L 6 U 479/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 5059/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 479/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 13. Mai 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob beim verstorbenen Ehemann der Klägerin eine Berufskrankheit nach den Nummern 1101 (Erkrankungen durch Blei oder seine Verbindungen) oder 1103 (Erkrankungen durch Chrom oder seine Verbindungen) der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung (BKV) bzw. nach § 9 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) vorgelegen hat und ein Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen besteht.

Die Klägerin ist Witwe des 1966 geborenen und 2012 verstorbenen R. M. (im Folgenden: Versicherter). Der Versicherte absolvierte bei der D. AG zunächst ab August 1982 eine dreijährige Ausbildung zum Lackierer und war dann dort von Juli 1985 bis Juli 1990 als Spritzlackierer und bis zu einem Austritt im März 2006 als Anlagenwart in der Abteilung "Oberfläche" beschäftigt. Danach war er bei einem Lackhersteller, der B. und K. GmbH & Co. KG, als Kundenberater und VorführM. im Außendienst tätig. Der Versicherte war Raucher.

Im Juni 2012 wurde bei ihm Lungenkrebs diagnostiziert. Im diesbezüglichen Bericht des Universitätsklinikums Tübingen, Innere Abteilung, vom 10. Juli 2012 wurden als Risikofaktoren langjähriges Rauchen ("mindestens 20 pack years") und eine berufliche Tätigkeit als Kfz-Lackierer angeführt.

Mit einer ärztlichen Anzeige bei Verdacht auf eine Berufskrankheit vom 30. Juli 2012 setzte die Ärztin Dr. M. von der Klinik L. die Berufsgenossenschaft Rohstoffe und Chemische Industrie (BG) über die Lungenkrebserkrankung (links zentriertes pulmonales Adenokarzinom mit Metastasierung in Lymphknoten, Niere und Nebenniere) des Versicherten in Kenntnis und nannte als mögliche Ursachen Lacke und Lösungsmittel.

Die BG führte daraufhin ein Ermittlungsverfahren durch. Sie befragte den Versicherten am 24. August 2012 zu Hause. Er gab dort an, dass er seit 1987/1988 täglich etwa eine Schachtel Zigaretten geraucht habe. In seiner Zeit bei der D. AG habe er sich ständig gegenüber Lack- und Lösungsmitteldämpfen mehr oder weniger ungeschützt ausgesetzt gesehen. Er habe zudem immer wieder Hautkontakt mit Lacken und Lösemitteln gehabt. Bei der Firma B. und K. habe er auch Ausdünstungen der Lacke und Lösemittel eingeatmet. Selbst in seinem Büro seien die Lösemittel des Klarlacktrockners zu riechen gewesen. An den Umgang mit Asbest oder asbesthaltigen Materialien könne er sich insgesamt nicht erinnern, gleiches gelte für die Exposition gegenüber ionisierender Strahlung. Die D. AG teilte der BG mit, dass am Arbeitsplatz des Versicherten kein Asbest gewesen sei (vgl. Schreiben vom 29. November 2012).

Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens wurde die Beklagte gebeten, eine Gefährdungsbeurteilung für die Tätigkeit des Versicherten als Lackierer und Betriebsbetreuer in der Lacktechnik der D. AG vom 16. August 1982 bis 31. März 2006 abzugeben. Die Beklagte holte eine Stellungnahme zur Arbeitsexposition für Lungen-Kehlkopf-Krebs nach der Berufskrankheit Nr. 4104 durch ihren Präventionsdienst ein. In der von Dr. D. erarbeiteten Stellungnahme, die unter anderem auf einem Gesprächstermin bei der D. AG am 21. März 2013 in Anwesenheit der Klägerin, der Sicherheitsfachkraft, eines Lacktechnikers und des Vorgesetzten für den Bereich Lacktechnik basierte, kam sie zu dem Ergebnis, dass an den Arbeitsplätzen des Versicherten eine Asbestexposition nicht gegeben gewesen sei. Während des zweiten und dritten Ausbildungsjahres sei der Versicherte gegenüber Chromat und Blei exponiert gewesen, wenn von ihm Fahrzeuge angeschliffen worden seien, die mit chromathaltigen Lacken beschichtet gewesen seien. Beim Schleifen älterer Fahrzeuge bis zum Blech sei ebenfalls von einer Chromatexposition auszugehen, weil bis Mitte der 80er Jahre eine chromathaltige Tauchgrundierung verwendet worden sei. Als ausgebildeter Lackierer sei der Versicherte dann nicht mehr in Bereichen eingesetzt worden, in denen Fahrzeuge geschliffen worden seien. Insofern habe nur eine Exposition gegenüber Chrom(VI)- und Bleiverbindungen vorgelegen, wenn Lacke aufgespritzt worden seien, die diese entsprechenden Pigmente enthalten hätten. Diese Pigmente seien vorwiegend in gelben, orangenen und roten Farbtönen eingesetzt worden, die bei D. eher in geringem Umfang im Einsatz gewesen seien. Der letzte Tag der Chromatexposition werde auf Ende 1987 geschätzt. Ab ca. 1988 seien die Lacke chromatfrei gewesen. Die Expositionshöhen für die Zeiträume von August 1983 bis Ende 1987 seien maximal mit weniger als vier Stunden pro Woche einzuschätzen.

Nachdem die BG bestandskräftig eine asbestbedingte Berufskrankheit Nr. 4104 abgelehnt hatte (Bescheid vom 17. Mai 2013, Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2013), stellte die Beklagte mit Bescheid vom 18. November 2013 gegenüber der Klägerin fest, dass die Lungentumorerkrankung des Versicherten keine Berufskrankheit nach Nrn. 1101 oder 1103 gewesen sei. Sie sei auch nicht wie eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen. Ein Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung habe zu Lebzeiten des Versicherten nicht bestanden. Auch ein Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen sei nicht gegeben. Zur Begründung führte sie aus, dass die Chromatexposition des Versicherten 1987 geendet habe, weil ab 1988 Lacke generell chromatfrei gewesen seien. Für eine sogenannte Risikoverdoppelung bei einer Einwirkung von Chrom oder seinen Verbindungen werde für die Entstehung einer Lungenkrebserkrankung auf die Lebensarbeitszeit abgestellt und eine erhebliche Chromateinwirkung gefordert. Dabei werde in der medizinischen Wissenschaft eine Belastung von etwa 2.000 Chromjahren als geeignete schädigende Einwirkung angesehen. Dieser Wert werde von dem Versicherten in den relativ kurzen tatsächlichen Expositionszeiten zwischen dem 16. August 1982 und dem 31. Dezember 1987 nicht erreicht. Für Blei sei eine krebserzeugende Wirkung beim Menschen nicht nachgewiesen, und auch die Lunge als Zielorgan einer möglichen Krebserkrankung werde nicht genannt. Lungentumorerkrankungen seien demnach nicht Gegenstand der Berufskrankheit Nr. 1101. Diese erfasse unter anderem Erkrankungen des peripheren Nervensystems und akute Bleivergiftungen. Eine Anerkennung der Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII scheide ebenfalls aus, weil der Versicherte im Laufe seines Erwerbslebens zwar Kontakt zu verschiedenen Arbeitsstoffen, wie z.B. lösungsmittelhaltigen Basis- und Klarlacken, Wasserlacken, verschiedenen Verdünnungen und Härtern gehabt habe, jedoch neue gesicherte medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse nicht vorhanden seien, dass einer dieser Stoffe geeignet gewesen sei, die Lungenkrebserkrankung zu verursachen.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Sie frage sich, wie ihr Mann sonst hätte die Krebserkrankung bekommen können, wenn nicht auf der Arbeit. Er habe mit krebserregenden Gefahrstoffen zu tun gehabt. Erhöhte Blei- und Chromatwerte könnten über längere Zeit sehr wohl zu einer lebensgefährlichen Erkrankung führen. Auch enthielten jedenfalls synthetisch hergestellte Lacke beim Einatmen die gleichen schädlichen Auswirkungen wie Blei- und Chromverbindungen.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 2. September 2014 zurück, weil ein rechtlich wesentlicher Zusammenhang zwischen den bei dem Versicherten festgestellten Einwirkungen am Arbeitsplatz und dem diagnostizierten Lungenkrebs nicht hinreichend wahrscheinlich sei. Da keine Berufskrankheit vorgelegen habe, bestehe auch kein Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen.

Am 16. September 2014 hat die Klägerin beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben, die mit angekündigtem Gerichtsbescheid vom 13. Mai 2015 abgewiesen worden ist. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Feststellung einer Berufskrankheit bei ihrem verstorbenen Ehemann und Gewährung von Hinterbliebenenleistungen. Das der Berufskrankheit Nr. 1101 zuzuordnende Krankheitsbild äußere sich als subakute oder chronische Erkrankung, üblicherweise als Bleivergiftung bezeichnet. In ausgeprägten Fällen sei diese durch Anämie, abdominale Koliken und Polyneuropathie (Radialisparese) charakterisiert. Als Folge massiver Exposition könnten eine Enzephalopathie und eine Nephropathie (Schrumpfniere) auftreten. Organische Bleiverbindungen bedingten vorzugsweise Störungen von Seiten des zentralen Nervensystems und des adrenokortikalen Regelkreises. Schädigungen des peripheren Nervensystems durch Blei konzentrierten sich nach Erkenntnissen klinisch-arbeitsmedizinischer Forschung auf die motorischen Nervenfasern des peripheren Nervensystems. Derartige Erkrankungen seien beim Versicherten nicht bekannt und ärztlich festgestellt worden. Blei hingegen verursache nach medizinisch-wissenschaftlichen Kenntnissen keine Bronchialkarzinome. Für die Berufskrankheit Nr. 1103 würden als Krankheitsbild insbesondere Verätzungen und Ulcera an Haut- und Schleimhäuten sowie Reizerscheinungen, vorzugsweise im Bereich der oberen Luftwege, angesehen. Auch allergische Kontaktekzeme der Haut als Ausdruck einer Sensibilisierung könnten hervorgerufen werden. Typisch sei die schmerzlose Nasenseptumdeviation durch wasserlösliche Chromverbindungen. In der medizinischen Wissenschaft werde auch das Auftreten chronisch-obstruktiver Atemwegserkrankungen nach mehrjähriger Chromatbelastung beschrieben. Die Beklagte habe hier eine Berufskrankheit durch Chrom im Hinblick auf die relativ geringe Exposition des Versicherten verneint. So könne die Entstehung eines Lungenkrebses überhaupt erst nach langjähriger Einwirkung von sechswertigen Chromaten als Berufskrankheit angenommen werden. Der Versicherte sei mindestens 24 Jahre mit 20 Zigaretten pro Tag ein starker Raucher gewesen und darüber hinaus auch nur 3,5 Jahre mit maximal weniger als 4 Stunden täglich gegenüber Chromat exponiert gewesen. Gründe für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII lägen ebenfalls nicht vor.

Dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin wurde eine Ausfertigung des Gerichtsbescheides mit Postzustellungsurkunde am 5. Januar 2016 zugestellt, nachdem zuvor eine Zustellung mit Empfangsbekenntnis fehlgeschlagen war.

Am 5. Februar 2016 hat die Klägerin beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Sie führt vor allem an, dass der Versicherte damals bei der D. AG nach vorsintflutlichen Methoden weitgehend ungeschützt gearbeitet hätte. Zeugen hierfür könnten aber nicht benannt werden, da keine ehemaligen Kollegen hätten ausfindig gemacht werden können. Es müssten daher die eigenen Angaben des Versicherten in der Befragung vom 24. August 2012 zugrunde gelegt werden. Heute wisse man, dass Lacke und lackhaltige Stoffe Lungenkrebs auslösen könnten. Man müsse einen Vergleich zur heute bekannten Schädlichkeit von aluminiumhaltigen Substanzen für die Nerven und von der Sonne für die Haut ziehen. Der Kreis der Berufskrankheiten sei ein offener. Beim Versicherten hätten ein ständiges Arbeiten mit dem Ausgesetztsein von Schadstoffen und eine unvollständige Gefahrenabwehr vorgelegen. Die Lungenerkrankung des Versicherten müsse daher als Berufskrankheit anerkannt werden, auch wenn die Entstehung von Lungenkrebs wohl auch ihre Ursache in längerem und stärkerem Rauchen haben könne. Bislang sei aber noch nicht geklärt, weshalb Menschen, die massiv rauchen, nicht an Lungenkrebs erkranken, jedoch andere, die nie geraucht hätten, daran sterben würden.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 13. Mai 2015 und den Bescheid vom 18. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. September 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Hinterbliebenenleistungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie tritt der Berufung mit der Begründung entgegen, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die streitigen Berufskrankheiten nicht vorlägen. Es habe nur eine relativ geringe berufliche Einwirkung von Chrom bestanden. Auch sei das erforderliche Krankheitsbild für eine Berufskrankheit Nr. 1101 nicht gegeben, da Zielorgan nicht die Lunge sei. Es sei nicht Aufgabe der Beklagten, die Ursache der Erkrankung des Versicherten zu ermitteln, wenn ein ursächlicher Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit nicht hinreichend wahrscheinlich sei.

Der Berichterstatter hat am 8. Februar 2017 mit den Beteiligten den Rechtsstreit erörtert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgemäß eingelegte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Die Beklagte und das SG haben zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenleistungen abgelehnt.

Dabei ist die Klage gerichtet auf Hinterbliebenenleistungen als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig (vgl. BSG, Urteil vom 13. November 2012 – B 2 U 19/11 R –, juris, Rz. 18). Die Beklagte hat mit den streitgegenständlichen Bescheiden ausdrücklich Hinterbliebenenleistungen abgelehnt. Ein Hinterbliebener ist dabei nicht verpflichtet, die Grundlagen der in Frage kommenden Hinterbliebenenleistungen vorab im Wege einer Feststellungsklage klären zu lassen. Dies unterscheidet ihn von (lebenden) Versicherten, die im Falle eines Arbeitsunfalls zunächst dessen Feststellung bzw. darauf aufbauend die Feststellung bestimmter Gesundheitsstörungen als Folge dieses Arbeitsunfalls und erst im Anschluss Leistungen wie Heilbehandlung, Verletztengeld und/oder Verletztenrente beantragen können (zur Klage auf Feststellung eines Ereignisses als Arbeitsunfall: BSG, Urteil vom 15. Februar 2005 - B 2 U 1/04 R -, juris, Rz. 12; BSG, Urteil vom 7. September 2004 - B 2 U 46/03 R -, juris, Rz. 11). Die Frage, ob ein Versicherungsfall vorgelegen hat und welcher es genau war, ist bei Hinterbliebenen hingegen kein selbständiger Gegenstand des Verwaltungsverfahrens, über den durch Verwaltungsakt entschieden werden dürfte, sondern nur eine Tatbestandsvoraussetzung des Anspruchs auf Hinterbliebenenleistungen. Wird dieser Anspruch durch einen negativ feststellenden Verwaltungsakt verneint, ist die Äußerung des Unfallversicherungsträgers, ein Versicherungsfall, beispielsweise - wie hier - eine bestimmte Berufskrankheit, habe nicht vorgelegen, nur ein unselbstständiges Begründungselement des Verwaltungsakts. Hieraus folgt, dass der Unfallversicherungsträger nicht befugt ist, einen feststellenden Verwaltungsakt darüber zu erlassen, ob der Versicherte einen Versicherungsfall erlitten hat und es für einen Hinterbliebenen keine Anspruchsgrundlage auf eine isolierte Vorabentscheidung des Trägers über das frühere Vorliegen eines Versicherungsfalles gibt (BSG, Urteil vom 12. Januar 2010 - B 2 U 5/08 R -, juris, Rz. 26 und dem folgend Urteil des Senats zuletzt vom 26. März 2015 – L 6 U 5279/14 –, juris, Rz. 35). Nicht streitbefangen sind Ansprüche der Klägerin als Rechtsnachfolgerin des Versicherten.

Nach § 63 Abs. 1 SGB VII haben Hinterbliebene Anspruch auf die in Satz 1 Nr. 1 bis 3 der Vorschrift aufgezählten Leistungen (Sterbegeld, Erstattung der Kosten der Überführung an den Ort der Bestattung, Hinterbliebenenrente), wenn der Tod des Versicherten infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist. Nach § 7 Abs. 1 SGB VII sind Versicherungsfälle Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Beim Versicherten kommen vorliegend als Versicherungsfall nur Berufskrankheiten in Betracht.

Bei Berufskrankheiten ist nach § 9 SGB VII zwischen "Listen-Berufskrankheiten" und "Wie-Berufskrankheiten" zu unterscheiden. Eine Listen-Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII setzt voraus, dass die Krankheit als Berufskrankheit in einem Tatbestand der BKV erfasst ist und diesen erfüllt. Hingegen ist eine Wie-Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII als Versicherungsfall anzuerkennen, wenn die Krankheit nicht in der BKV bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht erfüllt, aber nach neuen Erkenntnissen der Wissenschaft die Voraussetzungen für ihre Bezeichnung als Berufskrankheit in der Anlage zur BKV durch den Verordnungsgeber gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII vorliegen. Das Gesetz definiert für die Berufskrankheit also zwei Arten von Versicherungsfällen (BSG, Urteil vom 25. Juli 2001 - B 8 KN 1/00 U R -, juris, Rz. 15; BSG, Urteil vom 2. Dezember 2008 - B 2 KN 2/07 U R -, juris, Rz. 15). Jeder dieser Versicherungsfälle kann im Sinne des § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zum Tod des Versicherten führen und Leistungen an Hinterbliebene auslösen.

Listen-Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet, und die Versicherte in Folge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz SGB VII). Aufgrund der Ermächtigung in § 9 Abs. 1 SGB VII hat die Bundesregierung die BKV vom 31. Oktober 1997 (BGBl. I, S. 2623) erlassen, in der die derzeit als Berufskrankheiten anerkannten Krankheiten aufgeführt sind. Dazu gehören die unter der Nr. 1101 der Anlage 1 zur BKV genannten Erkrankungen durch Blei oder seine Verbindungen und in Nr. 1103 der Anlage 1 zur BKV genannten Erkrankungen durch Blei oder seine Verbindungen. Hierbei ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen sein, während für den ursächlichen Zusammenhang, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht (BSG vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R - juris, Rz. 15).

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen wegen eines Todes des Versicherten infolge des Versicherungsfalls einer Berufskrankheit Nrn. 1101 und 1103. Eine berufsbedingte Verursachung der unbestritten hier zum Tode führenden Bronchialerkrankung des Versicherten kann nicht festgestellt werden.

Es ist zu unterstellen, dass der Versicherte in seinem zweiten und dritten Ausbildungsjahr auch mit dem Anschleifen von Fahrzeugen befasst war. Hierbei ist von einer Chromat- und Bleiexposition auszugehen. Als ausgebildeter Lackierer war der Versicherte nicht mehr in Bereichen eingesetzt, in denen Fahrzeuge angeschliffen wurden. Insoweit war er nur dann Chrom- und Bleiverbindungen bis Ende 1987 ausgesetzt, wenn Lacke mit gelben, orangen und roten Farbtönen aufgespritzt wurden, was bei der D. AG im geringen Umfang der Fall war. Dies entnimmt der Senat der ausführlichen und unwidersprochenen Stellungnahme von Dr. D. vom 28. März 2013, die auf einem Betriebsbesuch im Beisein der Klägerin beruht.

Es ist aber unwahrscheinlich, dass der danach unstreitig vorliegende Kontakt mit Blei den Bronchialkrebs beim Versicherten verursacht hat, die Erkrankung ist nicht richtungsweisend für eine Bleitoxikation.

Blei oder seine Verbindungen werden in gefährdender Weise hauptsächlich in Staub-, Rauch- oder Dampfform über die Atemwege aufgenommen. Die akute Erkrankung infolge beruflich bedingter Einwirkung von Blei oder seinen anorganischen Verbindungen ist relativ selten. In der Regel handelt es sich um chronische oder subchronische Erkrankungen (vgl. hierzu und zu folgendem: Mehrtens/Brandenburg, BKV - Die Berufskrankheitenverordnung, 12/16, BKV M 1101 unter Bezugnahme auf die Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit vom 25. Februar 1981 im BArbBl Heft 4/1981). Anzeichen der ausgeprägten Bleierkrankung ("Saturnismus") sind neben pathologischen Laboratoriumsbefunden insbesondere die sog. Bleikoliken. Die Lähmung peripherer, motorischer Nerven (sog. Bleilähmung) wird heute kaum mehr beobachtet. Als Folge einer massiven Exposition können Anzeichen einer akuten Enzephalopathie, wie starke Kopfschmerzen, meningitische Reizerscheinungen, passagere Verwirrtheitszustände, Gesichtszuckungen und Funktionsstörungen im Bereich der Hirnnerven auftreten. Als Spätkrankheiten sind Schrumpfniere oder chronische Enzephalopathie beschrieben worden.

Derartige Erkrankungen sind jedoch, worauf das SG zutreffend hinweist, beim Versicherten, der unter Lungenkrebs litt, nicht festgestellt worden. Ein Bronchialkarzinom wird - trotz Aufnahme über die Atemwege - nach medizinisch-wissenschaftlichem Kenntnisstand hingegen nicht durch Blei verursacht (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, S. 1296 unter Hinweis auf LSG Niedersachsen, Beschluss vom 2. Juli 2001 – L 6/3 U 191/98 –, juris). Zielorgan der Berufskrankheit Nr. 1101 ist nicht die Lunge. Bei einer Bleischadstoffexposition ist eine kanzerogene Wirkung in Bezug auf ein Bronchialkarzinom nicht nachgewiesen (so auch LSG NRW, Urteil vom 16. März 1999 – L 15 U 65/96 –, juris, Rz. 16). Somit scheidet eine Berufskrankheit Nr. 1101 bereits aus diesem Grunde aus.

Im Falle der Chromateinwirkung (Berufskrankheit Nr. 1103) ist zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass diese ein Bronchialkarzinom verursachen kann (vgl. Marx/Klepzig, Medizinische Begutachtung innerer Krankheiten, 7. Auflage 1997, S. 450). In der Berufskrankheitenliste wird insoweit als Krankheitsbild die Entstehung eines "Chromatlungenkrebses" infolge langdauernder Einwirkung von Chromaten (z.B. Zinkchromat) auf die Bronchialschleimhaut für möglich gehalten. Auch Jahre nach Wegfall der Exposition kann sich noch ein derartiger "Chromatlungenkrebs" entwickeln (vgl. Mehrtens/Brandenburg in: Mehrtens/Brandenburg, a.a.O., BKV M 1103).

Allerdings ist für die Entstehung einer solchen Erkrankung nach dem Stand der Wissenschaft eine langjährige Exposition erforderlich. Im Rahmen der Berufskrankheit Nr. 1103 war in der Vergangenheit aufgrund einer Empfehlung von Norpoth und Popp aus dem Jahr 1994 eine Dosis von 2000 Chrom-VI-Jahren (µg/m³ x Jahre) als Kriterium für die Annahme einer erheblichen Chrom-VI-Dosis ausgegangen worden (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valetin, a.a.O., S. 1176; BSG, Urteil vom 12. Januar 2010 - B 2 U 5/08 R -, juris, Rz. 34; BSG, Urteil vom 29. November 2011 - B 2 U 26/10 R -, juris, Rz. 30). Eine aktuelle Auswertung der wissenschaftlichen Literatur empfiehlt bereits einen Orientierungswert von 500 (µg/m³ x Jahre) im Sinne eines Konsenses, ab dem die Chrom-VI-Exposition als wesentliche Teilursache einer Lungenkrebserkrankung in der Regel angenommen werden kann (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valetin, a.a.O., S. 1176 m.w.N.; nach dem Hessischen LSG, Urteil vom 14. Oktober 2014 – L 3 U 150/09 –, juris, Rz. 64 ist eine Dosis von unter 1000 Chrom-VI-Jahren zur Verdoppelung des Lungenkrebserkrankungsrisikos durch Chromateinwirkung allerdings noch nicht nach den neuesten Erkenntnissen der arbeitsmedizinischen Wissenschaft gesichert).

Vorliegend hat der Versicherte selbst den Wert von 500 Chrom-VI-Jahren (deutlich) nicht erreicht. Der Versicherte sah sich nach den Feststellungen von Dr. D. bei der D. AG von August 1983 bis 1987 weniger als vier Wochenstunden (bis August 1985) bzw. weniger als zwei Wochenstunden (September 1985 bis Ende 1987) Chrom(VI)-Verbindungen durch das Anschleifen von Fahrzeugen und Aufspritzen von Lacken ausgesetzt. Die Exposition betrug in diesem Gesamtzeitraum 338 Chrom-VI-Jahre (4 + 167 + 167, vgl. Aufstellung Dr. D. vom 26. März 2013). In der nachfolgenden Beschäftigung bei der B. und K. GmbH & Co. KG ist von keiner Chromatexposition auszugehen, da der Versicherte dort Lacke, wie die Klägerin zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat dargelegt hatte, allenfalls anrührte, jedoch weder aufspritzte noch Schleifarbeiten verrichtete.

Nicht zu übersehen ist vorliegend auch, dass ein erheblicher Nikotinmissbrauch des Versicherten mit mindestens 20 pack years (d.h. mindestens 20 Jahre eine Packung Zigaretten täglich, vgl. Bericht des Universitätsklinikums Tübingen vom 10. Juli 2012, Angaben des Versicherten am 24. August 2012) bestand. Bei einem Zigarettenkonsum von 20 pack years besteht ein sechsfach erhöhtes unversichertes Erkrankungsrisiko für Lungenkrebs (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 14. Oktober 2014 – L 3 U 150/09 –, juris, Rz. 69), dem ein - wie oben ausgeführt - nur deutlich unterhalb der Verdoppelungsdosis liegendes versichertes Risiko aus der Chromateinwirkung gegenübersteht. Nach allgemeiner Auffassung ist ein solches starkes Rauchen als wesentlichste Ursache von Bronchialerkrankungen jeglicher Art anzusehen (vgl. LSG NRW, Urteil vom 16. März 1999 – L 15 U 65/96 –, juris, Rz. 21, juris) und kann mithin eine hinreichende Erklärung für das Bronchialkarzinom des Versicherten bilden, wobei die Alternativursache, worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat, nicht gesichert festgestellt werden muss.

Im Ergebnis lässt sich danach eine wesentliche Ursächlichkeit der Chromatexposition nicht bestätigen und der Senat konnte die Voraussetzungen der BK Nr. 1103 nicht feststellen.

Der Versicherte ist auch nicht infolge des Versicherungsfalls einer Wie-Berufskrankheit (§ 9 Abs. 2 SGB VII) verstorben. Für die Entscheidung, ob der Versicherte infolge eines Versicherungsfalls verstorben ist, ist auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der Versicherte verstorben ist (BSG, Urteil vom 12. Januar 2010 – B 2 U 5/08 R –, juris, Rz. 27).

Nach § 9 Abs. 2 SGB VII haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der BKV bezeichnet ist, wie eine Berufskrankheit (Wie-Berufskrankheit) als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII erfüllt sind. Diese "Öffnungsklausel" des § 9 Abs. 2 SGB VII soll nur die Regelungslücken in der BKV schließen, die sich aus den zeitlichen Abständen zwischen den Änderungen der BKV ergeben. Die Regelung ist aber keine allgemeine Härteklausel, für deren Anwendung es genügen würde, dass im Einzelfall berufsbedingte Einwirkungen die rechtlich wesentliche Ursache einer nicht in der Berufskrankheiten-Liste bezeichneten Krankheit sind (vgl. bereits BSG, Urteil vom 30. Januar 1986 - 2 RU 80/84 -, juris, Rz. 13). Es genügt also nicht, wie die Klägerin meint, dass der Versicherte ständig beim Arbeiten sich dem Einfluss von Schadstoffen ausgesetzt sah und die Gefahrenabwehr unvollständig war. Vielmehr soll die Anerkennung einer Wie-Berufskrankheit nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Einwirkungs-Krankheits-Kombination in die Liste der Berufskrankheiten (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII) erfüllt sind, der Verordnungsgeber aber noch nicht tätig geworden ist (vgl. BT-Drucks 13/2204, 77 f).

Im vorliegenden Fall bestehen keinerlei konkrete Anhaltspunkte, dass es spätestens am 22. Dezember 2012 wissenschaftliche Erkenntnisse gab, nach denen die Erkrankung Lungenkrebs, wenn sie durch die Einwirkungen von Lacken oder lackhaltigen Stoffen verursacht worden ist, in die Liste der Berufskrankheiten aufzunehmen war, zumal unklar ist, welcher konkreter Arbeitsstoff im Lack überhaupt gemeint gewesen sein soll. Hierauf weist auch die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 2. September 2014 unwidersprochen hin. Wenn die Klägerin im Berufungsverfahren allgemein auf Risiken durch Aluminium und die Sonneneinstrahlung Bezug nimmt, führt dies nicht weiter, da dies in keinem Zusammenhang mit den beruflichen Einwirkungen des Versicherten steht.

Eine anderweitige, berufsbedingte Verursachung der zum Tode führenden Bronchialerkrankung des Versicherten ist nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme weder ersichtlich noch näher dargetan. Insbesondere die Voraussetzungen einer asbestbedingten Berufskrankheit Nr. 4104, die grundsätzlich Lungenkrebs verursachen kann, sind nicht gegeben, da der Versicherte nach den übereinstimmenden Angaben von ihm und seinem früheren Arbeitgeber nicht in beruflichen Kontakt mit Asbeststaub gekommen ist. Dementsprechend hatte die BG eine solche Berufskrankheit im Bescheid vom 17. Mai 2013 und Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2013 bestandkräftig nicht feststellen können.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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