Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 225/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 U 79/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 6/19 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Träger der Beerdigungskosten im Sinne des § 64 Abs. 3 und 4 SGB VII ist derjenige dessen Vermögen durch die Übernahme der Kosten gemindert wird.
2. Andere Personen als Hinterbliebene sind nach § 64 Abs. 4 SGB VII auch anspruchsberechtigt, wenn Hinterbliebene im Sinne des § 64 Abs. 1 SGB VII vorhanden sind ohne dass diese Bestattungs- und Überführungskosten getragen haben.
2. Andere Personen als Hinterbliebene sind nach § 64 Abs. 4 SGB VII auch anspruchsberechtigt, wenn Hinterbliebene im Sinne des § 64 Abs. 1 SGB VII vorhanden sind ohne dass diese Bestattungs- und Überführungskosten getragen haben.
Den Bescheid vom 26.03.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.12.2015 wird abgeändert und die Beklagte verurteilt, 3.950,02 Euro Sterbegeld an die Klägerin zu zahlen.
Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Sterbegeld aus § 64 Abs. 4 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII), nachdem die Beklagte bereits an den Vater des verstorbenen Versicherten Sterbegeld ausgezahlt hat. Die Klägerin ist Alleinerbin des 2014 verstorbenen H. E. (Versicherter). Dieser verstarb an den Folgen einer von der Beklagten anerkannten Berufskrankheit der Nr. 4105 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung. Der Kläger war geschieden und hinterließ zwei Kinder und seinen Vater. Auf eigenen Wunsch hat der beigeladene Vater des Verstorbenen die Bestattung des Versicherten ausgerichtet und die dafür anfallenden Leistungen in Auftrag gegeben. Die an ihn adressierten Rechnungen für die erbrachten Bestattungsleistungen hat der Beigeladene, wie er im Erörterungstermin am 17.02.2017 mitgeteilt hat, bei der Hausbank des verstorbenen Versicherten, der Sparkasse A-Stadt, eingereicht, ohne eine Kontovollmacht für das Konto des Versicherten mit der Nummer (01234) gehabt zu haben. Die Rechnungsbeträge wurden jeweils vom Konto des Verstorbenen beglichen. Am 22.05.2014 beantragte der Vater des Versicherten bei der Beklagten Sterbegeld und teilte mit, dass er die Bestattungskosten getragen habe. Aus den an den Beigeladenen adressierten Rechnungen ergeben sich folgende Kosten der Beerdigung:
Bestattungsleistungen des Bestattungsinstituts F., Rechnung vom 23.05.2014 2.535,53 EUR
Blumenschmuck vom Blumenfachgeschäft G., Rechnung vom 23.05.2014 431,97 EUR
Steinmetzarbeiten an der Grabplatte, Firma H. und I., Rechnung vom 18.06.2014 1.274,49 EUR
insgesamt 3.950,02 EUR =========
Die Rechnungsbeträge wurden am 26.05. (Bestattungsinstitut F.), am 03.06. (G.) und 24.06.2014 (Firma H. und I.) vom Konto des Verstorbenen abgebucht. Die Beklagte zahlte an den beigeladenen Vater des verstorbenen Versicherten aufgrund des Bescheides vom 01.07.2014 Sterbegeld in Höhe von 4.740,- EUR. Im Folgenden begehrte die Klägerin von der Beklagten die Auszahlung von Sterbegeld nach § 64 SGB VII und Verletztengeld. Mit Bescheid vom 26.03.2015 lehnte die Beklagte einen Leistungsanspruch der Klägerin ab. Ein Anspruch auf Sterbegeld bestehe nicht, da dieses gemäß § 64 Abs. 3 SGB VII an denjenigen gezahlt werde, der die Kosten der Bestattung getragen hat. Dies sei vorliegend Herr E ... An ihn seien die Bestattungsrechnungen adressiert gewesen. Auch habe er gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 22.05.2014 schriftlich bestätigt, dass er die Kosten getragen habe. Den Widerspruch der Klägerin vom 09.04.2015 wies die Beklagte hinsichtlich der Bestattungskosten mit Widerspruchsbescheid vom 08.12.2015 zurück und wiederholte die Begründung des angefochtenen Bescheides. Hiergegen hat die Klägerin am 22.12.2015 Klage vor dem Sozialgericht Darmstadt erhoben. Sie ist der Auffassung, sie habe aus § 64 Abs. 4 SGB VII einen Anspruch auf Sterbegeld in Höhe der tatsächlichen Bestattungskosten, da sie die Kosten getragen habe, weil diese vom Nachlasskonto des Versicherten beglichen wurden.
Die Klägerin beantragt daher,
den Bescheid vom 26.03.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.12.2015 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen 3.950,02 Euro Sterbegeld an die Klägerin zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Begründung der angefochtenen Bescheide und trägt ergänzend vor, eine abweichende Bewertung der Rechtslage, führe zu nicht hinnehmbaren Verzögerungen bei der Auszahlung von Sterbegeld, welches von der Beklagten mit Rücksicht auf die Belange der Anspruchsberechtigten innerhalb von 28 Tagen auszuzahlen sei. Um Rechtssicherheit herzustellen, müsse man sich darauf verlassen können, dass der Rechnungsadressat Träger der Kosten sei. Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte ab Blatt 386 Bezug genommen, deren Inhalt Gegenstand der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe:
I. Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis dazu erteilt.
II. Die Klage ist zulässig und begründet. Die angefochtenen Bescheide, soweit sie mit Klage angegriffen wurden, sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Sterbegeld in Höhe von 3.950,02 EUR aus § 64 Abs. 4 SGB VII.
1. Der Tod des Versicherten ist infolge eines Versicherungsfalls, nämlich einer Berufskrankheit (§§ 7, 9 SGB VII) eingetreten (§ 63 Abs. 1 Satz 2 SGB VII).
2. Die Klägerin ist auch anspruchsberechtigt im Sinne des § 64 Abs. 4 SGB VII, da sie die Bestattungskosten getragen hat.
a) Einem Anspruch der Klägerin steht zunächst nicht entgegen, dass mit den Kindern des Versicherten, seiner Ex-Ehefrau und seinem Vater Hinterbliebene im Sinne des § 64 Abs. 1 SGB VII vorhanden sind. Zwar wird teilweise die Auffassung vertreten, § 64 Abs. 4 SGB VII betreffe lediglich Fallgestaltungen in denen der verstorbene Versicherte keine Hinterbliebenen im Sinne des § 64 Abs. 1 SGB VII hinterlässt und sei nicht auf Fallgestaltungen anwendbar, in denen ein Dritter die Bestattungskosten getragen hat, obwohl Hinterbliebene im Sinne des § 64 Abs. 1 SGB VII vorhanden sind (RE., SGB VII, 3. Aufl. 2008, § 64 Rn. 23 ohne Begründung). Dieses Verständnis des § 64 StGB VII legt die Regelung des Absatzes 4 jedoch zu eng aus. Die gewählte Formulierung "ist ein Anspruchsberechtigter nach Absatz 1 nicht vorhanden" setzt nicht zwingend voraus, dass Hinterbliebene im Sinne des § 64 Abs. 1 SGB VII nicht existent sind (so aber wohl Lang, Anmerkung zu OLG Saarbrücken, Urt. v. 20.03.2014, Az. 4 U 64/13, in jurisPR-VerkR 12/2014 Anm. 1). Unter Berücksichtigung des Absatz 3, wonach Sterbegeld nach Absatz 1 (ausschließlich, Ergänzung durch die Kammer) an denjenigen Berechtigten gezahlt wird, der die Bestattungs- und Überführungskosten trägt, kann der Wortlaut des Absatz 4 auch dahingehend verstanden werden, dass dann, wenn kein Anspruchsberechtigter im Sinne des Absatz 1 vorhanden ist, der die Bestattungs- und Überführungskosten trägt, Sterbegeld an denjenigen gezahlt werden kann, der diese Kosten stattdessen getragen hat (so im Ergebnis auch KassKomm/Ricke § 64 SGB VII, Rn. 7; OLG Saarbrücken, Urt. v. 20.03.2014, Az. 4 U 64/13, zitiert nach juris mit Anmerkung Lang in jurisPR-VerkR 12/2014 Anm. 1), in diesem Fall beschränkt auf die tatsächlich entstandenen Kosten bis zur Höhe des Absatz 1. Diese Auslegung der Regelung entspricht der Aufwendungsersatzfunktion des Sterbegeldes. Demjenigen, der Kosten für Bestattung und Überführung eines infolge eines Versicherungsfalls verstorbenen Versicherten getragen hat, sollen diese Aufwendungen ersetzt werden (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. vom 08.02.2001, Az. L 2 KN 168/00 U, zitiert nach juris). Dies unterscheidet das Sterbegelt von den Unterhaltsleistungen der §§ 65ff. SGB VII, die nur an Hinterbliebene geleistet werden. Gleichzeitig entspricht diese Auslegung dem Willen des Gesetzgebers. Die Regelung des Absatzes 4 wurde mit dem Gesetz zur Organisationsreform in der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (LSVOrgG) 2001 in das SGB VII aufgenommen. Ziel war es, den Anspruch auf Sterbegeld auch auf dritte Personen, die nicht Hinterbliebene im engeren Sinne sind (z.B. entfernte Verwandte, Freunde, Arbeitgeber und andere) zu erstrecken, wenn sie die Bestattung und Überführung des Verstorbenen besorgen und so die Krankenkassen zu entlasten (vgl. Bundestagsdrucksache [BT] 14/6177, S. 23 zu Artikel 1 Nr. 1b des Entwurfs eines Gesetzes zur Organisationsreform in der landwirtschaftlichen Sozialversicherung [LSVOrgG]). Sie wurde eingeführt, weil hinsichtlich der alten Regelung, die keinen Anspruchsberechtigten benannte, teilweise bestritten wurde, dass andere Personen als die in § 63 Abs. 1 SGB VII genannten rentenberechtigten Hinterbliebenen anspruchsberechtigt sein können (vgl. z. B. die Sachverhaltsdarstellung LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. vom 08.02.2001, Az. L 2 KN 168/00 U, zitiert nach juris; Dahm, Die Zahlung von Sterbegeld und Erstattung von Überführungskosten gemäß § 64 SGB VII in ZfS 2002,S. 65, Rn. 4; KassKomm/Ricke § 64 SGB VII, Rn. 7). In der Gesamtschau kommt mit der Regelung des § 64 SGB VII der Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck, dass Sterbegeld an denjenigen gezahlt werden soll, der die Kosten für Beerdigung und Überführung getragen hat bzw. dem Kosten entstanden sind, wenn eine Beerdigung nicht vorgenommen werden kann (KassKomm/Ricke § 64 SGB VII, Rn. 6; Dahm a.a.O.), wie sich aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Absätze 3 und 4 ergibt. Mit der gesonderten Regelung des Absatzes 4 wird dabei der Anspruch Dritter auf die Höhe der tatsächlichen Aufwendungen beschränkt, während den in Absatz 1 genannten Personen ein pauschalierter Aufwendungsersatzanspruch gewährt wird. Nicht zuletzt führte eine abweichende Auslegung der Norm zu nicht sachgerechten Ergebnissen, wenn ein Erbe, der nicht Hinterbliebener ist, Bestattungskosten getragen hat, ohne hierfür eine Kompensation in Form des Sterbegeldes zu erhalten (Lang, Anmerkung zu OLG Saarbrücken, Urt. v. 20.03.2014, Az. 4 U 64/13, in jurisPR-VerkR 12/2014 Anm. 1).
b) Die Klägerin hat die Bestattungskosten auch im Sinne des § 64 Abs. 3 SGB VII getragen. Träger der Bestattungskosten soll derjenige sein, zu dessen Lasten und auf dessen Rechnung die Kosten gehen (KassKomm/Höfler zu § 58 SGB V in der bis 01.01.2003 gültigen, vom R. Verlag übersandten Fassung, Rn. 9,), wobei es ausreichend ist, wenn die Kosten aus dem Nachlass getragen werden (KassKomm/Ricke § 64 SGB VII, Rn. 6 m.w.N.). Diese Definition berücksichtigt den Umstand, dass neben der vertraglichen Auftragserteilung hinsichtlich der Durchführung der Beerdigung eine Leistung im Sinne der Vermögensminderung erfolgt. Die Trägereigenschaft hätte daher eine schuldrechtliche und eine vermögensrechtliche Seite. Vorliegend hat der Beigeladene die Beerdigung im eigenen Namen durchgeführt und veranlasst. Er war Rechnungsadressat für die erbrachten Leistungen. Allerdings hat er die hierdurch verursachten Kosten nicht aus eigenen Mitteln, sondern aus dem Nachlass bestritten, welcher der Klägerin als Erbin zustand. Da die Erbschaft mit dem Tod des Versicherten auf die Klägerin übergegangen ist, § 1922 Abs. 1 BGB, ist durch die Minderung des Nachlasses unmittelbar eine Vermögensminderung bei der Klägerin eingetreten. Fallen wie vorliegend Rechnungsadressat (Kostenschuldner) und Leistender auseinander, kann anhand der vorgenannten Definition keine Zuordnung erfolgen. Aus der Aufwendungsersatzfunktion des Sterbegeldes folgt in diesen Fällen, dass es letztlich darauf ankommt, bei wem eine Vermögensminderung eingetreten ist (so im Ergebnis wohl auch Riebel in: Hauck/Noftz, SGB, 01/04, § 64 SGB VII, Rn. 19). Diese Betrachtungsweise entspricht darüber hinaus auch dem im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) erkennbaren Verständnis des Gesetzgebers. In § 1968 BGB kommt eindeutig zum Ausdruck, dass vorrangig der Erbe die Kosten der Bestattung zu tragen hat. Erst nachrangig normieren § 1360a Abs. 3, § 1361 Abs. 4, § 1615 Abs. 2, §§ 1615m, 1615n und §§ 5, 12 Abs. 2 S. 2 LPartG eine Pflicht für unterhaltsverpflichtete Personen Beerdigungskosten zu tragen, die allerdings vom Erben Ersatz verlangen können, § 1968 BGB. Letztendlich sind die Kosten aus dem Nachlass zu bestreiten (vgl. nur Münchner Kommentar zum BGB/ Küpper, 7. Aufl. 2017, § 1968, Rn. 1). Der Gesetzgeber formuliert dabei: "Der Erbe trägt die Kosten der Beerdigung des Erblassers(§ 1968 BGB)" und "Im Falle des Todes des Berechtigten hat der Verpflichtete die Kosten der Beerdigung zu tragen, soweit ihre Bezahlung nicht von dem Erben zu erlangen ist (§ 1615 abs. 2 BGB)". Der Begriff der Kostentragung wird hier unabhängig von der schuldrechtlichen Ebene allein mit Blick darauf verwendet, wo letztendlich die Vermögensminderung eintritt oder eintreten soll. Eine andere Wertung ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung zu der Frage nach altem Recht, wer als Besorger einer Bestattung anzusehen ist (vgl. z.B. BSG, Urt. v. 03.03.1966, Az. 8 RV 997/64, Breith 1966, S. 698ff. und LSG Berlin, Urt. v.08.05.1963, Breith 1964, S. 841ff.). Denn die Besorgung einer Bestattung im Sinne einer Geschäftsbesorgung als eigene Angelegenheit (vgl. LSG Berlin, Urt. v.08.05.1963, Breith 1964, S. 841, [S. 842]) umfasst neben der vermögensrechtlichen und schuldrechtlichen Seite der Kostentragung auch eine tatsächliche Seite der Geschäftsbesorgung, welche für die Fragestellung, wer Träger der Kosten ist, keine Relevanz hat. Etwas anderes könnte sich allenfalls dann ergeben, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung durch die Behörde noch keine Leistung erbracht worden ist, also lediglich der Kostenschuldner bekannt ist (vgl. BSG, Urt. v. 03.03.1966, Az. 8 RV 997/64, Breith 1966, S. 698ff.), worüber die Kammer jedoch nicht zu entscheiden hat. Denn die Beklagte hat am 01.07.2014 über die Zahlung von Sterbegeld an den Beigeladenen entschieden. Die Beerdigungskosten wurden jedoch bereits am 26.05., 03.06. und 24.06.2014 vom Nachlasskonto beglichen. Auch der Einwand der Beklagten, die alleinige Berücksichtigung der Vermögensminderung führe zu nicht hinnehmbaren Verzögerungen im Falle des Erbfalles, weil Sterbegeld nicht mehr zeitnah ausgezahlt werden könne, führt zu keiner anderen Bewertung. Es handelt sich insoweit um rein praktische Erwägungen, die der rechtlichen Beurteilung der Kammer nicht entgegenstehen. Die Beklagte kann sich die Vermögensminderung zudem durch den Antragsteller nachweisen lassen. In Zweifelsfällen kommt eine Zahlung unter Vorbehalt in Betracht oder ein Zuwarten bis die Erbfolge geklärt ist. Letztendlich besteht auch die Möglichkeit einer Rückforderung nach § 45 SGB X, sollte ein Antragsteller falsche Angaben machen.
3. Schließlich ist die Beklagte auch nicht durch die Leistung an den nichtberechtigten Beigeladenen von dem Anspruch der Klägerin befreit worden.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Sterbegeld aus § 64 Abs. 4 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII), nachdem die Beklagte bereits an den Vater des verstorbenen Versicherten Sterbegeld ausgezahlt hat. Die Klägerin ist Alleinerbin des 2014 verstorbenen H. E. (Versicherter). Dieser verstarb an den Folgen einer von der Beklagten anerkannten Berufskrankheit der Nr. 4105 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung. Der Kläger war geschieden und hinterließ zwei Kinder und seinen Vater. Auf eigenen Wunsch hat der beigeladene Vater des Verstorbenen die Bestattung des Versicherten ausgerichtet und die dafür anfallenden Leistungen in Auftrag gegeben. Die an ihn adressierten Rechnungen für die erbrachten Bestattungsleistungen hat der Beigeladene, wie er im Erörterungstermin am 17.02.2017 mitgeteilt hat, bei der Hausbank des verstorbenen Versicherten, der Sparkasse A-Stadt, eingereicht, ohne eine Kontovollmacht für das Konto des Versicherten mit der Nummer (01234) gehabt zu haben. Die Rechnungsbeträge wurden jeweils vom Konto des Verstorbenen beglichen. Am 22.05.2014 beantragte der Vater des Versicherten bei der Beklagten Sterbegeld und teilte mit, dass er die Bestattungskosten getragen habe. Aus den an den Beigeladenen adressierten Rechnungen ergeben sich folgende Kosten der Beerdigung:
Bestattungsleistungen des Bestattungsinstituts F., Rechnung vom 23.05.2014 2.535,53 EUR
Blumenschmuck vom Blumenfachgeschäft G., Rechnung vom 23.05.2014 431,97 EUR
Steinmetzarbeiten an der Grabplatte, Firma H. und I., Rechnung vom 18.06.2014 1.274,49 EUR
insgesamt 3.950,02 EUR =========
Die Rechnungsbeträge wurden am 26.05. (Bestattungsinstitut F.), am 03.06. (G.) und 24.06.2014 (Firma H. und I.) vom Konto des Verstorbenen abgebucht. Die Beklagte zahlte an den beigeladenen Vater des verstorbenen Versicherten aufgrund des Bescheides vom 01.07.2014 Sterbegeld in Höhe von 4.740,- EUR. Im Folgenden begehrte die Klägerin von der Beklagten die Auszahlung von Sterbegeld nach § 64 SGB VII und Verletztengeld. Mit Bescheid vom 26.03.2015 lehnte die Beklagte einen Leistungsanspruch der Klägerin ab. Ein Anspruch auf Sterbegeld bestehe nicht, da dieses gemäß § 64 Abs. 3 SGB VII an denjenigen gezahlt werde, der die Kosten der Bestattung getragen hat. Dies sei vorliegend Herr E ... An ihn seien die Bestattungsrechnungen adressiert gewesen. Auch habe er gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 22.05.2014 schriftlich bestätigt, dass er die Kosten getragen habe. Den Widerspruch der Klägerin vom 09.04.2015 wies die Beklagte hinsichtlich der Bestattungskosten mit Widerspruchsbescheid vom 08.12.2015 zurück und wiederholte die Begründung des angefochtenen Bescheides. Hiergegen hat die Klägerin am 22.12.2015 Klage vor dem Sozialgericht Darmstadt erhoben. Sie ist der Auffassung, sie habe aus § 64 Abs. 4 SGB VII einen Anspruch auf Sterbegeld in Höhe der tatsächlichen Bestattungskosten, da sie die Kosten getragen habe, weil diese vom Nachlasskonto des Versicherten beglichen wurden.
Die Klägerin beantragt daher,
den Bescheid vom 26.03.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.12.2015 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen 3.950,02 Euro Sterbegeld an die Klägerin zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Begründung der angefochtenen Bescheide und trägt ergänzend vor, eine abweichende Bewertung der Rechtslage, führe zu nicht hinnehmbaren Verzögerungen bei der Auszahlung von Sterbegeld, welches von der Beklagten mit Rücksicht auf die Belange der Anspruchsberechtigten innerhalb von 28 Tagen auszuzahlen sei. Um Rechtssicherheit herzustellen, müsse man sich darauf verlassen können, dass der Rechnungsadressat Träger der Kosten sei. Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte ab Blatt 386 Bezug genommen, deren Inhalt Gegenstand der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe:
I. Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis dazu erteilt.
II. Die Klage ist zulässig und begründet. Die angefochtenen Bescheide, soweit sie mit Klage angegriffen wurden, sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Sterbegeld in Höhe von 3.950,02 EUR aus § 64 Abs. 4 SGB VII.
1. Der Tod des Versicherten ist infolge eines Versicherungsfalls, nämlich einer Berufskrankheit (§§ 7, 9 SGB VII) eingetreten (§ 63 Abs. 1 Satz 2 SGB VII).
2. Die Klägerin ist auch anspruchsberechtigt im Sinne des § 64 Abs. 4 SGB VII, da sie die Bestattungskosten getragen hat.
a) Einem Anspruch der Klägerin steht zunächst nicht entgegen, dass mit den Kindern des Versicherten, seiner Ex-Ehefrau und seinem Vater Hinterbliebene im Sinne des § 64 Abs. 1 SGB VII vorhanden sind. Zwar wird teilweise die Auffassung vertreten, § 64 Abs. 4 SGB VII betreffe lediglich Fallgestaltungen in denen der verstorbene Versicherte keine Hinterbliebenen im Sinne des § 64 Abs. 1 SGB VII hinterlässt und sei nicht auf Fallgestaltungen anwendbar, in denen ein Dritter die Bestattungskosten getragen hat, obwohl Hinterbliebene im Sinne des § 64 Abs. 1 SGB VII vorhanden sind (RE., SGB VII, 3. Aufl. 2008, § 64 Rn. 23 ohne Begründung). Dieses Verständnis des § 64 StGB VII legt die Regelung des Absatzes 4 jedoch zu eng aus. Die gewählte Formulierung "ist ein Anspruchsberechtigter nach Absatz 1 nicht vorhanden" setzt nicht zwingend voraus, dass Hinterbliebene im Sinne des § 64 Abs. 1 SGB VII nicht existent sind (so aber wohl Lang, Anmerkung zu OLG Saarbrücken, Urt. v. 20.03.2014, Az. 4 U 64/13, in jurisPR-VerkR 12/2014 Anm. 1). Unter Berücksichtigung des Absatz 3, wonach Sterbegeld nach Absatz 1 (ausschließlich, Ergänzung durch die Kammer) an denjenigen Berechtigten gezahlt wird, der die Bestattungs- und Überführungskosten trägt, kann der Wortlaut des Absatz 4 auch dahingehend verstanden werden, dass dann, wenn kein Anspruchsberechtigter im Sinne des Absatz 1 vorhanden ist, der die Bestattungs- und Überführungskosten trägt, Sterbegeld an denjenigen gezahlt werden kann, der diese Kosten stattdessen getragen hat (so im Ergebnis auch KassKomm/Ricke § 64 SGB VII, Rn. 7; OLG Saarbrücken, Urt. v. 20.03.2014, Az. 4 U 64/13, zitiert nach juris mit Anmerkung Lang in jurisPR-VerkR 12/2014 Anm. 1), in diesem Fall beschränkt auf die tatsächlich entstandenen Kosten bis zur Höhe des Absatz 1. Diese Auslegung der Regelung entspricht der Aufwendungsersatzfunktion des Sterbegeldes. Demjenigen, der Kosten für Bestattung und Überführung eines infolge eines Versicherungsfalls verstorbenen Versicherten getragen hat, sollen diese Aufwendungen ersetzt werden (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. vom 08.02.2001, Az. L 2 KN 168/00 U, zitiert nach juris). Dies unterscheidet das Sterbegelt von den Unterhaltsleistungen der §§ 65ff. SGB VII, die nur an Hinterbliebene geleistet werden. Gleichzeitig entspricht diese Auslegung dem Willen des Gesetzgebers. Die Regelung des Absatzes 4 wurde mit dem Gesetz zur Organisationsreform in der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (LSVOrgG) 2001 in das SGB VII aufgenommen. Ziel war es, den Anspruch auf Sterbegeld auch auf dritte Personen, die nicht Hinterbliebene im engeren Sinne sind (z.B. entfernte Verwandte, Freunde, Arbeitgeber und andere) zu erstrecken, wenn sie die Bestattung und Überführung des Verstorbenen besorgen und so die Krankenkassen zu entlasten (vgl. Bundestagsdrucksache [BT] 14/6177, S. 23 zu Artikel 1 Nr. 1b des Entwurfs eines Gesetzes zur Organisationsreform in der landwirtschaftlichen Sozialversicherung [LSVOrgG]). Sie wurde eingeführt, weil hinsichtlich der alten Regelung, die keinen Anspruchsberechtigten benannte, teilweise bestritten wurde, dass andere Personen als die in § 63 Abs. 1 SGB VII genannten rentenberechtigten Hinterbliebenen anspruchsberechtigt sein können (vgl. z. B. die Sachverhaltsdarstellung LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. vom 08.02.2001, Az. L 2 KN 168/00 U, zitiert nach juris; Dahm, Die Zahlung von Sterbegeld und Erstattung von Überführungskosten gemäß § 64 SGB VII in ZfS 2002,S. 65, Rn. 4; KassKomm/Ricke § 64 SGB VII, Rn. 7). In der Gesamtschau kommt mit der Regelung des § 64 SGB VII der Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck, dass Sterbegeld an denjenigen gezahlt werden soll, der die Kosten für Beerdigung und Überführung getragen hat bzw. dem Kosten entstanden sind, wenn eine Beerdigung nicht vorgenommen werden kann (KassKomm/Ricke § 64 SGB VII, Rn. 6; Dahm a.a.O.), wie sich aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Absätze 3 und 4 ergibt. Mit der gesonderten Regelung des Absatzes 4 wird dabei der Anspruch Dritter auf die Höhe der tatsächlichen Aufwendungen beschränkt, während den in Absatz 1 genannten Personen ein pauschalierter Aufwendungsersatzanspruch gewährt wird. Nicht zuletzt führte eine abweichende Auslegung der Norm zu nicht sachgerechten Ergebnissen, wenn ein Erbe, der nicht Hinterbliebener ist, Bestattungskosten getragen hat, ohne hierfür eine Kompensation in Form des Sterbegeldes zu erhalten (Lang, Anmerkung zu OLG Saarbrücken, Urt. v. 20.03.2014, Az. 4 U 64/13, in jurisPR-VerkR 12/2014 Anm. 1).
b) Die Klägerin hat die Bestattungskosten auch im Sinne des § 64 Abs. 3 SGB VII getragen. Träger der Bestattungskosten soll derjenige sein, zu dessen Lasten und auf dessen Rechnung die Kosten gehen (KassKomm/Höfler zu § 58 SGB V in der bis 01.01.2003 gültigen, vom R. Verlag übersandten Fassung, Rn. 9,), wobei es ausreichend ist, wenn die Kosten aus dem Nachlass getragen werden (KassKomm/Ricke § 64 SGB VII, Rn. 6 m.w.N.). Diese Definition berücksichtigt den Umstand, dass neben der vertraglichen Auftragserteilung hinsichtlich der Durchführung der Beerdigung eine Leistung im Sinne der Vermögensminderung erfolgt. Die Trägereigenschaft hätte daher eine schuldrechtliche und eine vermögensrechtliche Seite. Vorliegend hat der Beigeladene die Beerdigung im eigenen Namen durchgeführt und veranlasst. Er war Rechnungsadressat für die erbrachten Leistungen. Allerdings hat er die hierdurch verursachten Kosten nicht aus eigenen Mitteln, sondern aus dem Nachlass bestritten, welcher der Klägerin als Erbin zustand. Da die Erbschaft mit dem Tod des Versicherten auf die Klägerin übergegangen ist, § 1922 Abs. 1 BGB, ist durch die Minderung des Nachlasses unmittelbar eine Vermögensminderung bei der Klägerin eingetreten. Fallen wie vorliegend Rechnungsadressat (Kostenschuldner) und Leistender auseinander, kann anhand der vorgenannten Definition keine Zuordnung erfolgen. Aus der Aufwendungsersatzfunktion des Sterbegeldes folgt in diesen Fällen, dass es letztlich darauf ankommt, bei wem eine Vermögensminderung eingetreten ist (so im Ergebnis wohl auch Riebel in: Hauck/Noftz, SGB, 01/04, § 64 SGB VII, Rn. 19). Diese Betrachtungsweise entspricht darüber hinaus auch dem im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) erkennbaren Verständnis des Gesetzgebers. In § 1968 BGB kommt eindeutig zum Ausdruck, dass vorrangig der Erbe die Kosten der Bestattung zu tragen hat. Erst nachrangig normieren § 1360a Abs. 3, § 1361 Abs. 4, § 1615 Abs. 2, §§ 1615m, 1615n und §§ 5, 12 Abs. 2 S. 2 LPartG eine Pflicht für unterhaltsverpflichtete Personen Beerdigungskosten zu tragen, die allerdings vom Erben Ersatz verlangen können, § 1968 BGB. Letztendlich sind die Kosten aus dem Nachlass zu bestreiten (vgl. nur Münchner Kommentar zum BGB/ Küpper, 7. Aufl. 2017, § 1968, Rn. 1). Der Gesetzgeber formuliert dabei: "Der Erbe trägt die Kosten der Beerdigung des Erblassers(§ 1968 BGB)" und "Im Falle des Todes des Berechtigten hat der Verpflichtete die Kosten der Beerdigung zu tragen, soweit ihre Bezahlung nicht von dem Erben zu erlangen ist (§ 1615 abs. 2 BGB)". Der Begriff der Kostentragung wird hier unabhängig von der schuldrechtlichen Ebene allein mit Blick darauf verwendet, wo letztendlich die Vermögensminderung eintritt oder eintreten soll. Eine andere Wertung ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung zu der Frage nach altem Recht, wer als Besorger einer Bestattung anzusehen ist (vgl. z.B. BSG, Urt. v. 03.03.1966, Az. 8 RV 997/64, Breith 1966, S. 698ff. und LSG Berlin, Urt. v.08.05.1963, Breith 1964, S. 841ff.). Denn die Besorgung einer Bestattung im Sinne einer Geschäftsbesorgung als eigene Angelegenheit (vgl. LSG Berlin, Urt. v.08.05.1963, Breith 1964, S. 841, [S. 842]) umfasst neben der vermögensrechtlichen und schuldrechtlichen Seite der Kostentragung auch eine tatsächliche Seite der Geschäftsbesorgung, welche für die Fragestellung, wer Träger der Kosten ist, keine Relevanz hat. Etwas anderes könnte sich allenfalls dann ergeben, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung durch die Behörde noch keine Leistung erbracht worden ist, also lediglich der Kostenschuldner bekannt ist (vgl. BSG, Urt. v. 03.03.1966, Az. 8 RV 997/64, Breith 1966, S. 698ff.), worüber die Kammer jedoch nicht zu entscheiden hat. Denn die Beklagte hat am 01.07.2014 über die Zahlung von Sterbegeld an den Beigeladenen entschieden. Die Beerdigungskosten wurden jedoch bereits am 26.05., 03.06. und 24.06.2014 vom Nachlasskonto beglichen. Auch der Einwand der Beklagten, die alleinige Berücksichtigung der Vermögensminderung führe zu nicht hinnehmbaren Verzögerungen im Falle des Erbfalles, weil Sterbegeld nicht mehr zeitnah ausgezahlt werden könne, führt zu keiner anderen Bewertung. Es handelt sich insoweit um rein praktische Erwägungen, die der rechtlichen Beurteilung der Kammer nicht entgegenstehen. Die Beklagte kann sich die Vermögensminderung zudem durch den Antragsteller nachweisen lassen. In Zweifelsfällen kommt eine Zahlung unter Vorbehalt in Betracht oder ein Zuwarten bis die Erbfolge geklärt ist. Letztendlich besteht auch die Möglichkeit einer Rückforderung nach § 45 SGB X, sollte ein Antragsteller falsche Angaben machen.
3. Schließlich ist die Beklagte auch nicht durch die Leistung an den nichtberechtigten Beigeladenen von dem Anspruch der Klägerin befreit worden.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
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