S 30 R 2159/15

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
30
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 30 R 2159/15
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Dr. A., A-Straße, A-Stadt - Klägerin - Proz.-Bev.: Rechtsanwälte B. , B-Straße, B-Stadt - - gegen Deutsche Rentenversicherung Bund, vertreten durch das Direktorium, Ruhrstraße 2, 10709 Berlin - - - Beklagte - Beigeladen: C. , C-Straße, B-Stadt - Beigeladene - Rentenversicherung

Die 30. Kammer des Sozialgerichts München hat auf die mündliche Verhandlung in Mün-chen am 3. November 2016 durch Richter am Sozialgericht als weiterer aufsichtführender Richter K. als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter W. und S. für Recht erkannt:
I. Die Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide vom 06.08.2014 und 10.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.10.2015 zur bescheidsmäßigen Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht für ihre Beschäftigungen ab 01.10.2013 beziehungsweise ab 01.04.2014 verurteilt.

II. Die Beklagte hat der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig zwischen den Beteiligten ist die Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht. Die am XX.XX.1969 geborene Klägerin beantragte am 23.12.2013 bei der Beklagten diese Befreiung wegen ihrer gesetzlichen Pflichtmitgliedschaft in der Bayerischen Apothekerversorgung aufgrund einer Tätigkeit als "Senior specialist pharmacovigilance" bei der B-Firma in B-Stadt seit 01.10.2013. Die Klägerin bezog sich auf ihre Mitgliedschaft in der Bayerischen Landesapothekerkammer seit 01.09.1995. Sie legte eine ausführliche Stellungnahme der Bayerischen Landesapothekerkammer vom 19.12.2013 bei. Darin wurde ausgeführt, aufgrund der von der Klägerin vorgelegten Stellenbeschreibung handele es sich um eine apothekerliche Tätigkeit. Die Klägerin sei verantwortlich für die Bearbeitung, Berichtung und Weiterleitung unerwünschter Ereignisse im Bereich der Arzneimittelsicherheit. Als Anforderung für das Stellenprofil sei u. a. ein pharmazeutisches Studium genannt. Der Beruf des Apothekers werde nicht nur in öffentli-chen Apotheken und Krankenhausapotheken ausgeübt. Die Qualifikation, die mit der Approbation dokumentiert werde, stelle auch für andere Tätigkeitsbereiche etwa im Bereich der Verwaltung oder der pharmazeutischen Industrie die Zugangsberechtigung dar und bestimme auch dort das berufliche Anforderungsbild. Demgemäß habe die Bundesapothekerkammer auch in einer Veröffentlichung aus dem Jahre 2004 das Berufsbild des Apothekers interdisziplinär definiert; es umfasse auch den Tätigkeitsbereich in der pharmazeutischen Industrie. Auch § 1 der Berufsordnung für Apothekerinnen und Apotheker stelle fest, dass die apothekerliche Tätigkeit in unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen insbesondere in der öffentlichen Apotheke, im Krankenhaus, im pharma-zeutischen Großhandel, in der pharmazeutischen Industrie, in Prüfinstitutionen, bei der Bundeswehr, bei Behörden und Körperschaften, an der Universität und an Lehranstalten und Berufsschulen ausgeübt werden könne. Der Auftrag des Apothekers umfasse je nach individuellem Tätigkeitsbereich die Entwicklung, Herstellung, Prüfung und Abgabe von Arzneimitteln, insbesondere die Beratung und Betreuung der Patienten, die Beratung der Ärzte und anderer Beteiligte im Gesundheitswesen, die Sicherstellung des ordnungsgemäßen Umgangs mit Arzneimitteln, Forschung, Lehre und Verwaltung, die Tätigkeit als Sachverständiger sowie weitere pharmazeutische Leistungen, wobei er sich auf Medizinprodukte sowie sonstige apothekenübliche Waren und Tätigkeiten bezieht und auch die Mitarbeit bei qualitätssichernden und präventiven Maßnahmen umfasst. Die Klägerin unterliege aufgrund der von ihr beschriebenen pharmazeutischen Tätigkeit der Berufsord-nung für Apothekerinnen und Apotheker. Gleichzeitig liege kraft Gesetzes eine Mitgliedschaft in der Bayerischen Landesapothekerkammer vor. Die Stellungnahme verwies auf einen von diesen Prinzipien geleiteten Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 17.11.2011 mit dem Aktenzeichen L 8 KR 77/11 B ER. Mit Bescheid vom 06.08.2014 lehnte die Beklagte die Befreiung der Klägerin von der Ver-sicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) ab. Sie verwies zur Begründung darauf, dass die befreiungsfähige apothekerliche Tätigkeit nur berufsspe-zifisch sei, wenn sie zwingend die Approbation als Ärztin voraussetze und gleichzeitig dem typischen durch die Hochschulausbildung und entsprechenden Hochschulabschluss geprägten Berufsbild und Tätigkeitsbereich der Apothekerin entspreche. Eine berufsspezifische Tätigkeit sei nicht bereits gegeben, wenn noch Kenntnisse und Fähigkeiten der pharmazeutischen Ausbildung mit verwendet werden. Es müsse sich um eine approbati-onspflichtige Tätigkeit handeln. Laut Stellenbeschreibung lägen die Aufgabenschwerpunkte der Klägerin nicht auf pharmazeutischem Gebiet, sondern im Bereich des Managements. Hiergegen erhob die Klägerin ausführlich Widerspruch und trug ergänzend vor, seit Mitte März 2014 auch in der Arzneimittelzulassung tätig zu sein. Sie erweiterte ihren Befrei-ungsantrag auf diesen Tätigkeitsbereich. Zur Widerspruchsbegründung wies sie auf das hohe wissenschaftliche Niveau der Bewertung und Weiterleitung unerwünschter Ereignisse und Reaktionen im Bereich der Arzneimittelsicherheit hin, wofür ein wissenschaftliches Studium mit Approbation eine fachgemäße Grundlage bilde. Der Arzneimittelsicherheit sein grundlegendes und ureigenes Betätigungsfeld für Apotheker. Der Arzneimittelsicher-heit (Pharmakovigilanz) sei in der Pharmabranche ein wichtiger und wachsender Bereich, der stark von nationalen, europäischen und internationalen Gesetzen und Richtlinien bestimmt werde. Wegen der breit angelegten Hochschulausbildung von Apothekern seien diese für den Bereich Arzneimittelsicherheit bestens geeignet. Tätigkeiten in diesem Bereich seien unbestreitbar berufsspezifisch für Apotheker. Die aus klinischen Studien bzw. Anwendungsbeobachtungen gewonnenen neuen Erkenntnisse zur Arzneimittelsicherheit und zum Wirkungs- und Nebenwirkungsspektrum eines Arzneimittels würden in die Informationen für die Fachkreise sowie für die Anwender einfließen und eine wichtige Grundlage für die sichere Anwendung des Arzneimittels bieten. Die B-Firma GmbH sei ein pharmazeutischer Dienstleister, der Inhaber von Arzneimittelzulassungen in allen essenziellen Arzneimittelbelangen unterstütze. Wie schon die Landesapothekerkammer verwies auch die Klägerin auf § 1 der Berufsordnung für Apothekerinnen und Apotheker der Baye-rischen Landesapothekerkammer mit den dort beschriebenen breiten Tätigkeitsbereichen für Apotheker. Für die ab März 2014 zusätzlich ausgeübte Tätigkeit als Project Manager Regulatory Affairs war im Anforderungsprofil "vorzugsweise" die Approbation als Apothe-ker verlangt. Eine mit Stand vom März 2014 aktualisierte Stellenbeschreibung für Senior Spezialist Pharmacovigilance verlangte nunmehr ohne Einschränkungen die Approbation als Apotheker.

Die Landesapothekerkammer bestätigte auch für das erweiterte Tätigkeitsprofil der Klägerin die apothekerliche Tätigkeit. Sie aktualisierte ihre Rechtsprechungshinweise mit der Zitierung des rechtskräftigen Urteils des Sozialgerichts Mainz vom 20.12.2013 mit dem Aktenzeichen S 10 R 369/11. Entsprechend Anforderung der Beklagten legte die Klägerin ergänzend die vertraglichen Vereinbarungen für ihre ab 01.10.2013 und (nunmehr präzi-sierend) ab 01.04.2014 ausgeübten Tätigkeiten vor. Ein Bescheid der Beklagten vom 10.11.2014 lehnte auch für die nunmehrige Tätigkeit der Klägerin als Project Manager Regulatory Affairs die Befreiung von der Versicherungs-pflicht ab. Auf die inzwischen breite Argumentation der Klägerin ging sie nicht ein, sondern begnügte sich mit dem Hinweis auf die durch das Wort "vorzugsweise" dokumentierte Relativierung der Notwendigkeit einer Approbation als Apothekerin für die Tätigkeit. Die Klägerin erhob auch gegen diesen Bescheid Widerspruch und versuchte nochmals, die breite Anwendung des Apothekerberufs bereits in der Arzneimittelzulassung und nicht erst im Arzneimittelverkauf zu erläutern. Die Arzneimittelzulassung und die Arzneimittelsi-cherheit seien grundlegende und ureigene Betätigungsfelder für Apotheker. Mit Widerspruchsbescheid vom 05.10.2015 wies die Beklagte beide Widersprüche zurück. Sie hielt an der Formel fest, eine befreiungsfähige Apothekertätigkeit liege nur vor, wenn die Tätigkeit objektiv zwingend die Approbation als Apotheker voraussetze und gleichzeitig dem typischen durch die Hochschulausbildung und den entsprechenden Hochschulab-schluss geprägten Berufsbild und Tätigkeitsbereich des Apothekers entspreche. Typisch sei diese Tätigkeit bei der Entwicklung, Herstellung, Prüfung oder Abgabe von Arzneimit-teln unter der Berufsbezeichnung "Apotheker". Die Klägerin sei hingegen vorrangig mit Berichtswesen und Managementaufgaben befasst. Die Klage hält am Begehren der Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht fest. Sie argumentiert mit der Präambel einer Schrift der Bundesapothekerkammer, wonach der Apotheker seinen Beruf in verschiedenen Tätigkeitsbereichen ausübe, hierunter auch in der pharmazeutischen Industrie. Die Aufgaben des Apothekers in der pharmazeutischen Industrie würden dort umrissen mit "Sammlung, Dokumentation und Auswertung der Informationen über Beanstandungen bei Arzneimitteln und Medizinprodukten, insbe-sondere Qualitätsmängel sowie Risiken wie Nebenwirkungen, Wechselwirkungen, Ge-genanzeigen und Hinweisen auf Missbrauch sowie Koordination der notwendigen inner-betrieblichen Maßnahmen, Information der Arzneimittelkommissionen der Heilberufe und der zuständigen Behörden (Pharmakovigilanz)". Die Klägerin übe eine Tätigkeit aus, die exakt dem Berufsbild entspreche, das die Bundesapothekerkammer selbst erarbeitet h-be. Die Klage verwies zur Stützung des Befreiungsbegehrens auf das rechtskräftige Urteil des Sozialgerichts München vom 05.02.2015 mit dem Aktenzeichen S 15 R 928/14.

Hiernach lässt sich die von der Beklagten aufgestellte Befreiungsvoraussetzung, dass die Approbation als Apotheker zwingende Voraussetzung für die Ausübung einer Apotheke-rinnentätigkeit sein müsse, weder aus dem Gesetz noch aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung ableiten. Bei einer Tätigkeit, die sich mit der Entwicklung, Herstellung und Prüfung von Medikamenten der Humanmedizin in der pharmazeutischen Industrie befasst, spreche eine tatsächliche Vermutung für eine apothekerliche Tätigkeit. Mit der Forderung nach einer Tätigkeit mit zwingender Approbationsvoraussetzung verenge die Beklagte den Apothekerberuf auf Tätigkeiten in der öffentlichen Apotheke und der Krankenhaus-apotheke. Ein Blick in die Approbationsordnung für Apotheker zeige, dass deren Ausbildung interdisziplinär angelegt sei, so dass ein Zusammenarbeiten mit anderen Disziplinen wie Chemikern, Biochemiekern und sogar Physikern bei der Entwicklung, Herstellung und Prüfung von Medikamenten im apothekerlichen Berufsbild angelegt sei. Bei der Tätigkeit von Pharmazeuten in der pharmazeutischen Industrie spreche eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Tätigkeit berufsspezifisch sei. Die apothekerliche Aufgabe der Medikamentenentwicklung bzw. -herstellung finde heutzutage nicht mehr der öffentlichen Apotheke, sondern primär in den Kliniken im engen Verbund mit der pharmazeutischen Industrie statt. Nur im Ausnahmefall werde die konkrete Tätigkeit eines Pharmazeuten in der pharmazeutischen Industrie so weit vom Kernbestand der apothekerlichen Tätigkeit entfernt sein, dass eine berufsspezifische Tätigkeit zu verneinen wäre. Während des laufenden Rechtsstreits gab das Sozialgericht München auch in dem Urteil S 56 R 1777/15 vom 17.12.2015 dem Befreiungsbegehren einer Apothekerin für eine Tätigkeit in der Pharmakovigilanz statt. Die Beklagte verwies zur Stützung ihres Standpunktes auf ein Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 08.09.2015, dass die Befreiung eines Arztes von der Versiche-rungspflicht abgelehnt hatte, der als Unternehmensberater tätig war und hierbei ärztliche Kenntnisse nutzen konnte.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 06.08.2014 und 10.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.10.2015 zu ihrer Befreiung von der Versicherungspflicht für ihre Beschäftigungen ab 01.10.2013 bzw. ab 01.04.2014 zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat die Akten der Beklagten beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakte sowie auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage wurde nach Durchführung des gesetzlich vorgeschriebenen Widerspruchsverfahrens form- und fristgerecht beim zuständigen Gericht erhoben und ist somit zulässig. Sie ist auch begründet. § 6 Absatz 1 S. 1 Nr. 1 SGB IV gebietet auf Antrag die Befreiung derjenigen Beschäftigten und selbstständig Tätigen von der Versicherungspflicht, die we-gen ihrer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit kraft Gesetzes Mitglied einer öf-fentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe und zugleich kraft Gesetzes Mitglied einer berufsständischen Kammer sind. Mit weiteren vorliegend unstrittigen Anforderungen hat der Gesetzgeber eine in den neun-ziger Jahren beobachtete Tendenz beschränkt, immer neuen Berufsgruppen durch Schaf-fung oder Ausweitung von Versorgungswerken außerhalb der Rentenversicherung die Befreiung hiervon zu ermöglichen. Ein Rentenversicherungsträger hat sich bei der Prüfung einer kraft Gesetzes eintretenden Versicherungsfreiheit nach § 5 SGB VI und einer auf Antrag einzuräumenden Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 SGB VI zunächst bei mehreren Varianten in hohem Maße an den Entscheidungen eines jeweils anderen Rechtsträgers zu orientieren. So hat der Rentenversicherungsträger keine Prüfungskompetenz über das für § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 maßgebliche Beamtenverhältnis oder über die Rechtmäßigkeit der Gewährleistungsentscheidung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI. Auch die Aufnahme einer Apothekerin in die Apothekerkammer und das ihr zugeordnete Versorgungswerk hat eine erhebliche Tatbestandswirkung. Der Rentenversicherungsträger darf und muss angesichts solcher Aufnahmeentscheidungen zunächst durchaus an-nehmen, dass es sich bei der entsprechenden Person um eine Apothekerin im apothekerlichen Beruf handelt. Gleichwohl ist vom Gesetz gedeckt und von der Rechtsprechung anerkannt, dass durch den Rentenversicherungsträger geprüft werden muss, ob die Mit-gliedschaft in einer entsprechenden berufsständischen Versorgungseinrichtung auf genau jener Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit beruht, für die eine Befreiung von der Versicherungspflicht begehrt wird. Eine solche Prüfung könnte im Einzelfall auch zu dem abweichenden Ergebnis führen, dass beispielsweise eine journalistische Tätigkeit in einer mit Fragen der gesundheitsbewussten Ernährung befassten Redaktion oder eine admi-nistrative Funktion in der Verwaltung eines Krankenhauses oder eine kommerzielle Tätig-keit im Zusammenhang mit Produktion und Bewerbung von Nahrungsergänzungsmitteln unter lediglich beiläufiger Nutzung pharmakologischer Kenntnisse ggfs. unter werbewirksamer Nutzung eines Doktortitels ohne berufsspezifischen Zusammenhang mit der zur Mitgliedschaft im Versorgungswerk führenden Berufsausübung bleibt.

In diesem Zusammenhang zu verstehen ist das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 08.09.2015 L 19 R 554/11, in dem es um einen Unternehmensberater ging, der Kenntnisse aus seinem studierten Beruf als Arzt naturgemäß in einer eher weitgefassten und unverbindlichen Ableitung "noch" nutzen konnte. Vorliegend ist jedoch mit ausreichender Deutlichkeit und unwidersprochen belegt, dass die Tätigkeitsbereiche der Klägerin sowohl ab 2013 in der Pharmakovigilanz als auch ab 2014 in der Arzneimittelzulassung durch eine streng wissenschaftliche Arbeitsweise gekennzeichnet sind und in größter Unmittelbarkeit dem pharmazeutischen Produkt, dem Heilmittel gewidmet sind. Die systematische Erfassung von Nebenwirkungen und Neben-wirkungsrisiken kann sowohl unter unmittelbar fachlichen als auch unter ethischen Aspekten nur ausgebildeten und geprüften Ärzten und selbstverständlich auch Apothekern anvertraut werden. Die Beklagte verkennt den Sachverhalt und ignoriert sorgfältiges Vorbringen, wenn sie die Klägerin im Bereich von Werbung und Vertrieb für Arzneimittel oder im Bereich von Management und Berichtswesen ansiedelt. Die Klägerin hat sorgfältig dargelegt, dass sie ausschließlich im Bereich der Forschung und Zulassung arbeitet und nicht einmal am Rande mit Verkauf oder interner Firmenorganisation befasst ist. Die Beklagte legt viel zu großen Wert auf ein überkommenes apothekerliches Berufsbild, das nur den durch Zubereitung und persönliche Abgabe von Medikamenten an den Pati-enten charakterisierten Apotheker alter Schule kennen will. Wie bei der bis zur gesetzli-chen Neuregelung gerichtlich zu prüfenden Fallgruppe der Befreiung von Rechtsanwälten bei nichtanwaltlichen Arbeitgebern zeigt der Blick auf die gesellschaftliche Wirklichkeit, dass die Zugrundelegung "klassischer" Berufsbilder heute nicht mehr zu Ergebnissen ausreichender Schärfe führt. Die Pharmaindustrie ist, gerade weil sie sich wegen schwerer Fehlleistungen (Stichworte Contergan und HIV-infizierte Blutpräparate) im Kreuzfeuer öf-fentlicher Kritik behaupten muss, nicht einfach nur eine verkaufs- und gewinnorientierte kleine Schwester der Chemieindustrie, sondern ein breites Betätigungsfeld für höchst verantwortlich arbeitende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Das gleiche gilt für die der Pharmaindustrie zuarbeitenden Dienstleister im Bereich der Pharmakovigilanz und der Medikamentenzulassung. Bei genauerer Betrachtung ist die Arbeitsweise der Klägerin in Wirklichkeit sogar näher am "Produkt Medikament" angesiedelt als heute der dem Publikum gegenübertretende Apotheker. Die Herstellung und Dosierung von Medikamen-ten findet bekanntlich heute so gut wie nicht mehr im Hinterzimmer der städtischen oder ländlichen Apotheke statt, sondern in der Fabrik und mithin im Arbeitsfeld der Klägerin. Die Arbeitsweise des klassischen Apothekers hat heute durchaus Anteile an der Arbeitsweise eines schlichten Verkäufers, der fertig konfigurierte und verpackte Produkte über die The-ke reicht und genauso wie der Patient auf die Packungsbeilage vertrauen muss.

Die angegriffenen Bescheide betonen stark und schematisch, dass als Einstellungsvo-raussetzung für die Klägerin nicht unbedingt ein abgeschlossenes pharmakologisches Studium verlangt wurde. Die Klägerin und die Landesärztekammer haben im Laufe des Verwaltungs- und Gerichtsverfahren jedoch deutlich genug herausgearbeitet, dass eine nicht näher bestimmte ersatzweise genügende Berufserfahrung im pharmazeutischen Umfeld ebenfalls von höchster Qualifikation sein müsste und kaum unterhalb eines abgeschlossenen medizinischen, tiermedizinischer oder pharmakologischen Studiums zu er-reichen sein könnte. Ärzte wie auch Apotheker sind in entsprechenden Versorgungswer-ken erfasst und können die Befreiung von der Rentenversicherung beantragen. Es kann nicht angehen, Mediziner mit dem Hinweis auf ihre Ersetzbarkeit durch Pharmakologen und Pharmakologen mit dem Hinweis auf ihre Ersetzbarkeit durch Mediziner von der Befreiung auszuschließen. Insoweit wendet das Gericht den Rechtsgedanken des Urteils des bayerischen Landessozialgerichts vom 10.07.2014 mit dem Az. L 14 R 1207/13 an. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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