Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 34 KR 733/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 209/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 42/17 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 27.10.2015 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen zur freiwilligen Krankenversicherung sowie zur Pflegeversicherung im Zeitraum September 2010 bis März 2011 und bestreitet eine zur Beitragserhebung berechtigende freiwillige Mitgliedschaft.
Die 1979 geborene Klägerin, die zwischenzeitlich als Rechtsanwältin zugelassen ist, stand als Rechtsreferendarin im Zeitraum von Januar 2009 bis August 2010 und April 2011 bis September 2011 beim Land Nordrhein-Westfalen im juristischen Vorbereitungsdienst. In dieser Zeit war sie pflichtversichert in der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Pflegeversicherung. Auf einem Fragebogen erklärte sie unter dem 20.09.2010, dass sie nach dem Ende der Versicherungspflicht freiwilliges Mitglied der Beklagten bleiben wolle als Studentin. Sie sei seit dem 01.10.2010 Promotionsstudentin. Handschriftlich ergänzte sie, dass sie den Studentenbeitrag von 64,00 EUR monatlich zahlen werde. Die Verlängerung der Versicherungspflicht beantragte sie nicht.
Bereits unter dem 03.09.2010 hatte die Beklagte die Klägerin unter Verweis auf die beabsichtigte freiwillige Weiterversicherung nach Ende der Beschäftigung um Übersendung von Einkommensnachweisen sowie Rückübersendung des Fragebogens zur Ermittlung des aktuellen Beitrages zur Kranken- und Pflegeversicherung gebeten. Unter dem 23.10.2010 übersandte die Klägerin einen Fragebogen, auf dem sie erklärte, auch weiterhin Mitglied der Beklagten bleiben zu wollen. Auf dem Vordruck änderte sie den Beginn des Versicherungsverhältnisses vom 01.09.2010 auf den 01.11.2010. Sie bestreite ihren Lebensunterhalt aus einer Ersparnis.
Mit Bescheid vom 15.11.2010 setzte die Beklagte die Beiträge zur Krankenversicherung auf monatlich 121,79 EUR und zur weiterhin bestehenden Pflegeversicherung mit 18,74 EUR nach der gesetzlichen Mindestgrenze von 851,67 EUR als Einnahmen fest. Dieser Bescheid nennt keinen Sachbearbeiter und keine Unterschrift ("mit freundlichem Gruß Ihre Techniker Krankenkasse"). Mit weiterem Bescheid vom 15.11.2010 teilte die Beklagte der Klägerin mit, Krankenversicherungspflicht als Student liege nicht vor. Man freue sich, dass sie sich für eine freiwillige Mitgliedschaft entschieden habe.
Unter dem 12.12.2010 widersprach die Klägerin dem Angebot bezüglich einer freiwilligen Mitgliedschaft bei der Beklagten.
Mit Schreiben vom 07.01.2011 erstellte die Beklagte eine Beitragsinformation zum 01.01.2011 und teilte eine Beitragshöhe von sodann insgesamt 145,64 EUR mit. Telefonisch wurde die Klägerin unter dem 18.01.2011 darauf hingewiesen, dass ein Nachweis über eine anderweitige Versicherung ab dem 01.09.2010 benötigt werde, damit die Versicherung storniert werden könne.
Die Klägerin übersandte eine Mitgliedsbescheinigung der AOK Rheinland/Hamburg bezüglich einer ab dem 01.04.2011 bestehenden Mitgliedschaft und berief sich in der Folge darauf, die Mitgliedschaft bei der Beklagten habe mit dem 31.08.2010 geendet, sie habe keine Leistungen in Anspruch genommen und sei auch nicht mehr zahlungsverpflichtet. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, auf ein Vertragsangebot zu antworten. Sie habe dem Vertragsschluss aber widersprochen. Eine Rechtsgrundlage für die der Beitragsberechnung zugrundegelegte gesetzliche Mindesteinnahme von 851,67 EUR bestehe nicht.
Mit Schreiben vom 22.02.2011 erläuterte die Beklagte die Rechtslage wie folgt: Nach Ende der Beschäftigung sei ein Fragebogen für die weitere Klärung der Versicherung zugesandt worden. Nach Vorlage des Antrages auf Weiterversicherung sei die freiwillige Versicherung durchgeführt worden und die Beiträge nach der gesetzlichen Mindestbemessungsgrenze berechnet worden. Ein Nachweis über eine anderweitige (private) Krankenversicherung sei nicht vorgelegt worden. Seit dem 01.04.2007 bestehe Krankenversicherungspflicht, wenn keine anderweitige Versicherung bestehe. Daher werde ein Nachweis über eine solche anderweitige Versicherung benötigt.
Parallel zu diesen Vorgängen erfolgten verschiedene Mahnungen und Vollstreckungsbemühungen. Die Klägerin bestritt mit Schreiben vom 02.04.2011 die Befugnis der Beklagten, Verwaltungsakte zu erlassen. Voraussetzung für eine Vollstreckung sei in jedem Fall, dass die Rechtsbehelfsfrist abgelaufen sei. Eine Einigung über eine freiwillige Versicherung sei niemals zustande gekommen, weil sie nach einem Versicherungsverhältnis als Studentin mit einem monatlichen Beitrag von 64,00 EUR nachgefragt habe.
Zwischen der AOK Rheinland/Hamburg und der Beklagten kam es nachfolgend zu einem Schriftwechsel bezüglich der Mitgliedschaft ab dem 01.04.2011. Die Klägerin soll dort angegeben haben, sie sei zuvor privat krankenversichert gewesen. Eine Kündigungsbestätigung zum 01.12.2011 erteilte die Beklagte zunächst unter dem 23.11.2011.
Die Klägerin machte geltend, sie sei von der Beklagten mit Schreiben vom 15.11.2010 ausdrücklich auf ein Widerspruchsrecht hingewiesen worden, von dem sie mit Schreiben vom 12.12.2010 Gebrauch gemacht habe. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, sie habe das Mitgliedsverhältnis nicht gekündigt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.01.2012 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 15.11.2010 zurück. Vom 01.09.2010 bis 31.03.2011 sei die Klägerin als Studentin freiwilliges Mitglied der Beklagten gewesen. Am 20.09.2010 und am 23.10.2010 sei ein entsprechender Antrag gestellt worden. Selbst wenn kein Antrag auf eine freiwillige Mitgliedschaft gestellt worden wäre, wäre sie versicherungspflichtiges Mitglied nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V geworden, da sie keine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall gehabt habe.
Unter dem 24.03.2014 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Aufhebung des Bescheides vom 15.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2012 und berief sich insoweit auf § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG. Die Beklagte hafte wegen eines Beratungsfehlers unter dem Gesichtspunkt des so genannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Sie sei nicht über die Möglichkeit der Übernahme der Krankenkassenbeiträge durch die Bundesagentur für Arbeit beraten worden, obwohl der Beklagten ihre Einkommens- und Arbeitslosigkeit bekannt gewesen sei. Die Übernahme des Krankenkassenbeitrages im Rahmen von Harz-IV-Leistungen müsse nun die Krankenkasse sicherstellen.
Mit Bescheid vom 08.04.2014 teilte die Beklagte mit, sie werte den eingegangenen Antrag als einen solchen nach § 44 SGB X. Ein Beratungsfehler liege nicht vor. Mit Mahnung vom 17.12.2010 sei die Klägerin darauf hingewiesen worden, dass sie sich an das Sozialamt wenden könne, sofern sie die Beitragsrückstände nicht begleichen könne oder dadurch hilfebedürftig im Sinne der Grundsicherung für Arbeitsuchende würde. Somit sei sie, die Beklagte, ihrer Aufklärungspflicht in vollem Umfang nachgekommen. Der Bescheid ergehe auch im Namen der Pflegekasse.
Den dagegen eingelegten Widerspruch vom 05.05.2014 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.09.2014 zurück. Die Mitgliedschaft freiwillig Versicherter beginne gemäß § 188 Abs. 2 Satz 1 SGB V mit dem Tag nach dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht. Sie habe bestandskräftig entschieden, dass die Klägerin ab dem 01.09.2010 freiwilliges Mitglied geworden sei. Diese habe in dem Weiterversicherungsantrag vom 20.09.2010 angegeben, den Lebensunterhalt durch Ersparnisse zu bestreiten. Daher hätten sich keine Anhaltspunkte ergeben, dass die Beiträge wegen einer eventuellen Hilfsbedürftigkeit nicht gezahlt werden könnten. Nachdem die Beiträge für die Monate September 2010 bis November 2010 nicht entrichtet worden seien, habe sie mit der Mahnung vom 12.12.2010 auf die Beitragsübernahme durch andere Leistungsträger hingewiesen. Insofern liege keine Verletzung von Beratungspflichten vor. Dem Anspruch auf Aufhebung des Bescheides vom 15.11.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2012 könne nach alledem nicht entsprochen werden.
Die Klägerin hat am 28.08.2014 zunächst Untätigkeits-Klage beim Sozialgericht Köln erhoben und ausgeführt: Sie habe sich Mitte September 2010 bei der Beklagten telefonisch nach einer freiwilligen Versicherung als Studentin erkundigt, weil sie einkommenslos gewesen sei. Daraufhin sei ihr mitgeteilt worden, dass eine Versicherung als Studentin möglich sei mit einer monatlichen Beitragszahlung von 64,00 EUR. Daher habe sie am 20.09.2010 ein Antragsformular ausgefüllt und die freiwillige Versicherung als Studentin mit einem monatlichen Betrag von 64,00 EUR beantragt. Mehr Geld habe sie für die Krankenversicherung nicht aufbringen können. Außerdem sei die Höhe des Beitrages mündlich besprochen worden. Auf den Antrag habe sie acht Wochen lang keine Antwort erhalten. Damit sei ihr Angebot vom 20.09.2010 hinfällig geworden. Angebot und Annahme (mit einer Versicherung zum Beitrag von monatlich 140,53 EUR) hätten sich nicht gedeckt. Dieses Verhalten sei treuwidrig. Es werde zudem bestritten, dass es sich bei dem Bescheid vom 15.11.2010 um einen vollstreckbaren Verwaltungsakt handle, da dieser nicht mit "Bescheid" überschrieben sei und eine Widerspruchsbelehrung fehle. Nach außen sehe das Schreiben nicht wie ein vollstreckbarer Titel aus. Gewöhnliche Zahlungsaufforderungen und Rechnungen seien nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keine Verwaltungsakte. Sie berufe sich insofern auf Vertrauensschutz. Ferner sei das Schreiben nicht unterschrieben und auch kein Zusatz vorhanden, wonach das Schreiben maschinell erstellt worden und ohne Unterschrift gültig sei. Sie bestreite die Befugnis des Sachbearbeiters der Krankenkasse, hier überhaupt einen vollstreckbaren Verwaltungsakt zu erlassen. Es liege ein nichtiger Verwaltungsakt im Sinne des § 40 Abs. 1 SGB X vor. Der Antrag auf Aufhebung des Verwaltungsakts nach § 44 SGB X werde zudem auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch wegen eines Beratungsfehlers durch die Beklagte gestützt.
Nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2014 hat die Klägerin erklärt, die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Klage lägen nunmehr unstreitig vor.
Ein Eilverfahren der Antragstellerin blieb erfolglos (S 34 KR 868/14 ER; L 16 KR 20/15 B ER). Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 09.12.2014 sowie den Beschluss des Senats vom 03.03.2015 verwiesen.
Die Klägerin hat im Anschluss daran an ihrer Auffassung festgehalten, es liege kein automatisierter Verwaltungsakt vor, da Unterschrift oder Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten fehlten (Verweis auf BVerwG vom 22.01.1993 - 8 C 57/91 = NJW 1993/1667). Der Verwaltungsakt sei nicht rechtmäßig aufgrund Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot. Mangelnde Unterschrift oder Namenswiedergabe führten zur Rechtswidrigkeit und Aufhebbarkeit des Verwaltungsaktes. Nach § 33 Abs. 3 Satz 1 SGB X müsse ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Daher bestehe ein Anspruch auf Rücknahme der rechtswidrigen Belastung mit Wirkung für die Vergangenheit gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Darüber hinaus bestehe ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch aufgrund des bereits geltend gemachten Beratungsfehlers. Sie sei nicht über alternative Versicherungsmöglichkeiten aufgeklärt worden. Sie hätte zudem vor Erlass des (Beitrags-)Bescheides vom 15.11.2010 angehört werden müssen. Die Beklagte habe ferner die Aufnahme einer freiwilligen Versicherung mit (weiterem) Bescheid vom 15.11.2010 abgelehnt. Hätte die Beklagte ordnungsgemäß beraten, wäre ihr kein Schaden i.H.v. 1.455,02 EUR entstanden. Sie begehre nunmehr Nachteilsausgleich im Wege der Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsaktes.
Ergänzend hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie schon aus den von ihr im Vorbereitungsdienst im Zeitraum von Januar 2009 bis September 2011 bezogenen Einkünften Krankenversicherungsbeiträge im streitigen Zeitraum nicht hätte zahlen können. In den streitigen Monaten habe sie überhaupt kein Einkommen gehabt. Das von ihr bezogene durchschnittliche Gehalt habe im Übrigen unter dem Existenzminimum gelegen. Das OVG für das Land Nordrhein-Westfalen habe mit Urteil vom 27.10.2014 die Verwaltungspraxis des LBV NRW für rechtswidrig erklärt, weil Referendare, die seit dem Jahr 2006 eingestellt worden seien, zu geringe Bezüge erhalten hätten. Es werde um Aufhebung des Beitragsbescheides gebeten, weil ein Fall unbilliger Härte vorliege.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 08.04.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 15.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2012 zurückzunehmen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die angefochtenen Bescheide verteidigt und sich durch die Entscheidungen im sozialgerichtlichen Eilverfahren bestätigt gesehen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 27.10.2015 abgewiesen. Es hat auf die Ausführungen des angefochtenen Bescheides verwiesen und ergänzend zur formellen Rechtmäßigkeit Ausführungen des erkennenden Senats aus dem Beschluss vom 03.03.2015 wiederholt.
Die Klägerin hält mit ihrer Berufung vom 02.12.2015 (Eingang der Berufungsbegründung) gegen das ihr am 02.11.2015 zugestellte Urteil des Sozialgerichts an ihrem Begehren fest und wiederholt zum Teil vertiefend ihre bisherigen Ausführungen. Bei dem Schreiben vom 15.10.2010 (gemeint 15.11.2010) handele es sich um einen bloßen Entwurf. Daraus sei unzulässigerweise die Zwangsvollstreckung betrieben worden. Sie habe darin von Anfang an keinen verbindlichen Verwaltungsakt gesehen. Es fehle auch ein Hinweis darauf, dass ein maschinell erstellter und ohne Unterschrift gültiger Bescheid vorliege. Sie rüge zudem, dass keine Befugnis zum Erlass eines Vollstreckungstitels bestanden habe. Sie bezweifle, dass diese hoheitlichen Befugnisse bei einem Sachbearbeiter der Krankenkasse gegeben seien vergleichbar einem Richter, der seine Befähigung zum Richteramt durch erfolgreiches Absolvieren von zwei juristischen Staatsexamena nachgewiesen habe. Die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung insofern, als zu klären sei, ob der Staat von einem Rechtsreferendar, der während seiner Ausbildungszeit zu geringe Bezüge erhalten habe und daher unter dem Existenzminimum gelebt habe, für die Zeit der Unterbrechung des Referendardienstes von insgesamt sieben Monaten verlangen könne, dass dieser einen Krankenkassenbeitrag entrichte, obwohl er im streitigen Zeitraum ohne Anstellung und ohne Einkommen gewesen sei. Aufgrund der ungenügenden Einkommensverhältnisse liege ein Fall des § 76 Abs. 2 Nr. 3 SGB IV vor. Diese Rechtsnorm habe das Sozialgericht in seinem Urteil nicht hinreichend berücksichtigt. Auf die Rechtsstellung als Auszubildende gehe das Sozialgericht gar nicht ein. Der Widerspruchsbescheid sei fehlerhaft, weil dort ausgeführt sei, sie sei als Studentin freiwilliges Mitglied der Beklagten. Eine Versicherung als Studentin habe die Beklagte jedoch abgelehnt. Das habe das Sozialgericht ggf. überlesen. Die Beklagte habe kein § 175 SGB V genügendes Verfahren über die freiwillige Versicherung durchgeführt. Soweit in dem Widerspruchsbescheid ausgeführt sei, eine Härtefallregelung sei nicht vorgesehen, stimme auch dies nicht. Insoweit werde auf die Regelung in § 76 Abs. 2 Nr. 3 SGB IV verwiesen. Die Unbilligkeit der Beitragserhebung ergebe sich aus dem Umstand, dass die Klägerin wirtschaftlich in der Position einer Auszubildenden gewesen sei. Das Sozialgericht habe im Übrigen das überlange Verfahren über den Widerspruch nicht genügend gewürdigt. Schließlich habe es § 186 Abs. 11 Satz 4 SGB V nicht berücksichtigt. Danach müssten Krankenkassen in ihren Satzungen Regelungen vorsehen, wonach nachzuzahlende Beträge angemessen ermäßigt oder gestundet werden können. Sie sehe es als ungerechtfertigt an, dass die Beklagte auf den Widerspruch vom 12.12.2010 länger als 13 Monate gar nicht geantwortet habe und dennoch für das Jahr 2011 insgesamt Säumniszuschläge i.H.v. 60 % per anno verlange.
In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten den Rechtsstreit auf die Überprüfung der Krankenversicherungsbeiträge der Klägerin im streitigen Zeitraum beschränkt. Die Beklagte hat sich verpflichtet, die insoweit erhobenen Pflegeversicherungsbeiträge dem rechtskräftigen Ausgang des vorliegenden Verfahrens anzupassen, soweit die Klägerin obsiegen sollte.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 27.10.2015 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 08.04.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 15.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2012 zurückzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des Verwaltungsvorgangs der Beklagten sowie der Prozessakten sowie der Akten zum Eilverfahren L 16 KR 20/15 B ER (Aktenzeichen des Sozialgerichts S 34 KR 868/14 ER) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Die nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2014 und zulässiger Klageänderung als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässige Klage hat das Sozialgericht mit zutreffender Begründung abgewiesen. Gegenstand des Klage- und Berufungsverfahren ist der den Überprüfungsantrag nach § 44 Abs. 1 SGB X ablehnende Bescheid der Beklagten vom 08.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2014. Dabei bezieht sich der Antrag der Klägerin explizit allein auf den Bescheid vom 15.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2012. Nicht mehr Gegenstand des Verfahrens ist nach zulässiger Beschränkung des Rechtsstreits in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Frage der Beitragspflicht in der sozialen Pflegeversicherung.
Nicht Gegenstand des Verfahrens sind auch (bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht ergangene) Entscheidungen über Stundung und Erlass (etwa nach § 76 SGB IV) von Beitragsrückständen.
Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X, wonach ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Die Beklagte ist weder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 2. Alt SGB X) noch hat sie bei Erlass des Bescheids vom 15.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2012 entgegen der Auffassung der Klägerin das Recht unrichtig angewandt (§ 44 Abs. 1 Satz 1 1. Alt SGB X).
Der Bescheid vom 15.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2012 ist formell und materiell rechtmäßig. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die Ausführungen des Sozialgerichts in der angefochtenen Entscheidung (§ 153 Abs. 2 SGG) und verweist auf seine Ausführungen im Beschluss vom 03.03.2015 (L 16 KR 20/15 B ER).
Die Berufungsbegründung rechtfertigt eine abweichende Entscheidung nicht.
Hinsichtlich des von der Klägerin gerügten Verstoßes gegen § 33 Abs. 3 Satz 1 SGB X weist der Senat lediglich ergänzend darauf hin, dass - wie die Klägerin mit der Berufungsbegründung nunmehr einräumt - ausgehend vom (objektiven) Empfängerhorizont ein schriftlicher Verwaltungsakt mit der Feststellung der Fortführung der Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung (und sozialen Pflegeversicherung) als freiwillige Versicherung (und der daraus resultierenden Beitragspflicht) vorliegt. Die Klägerin verkennt weiterhin, dass nach § 33 Abs. 5 Satz 1 SGB X bei einem Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, abweichend von § 33 Abs. 3 Satz 1 Unterschrift und Namenswiedergabe fehlen können.
Der Bescheid vom 15.11.2010 ist insgesamt unter Nutzung elektronischer Datenverarbeitung erstellt worden. Dass ein ausdrücklicher, dies erklärender Zusatz fehlte, begründet keinen die formelle Rechtswidrigkeit des Bescheides begründenden Formvorverstoß (vgl. Pattar in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 33 SGB X, Rn. 93 m.w.N.). Aus der von der Klägerin für ihre Rechtsauffassung in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 22.01.1993 - 8 C 57/91, Rn. 14, juris) ergibt sich nichts Anderes. Hier fehlt es von vorherein an einem Sachverhalt, in dem die Klägerin als Empfängerin bei verständiger Betrachtung in Erwägung ziehen durfte, dass es sich allein um einen Bescheidentwurf hätte handeln können. So sind insbesondere handschriftliche oder maschinenschriftliche Korrekturen, die diesen Verdacht hätten erregen können, nicht angebracht worden.
Hinsichtlich des von der Klägerin monierten Fehlens einer Rechtsbehelfsbelehrung im Beitragsbescheid weist der Senat darauf hin, dass ein Verstoß gegen § 36 SGB X den Verwaltungsakt nicht rechtswidrig macht, sondern lediglich zu erweiterten Rechtsbehelfsfristen führt (BSG, Urteil vom 20.10.2010 - B 13 R 15/10 R = SozR 4-1500 § 193 Nr. 6 Rn. 36).
Der in Ermangelung von Verfahrens- oder Formfehlern formell rechtmäßige Bescheid vom 15.11.2010 (etwaige Verfahrensfehler im Rahmen der nachfolgenden Vollstreckung sind nicht Gegenstand der Prüfung durch den Senat, wobei die Ausführungen der Klägerin jedoch den Hinweis veranlassen, dass die aufschiebende Wirkung von Anfechtungsklage und Widerspruch gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten entfällt, so dass ihre Auffassung, die Beklagte habe grundsätzlich nicht vollstrecken dürfen, auf einer Verkennung der Rechtslage beruht) ist auch materiell rechtmäßig. Auch insoweit lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Beklagte zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Klägerin gemäß § 188 Abs. 3 SGB V in der bis zum 01.08.2013 geltenden Fassung schriftlich der freiwilligen Versicherung beigetreten ist und die Mitgliedschaft nach § 188 Abs. 2 SGB V mit dem Tag des Ausscheidens aus dem juristischen Vorbereitungsdienst (Referendardienst) begann. Die Klägerin hat zweifelsfrei erklärt, sie wolle Mitglied der Beklagten bleiben. Weiterhin hat sie erklärt, sie sei aus dem juristischen Vorbereitungsdienst ausgeschieden und bestreite ihren Lebensunterhalt aus Ersparnissen. Angesichts der seit dem 01.04.2007 bestehenden grundsätzlichen Krankenversicherungspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V) entsprach die Fortführung der Versicherung auch den Interessen der Klägerin, da die freiwillige Versicherung weitergehende Gestaltungsspielräume eröffnete. Der Argumentation der Klägerin, ein Vertrag über die freiwillige Krankenversicherung sei nicht zustandegekommen, weil man sich nicht über die Beitragshöhe geeinigt habe, vermag der Senat nicht zu folgen. Die Klägerin verkennt, dass die die Höhe der Beitragsverpflichtung nicht verhandelbar ist, sondern sich nach den Maßgaben des Gesetzes (vgl. § 240 SGB V) und den Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler) bestimmt.
Ohnehin aber hätte die alternativ in Betracht kommende Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V, worauf das Sozialgericht ebenfalls zutreffend hingewiesen hat, Beitragsverpflichtungen in gleicher Höhe wie die freiwillige Versicherung nach sich gezogen (§ 227 SGB V, der insoweit auf § 240 SGB V verweist).
Die Klägerin verkennt im Übrigen weiterhin, dass die Voraussetzungen für eine Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V (und jeden weiteren Pflichtversicherungstatbestand nach § 5 Abs. 1 SGB V mit Ausnahme dessen Nr. 13) nicht vorlagen. Widersprüchliche Aussagen und Entscheidungen der Beklagten liegen insoweit nicht vor. Diese ist durchgängig von einer Versicherung der Klägerin als Studentin in der freiwilligen Versicherung ausgegangen und lehnte - in rechtlich nicht zu beanstandender Weise - eine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung der Studenten ab.
Zu Recht hat das Sozialgericht auch festgestellt, dass die Klägerin sich nicht auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch berufen kann. Es fehlt jedenfalls an einem Beratungsfehler durch die Beklagte. Insbesondere musste diese nicht erkennen, dass die Klägerin, die angegeben hatte, ihren Lebensunterhalt aus Ersparnissen zu bestreiten, nicht in der Lage sein würde, die (Mindest-)Beiträge zu leisten. Geradezu abwegig ist die Vorstellung der Klägerin, die Krankenkasse hätte sie - als Promotionsstudentin der Rechtswissenschaften - darüber belehren müssen, dass sie durch den Bezug von Leistungen nach dem SGB II eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung hätte herbeiführen können.
Folge der Weiterversicherung in der freiwilligen Krankenversicherung (aber auch einer alternativ denkbaren Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V) ist die von der Beklagten zutreffend festgestellte Beitragslast nach der Mindestbemessungsgrundlage des § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V. Die mit Bescheid vom 05.11.2010 festgestellte Beitragshöhe ist mithin nicht zu beanstanden. Dem Senat ist in diesem Zusammenhang insbesondere nicht nachvollziehbar geworden, welche rechtliche Relevanz dem Umstand zukommen sollte, dass die Klägerin ihrer Auffassung nach im Rahmen des juristischen Vorbereitungsdienstes (zuvor) gegebenenfalls Bezüge in nicht existenzsichernder Höhe bezogen hat. Im Übrigen ist die Sicherung des Lebensunterhalts vorrangig (bei Erwerbsfähigen) Aufgabe der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II.
Soweit die Klägerin unter Verweis auf § 76 SGB IV sinngemäß geltend macht, der Krankenversicherungsträger habe im Rahmen der Beitragsbemessung Ermessenspielräume und könne unbilligen Härten Rechnung tragen, weist der Senat darauf hin, dass über den Beitragserlass wie über eine Stundung von Beiträgen im Rahmen eines gesonderten Verwaltungsverfahrens zu entscheiden ist. Ob die Klägerin Anspruch auf Erlass von Beiträgen hat, weil sie - wie sie vorträgt - wirtschaftlich in der Position einer Auszubildenden gewesen sei, braucht der Senat daher im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden. Die Beklagte hatte ebenso wenig Veranlassung, nach § 186 Abs. 11 SGB V in der bis zum 01.08.2013 geltenden Fassung über eine Ermäßigung, eine Stundung oder ein Absehen von der Beitragserhebung zu entscheiden. Ausgehend von der zu Recht angenommenen freiwilligen Versicherung ist diese Vorschrift ohnehin nicht anwendbar; bei Annahme einer Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V hätte sie spätestens am 03.09.2010 ihre Versicherungslosigkeit angezeigt und darüber hinaus eine solche Entscheidung nicht beantragt. Vielmehr hatte sie lediglich mitgeteilt, ihren Lebensunterhalt aus Ersparnissen zu bestreiten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht ersichtlich.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen zur freiwilligen Krankenversicherung sowie zur Pflegeversicherung im Zeitraum September 2010 bis März 2011 und bestreitet eine zur Beitragserhebung berechtigende freiwillige Mitgliedschaft.
Die 1979 geborene Klägerin, die zwischenzeitlich als Rechtsanwältin zugelassen ist, stand als Rechtsreferendarin im Zeitraum von Januar 2009 bis August 2010 und April 2011 bis September 2011 beim Land Nordrhein-Westfalen im juristischen Vorbereitungsdienst. In dieser Zeit war sie pflichtversichert in der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Pflegeversicherung. Auf einem Fragebogen erklärte sie unter dem 20.09.2010, dass sie nach dem Ende der Versicherungspflicht freiwilliges Mitglied der Beklagten bleiben wolle als Studentin. Sie sei seit dem 01.10.2010 Promotionsstudentin. Handschriftlich ergänzte sie, dass sie den Studentenbeitrag von 64,00 EUR monatlich zahlen werde. Die Verlängerung der Versicherungspflicht beantragte sie nicht.
Bereits unter dem 03.09.2010 hatte die Beklagte die Klägerin unter Verweis auf die beabsichtigte freiwillige Weiterversicherung nach Ende der Beschäftigung um Übersendung von Einkommensnachweisen sowie Rückübersendung des Fragebogens zur Ermittlung des aktuellen Beitrages zur Kranken- und Pflegeversicherung gebeten. Unter dem 23.10.2010 übersandte die Klägerin einen Fragebogen, auf dem sie erklärte, auch weiterhin Mitglied der Beklagten bleiben zu wollen. Auf dem Vordruck änderte sie den Beginn des Versicherungsverhältnisses vom 01.09.2010 auf den 01.11.2010. Sie bestreite ihren Lebensunterhalt aus einer Ersparnis.
Mit Bescheid vom 15.11.2010 setzte die Beklagte die Beiträge zur Krankenversicherung auf monatlich 121,79 EUR und zur weiterhin bestehenden Pflegeversicherung mit 18,74 EUR nach der gesetzlichen Mindestgrenze von 851,67 EUR als Einnahmen fest. Dieser Bescheid nennt keinen Sachbearbeiter und keine Unterschrift ("mit freundlichem Gruß Ihre Techniker Krankenkasse"). Mit weiterem Bescheid vom 15.11.2010 teilte die Beklagte der Klägerin mit, Krankenversicherungspflicht als Student liege nicht vor. Man freue sich, dass sie sich für eine freiwillige Mitgliedschaft entschieden habe.
Unter dem 12.12.2010 widersprach die Klägerin dem Angebot bezüglich einer freiwilligen Mitgliedschaft bei der Beklagten.
Mit Schreiben vom 07.01.2011 erstellte die Beklagte eine Beitragsinformation zum 01.01.2011 und teilte eine Beitragshöhe von sodann insgesamt 145,64 EUR mit. Telefonisch wurde die Klägerin unter dem 18.01.2011 darauf hingewiesen, dass ein Nachweis über eine anderweitige Versicherung ab dem 01.09.2010 benötigt werde, damit die Versicherung storniert werden könne.
Die Klägerin übersandte eine Mitgliedsbescheinigung der AOK Rheinland/Hamburg bezüglich einer ab dem 01.04.2011 bestehenden Mitgliedschaft und berief sich in der Folge darauf, die Mitgliedschaft bei der Beklagten habe mit dem 31.08.2010 geendet, sie habe keine Leistungen in Anspruch genommen und sei auch nicht mehr zahlungsverpflichtet. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, auf ein Vertragsangebot zu antworten. Sie habe dem Vertragsschluss aber widersprochen. Eine Rechtsgrundlage für die der Beitragsberechnung zugrundegelegte gesetzliche Mindesteinnahme von 851,67 EUR bestehe nicht.
Mit Schreiben vom 22.02.2011 erläuterte die Beklagte die Rechtslage wie folgt: Nach Ende der Beschäftigung sei ein Fragebogen für die weitere Klärung der Versicherung zugesandt worden. Nach Vorlage des Antrages auf Weiterversicherung sei die freiwillige Versicherung durchgeführt worden und die Beiträge nach der gesetzlichen Mindestbemessungsgrenze berechnet worden. Ein Nachweis über eine anderweitige (private) Krankenversicherung sei nicht vorgelegt worden. Seit dem 01.04.2007 bestehe Krankenversicherungspflicht, wenn keine anderweitige Versicherung bestehe. Daher werde ein Nachweis über eine solche anderweitige Versicherung benötigt.
Parallel zu diesen Vorgängen erfolgten verschiedene Mahnungen und Vollstreckungsbemühungen. Die Klägerin bestritt mit Schreiben vom 02.04.2011 die Befugnis der Beklagten, Verwaltungsakte zu erlassen. Voraussetzung für eine Vollstreckung sei in jedem Fall, dass die Rechtsbehelfsfrist abgelaufen sei. Eine Einigung über eine freiwillige Versicherung sei niemals zustande gekommen, weil sie nach einem Versicherungsverhältnis als Studentin mit einem monatlichen Beitrag von 64,00 EUR nachgefragt habe.
Zwischen der AOK Rheinland/Hamburg und der Beklagten kam es nachfolgend zu einem Schriftwechsel bezüglich der Mitgliedschaft ab dem 01.04.2011. Die Klägerin soll dort angegeben haben, sie sei zuvor privat krankenversichert gewesen. Eine Kündigungsbestätigung zum 01.12.2011 erteilte die Beklagte zunächst unter dem 23.11.2011.
Die Klägerin machte geltend, sie sei von der Beklagten mit Schreiben vom 15.11.2010 ausdrücklich auf ein Widerspruchsrecht hingewiesen worden, von dem sie mit Schreiben vom 12.12.2010 Gebrauch gemacht habe. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, sie habe das Mitgliedsverhältnis nicht gekündigt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.01.2012 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 15.11.2010 zurück. Vom 01.09.2010 bis 31.03.2011 sei die Klägerin als Studentin freiwilliges Mitglied der Beklagten gewesen. Am 20.09.2010 und am 23.10.2010 sei ein entsprechender Antrag gestellt worden. Selbst wenn kein Antrag auf eine freiwillige Mitgliedschaft gestellt worden wäre, wäre sie versicherungspflichtiges Mitglied nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V geworden, da sie keine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall gehabt habe.
Unter dem 24.03.2014 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Aufhebung des Bescheides vom 15.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2012 und berief sich insoweit auf § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG. Die Beklagte hafte wegen eines Beratungsfehlers unter dem Gesichtspunkt des so genannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Sie sei nicht über die Möglichkeit der Übernahme der Krankenkassenbeiträge durch die Bundesagentur für Arbeit beraten worden, obwohl der Beklagten ihre Einkommens- und Arbeitslosigkeit bekannt gewesen sei. Die Übernahme des Krankenkassenbeitrages im Rahmen von Harz-IV-Leistungen müsse nun die Krankenkasse sicherstellen.
Mit Bescheid vom 08.04.2014 teilte die Beklagte mit, sie werte den eingegangenen Antrag als einen solchen nach § 44 SGB X. Ein Beratungsfehler liege nicht vor. Mit Mahnung vom 17.12.2010 sei die Klägerin darauf hingewiesen worden, dass sie sich an das Sozialamt wenden könne, sofern sie die Beitragsrückstände nicht begleichen könne oder dadurch hilfebedürftig im Sinne der Grundsicherung für Arbeitsuchende würde. Somit sei sie, die Beklagte, ihrer Aufklärungspflicht in vollem Umfang nachgekommen. Der Bescheid ergehe auch im Namen der Pflegekasse.
Den dagegen eingelegten Widerspruch vom 05.05.2014 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.09.2014 zurück. Die Mitgliedschaft freiwillig Versicherter beginne gemäß § 188 Abs. 2 Satz 1 SGB V mit dem Tag nach dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht. Sie habe bestandskräftig entschieden, dass die Klägerin ab dem 01.09.2010 freiwilliges Mitglied geworden sei. Diese habe in dem Weiterversicherungsantrag vom 20.09.2010 angegeben, den Lebensunterhalt durch Ersparnisse zu bestreiten. Daher hätten sich keine Anhaltspunkte ergeben, dass die Beiträge wegen einer eventuellen Hilfsbedürftigkeit nicht gezahlt werden könnten. Nachdem die Beiträge für die Monate September 2010 bis November 2010 nicht entrichtet worden seien, habe sie mit der Mahnung vom 12.12.2010 auf die Beitragsübernahme durch andere Leistungsträger hingewiesen. Insofern liege keine Verletzung von Beratungspflichten vor. Dem Anspruch auf Aufhebung des Bescheides vom 15.11.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2012 könne nach alledem nicht entsprochen werden.
Die Klägerin hat am 28.08.2014 zunächst Untätigkeits-Klage beim Sozialgericht Köln erhoben und ausgeführt: Sie habe sich Mitte September 2010 bei der Beklagten telefonisch nach einer freiwilligen Versicherung als Studentin erkundigt, weil sie einkommenslos gewesen sei. Daraufhin sei ihr mitgeteilt worden, dass eine Versicherung als Studentin möglich sei mit einer monatlichen Beitragszahlung von 64,00 EUR. Daher habe sie am 20.09.2010 ein Antragsformular ausgefüllt und die freiwillige Versicherung als Studentin mit einem monatlichen Betrag von 64,00 EUR beantragt. Mehr Geld habe sie für die Krankenversicherung nicht aufbringen können. Außerdem sei die Höhe des Beitrages mündlich besprochen worden. Auf den Antrag habe sie acht Wochen lang keine Antwort erhalten. Damit sei ihr Angebot vom 20.09.2010 hinfällig geworden. Angebot und Annahme (mit einer Versicherung zum Beitrag von monatlich 140,53 EUR) hätten sich nicht gedeckt. Dieses Verhalten sei treuwidrig. Es werde zudem bestritten, dass es sich bei dem Bescheid vom 15.11.2010 um einen vollstreckbaren Verwaltungsakt handle, da dieser nicht mit "Bescheid" überschrieben sei und eine Widerspruchsbelehrung fehle. Nach außen sehe das Schreiben nicht wie ein vollstreckbarer Titel aus. Gewöhnliche Zahlungsaufforderungen und Rechnungen seien nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keine Verwaltungsakte. Sie berufe sich insofern auf Vertrauensschutz. Ferner sei das Schreiben nicht unterschrieben und auch kein Zusatz vorhanden, wonach das Schreiben maschinell erstellt worden und ohne Unterschrift gültig sei. Sie bestreite die Befugnis des Sachbearbeiters der Krankenkasse, hier überhaupt einen vollstreckbaren Verwaltungsakt zu erlassen. Es liege ein nichtiger Verwaltungsakt im Sinne des § 40 Abs. 1 SGB X vor. Der Antrag auf Aufhebung des Verwaltungsakts nach § 44 SGB X werde zudem auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch wegen eines Beratungsfehlers durch die Beklagte gestützt.
Nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2014 hat die Klägerin erklärt, die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Klage lägen nunmehr unstreitig vor.
Ein Eilverfahren der Antragstellerin blieb erfolglos (S 34 KR 868/14 ER; L 16 KR 20/15 B ER). Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 09.12.2014 sowie den Beschluss des Senats vom 03.03.2015 verwiesen.
Die Klägerin hat im Anschluss daran an ihrer Auffassung festgehalten, es liege kein automatisierter Verwaltungsakt vor, da Unterschrift oder Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten fehlten (Verweis auf BVerwG vom 22.01.1993 - 8 C 57/91 = NJW 1993/1667). Der Verwaltungsakt sei nicht rechtmäßig aufgrund Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot. Mangelnde Unterschrift oder Namenswiedergabe führten zur Rechtswidrigkeit und Aufhebbarkeit des Verwaltungsaktes. Nach § 33 Abs. 3 Satz 1 SGB X müsse ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Daher bestehe ein Anspruch auf Rücknahme der rechtswidrigen Belastung mit Wirkung für die Vergangenheit gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Darüber hinaus bestehe ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch aufgrund des bereits geltend gemachten Beratungsfehlers. Sie sei nicht über alternative Versicherungsmöglichkeiten aufgeklärt worden. Sie hätte zudem vor Erlass des (Beitrags-)Bescheides vom 15.11.2010 angehört werden müssen. Die Beklagte habe ferner die Aufnahme einer freiwilligen Versicherung mit (weiterem) Bescheid vom 15.11.2010 abgelehnt. Hätte die Beklagte ordnungsgemäß beraten, wäre ihr kein Schaden i.H.v. 1.455,02 EUR entstanden. Sie begehre nunmehr Nachteilsausgleich im Wege der Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsaktes.
Ergänzend hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie schon aus den von ihr im Vorbereitungsdienst im Zeitraum von Januar 2009 bis September 2011 bezogenen Einkünften Krankenversicherungsbeiträge im streitigen Zeitraum nicht hätte zahlen können. In den streitigen Monaten habe sie überhaupt kein Einkommen gehabt. Das von ihr bezogene durchschnittliche Gehalt habe im Übrigen unter dem Existenzminimum gelegen. Das OVG für das Land Nordrhein-Westfalen habe mit Urteil vom 27.10.2014 die Verwaltungspraxis des LBV NRW für rechtswidrig erklärt, weil Referendare, die seit dem Jahr 2006 eingestellt worden seien, zu geringe Bezüge erhalten hätten. Es werde um Aufhebung des Beitragsbescheides gebeten, weil ein Fall unbilliger Härte vorliege.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 08.04.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 15.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2012 zurückzunehmen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die angefochtenen Bescheide verteidigt und sich durch die Entscheidungen im sozialgerichtlichen Eilverfahren bestätigt gesehen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 27.10.2015 abgewiesen. Es hat auf die Ausführungen des angefochtenen Bescheides verwiesen und ergänzend zur formellen Rechtmäßigkeit Ausführungen des erkennenden Senats aus dem Beschluss vom 03.03.2015 wiederholt.
Die Klägerin hält mit ihrer Berufung vom 02.12.2015 (Eingang der Berufungsbegründung) gegen das ihr am 02.11.2015 zugestellte Urteil des Sozialgerichts an ihrem Begehren fest und wiederholt zum Teil vertiefend ihre bisherigen Ausführungen. Bei dem Schreiben vom 15.10.2010 (gemeint 15.11.2010) handele es sich um einen bloßen Entwurf. Daraus sei unzulässigerweise die Zwangsvollstreckung betrieben worden. Sie habe darin von Anfang an keinen verbindlichen Verwaltungsakt gesehen. Es fehle auch ein Hinweis darauf, dass ein maschinell erstellter und ohne Unterschrift gültiger Bescheid vorliege. Sie rüge zudem, dass keine Befugnis zum Erlass eines Vollstreckungstitels bestanden habe. Sie bezweifle, dass diese hoheitlichen Befugnisse bei einem Sachbearbeiter der Krankenkasse gegeben seien vergleichbar einem Richter, der seine Befähigung zum Richteramt durch erfolgreiches Absolvieren von zwei juristischen Staatsexamena nachgewiesen habe. Die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung insofern, als zu klären sei, ob der Staat von einem Rechtsreferendar, der während seiner Ausbildungszeit zu geringe Bezüge erhalten habe und daher unter dem Existenzminimum gelebt habe, für die Zeit der Unterbrechung des Referendardienstes von insgesamt sieben Monaten verlangen könne, dass dieser einen Krankenkassenbeitrag entrichte, obwohl er im streitigen Zeitraum ohne Anstellung und ohne Einkommen gewesen sei. Aufgrund der ungenügenden Einkommensverhältnisse liege ein Fall des § 76 Abs. 2 Nr. 3 SGB IV vor. Diese Rechtsnorm habe das Sozialgericht in seinem Urteil nicht hinreichend berücksichtigt. Auf die Rechtsstellung als Auszubildende gehe das Sozialgericht gar nicht ein. Der Widerspruchsbescheid sei fehlerhaft, weil dort ausgeführt sei, sie sei als Studentin freiwilliges Mitglied der Beklagten. Eine Versicherung als Studentin habe die Beklagte jedoch abgelehnt. Das habe das Sozialgericht ggf. überlesen. Die Beklagte habe kein § 175 SGB V genügendes Verfahren über die freiwillige Versicherung durchgeführt. Soweit in dem Widerspruchsbescheid ausgeführt sei, eine Härtefallregelung sei nicht vorgesehen, stimme auch dies nicht. Insoweit werde auf die Regelung in § 76 Abs. 2 Nr. 3 SGB IV verwiesen. Die Unbilligkeit der Beitragserhebung ergebe sich aus dem Umstand, dass die Klägerin wirtschaftlich in der Position einer Auszubildenden gewesen sei. Das Sozialgericht habe im Übrigen das überlange Verfahren über den Widerspruch nicht genügend gewürdigt. Schließlich habe es § 186 Abs. 11 Satz 4 SGB V nicht berücksichtigt. Danach müssten Krankenkassen in ihren Satzungen Regelungen vorsehen, wonach nachzuzahlende Beträge angemessen ermäßigt oder gestundet werden können. Sie sehe es als ungerechtfertigt an, dass die Beklagte auf den Widerspruch vom 12.12.2010 länger als 13 Monate gar nicht geantwortet habe und dennoch für das Jahr 2011 insgesamt Säumniszuschläge i.H.v. 60 % per anno verlange.
In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten den Rechtsstreit auf die Überprüfung der Krankenversicherungsbeiträge der Klägerin im streitigen Zeitraum beschränkt. Die Beklagte hat sich verpflichtet, die insoweit erhobenen Pflegeversicherungsbeiträge dem rechtskräftigen Ausgang des vorliegenden Verfahrens anzupassen, soweit die Klägerin obsiegen sollte.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 27.10.2015 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 08.04.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 15.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2012 zurückzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des Verwaltungsvorgangs der Beklagten sowie der Prozessakten sowie der Akten zum Eilverfahren L 16 KR 20/15 B ER (Aktenzeichen des Sozialgerichts S 34 KR 868/14 ER) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Die nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2014 und zulässiger Klageänderung als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässige Klage hat das Sozialgericht mit zutreffender Begründung abgewiesen. Gegenstand des Klage- und Berufungsverfahren ist der den Überprüfungsantrag nach § 44 Abs. 1 SGB X ablehnende Bescheid der Beklagten vom 08.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2014. Dabei bezieht sich der Antrag der Klägerin explizit allein auf den Bescheid vom 15.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2012. Nicht mehr Gegenstand des Verfahrens ist nach zulässiger Beschränkung des Rechtsstreits in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Frage der Beitragspflicht in der sozialen Pflegeversicherung.
Nicht Gegenstand des Verfahrens sind auch (bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht ergangene) Entscheidungen über Stundung und Erlass (etwa nach § 76 SGB IV) von Beitragsrückständen.
Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X, wonach ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Die Beklagte ist weder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 2. Alt SGB X) noch hat sie bei Erlass des Bescheids vom 15.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2012 entgegen der Auffassung der Klägerin das Recht unrichtig angewandt (§ 44 Abs. 1 Satz 1 1. Alt SGB X).
Der Bescheid vom 15.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2012 ist formell und materiell rechtmäßig. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die Ausführungen des Sozialgerichts in der angefochtenen Entscheidung (§ 153 Abs. 2 SGG) und verweist auf seine Ausführungen im Beschluss vom 03.03.2015 (L 16 KR 20/15 B ER).
Die Berufungsbegründung rechtfertigt eine abweichende Entscheidung nicht.
Hinsichtlich des von der Klägerin gerügten Verstoßes gegen § 33 Abs. 3 Satz 1 SGB X weist der Senat lediglich ergänzend darauf hin, dass - wie die Klägerin mit der Berufungsbegründung nunmehr einräumt - ausgehend vom (objektiven) Empfängerhorizont ein schriftlicher Verwaltungsakt mit der Feststellung der Fortführung der Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung (und sozialen Pflegeversicherung) als freiwillige Versicherung (und der daraus resultierenden Beitragspflicht) vorliegt. Die Klägerin verkennt weiterhin, dass nach § 33 Abs. 5 Satz 1 SGB X bei einem Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, abweichend von § 33 Abs. 3 Satz 1 Unterschrift und Namenswiedergabe fehlen können.
Der Bescheid vom 15.11.2010 ist insgesamt unter Nutzung elektronischer Datenverarbeitung erstellt worden. Dass ein ausdrücklicher, dies erklärender Zusatz fehlte, begründet keinen die formelle Rechtswidrigkeit des Bescheides begründenden Formvorverstoß (vgl. Pattar in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 33 SGB X, Rn. 93 m.w.N.). Aus der von der Klägerin für ihre Rechtsauffassung in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 22.01.1993 - 8 C 57/91, Rn. 14, juris) ergibt sich nichts Anderes. Hier fehlt es von vorherein an einem Sachverhalt, in dem die Klägerin als Empfängerin bei verständiger Betrachtung in Erwägung ziehen durfte, dass es sich allein um einen Bescheidentwurf hätte handeln können. So sind insbesondere handschriftliche oder maschinenschriftliche Korrekturen, die diesen Verdacht hätten erregen können, nicht angebracht worden.
Hinsichtlich des von der Klägerin monierten Fehlens einer Rechtsbehelfsbelehrung im Beitragsbescheid weist der Senat darauf hin, dass ein Verstoß gegen § 36 SGB X den Verwaltungsakt nicht rechtswidrig macht, sondern lediglich zu erweiterten Rechtsbehelfsfristen führt (BSG, Urteil vom 20.10.2010 - B 13 R 15/10 R = SozR 4-1500 § 193 Nr. 6 Rn. 36).
Der in Ermangelung von Verfahrens- oder Formfehlern formell rechtmäßige Bescheid vom 15.11.2010 (etwaige Verfahrensfehler im Rahmen der nachfolgenden Vollstreckung sind nicht Gegenstand der Prüfung durch den Senat, wobei die Ausführungen der Klägerin jedoch den Hinweis veranlassen, dass die aufschiebende Wirkung von Anfechtungsklage und Widerspruch gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten entfällt, so dass ihre Auffassung, die Beklagte habe grundsätzlich nicht vollstrecken dürfen, auf einer Verkennung der Rechtslage beruht) ist auch materiell rechtmäßig. Auch insoweit lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Beklagte zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Klägerin gemäß § 188 Abs. 3 SGB V in der bis zum 01.08.2013 geltenden Fassung schriftlich der freiwilligen Versicherung beigetreten ist und die Mitgliedschaft nach § 188 Abs. 2 SGB V mit dem Tag des Ausscheidens aus dem juristischen Vorbereitungsdienst (Referendardienst) begann. Die Klägerin hat zweifelsfrei erklärt, sie wolle Mitglied der Beklagten bleiben. Weiterhin hat sie erklärt, sie sei aus dem juristischen Vorbereitungsdienst ausgeschieden und bestreite ihren Lebensunterhalt aus Ersparnissen. Angesichts der seit dem 01.04.2007 bestehenden grundsätzlichen Krankenversicherungspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V) entsprach die Fortführung der Versicherung auch den Interessen der Klägerin, da die freiwillige Versicherung weitergehende Gestaltungsspielräume eröffnete. Der Argumentation der Klägerin, ein Vertrag über die freiwillige Krankenversicherung sei nicht zustandegekommen, weil man sich nicht über die Beitragshöhe geeinigt habe, vermag der Senat nicht zu folgen. Die Klägerin verkennt, dass die die Höhe der Beitragsverpflichtung nicht verhandelbar ist, sondern sich nach den Maßgaben des Gesetzes (vgl. § 240 SGB V) und den Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler) bestimmt.
Ohnehin aber hätte die alternativ in Betracht kommende Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V, worauf das Sozialgericht ebenfalls zutreffend hingewiesen hat, Beitragsverpflichtungen in gleicher Höhe wie die freiwillige Versicherung nach sich gezogen (§ 227 SGB V, der insoweit auf § 240 SGB V verweist).
Die Klägerin verkennt im Übrigen weiterhin, dass die Voraussetzungen für eine Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V (und jeden weiteren Pflichtversicherungstatbestand nach § 5 Abs. 1 SGB V mit Ausnahme dessen Nr. 13) nicht vorlagen. Widersprüchliche Aussagen und Entscheidungen der Beklagten liegen insoweit nicht vor. Diese ist durchgängig von einer Versicherung der Klägerin als Studentin in der freiwilligen Versicherung ausgegangen und lehnte - in rechtlich nicht zu beanstandender Weise - eine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung der Studenten ab.
Zu Recht hat das Sozialgericht auch festgestellt, dass die Klägerin sich nicht auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch berufen kann. Es fehlt jedenfalls an einem Beratungsfehler durch die Beklagte. Insbesondere musste diese nicht erkennen, dass die Klägerin, die angegeben hatte, ihren Lebensunterhalt aus Ersparnissen zu bestreiten, nicht in der Lage sein würde, die (Mindest-)Beiträge zu leisten. Geradezu abwegig ist die Vorstellung der Klägerin, die Krankenkasse hätte sie - als Promotionsstudentin der Rechtswissenschaften - darüber belehren müssen, dass sie durch den Bezug von Leistungen nach dem SGB II eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung hätte herbeiführen können.
Folge der Weiterversicherung in der freiwilligen Krankenversicherung (aber auch einer alternativ denkbaren Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V) ist die von der Beklagten zutreffend festgestellte Beitragslast nach der Mindestbemessungsgrundlage des § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V. Die mit Bescheid vom 05.11.2010 festgestellte Beitragshöhe ist mithin nicht zu beanstanden. Dem Senat ist in diesem Zusammenhang insbesondere nicht nachvollziehbar geworden, welche rechtliche Relevanz dem Umstand zukommen sollte, dass die Klägerin ihrer Auffassung nach im Rahmen des juristischen Vorbereitungsdienstes (zuvor) gegebenenfalls Bezüge in nicht existenzsichernder Höhe bezogen hat. Im Übrigen ist die Sicherung des Lebensunterhalts vorrangig (bei Erwerbsfähigen) Aufgabe der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II.
Soweit die Klägerin unter Verweis auf § 76 SGB IV sinngemäß geltend macht, der Krankenversicherungsträger habe im Rahmen der Beitragsbemessung Ermessenspielräume und könne unbilligen Härten Rechnung tragen, weist der Senat darauf hin, dass über den Beitragserlass wie über eine Stundung von Beiträgen im Rahmen eines gesonderten Verwaltungsverfahrens zu entscheiden ist. Ob die Klägerin Anspruch auf Erlass von Beiträgen hat, weil sie - wie sie vorträgt - wirtschaftlich in der Position einer Auszubildenden gewesen sei, braucht der Senat daher im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden. Die Beklagte hatte ebenso wenig Veranlassung, nach § 186 Abs. 11 SGB V in der bis zum 01.08.2013 geltenden Fassung über eine Ermäßigung, eine Stundung oder ein Absehen von der Beitragserhebung zu entscheiden. Ausgehend von der zu Recht angenommenen freiwilligen Versicherung ist diese Vorschrift ohnehin nicht anwendbar; bei Annahme einer Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V hätte sie spätestens am 03.09.2010 ihre Versicherungslosigkeit angezeigt und darüber hinaus eine solche Entscheidung nicht beantragt. Vielmehr hatte sie lediglich mitgeteilt, ihren Lebensunterhalt aus Ersparnissen zu bestreiten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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NRW
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