Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 26 RJ 944/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 5 RJ 13/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. April 2002 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin außergerichtliche Kosten des Rechts- streits nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit.
Die 1960 geborene Klägerin absolvierte in der DDR vom 1. September 1977 bis zum 15. Februar 1980 eine Ausbildung zur Facharbeiterin für Nachrichtentechnik und war anschließend bis 31. Dezember 1991 als Elektronikfacharbeiterin mit der Wartung und Instandsetzung von Radaranlagen beschäftigt. Nach längerer Arbeitslosigkeit und Krankheit sowie einer gut einjährigen Tätigkeit als Bauhelferin wurde sie ab dem 28. Mai 1997 zur Fliesenlegerin umgeschult und legte am 23. Februar 1999 vor der IHK zu Berlin die Abschlussprüfung im Ausbildungsberuf Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerin ab. Nach Arbeitslosigkeit und Krankheit war sie vom 10. Januar bis 31. Juli 2000 im Umschulungsberuf versicherungspflichtig beschäftigt. Anschließend war sie wieder arbeitslos und stellte bei der Beklagten am 12. Dezember 2000 einen Reha- sowie am 14. Dezember 2000 einen Rentenantrag mit der Begründung, seit September 1999 wegen Alkoholismus und Rückenbeschwerden nicht mehr leistungsfähig zu sein.
Die Beklagte ermittelte im Versicherungskonto der Klägerin 223 Beitragsmonate, davon 61 in der Zeit vom 14. Dezember 1995 bis zum 13. Dezember 2000, und ließ die Klägerin von dem Arzt für Innere Medizin und Psychiatrie Dr. T untersuchen. In seinem am 14. Februar 2001 abgeschlossenen Gutachten erhob er die Diagnosen Cervikalsyndrom sowie Abstinenz bei Alkoholkrankheit und führte zum Leistungsvermögen aus, dass die Klägerin noch sechs Stunden und mehr mittelschwere Arbeiten verrichten könne. Bei wenig auffälligem orthopädischen Untersuchungsbefund bezüglich des geklagten degenerativen Cervikalsyndroms könne davon ausgegangen werden, dass innerhalb einer Frist von maximal 6 Monaten unter Bedingungen verbesserter ambulanter Therapie unter Einschluss gezielter Krankengymnastik das Leistungsvermögen derart wieder hergestellt werden könne, dass die Tätigkeit als Fliesenlegerin ausgeübt werden könne. Häufige Tätigkeiten mit Überkopfarbeit sowie häufiges Heben und Tragen schwerer Lasten sollten unterbleiben, eine Alkoholexposition sei zu vermeiden. Nachdem auch der Prüfarzt Dr. F in seiner Stellungnahme vom 20. Februar 2001 die Auffassung vertreten hatte, dass die Klägerin mittelschwere Arbeiten in wechselnder Haltung ohne häufiges Heben, Tragen und Bewegen von Lasten noch vollschichtig verrichten könne und daher in ihrer letzten Tätigkeit als Fliesenlegerin sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch vollschichtig einsetzbar sei, wies die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin mit Bescheid vom 23. Februar 2001, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 14. März 2001, im Wesentlichen mit der Begründung zurück, die Klägerin sei nicht berufs- oder erwerbsunfähig im Sinne der §§ 43, 44 Sozialgesetzbuch - SGB - VI. Nach den gutachterlichen Feststellungen des Dr. T sei unter verbesserter ambulanter Therapie in einer Frist von maximal 6 Monaten davon auszugehen, dass sie die Tätigkeit als Fliesenlegerin weiterhin ausüben könne, so dass sie allenfalls arbeitsunfähig, aber nicht berufsunfähig und schon gar nicht erwerbsunfähig sei.
Mit der am 10. April 2001 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Rentenbegehren weiterverfolgt und geltend gemacht, dass sie aufgrund ihrer Halswirbelsäulenbeschwerden nicht mehr im Umschulungsberuf als Fliesenlegerin arbeiten könne. Das Sozialgericht hat Befundberichte von den behandelnden Ärzten der Klägerin angefordert, und zwar von dem Orthopäden S und der Allgemeinmedizinerin B als Praxisnachfolgerin der früher behandelnden Hausärztin B. Ferner gelangte das arbeitsamtsärztliche Gutachten der Dr. Z vom 19. Oktober 2000 zu den Akten, demzufolge die Klägerin noch leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Haltung ohne Überkopfarbeit, häufiges Bücken, Absturzgefahr oder Nässe, Kälte und Zugluft verrichten könne. Ständig einseitige Körperhaltungen, insbesondere auch ständiges Stehen seien zu vermeiden. Als Fliesenlegerin sei die Klägerin dauerhaft nicht mehr geeignet, für eine berufliche Rehabilitation unter Beachtung der Einschränkungen bestehe ausreichende Belastbarkeit. Das Gericht hat berufskundliche Unterlagen zur Tätigkeit des Fliesen-, Platten- und Mosaiklegers (Auszüge aus gabi Grundwerk ausbildungs- und berufskundlicher Informationen Nr. 483) in das Verfahren eingeführt und mit Urteil vom 16. April 2002 dem Antrag der Klägerin folgend die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 23. Februar 2001 sowie des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2001 verurteilt, der Klägerin Rente wegen Berufsunfähigkeit seit dem 1. Dezember 2000 zu gewähren. In den Entscheidungsgründen, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Gericht im Wesentlichen sinngemäß ausgeführt, die zulässige, auf die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit beschränkte Klage sei begründet. Maßgebend sei gemäß § 300 Abs. 2 SGB VI noch § 43 SGB VI in der Fassung des Gesetzes vom 2. Mai 1996 (BGBl. I S. 659). Danach hätten Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie berufsunfähig seien, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit hätten und vor Eintritt der Berufsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt sei. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift seien berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig oder seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken sei, wobei der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit der Versicherten zu beurteilen sei, alle Tätigkeiten umfasse, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprächen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden könnten. Nach Abs. 2 Satz 4 der Vorschrift sei nicht berufsunfähig, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben könne, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen sei.
Maßgebender bisheriger Beruf der Klägerin sei der von ihr mit IHK-Prüfung erlernte Ausbildungsberuf der Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerin, den sie zur Überzeugung des Gerichtes nicht mehr ausüben könne. Der Auffassung des Prüfarztes Dr. F, die sich die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zu Eigen gemacht habe, dass die Klägerin noch vollschichtig als Fliesenlegerin einsatzfähig sei, könne nicht gefolgt werden. Die Klägerin könne unstreitig nur noch körperlich mittelschwere Arbeiten im Wechsel aller Haltungsarten verrichten, wobei häufiges Bücken, Heben, Tragen und Bewegen von Lasten zu vermeiden sei. Es könne dahingestellt bleiben, ob das Leistungsvermögen der Klägerin entsprechend dem arbeitsamtsärztlichen Gutachten vom 19. Oktober 2000 noch weiter eingeschränkt sei, denn ausweislich der beigezogenen berufskundlichen Unterlagen sei die zuletzt ausgeübte Tätigkeit der Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerin zeitweise mit schwerem Heben und Tragen von Lasten verbunden und werde im Stehen, mit Zwangshaltungen wie Knien, Hocken, Bücken und Überkopfarbeiten ausgeübt. Da die Klägerin glaubhaft und nachvollziehbar im Termin zur mündlichen Verhandlung bekundet habe, dass sie weiterhin unter den Beschwerden seitens der Halswirbelsäule leide, sei ihr Leistungsvermögen im Umschulungsberuf als aufgehoben zu erachten. Wie sich aus § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI a.F. ergebe, sei die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit nicht bereits dann geboten, wenn die zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht mehr ausgeübt werden könne, sondern nur dann, wenn der Versicherte auch nicht auf einen ihm objektiv und sozial zumutbaren Beruf verwiesen werden könne. In diesem Sinne sei die von Amts wegen zu beachtende materiell-rechtliche rechtshindernde Einwendung zu prüfen, ob der Versicherte fähig sei, eine zumutbare Verweisungstätigkeit vollwertig und vollschichtig zu verrichten. Hierfür obliege dem Versicherungsträger sowohl die Darlegungs- als auch die objektive Beweislast (vgl. insoweit die Entscheidung des BSG - 4 RA 60/94 -). Vorliegend habe die Beklagte der ihr solcher Art obliegenden Darlegungslast in keiner Weise genügt.
Gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sei der Klägerin die begehrte Rente wegen Berufsunfähigkeit vom 1. Dezember 2000 an zu gewähren.
Gegen das ihr am 4. Juni 2002 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 24. Juni 2002 Berufung eingelegt und zur Begründung geltend gemacht, die Annahme, dass die Klägerin weiterhin im Umschulungsberuf vollschichtig einsetzbar sei, sei durchaus begründet, da dabei nur zeitweise das Heben und Tragen schwerer Lasten gefordert werde und computertomographisch kein relevanter Wirbelsäulenschaden im Sinne eines Bandscheibenprolapses oder einer Spinalkanalstenose habe nachgewiesen werden können. Weitere Ermittlungen zur Feststellung des aktuellen Leistungsvermögens habe das Sozialgericht nicht durchgeführt. Aber selbst wenn man den medizinischen Feststellungen der Arbeitsverwaltung folgen würde, kämen für die Klägerin noch diverse Verweisungstätigkeiten in Betracht, und zwar insbesondere unter Berücksichtigung der vor der Umschulung bereits absolvierten Berufsausbildung und ausgeübten Tätigkeit als Facharbeiterin für Nachrichtentechnik. In Betracht kämen aus anderen sozialgerichtlichen Entscheidungen bekannte Verweisungstätigkeiten z.B. als Hausmeister, Reparaturelektriker von Kleinaggregaten bzw. Lager- und Materialverwalter in der Elektroindustrie, als Abnahme- und Funktionskontrolleur sowie Tätigkeiten bei der Herstellung von Kabelbäumen für die Automobilindustrie, der Schaltschrankverdrahtung und in einem elektrotechnischen Ingenieurbüro. Hinsichtlich der vom Sozialgericht angenommenen Darlegungs- und objektiven Beweislast des Rentenversicherungsträgers in Bezug auf Verweisungstätigkeiten werde auf das Urteil des BSG vom 5. April 2001 - B 13 RJ 23/00 R - zu den Amtsermittlungspflich-ten der Sozialgerichtsbarkeit unter Berücksichtigung der bereits zitierten Entscheidung des 4. Senats des BSG verwiesen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. April 2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Im Rahmen des von der Beklagten durchgeführten Rehabilitationsverfahrens ist am 25. Juli 2002 eine weitere Begutachtung durch die Ärztin für Innere Medizin und Sozialmedizin Dr. W-H erfolgt, die bei der Klägerin ein degeneratives Cervikalsyndrom mit rezidivierenden Cervicocephalgien, eine Alkoholkrankheit im Stadium der Abstinenz seit 10 Jahren sowie wiederkehrende Magenbeschwerden bei Ulcusanamnese diagnostiziert und ihre Leistungsfähigkeit dahin beurteilt hat, dass für die Tätigkeit als Fliesenlegerin keine Belastbarkeit mehr vorliege, auf dem allgemeinen und gehobenen allgemeinen Arbeitsmarkt jedoch weiterhin leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Stehen, im Gehen und zeitweise im Sitzen unter Vermeidung von Überkopfarbeiten, häufigem Heben, Tragen und Bewegen von Lasten, Zwangshaltungen, extrem schwankenden Temperaturen sowie Vibrationen und Erschütterungen im Umfang von täglich sechs Stunden und mehr zumutbar seien. Nachdem die Klägerin vom 11. bis 22. November 2002 beim Berufsförderungswerk Berlin an einer Maßnahme zur Berufsfindung und Arbeitserprobung und vom 24. März bis 20. Juni 2003 an einem Reha-Vorbereitungslehrgang teilgenommen hat, befindet sie sich seit dem 23. Juni 2003 in einer von der Beklagten geförderten zweijährigen Ausbildung zur Steuerfachangestellten.
Der Senat hat vom Verband der Metall- und Elektroindustrie in Berlin-Brandenburg e.V. eine berufskundliche Auskunft zu den Einsatzmöglichkeiten der Klägerin unter Berücksichtigung ihrer Kenntnisse und Erfahrungen als Nachrichtenelektronikerin und der zu beachtenden körperlichen Leistungsminderungen eingeholt. Der VME hat mit Schreiben vom 7. und 28. November 2003, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird, ausgeführt, dass für die Klägerin eine Tätigkeit als Schaltschrankverdrahterin in Betracht komme.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen. Die die Klägerin betreffenden Rentenakten der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und auch begründet.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts hat die Klägerin keinen Anspruch auf die hier nur streitige Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit.
Der von der Klägerin geltend gemachte Rentenanspruch richtet sich gemäß § 300 Abs. 2 SGB VI noch nach § 43 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung. Wie nach Abs. 2 dieser Vorschrift Berufsunfähigkeit definiert ist, hat das Sozialgericht in seinem Urteil richtig wiedergegeben, hierauf wird Bezug genommen.
Ausgangspunkt für die Prüfung von Berufsunfähigkeit ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG der "bisherige Beruf", den der Versicherte ausgeübt hat (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 107, 169). In der Regel ist dies die letzte nicht nur vorübergehende versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, von der auch bei nur kurzfristiger Ausübung auszugehen ist, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten gewesen ist (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 130, 164). Nach diesen Grundsätzen hat das Sozialgericht zutreffend als bisherigen Beruf der Klägerin ihre letzte Tätigkeit als Fliesenlegerin angenommen. Diesen Beruf kann die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben, weil es sich ausweislich der vom Sozialgericht in das Verfahren eingeführten berufskundlichen Unterlagen hierbei um eine überwiegend mittelschwere Arbeit mit zeitweise schwerem Heben und Tragen handelt, die im Stehen und mit Zwangshaltungen wie Knien, Hocken, Bücken und Überkopfarbeit zu verrichten ist. Demgegenüber kann die Klägerin wegen orthopädischer Beschwerden im Nacken- und Schulterbereich durch eine Fehlhaltung, degenerative Veränderungen und Bandscheibenprotrusionen vollschichtig nur noch leichte bis zeitweilig mittelschwere Arbeiten in wechselnder Haltung oder auch nur im Stehen oder im Gehen und zeitweise im Sitzen, im Freien oder in temperierten Räumen, im Schichtdienst, unter Vermeidung von Nässe, Kälte, Zugluft und starken Temperaturschwankungen, Überkopfarbeit, Armvorhalt, Zwangshaltungen, Vibrationen, Erschütterungen, häufigem Bücken, Heben und Tragen von Lasten über 10 kg verrichten, womit sie als Fliesenlegerin nicht mehr einsatzfähig ist, wovon inzwischen auch die Beklagte ausgeht.
Diese nun unstreitige Feststellung führt jedoch nicht ohne weiteres zu einem Anspruch auf Gewährung von Berufsunfähigkeitsrente, denn diese kommt, wie das Sozialgericht unter Hinweis auf § 43 Abs. 2 SGB VI a.F. im Ansatz richtig erkannt hat, erst dann in Betracht, wenn es nicht zumindest eine andere berufliche Tätigkeit gibt, die der Klägerin sozial zumutbar und für sie sowohl gesundheitlich als auch fachlich geeignet ist.
Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufes. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des BSG die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufes haben, gebildet worden. Dementsprechend werden die Gruppen durch die Leitberufe des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (vgl. z.B. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 132, 138, 140). Grundsätzlich darf der Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf die nächst niedrigere Gruppe verwiesen werden (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 143). Zwar hat die Klägerin ihren maßgebenden bisherigen Beruf als Fliesenlegerin in weniger als zwei Jahren erlernt, nämlich vom 28. Mai 1997 bis zum 23. Februar 1999. Es handelte sich dabei allerdings um eine für die Umschulung Erwachsener verkürzte Fortbildungsmaßnahme, die - worauf es hier rechtlich ankommt - von der Klägerin erfolgreich mit der IHK-Prüfung im Ausbildungsberuf Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerin abgeschlossen worden ist, die bei regulärem Ausbildungsgang nach drei Jahren abzulegen ist. Damit steht der Klägerin Berufsschutz als Facharbeiterin zu, so dass für sie als sozial zumutbare Verweisungstätigkeiten nur andere Facharbeitertätigkeiten oder qualifizierte Anlerntätigkeiten in Betracht kommen, die eine echte Anlernzeit von mehr als drei Monaten erfordern, für die die Klägerin jedoch aufgrund ihrer Fähigkeiten, Kenntnisse und beruflichen Erfahrungen eine persönliche Anlernzeit von nicht mehr als drei Monaten benötigt.
Die Beklagte rügt zu Recht, dass das Sozialgericht sie ohne weiteres zur Rentengewährung verurteilt hat, ohne auch nur irgendeine Verweisungstätigkeit unter Berücksichtigung des gesamten Berufslebens der Klägerin in Betracht zu ziehen. Zwar hat die Beklagte hierzu nichts vorgetragen, was sie von ihrem Standpunkt aus aber auch nicht musste, weil sie, gestützt auf die Beurteilung ihrer Ärztlichen Abteilung, zunächst davon ausgegangen ist, dass die Klägerin bei Intensivierung und Ausschöpfung ambulanter medizinischer Behandlung in einem Zeitraum von nicht mehr als sechs Monaten weiter oder wieder in ihrem letzten Beruf als Fliesenlegerin einsetzbar sein würde. Abgesehen davon, dass das Sozialgericht der Beklagten die Verletzung ihrer Darlegungspflicht vorgeworfen hat, ohne sie überhaupt zur Benennung von Verweisungstätigkeiten aufzufordern, hat es mit der umgehenden Verurteilung der Beklagten zur Rentengewährung seine eigene Amtsermittlungspflicht aus § 106 Sozialgerichtsgesetz - SGG - verletzt, die nicht etwa wegen der Ausführungen in dem von ihm zitierten Urteil des 4., für Rentenstreitigkeiten der Angestellten zuständigen Senats des BSG obsolet gewesen ist.
Der 13. Senat des BSG hat in seinem zum Recht der Arbeiterrentenversicherung ergangenen Urteil vom 5. April 2001 - B 13 RJ 23/00 R - in diesem Zusammenhang Folgendes klargestellt:
"Der Umfang der dem Tatsachengericht obliegenden Amtsermittlungspflicht richtet sich nach dem Streitgegenstand, d.h. nach dem Anspruch des Klägers sowie der Verteidigung des Beklagten und der möglichen Entscheidung des Gerichts (Meyer-Ladewig, SGG, 6. Auf., § 103 RdNr. 4); die Ermittlungen haben sich somit auf alle Umstände zu beziehen, die rechtlich erheblich sind (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 2. Auf., Kap. III RdNr. 11; Wenner/Terdenge/Martin, Grundzüge der Sozialgerichtsbarkeit, 2. Aufl., RdNr. 321). Zwar haben die Beteiligten die Pflicht, an der Ermittlung des Sachverhaltes mitzuwirken (§ 103 Satz 1 Halbsatz 2 SGG), eine Beweisführungslast oder -pflicht i.S. der Verpflichtung, die Beweismittel selbst beizubringen, haben sie dagegen nicht (Meyer-Ladewig aaO RdNr. 19; zum Umfang der Mitwirkungspflicht vgl. auch Krasney/Udsching aaO Kap III RdNr. 16). Die Frage nach der Verteilung der sog. objektiven Beweislast stellt sich erst, wenn das Gericht bestimmte Tatsachen trotz Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten nicht feststellen kann (BSGE 27, 40 = SozR Nr. 8 zu § 548 RVO).
Den notwendigen Ermittlungen zur Prüfung etwa vorhandener Verweisungsberufe durfte das Berufungsgericht sich auch nicht unter Bezugnahme auf das Urteil des 4. Senats des BSG vom 14. Mai 1996 - 4 RA 60/94 - (BSGE 78, 207 = SozR 3-2200 § 43 Nr. 13) mit dem Hinweis entziehen, die Beklagte sei ihrer Pflicht zur Benennung einer zumutbaren Verweisungstätigkeit nicht nachgekommen und es sei weder das Recht noch die Pflicht der zur Neutralität verpflichteten Tatsacheninstanzen der Sozialgerichtsbarkeit, von Amts wegen Beweise zu erheben, wenn sich weder aus dem Beteiligtenvorbringen noch aus der Aktenlage oder aus Gerichts- oder Allgemeinkunde konkrete Anhaltspunkte für das Vorhandensein eines fachlich und gesundheitlich zumutbaren Vergleichsberufs aufdrängten. Soweit der 4. Senat in der zitierten Entscheidung auf die dem Versicherungsträger obliegende Darlegungslast und objektive Beweislast für das Vorhandensein eines zumutbaren Verweisungsberufs verwiesen hat, darf dies nicht verwechselt werden mit dem im zivilprozessualen Verfahren geltenden Beibringungsgrundsatz, wonach der Beteiligte, der sich auf eine ihm günstige Tatsche beruft, die Beweismittel für das Vorliegen dieser Tatsache beizubringen hat.
Auch der 4. Senat geht in der zitierten Entscheidung grundsätzlich von der Amtsermittlungspflicht der Tatsacheninstanzen aus und hat lediglich einschränkend ausgeführt, dass dieser Grundsatz nicht zu Ermittlungen ‘ins Blaue hinein’ oder zur Erhebung von Ausforschungsbeweisen verpflichtet (BSGE 78, 207,213 = BSG SozR 3-2600 § 43 Nr. 13). Der Hinweis des 4. Senats auf die Neutralitätspflicht der Tatsacheninstanzen der Sozialgerichtsbarkeit entbindet diese Gerichte aber nicht von der im Gesetz verankerten Pflicht, von Amts wegen Beweise zu erheben, um den Sachverhalt aufzuklären. Insbesondere hat das Berufungsgericht übersehen, dass die Verpflichtung, von Amts wegen Beweise zu erheben, nur dann nicht (mehr) besteht, wenn sich weder aus dem Beteiligtenvorbringen noch aus der Aktenlage oder aus Gerichts- oder Allgemeinkunde konkrete Anhaltspunkte für das Vorhandensein von Vergleichsberufen aufdrängen (BSGE 78, 207, 216 = (SozR 3-2600 § 43 Nr. 13). Auch nach dem erwähnten Urteil ist demnach konkreten, sich aufdrängenden Anhaltspunkten im Wege der Amtsermittlung nachzugehen. Im Übrigen hat der 4. Senat in einem anderen Urteil ausdrücklich die Pflicht des Berufungsgerichts betont, nach der Ermittlung des qualitativen Wertes des "bisherigen Berufs" und der dementsprechenden Eingruppierung in das Mehrstufenschema nach einer qualitativ und gesundheitlich ‘zumutbaren’ Verweisungstätigkeit zu suchen (BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 41). Im Einzelfall mag zwar zweifelhaft sein, welches Maß an tatsächlichen Angaben oder Anhaltspunkten vorliegen muss, um die Tatsacheninstanz zu weiteren Ermittlungen zu drängen (vgl. hierzu Wenner/Terdenge/Martin aaO RdNr. 328; Schultes, SGb 1997, 555, 559); ein solcher Zweifelsfall liegt hier aber nicht vor."
Auch im vorliegenden Fall ging es nicht um Ermittlungen "ins Blaue hinein" oder um die Erhebung von Ausforschungsbeweisen, denn angesichts der insgesamt nicht sehr schwerwiegenden gesundheitlichen Einschränkungen bei der erst Anfang 40-jährigen Klägerin, die in der DDR einen hochqualifizierten Beruf erlernt und ausgeübt hat, mussten sich berufskundliche Ermittlungen zu einer Verwertbarkeit ihrer beruflichen Kenntnisse und Erfahrungen förmlich aufdrängen.
Die hierzu erforderlichen Ermittlungen, die der Senat nun als Berufungsgericht nachgeholt hat, haben die Auffassung der Beklagten bestätigt, dass die Klägerin nicht berufsunfähig ist. Nach der berufskundlichen Auskunft, die der Verband der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg e.V. mit Schreiben vom 7. und 28. November 2003 erteilt hat, ist die Klägerin zwar für die von der Beklagten genannten Verweisungstätigkeiten als Reparaturelektrikerin von Kleinaggregaten, Lager- und Materialverwalterin im Bereich der Elektroindustrie sowie für Tätigkeiten als Abnahme- und Funktionskontrolleurin fachlich nicht geeignet, während ihr die Herstellung von Kabelbäumen für die Automobilindustrie als ungelernte Tätigkeit mit einer Unterweisungszeit von weniger als drei Monaten sozial nicht zumutbar ist. Allerdings kommt für sie eine Tätigkeit als Schaltschrankverdrahterin in Frage. Diese Tätigkeit stellt, je nach Kompliziertheit der Schaltschränke, eine Anlerntätigkeit mit einer Anlernzeit von ein bis zwei Jahren oder eine Facharbeitertätigkeit dar und wird in der Regel in trockenen, klimatisierten und hellen Werkräumen ausgeführt. Zwangshaltungen und Überkopfarbeiten sind nicht notwendig. Die Tätigkeit wird bei einfachen Schaltschränken nach Lohngruppe 4, bei komplizierten Schaltschränken in der Lohngruppe 5 - das ist der Ecklohn für Facharbeiter - des Lohntarifvertrages für die Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg eingruppiert. In diesem Tarifgebiet gibt es mindestens 50 derartige Arbeitsplätze, die grundsätzlich frei zugänglich sind. Nach Einschätzung des VME ist die Klägerin als gelernte Elektronikerin in einer Anlernzeit von höchstens drei Monaten in der Lage, den vom Projektanten eines Schaltschrankes ausgearbeiteten spezifischen Anbau der elektrischen Geräte, Schalter und Anzeigegeräte sowie die Verdrahtung größerer elektrischer Querschnitte neu einzuüben.
Da die Klägerin auf diese ihr fachlich, körperlich und sozial zumutbare Tätigkeit verwiesen werden kann, steht ihr keine Rente wegen Berufsunfähigkeit nach § 43 SGB VI a.F. zu. Auch das ab 1. Januar 2001 geltende geänderte Rentenrecht wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach dem SGB VI führt nicht zu einer anderen Beurteilung, da die Klägerin über ein vollschichtiges Leistungsvermögen für die genannte Tätigkeit verfügt. Sofern die Klägerin auf dem Arbeitsmarkt keine freie Stelle als Schaltschrankverdrahterin finden kann, ist dies kein Risiko, für das die Rentenversicherung einzustehen hat. Dass die Beklagte ihr unter Berücksichtigung ihrer qualitativen Leistungsminderung und zur Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess inzwischen eine Umschulung zur Steuerfachgehilfin gewährt, ist für den hier geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung rechtlich ohne Belang.
Nach alledem kann das Urteil des Sozialgerichts keinen Bestand haben. Die Kammer sollte ihre bedenkliche Spruchpraxis korrigieren, die sich nicht mit Erfolg auf die von ihr zitierte Einzelfallentscheidung des 4. Senats des BSG stützen lässt. Indem sie die ihr obliegende Amtsermittlungspflicht vernachlässigt und mit dürftiger, nicht auf ausreichenden Tatsachenfeststellungen beruhender Begründung zu einer stattgebenden Entscheidung kommt, treibt sie die Beklagte geradezu in die Berufung, weckt bei den Versicherten möglicherweise unbegründete Hoffnungen auf eine Rentengewährung und verschiebt die eigentlich ihr obliegenden Tatsachenfeststellungen in die zweite Instanz. Der erkennende Senat hat hier nur im Interesse einer zügigen Beendigung des Rechtsstreits von einer Zurückverweisung der Sache an das Sozialgericht Abstand genommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit.
Die 1960 geborene Klägerin absolvierte in der DDR vom 1. September 1977 bis zum 15. Februar 1980 eine Ausbildung zur Facharbeiterin für Nachrichtentechnik und war anschließend bis 31. Dezember 1991 als Elektronikfacharbeiterin mit der Wartung und Instandsetzung von Radaranlagen beschäftigt. Nach längerer Arbeitslosigkeit und Krankheit sowie einer gut einjährigen Tätigkeit als Bauhelferin wurde sie ab dem 28. Mai 1997 zur Fliesenlegerin umgeschult und legte am 23. Februar 1999 vor der IHK zu Berlin die Abschlussprüfung im Ausbildungsberuf Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerin ab. Nach Arbeitslosigkeit und Krankheit war sie vom 10. Januar bis 31. Juli 2000 im Umschulungsberuf versicherungspflichtig beschäftigt. Anschließend war sie wieder arbeitslos und stellte bei der Beklagten am 12. Dezember 2000 einen Reha- sowie am 14. Dezember 2000 einen Rentenantrag mit der Begründung, seit September 1999 wegen Alkoholismus und Rückenbeschwerden nicht mehr leistungsfähig zu sein.
Die Beklagte ermittelte im Versicherungskonto der Klägerin 223 Beitragsmonate, davon 61 in der Zeit vom 14. Dezember 1995 bis zum 13. Dezember 2000, und ließ die Klägerin von dem Arzt für Innere Medizin und Psychiatrie Dr. T untersuchen. In seinem am 14. Februar 2001 abgeschlossenen Gutachten erhob er die Diagnosen Cervikalsyndrom sowie Abstinenz bei Alkoholkrankheit und führte zum Leistungsvermögen aus, dass die Klägerin noch sechs Stunden und mehr mittelschwere Arbeiten verrichten könne. Bei wenig auffälligem orthopädischen Untersuchungsbefund bezüglich des geklagten degenerativen Cervikalsyndroms könne davon ausgegangen werden, dass innerhalb einer Frist von maximal 6 Monaten unter Bedingungen verbesserter ambulanter Therapie unter Einschluss gezielter Krankengymnastik das Leistungsvermögen derart wieder hergestellt werden könne, dass die Tätigkeit als Fliesenlegerin ausgeübt werden könne. Häufige Tätigkeiten mit Überkopfarbeit sowie häufiges Heben und Tragen schwerer Lasten sollten unterbleiben, eine Alkoholexposition sei zu vermeiden. Nachdem auch der Prüfarzt Dr. F in seiner Stellungnahme vom 20. Februar 2001 die Auffassung vertreten hatte, dass die Klägerin mittelschwere Arbeiten in wechselnder Haltung ohne häufiges Heben, Tragen und Bewegen von Lasten noch vollschichtig verrichten könne und daher in ihrer letzten Tätigkeit als Fliesenlegerin sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch vollschichtig einsetzbar sei, wies die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin mit Bescheid vom 23. Februar 2001, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 14. März 2001, im Wesentlichen mit der Begründung zurück, die Klägerin sei nicht berufs- oder erwerbsunfähig im Sinne der §§ 43, 44 Sozialgesetzbuch - SGB - VI. Nach den gutachterlichen Feststellungen des Dr. T sei unter verbesserter ambulanter Therapie in einer Frist von maximal 6 Monaten davon auszugehen, dass sie die Tätigkeit als Fliesenlegerin weiterhin ausüben könne, so dass sie allenfalls arbeitsunfähig, aber nicht berufsunfähig und schon gar nicht erwerbsunfähig sei.
Mit der am 10. April 2001 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Rentenbegehren weiterverfolgt und geltend gemacht, dass sie aufgrund ihrer Halswirbelsäulenbeschwerden nicht mehr im Umschulungsberuf als Fliesenlegerin arbeiten könne. Das Sozialgericht hat Befundberichte von den behandelnden Ärzten der Klägerin angefordert, und zwar von dem Orthopäden S und der Allgemeinmedizinerin B als Praxisnachfolgerin der früher behandelnden Hausärztin B. Ferner gelangte das arbeitsamtsärztliche Gutachten der Dr. Z vom 19. Oktober 2000 zu den Akten, demzufolge die Klägerin noch leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Haltung ohne Überkopfarbeit, häufiges Bücken, Absturzgefahr oder Nässe, Kälte und Zugluft verrichten könne. Ständig einseitige Körperhaltungen, insbesondere auch ständiges Stehen seien zu vermeiden. Als Fliesenlegerin sei die Klägerin dauerhaft nicht mehr geeignet, für eine berufliche Rehabilitation unter Beachtung der Einschränkungen bestehe ausreichende Belastbarkeit. Das Gericht hat berufskundliche Unterlagen zur Tätigkeit des Fliesen-, Platten- und Mosaiklegers (Auszüge aus gabi Grundwerk ausbildungs- und berufskundlicher Informationen Nr. 483) in das Verfahren eingeführt und mit Urteil vom 16. April 2002 dem Antrag der Klägerin folgend die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 23. Februar 2001 sowie des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2001 verurteilt, der Klägerin Rente wegen Berufsunfähigkeit seit dem 1. Dezember 2000 zu gewähren. In den Entscheidungsgründen, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Gericht im Wesentlichen sinngemäß ausgeführt, die zulässige, auf die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit beschränkte Klage sei begründet. Maßgebend sei gemäß § 300 Abs. 2 SGB VI noch § 43 SGB VI in der Fassung des Gesetzes vom 2. Mai 1996 (BGBl. I S. 659). Danach hätten Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie berufsunfähig seien, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit hätten und vor Eintritt der Berufsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt sei. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift seien berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig oder seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken sei, wobei der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit der Versicherten zu beurteilen sei, alle Tätigkeiten umfasse, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprächen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden könnten. Nach Abs. 2 Satz 4 der Vorschrift sei nicht berufsunfähig, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben könne, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen sei.
Maßgebender bisheriger Beruf der Klägerin sei der von ihr mit IHK-Prüfung erlernte Ausbildungsberuf der Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerin, den sie zur Überzeugung des Gerichtes nicht mehr ausüben könne. Der Auffassung des Prüfarztes Dr. F, die sich die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zu Eigen gemacht habe, dass die Klägerin noch vollschichtig als Fliesenlegerin einsatzfähig sei, könne nicht gefolgt werden. Die Klägerin könne unstreitig nur noch körperlich mittelschwere Arbeiten im Wechsel aller Haltungsarten verrichten, wobei häufiges Bücken, Heben, Tragen und Bewegen von Lasten zu vermeiden sei. Es könne dahingestellt bleiben, ob das Leistungsvermögen der Klägerin entsprechend dem arbeitsamtsärztlichen Gutachten vom 19. Oktober 2000 noch weiter eingeschränkt sei, denn ausweislich der beigezogenen berufskundlichen Unterlagen sei die zuletzt ausgeübte Tätigkeit der Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerin zeitweise mit schwerem Heben und Tragen von Lasten verbunden und werde im Stehen, mit Zwangshaltungen wie Knien, Hocken, Bücken und Überkopfarbeiten ausgeübt. Da die Klägerin glaubhaft und nachvollziehbar im Termin zur mündlichen Verhandlung bekundet habe, dass sie weiterhin unter den Beschwerden seitens der Halswirbelsäule leide, sei ihr Leistungsvermögen im Umschulungsberuf als aufgehoben zu erachten. Wie sich aus § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI a.F. ergebe, sei die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit nicht bereits dann geboten, wenn die zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht mehr ausgeübt werden könne, sondern nur dann, wenn der Versicherte auch nicht auf einen ihm objektiv und sozial zumutbaren Beruf verwiesen werden könne. In diesem Sinne sei die von Amts wegen zu beachtende materiell-rechtliche rechtshindernde Einwendung zu prüfen, ob der Versicherte fähig sei, eine zumutbare Verweisungstätigkeit vollwertig und vollschichtig zu verrichten. Hierfür obliege dem Versicherungsträger sowohl die Darlegungs- als auch die objektive Beweislast (vgl. insoweit die Entscheidung des BSG - 4 RA 60/94 -). Vorliegend habe die Beklagte der ihr solcher Art obliegenden Darlegungslast in keiner Weise genügt.
Gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sei der Klägerin die begehrte Rente wegen Berufsunfähigkeit vom 1. Dezember 2000 an zu gewähren.
Gegen das ihr am 4. Juni 2002 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 24. Juni 2002 Berufung eingelegt und zur Begründung geltend gemacht, die Annahme, dass die Klägerin weiterhin im Umschulungsberuf vollschichtig einsetzbar sei, sei durchaus begründet, da dabei nur zeitweise das Heben und Tragen schwerer Lasten gefordert werde und computertomographisch kein relevanter Wirbelsäulenschaden im Sinne eines Bandscheibenprolapses oder einer Spinalkanalstenose habe nachgewiesen werden können. Weitere Ermittlungen zur Feststellung des aktuellen Leistungsvermögens habe das Sozialgericht nicht durchgeführt. Aber selbst wenn man den medizinischen Feststellungen der Arbeitsverwaltung folgen würde, kämen für die Klägerin noch diverse Verweisungstätigkeiten in Betracht, und zwar insbesondere unter Berücksichtigung der vor der Umschulung bereits absolvierten Berufsausbildung und ausgeübten Tätigkeit als Facharbeiterin für Nachrichtentechnik. In Betracht kämen aus anderen sozialgerichtlichen Entscheidungen bekannte Verweisungstätigkeiten z.B. als Hausmeister, Reparaturelektriker von Kleinaggregaten bzw. Lager- und Materialverwalter in der Elektroindustrie, als Abnahme- und Funktionskontrolleur sowie Tätigkeiten bei der Herstellung von Kabelbäumen für die Automobilindustrie, der Schaltschrankverdrahtung und in einem elektrotechnischen Ingenieurbüro. Hinsichtlich der vom Sozialgericht angenommenen Darlegungs- und objektiven Beweislast des Rentenversicherungsträgers in Bezug auf Verweisungstätigkeiten werde auf das Urteil des BSG vom 5. April 2001 - B 13 RJ 23/00 R - zu den Amtsermittlungspflich-ten der Sozialgerichtsbarkeit unter Berücksichtigung der bereits zitierten Entscheidung des 4. Senats des BSG verwiesen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. April 2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Im Rahmen des von der Beklagten durchgeführten Rehabilitationsverfahrens ist am 25. Juli 2002 eine weitere Begutachtung durch die Ärztin für Innere Medizin und Sozialmedizin Dr. W-H erfolgt, die bei der Klägerin ein degeneratives Cervikalsyndrom mit rezidivierenden Cervicocephalgien, eine Alkoholkrankheit im Stadium der Abstinenz seit 10 Jahren sowie wiederkehrende Magenbeschwerden bei Ulcusanamnese diagnostiziert und ihre Leistungsfähigkeit dahin beurteilt hat, dass für die Tätigkeit als Fliesenlegerin keine Belastbarkeit mehr vorliege, auf dem allgemeinen und gehobenen allgemeinen Arbeitsmarkt jedoch weiterhin leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Stehen, im Gehen und zeitweise im Sitzen unter Vermeidung von Überkopfarbeiten, häufigem Heben, Tragen und Bewegen von Lasten, Zwangshaltungen, extrem schwankenden Temperaturen sowie Vibrationen und Erschütterungen im Umfang von täglich sechs Stunden und mehr zumutbar seien. Nachdem die Klägerin vom 11. bis 22. November 2002 beim Berufsförderungswerk Berlin an einer Maßnahme zur Berufsfindung und Arbeitserprobung und vom 24. März bis 20. Juni 2003 an einem Reha-Vorbereitungslehrgang teilgenommen hat, befindet sie sich seit dem 23. Juni 2003 in einer von der Beklagten geförderten zweijährigen Ausbildung zur Steuerfachangestellten.
Der Senat hat vom Verband der Metall- und Elektroindustrie in Berlin-Brandenburg e.V. eine berufskundliche Auskunft zu den Einsatzmöglichkeiten der Klägerin unter Berücksichtigung ihrer Kenntnisse und Erfahrungen als Nachrichtenelektronikerin und der zu beachtenden körperlichen Leistungsminderungen eingeholt. Der VME hat mit Schreiben vom 7. und 28. November 2003, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird, ausgeführt, dass für die Klägerin eine Tätigkeit als Schaltschrankverdrahterin in Betracht komme.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen. Die die Klägerin betreffenden Rentenakten der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und auch begründet.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts hat die Klägerin keinen Anspruch auf die hier nur streitige Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit.
Der von der Klägerin geltend gemachte Rentenanspruch richtet sich gemäß § 300 Abs. 2 SGB VI noch nach § 43 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung. Wie nach Abs. 2 dieser Vorschrift Berufsunfähigkeit definiert ist, hat das Sozialgericht in seinem Urteil richtig wiedergegeben, hierauf wird Bezug genommen.
Ausgangspunkt für die Prüfung von Berufsunfähigkeit ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG der "bisherige Beruf", den der Versicherte ausgeübt hat (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 107, 169). In der Regel ist dies die letzte nicht nur vorübergehende versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, von der auch bei nur kurzfristiger Ausübung auszugehen ist, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten gewesen ist (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 130, 164). Nach diesen Grundsätzen hat das Sozialgericht zutreffend als bisherigen Beruf der Klägerin ihre letzte Tätigkeit als Fliesenlegerin angenommen. Diesen Beruf kann die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben, weil es sich ausweislich der vom Sozialgericht in das Verfahren eingeführten berufskundlichen Unterlagen hierbei um eine überwiegend mittelschwere Arbeit mit zeitweise schwerem Heben und Tragen handelt, die im Stehen und mit Zwangshaltungen wie Knien, Hocken, Bücken und Überkopfarbeit zu verrichten ist. Demgegenüber kann die Klägerin wegen orthopädischer Beschwerden im Nacken- und Schulterbereich durch eine Fehlhaltung, degenerative Veränderungen und Bandscheibenprotrusionen vollschichtig nur noch leichte bis zeitweilig mittelschwere Arbeiten in wechselnder Haltung oder auch nur im Stehen oder im Gehen und zeitweise im Sitzen, im Freien oder in temperierten Räumen, im Schichtdienst, unter Vermeidung von Nässe, Kälte, Zugluft und starken Temperaturschwankungen, Überkopfarbeit, Armvorhalt, Zwangshaltungen, Vibrationen, Erschütterungen, häufigem Bücken, Heben und Tragen von Lasten über 10 kg verrichten, womit sie als Fliesenlegerin nicht mehr einsatzfähig ist, wovon inzwischen auch die Beklagte ausgeht.
Diese nun unstreitige Feststellung führt jedoch nicht ohne weiteres zu einem Anspruch auf Gewährung von Berufsunfähigkeitsrente, denn diese kommt, wie das Sozialgericht unter Hinweis auf § 43 Abs. 2 SGB VI a.F. im Ansatz richtig erkannt hat, erst dann in Betracht, wenn es nicht zumindest eine andere berufliche Tätigkeit gibt, die der Klägerin sozial zumutbar und für sie sowohl gesundheitlich als auch fachlich geeignet ist.
Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufes. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des BSG die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufes haben, gebildet worden. Dementsprechend werden die Gruppen durch die Leitberufe des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (vgl. z.B. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 132, 138, 140). Grundsätzlich darf der Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf die nächst niedrigere Gruppe verwiesen werden (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 143). Zwar hat die Klägerin ihren maßgebenden bisherigen Beruf als Fliesenlegerin in weniger als zwei Jahren erlernt, nämlich vom 28. Mai 1997 bis zum 23. Februar 1999. Es handelte sich dabei allerdings um eine für die Umschulung Erwachsener verkürzte Fortbildungsmaßnahme, die - worauf es hier rechtlich ankommt - von der Klägerin erfolgreich mit der IHK-Prüfung im Ausbildungsberuf Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerin abgeschlossen worden ist, die bei regulärem Ausbildungsgang nach drei Jahren abzulegen ist. Damit steht der Klägerin Berufsschutz als Facharbeiterin zu, so dass für sie als sozial zumutbare Verweisungstätigkeiten nur andere Facharbeitertätigkeiten oder qualifizierte Anlerntätigkeiten in Betracht kommen, die eine echte Anlernzeit von mehr als drei Monaten erfordern, für die die Klägerin jedoch aufgrund ihrer Fähigkeiten, Kenntnisse und beruflichen Erfahrungen eine persönliche Anlernzeit von nicht mehr als drei Monaten benötigt.
Die Beklagte rügt zu Recht, dass das Sozialgericht sie ohne weiteres zur Rentengewährung verurteilt hat, ohne auch nur irgendeine Verweisungstätigkeit unter Berücksichtigung des gesamten Berufslebens der Klägerin in Betracht zu ziehen. Zwar hat die Beklagte hierzu nichts vorgetragen, was sie von ihrem Standpunkt aus aber auch nicht musste, weil sie, gestützt auf die Beurteilung ihrer Ärztlichen Abteilung, zunächst davon ausgegangen ist, dass die Klägerin bei Intensivierung und Ausschöpfung ambulanter medizinischer Behandlung in einem Zeitraum von nicht mehr als sechs Monaten weiter oder wieder in ihrem letzten Beruf als Fliesenlegerin einsetzbar sein würde. Abgesehen davon, dass das Sozialgericht der Beklagten die Verletzung ihrer Darlegungspflicht vorgeworfen hat, ohne sie überhaupt zur Benennung von Verweisungstätigkeiten aufzufordern, hat es mit der umgehenden Verurteilung der Beklagten zur Rentengewährung seine eigene Amtsermittlungspflicht aus § 106 Sozialgerichtsgesetz - SGG - verletzt, die nicht etwa wegen der Ausführungen in dem von ihm zitierten Urteil des 4., für Rentenstreitigkeiten der Angestellten zuständigen Senats des BSG obsolet gewesen ist.
Der 13. Senat des BSG hat in seinem zum Recht der Arbeiterrentenversicherung ergangenen Urteil vom 5. April 2001 - B 13 RJ 23/00 R - in diesem Zusammenhang Folgendes klargestellt:
"Der Umfang der dem Tatsachengericht obliegenden Amtsermittlungspflicht richtet sich nach dem Streitgegenstand, d.h. nach dem Anspruch des Klägers sowie der Verteidigung des Beklagten und der möglichen Entscheidung des Gerichts (Meyer-Ladewig, SGG, 6. Auf., § 103 RdNr. 4); die Ermittlungen haben sich somit auf alle Umstände zu beziehen, die rechtlich erheblich sind (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 2. Auf., Kap. III RdNr. 11; Wenner/Terdenge/Martin, Grundzüge der Sozialgerichtsbarkeit, 2. Aufl., RdNr. 321). Zwar haben die Beteiligten die Pflicht, an der Ermittlung des Sachverhaltes mitzuwirken (§ 103 Satz 1 Halbsatz 2 SGG), eine Beweisführungslast oder -pflicht i.S. der Verpflichtung, die Beweismittel selbst beizubringen, haben sie dagegen nicht (Meyer-Ladewig aaO RdNr. 19; zum Umfang der Mitwirkungspflicht vgl. auch Krasney/Udsching aaO Kap III RdNr. 16). Die Frage nach der Verteilung der sog. objektiven Beweislast stellt sich erst, wenn das Gericht bestimmte Tatsachen trotz Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten nicht feststellen kann (BSGE 27, 40 = SozR Nr. 8 zu § 548 RVO).
Den notwendigen Ermittlungen zur Prüfung etwa vorhandener Verweisungsberufe durfte das Berufungsgericht sich auch nicht unter Bezugnahme auf das Urteil des 4. Senats des BSG vom 14. Mai 1996 - 4 RA 60/94 - (BSGE 78, 207 = SozR 3-2200 § 43 Nr. 13) mit dem Hinweis entziehen, die Beklagte sei ihrer Pflicht zur Benennung einer zumutbaren Verweisungstätigkeit nicht nachgekommen und es sei weder das Recht noch die Pflicht der zur Neutralität verpflichteten Tatsacheninstanzen der Sozialgerichtsbarkeit, von Amts wegen Beweise zu erheben, wenn sich weder aus dem Beteiligtenvorbringen noch aus der Aktenlage oder aus Gerichts- oder Allgemeinkunde konkrete Anhaltspunkte für das Vorhandensein eines fachlich und gesundheitlich zumutbaren Vergleichsberufs aufdrängten. Soweit der 4. Senat in der zitierten Entscheidung auf die dem Versicherungsträger obliegende Darlegungslast und objektive Beweislast für das Vorhandensein eines zumutbaren Verweisungsberufs verwiesen hat, darf dies nicht verwechselt werden mit dem im zivilprozessualen Verfahren geltenden Beibringungsgrundsatz, wonach der Beteiligte, der sich auf eine ihm günstige Tatsche beruft, die Beweismittel für das Vorliegen dieser Tatsache beizubringen hat.
Auch der 4. Senat geht in der zitierten Entscheidung grundsätzlich von der Amtsermittlungspflicht der Tatsacheninstanzen aus und hat lediglich einschränkend ausgeführt, dass dieser Grundsatz nicht zu Ermittlungen ‘ins Blaue hinein’ oder zur Erhebung von Ausforschungsbeweisen verpflichtet (BSGE 78, 207,213 = BSG SozR 3-2600 § 43 Nr. 13). Der Hinweis des 4. Senats auf die Neutralitätspflicht der Tatsacheninstanzen der Sozialgerichtsbarkeit entbindet diese Gerichte aber nicht von der im Gesetz verankerten Pflicht, von Amts wegen Beweise zu erheben, um den Sachverhalt aufzuklären. Insbesondere hat das Berufungsgericht übersehen, dass die Verpflichtung, von Amts wegen Beweise zu erheben, nur dann nicht (mehr) besteht, wenn sich weder aus dem Beteiligtenvorbringen noch aus der Aktenlage oder aus Gerichts- oder Allgemeinkunde konkrete Anhaltspunkte für das Vorhandensein von Vergleichsberufen aufdrängen (BSGE 78, 207, 216 = (SozR 3-2600 § 43 Nr. 13). Auch nach dem erwähnten Urteil ist demnach konkreten, sich aufdrängenden Anhaltspunkten im Wege der Amtsermittlung nachzugehen. Im Übrigen hat der 4. Senat in einem anderen Urteil ausdrücklich die Pflicht des Berufungsgerichts betont, nach der Ermittlung des qualitativen Wertes des "bisherigen Berufs" und der dementsprechenden Eingruppierung in das Mehrstufenschema nach einer qualitativ und gesundheitlich ‘zumutbaren’ Verweisungstätigkeit zu suchen (BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 41). Im Einzelfall mag zwar zweifelhaft sein, welches Maß an tatsächlichen Angaben oder Anhaltspunkten vorliegen muss, um die Tatsacheninstanz zu weiteren Ermittlungen zu drängen (vgl. hierzu Wenner/Terdenge/Martin aaO RdNr. 328; Schultes, SGb 1997, 555, 559); ein solcher Zweifelsfall liegt hier aber nicht vor."
Auch im vorliegenden Fall ging es nicht um Ermittlungen "ins Blaue hinein" oder um die Erhebung von Ausforschungsbeweisen, denn angesichts der insgesamt nicht sehr schwerwiegenden gesundheitlichen Einschränkungen bei der erst Anfang 40-jährigen Klägerin, die in der DDR einen hochqualifizierten Beruf erlernt und ausgeübt hat, mussten sich berufskundliche Ermittlungen zu einer Verwertbarkeit ihrer beruflichen Kenntnisse und Erfahrungen förmlich aufdrängen.
Die hierzu erforderlichen Ermittlungen, die der Senat nun als Berufungsgericht nachgeholt hat, haben die Auffassung der Beklagten bestätigt, dass die Klägerin nicht berufsunfähig ist. Nach der berufskundlichen Auskunft, die der Verband der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg e.V. mit Schreiben vom 7. und 28. November 2003 erteilt hat, ist die Klägerin zwar für die von der Beklagten genannten Verweisungstätigkeiten als Reparaturelektrikerin von Kleinaggregaten, Lager- und Materialverwalterin im Bereich der Elektroindustrie sowie für Tätigkeiten als Abnahme- und Funktionskontrolleurin fachlich nicht geeignet, während ihr die Herstellung von Kabelbäumen für die Automobilindustrie als ungelernte Tätigkeit mit einer Unterweisungszeit von weniger als drei Monaten sozial nicht zumutbar ist. Allerdings kommt für sie eine Tätigkeit als Schaltschrankverdrahterin in Frage. Diese Tätigkeit stellt, je nach Kompliziertheit der Schaltschränke, eine Anlerntätigkeit mit einer Anlernzeit von ein bis zwei Jahren oder eine Facharbeitertätigkeit dar und wird in der Regel in trockenen, klimatisierten und hellen Werkräumen ausgeführt. Zwangshaltungen und Überkopfarbeiten sind nicht notwendig. Die Tätigkeit wird bei einfachen Schaltschränken nach Lohngruppe 4, bei komplizierten Schaltschränken in der Lohngruppe 5 - das ist der Ecklohn für Facharbeiter - des Lohntarifvertrages für die Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg eingruppiert. In diesem Tarifgebiet gibt es mindestens 50 derartige Arbeitsplätze, die grundsätzlich frei zugänglich sind. Nach Einschätzung des VME ist die Klägerin als gelernte Elektronikerin in einer Anlernzeit von höchstens drei Monaten in der Lage, den vom Projektanten eines Schaltschrankes ausgearbeiteten spezifischen Anbau der elektrischen Geräte, Schalter und Anzeigegeräte sowie die Verdrahtung größerer elektrischer Querschnitte neu einzuüben.
Da die Klägerin auf diese ihr fachlich, körperlich und sozial zumutbare Tätigkeit verwiesen werden kann, steht ihr keine Rente wegen Berufsunfähigkeit nach § 43 SGB VI a.F. zu. Auch das ab 1. Januar 2001 geltende geänderte Rentenrecht wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach dem SGB VI führt nicht zu einer anderen Beurteilung, da die Klägerin über ein vollschichtiges Leistungsvermögen für die genannte Tätigkeit verfügt. Sofern die Klägerin auf dem Arbeitsmarkt keine freie Stelle als Schaltschrankverdrahterin finden kann, ist dies kein Risiko, für das die Rentenversicherung einzustehen hat. Dass die Beklagte ihr unter Berücksichtigung ihrer qualitativen Leistungsminderung und zur Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess inzwischen eine Umschulung zur Steuerfachgehilfin gewährt, ist für den hier geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung rechtlich ohne Belang.
Nach alledem kann das Urteil des Sozialgerichts keinen Bestand haben. Die Kammer sollte ihre bedenkliche Spruchpraxis korrigieren, die sich nicht mit Erfolg auf die von ihr zitierte Einzelfallentscheidung des 4. Senats des BSG stützen lässt. Indem sie die ihr obliegende Amtsermittlungspflicht vernachlässigt und mit dürftiger, nicht auf ausreichenden Tatsachenfeststellungen beruhender Begründung zu einer stattgebenden Entscheidung kommt, treibt sie die Beklagte geradezu in die Berufung, weckt bei den Versicherten möglicherweise unbegründete Hoffnungen auf eine Rentengewährung und verschiebt die eigentlich ihr obliegenden Tatsachenfeststellungen in die zweite Instanz. Der erkennende Senat hat hier nur im Interesse einer zügigen Beendigung des Rechtsstreits von einer Zurückverweisung der Sache an das Sozialgericht Abstand genommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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