrund der Körpermasse, der Körperkonturen oder der Schmerzhaftigkeit verletzter oder frisch operierter Körperregionen nur schlecht zu fassen und zu halten sind und dass dies schließlich zumeist auch noch aus einer biophysikalisch ungünstigen, vorgebückten Haltung des Pflegenden zu geschehen hat. Entsprechende epidemiologische Studien zu anderen Berufsgruppen liegen dagegen nicht vor. Die von Dr. F dargelegte Schilderung der für die Begründung der Spitzenbelastungen relevanten Arbeitsbedingungen bei Pflegekräften zeigt deutlich, dass die Hebebelastungen im Berufsfeld des Klägers dieser Form der Belastungsspitzen, die gerade nicht rein gewichtsabhängig sind, keinesfalls vergleichbar sind. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass sich auch unter Zugrundelegung der vom Kläger selbst vorgebrachten Hebebelastung von 5.252 Hebevorgängen in 13,2 Berufsjahren - einschließlich derer mit eher geringer Gewichtsbelastung - durchschnittlich nicht einmal zwei (kontrollierte) Hebevorgänge pro Arbeitstag errechnen, was deutlich unter denen des Pflegealltags liegt, wo bereits beispielsweise bei nur einem pflegebedürftigen Patienten für die einmalige Überwindung des Weges vom Krankenbett zur Toilette und zurück oder aber der entsprechenden Verrichtungen mit Waschen und Umbetten im Krankenbett deutlich mehr Hebevorgänge nicht nur mit der entsprechenden Gewichtsbelastung, sondern auch mit der Notwendigkeit des Drehens des Körpers in gebeugter Haltung unter dieser Gewichtsbelastung erforderlich sind."
Diesen schlüssigen Ausführungen schließt die Kammer sich wie auch im Übrigen der Entscheidung des LSG, auf die insoweit verwiesen wird, vollumfänglich an. Zur Überzeugung der Kammer hat Dr. F die medizinischen Voraussetzungen der BK 2108, insbesondere die Konstellation B2, bei dem Kläger zu Recht verneint. Der Kläger hat darüber hinaus auch weder im Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X bei der Beklagten noch im gerichtlichen Verfahren neuen Tatsachen und Gesichtspunkte vorgetragen oder neue Beweismittel benannt, die für die Unrichtigkeit der Vorentscheidung sprechen könnten. Die Beklagte war deshalb auch nicht veranlasst, ihre durch rechtskräftiges Urteil bestätigte Entscheidung erneut unter dem Gesichtspunkt einer Unrichtigkeit in Frage zu stellen. Auch das Gericht hat aus diesem Grund keinen Anlass gesehen, erneute Ermittlungen durchzuführen (zum Ermittlungsumfang bei einem Antrag nach § 44 SGB X vgl. BSG, Urteil vom 28.01.1981, 9 RV 29/80).
Der Bescheid der Beklagten vom 30.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.03.2011 erweist sich damit als rechtmäßig, so dass die Klage abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
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