Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 6 VE 2432/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VK 920/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 11. Dezember 2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist im Zugunstenverfahren ein höherer Berufsschadensausgleich.
Der im Jahr 1919 geborene und 2010 verstorbene G. H. (im Folgenden: Beschädigter) hatte nach der Volks- und Aufbauschule die Seemanns- und Oberseefahrtsschule besucht und war anschließend als Schiffsoffizier in der Handelsmarine tätig. Im zweiten Weltkrieg war er in der Kriegsmarine dienstverpflichtet und geriet in kanadische Kriegsgefangenschaft. Dort erlitt er eine feuchte Rippenfellentzündung. In der Folge wurden eine Lungentuberkulose und später zusätzlich eine Schwäche des Afterschließmuskels nach Mastdarmfisteloperation vom Beklagten als Wehrdienstbeschädigung anerkannt (vgl. Bescheide vom 8. November 1950 und 12. Juli 1962). Nach dem Krieg war der Beschädigte ab dem Jahr 1956 als selbständiger Verlagsrepräsentant (freier Handelsvertreter) bzw. als Anzeigenvertreter auf Provisionsbasis bis Ende 1986 tätig.
Mit Zugunstenbescheid vom 17. Februar 1969 war vom Beklagten beim Beschädigten eine besondere berufliche Betroffenheit anerkannt worden. Neben einer Beschädigtengrundrente wurde ihm in der Folge ab 1. Januar 1964 ein Berufsschadensausgleich unter Anrechnung seines jeweiligen Einkommens gewährt (vgl. Bescheid vom 29. Mai 1969). Der Berufsschadensausgleich betrug vor seinem Ruhestand und vor Rentenbeginn in den Jahren 1978 bis 1983 zwischen 721 DM und 1.146 DM; hierbei wurden monatliche Einkünfte aus der selbständigen Tätigkeit in Höhe von 2.880,33 DM bzw. 3.158 DM berücksichtigt. Für die Berechnung des Berufsschadensausgleichs wurde ab dem Jahr 1974 das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 15 zuzüglich Ortszuschlag Gruppe 2 zugrunde gelegt.
Ab Mai 1984 bezog der Beschädigte eine Altersrente (monatlich 918,74 DM – Stand Mai 1984 -; 1.093,12 DM - Stand Juli 1987 -; 813,98 EUR - Stand Juli 2003). Anlässlich der Beendigung seiner selbständigen Tätigkeit Ende 1986 erhielt er von der R.-B. Druckerei- und Verlagsgesellschaft mbH (RBDV) im Jahr 1986 eine Zahlung einschließlich Mehrwertsteuer in Höhe von 91.617,35 DM und im Jahr 1987 für die Beendigung seiner Handelsvertretertätigkeit in der Schweiz und in Lichtenstein eine Zahlung in Höhe von 7.621,31 DM brutto. Die RBDV teilte dem Beklagten auf Nachfrage mit, dass Grundlage für die Zahlung insbesondere der Ausgleichsanspruch nach § 89b Handelsgesetzbuch (HGB) sei (vgl. Schreiben vom 23. Februar und 21. Mai 1987).
Den zuletzt ab 1. Januar 1987 in Höhe von 40 DM und ab 1. Juli 1987 in Höhe von 82 DM (vgl. Bescheide vom 3. November 1986 und 22. Juni 1987) bewilligten monatlichen Berufsschadensausgleich erhöhte der Beklagte darauf unter Aufhebung der vorangegangenen Bescheide nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) rückwirkend mit Bescheid vom 1. Juli 1987 ab dem 1. Januar 1987 auf monatlich 1.494 DM und ab dem 1. Juli 1987 auf 1.549 DM. Zur Begründung hierfür führte der Beklagte an, dass beim Beschädigten zum einen wegen der Tätigkeitsaufgabe ab Januar 1987 die Anrechnung des Wertes der eigenen Arbeitsleistung weggefallen sei. Zum anderen seien die wegen der Berufsaufgabe erhaltenen Ausgleichsleistungen auf monatliche Rentenbeträge umgerechnet und bei der Berechnung des Berufsschadensausgleichs in Höhe von 1.093,12 DM monatlich berücksichtigt worden. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
In den Folgejahren berücksichtigte der Beklagte bei seinen jährlichen Bescheiden über die Höhe des Versorgungsbezugs durchgehend bei der Ermittlung des Berufsschadensausgleichs bestandskräftig jeweils monatlich neben seiner Altersrente als anzurechnendes Einkommen einen aus der Ausgleichszahlung errechneten Betrag als "sonstige Zuwendung" in Höhe von 1.093,12 DM bzw. 558,90 EUR (vgl. zuletzt Bescheid vom 18. Juni 2003 für die Versorgungsbezüge ab 1. Juli 2003).
Mit Schreiben vom 22. November 2003 wandte sich der Beschädigte beim Beklagten gegen die Anrechnung seiner Ausgleichzahlung beim Berufsschadensausgleich, da inzwischen umgerechnet bereits mehr als das Doppelte des Ausgleichszahlungsbetrages, d.h. über 200.000 DM abgezogen worden seien. Diese nachteilige Berechnung hätte er vermeiden können, wenn ihm vom Verlag die Abfindung in monatlichen Raten ausbezahlt worden wäre. Wäre er vom Beklagten damals auf diese Möglichkeit hingewiesen worden, hätte er diese für ihn günstigere Möglichkeit genutzt. Er beantrage deswegen eine Korrektur der Berechnung der Ausgleichszahlung. Er hätte die Summe der Ausgleichszahlung zwar angelegt, jedoch sei sie inzwischen völlig verbraucht (vgl. auch Telefonvermerk vom 21. Oktober 2003).
Der Beklagte fasste das Schreiben als Überprüfungsantrag auf und lehnte mit Bescheid vom 28. April 2005 die Erteilung eines Rücknahmebescheides nach § 44 SGB X ab, da die Verrentung und Anrechnung der Ausgleichszahlung im Bescheid vom 1. Juli 1987 nicht unrichtig gewesen sei. Der Bescheid sei nicht rechtswidrig. Die beträchtliche Höhe der Ausgleichszahlung sei ein deutlicher Anhaltspunkt für die Abdeckung eines längeren Zeitraums. Eine Beendigung der Anrechnung hätte anderenfalls zu einem wesentlich höheren Berufsschadensausgleich und damit auch zu einem Ausgleich einer nicht wegen der Schädigungsfolgen verminderten Altersversorgung geführt. Der Beschädigte erhalte aufgrund freiwilliger Beitragsleistung nur eine Rente in Höhe von derzeit 813 EUR, obwohl als Wert der Arbeitsleistung als selbständiger Anzeigenvertreter bis 1987 noch 3.477 DM bei der Berechnung des Berufsschadensausgleichs zugrunde gelegt worden seien. Es sei nicht Sinn des Berufsschadensausgleichs bei Selbständigen eine trotz der Schädigung mögliche aber gleichwohl unterlassene Altersvorsorge durch entsprechend höhere Abfindungsleistungen auszugleichen.
Den hiergegen ohne weitergehende Begründung erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 2007 zurück.
Der zwischenzeitlich ergangene Bescheid vom 15. Juni 2004 über die Versorgungsbezüge ab 1. Juli 2004, in dem weiterhin eine "sonstige Zuwendung" in Höhe von 558,90 EUR anspruchsmindernd berücksichtigt wurde, wurde bestandskräftig. Gegen den weiteren Bescheid vom 20. Juni 2005 über die Berechnung der Versorgungsbezüge ab Juli 2005 erhob der Kläger hingegen Widerspruch, der erfolglos blieb (vgl. Widerspruchsbescheid vom 19. September 2008). Das diesbezügliche Klageverfahren beim Sozialgericht Konstanz (SG; S 6 VE 2433/12) ruht derzeit.
Am 8. Juni 2007 hat der Beschädigte beim SG gegen den Bescheid vom 24. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Mai 2007 Klage erhoben (früheres Az. S 6 V 1610/07). Er hat zusätzlich angeführt, dass zumindest bei der Berechnung der Ausgleichszahlung nicht der Bruttobetrag hätte zugrunde gelegt werden dürfen. Ihm sei nach Abzug der Mehrwertsteuer tatsächlich nur ein Nettobetrag von 87.051,37 DM zugeflossen. Außerdem könne die Ausgleichszahlung nur in Höhe des tatsächlich gezahlten Betrages angerechnet werden und nicht fiktiv als monatliche Verrentung auf unbestimmte Zeit. Sonst wäre er schlechter gestellt als derjenige, der eine Abfindung als Rentenleistung erhalte. Er habe überhaupt nicht die Möglichkeit gehabt, statt einer einmaligen Ausgleichszahlung eine Dauerrentenleistung zu wählen. Dass eine Anrechnung von fiktivem Einkommen nicht gewollt sei, habe das Bundessozialgericht (BSG) im Falle einer Witwenausgleichsrente klargestellt (Urteil vom 8. Oktober 1987 – 4b RV 25/86).
Das Klageverfahren hat beim SG vom 16. Juni 2008 bis 26. September 2012 wegen eines parallel anhängigen Berufungsverfahrens über die Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit (L 6 VK 3266/09) geruht, bis die im Jahr 1923 geborene und 2015 verstorbene E. H., Witwe des zwischenzeitlich verstorbenen und mit ihm in einem Haushalt lebenden Beschädigten, die auch dessen Alleinerbin war, den Rechtsstreit weitergeführt hat.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Bei der Anrechnung von Einkommen sei nach der Berufsschadensausgleichsverordnung (BSchAV) grundsätzlich vom Bruttoverdienst auszugehen. Die Ausgleichszahlung könne ferner nicht mit einer Lebensversicherung gleichgesetzt werden, da sie nicht mit der Zahlung von Beiträgen verbunden gewesen sei. Sie sei daher lebenslang anzurechnen gewesen. Das von Klägerseite zitierte BSG-Urteil sei für den vorliegenden Sachverhalt nicht einschlägig, da die Ausgleichsrente unabhängig vom Grund der Erwerbsbeschränkung aus Fürsorgegesichtspunkten ein Mindesteinkommen verschaffe, der Berufsschadensausgleich hingegen den durch die Schädigungsfolgen bedingten Verlust an Einkommen ausgleichen solle. Der Beschädigte hätte in seiner 31jährigen selbständigen Tätigkeit eine erheblich geringere Altersversorgung erreicht, als ihm trotz der Schädigung möglich gewesen sei.
Mit Urteil nach mündlicher Verhandlung vom 11. Dezember 2013, dem Prozessbevollmächtigten der Witwe am 27. Januar 2014 zugestellt, hat das SG die Klage abgewiesen, da kein Anspruch auf Aufhebung der Bescheide bestünde. Zwischen Ausgleichsrente und Berufsscha¬densausgleich lägen strukturelle Unterschiede, so dass eine Übertragung des BSG-Urteils auf den vorliegenden Fall nicht in Betracht komme. Der Beschädigte sei wegen seiner Schädigungsfolgen nicht gehindert gewesen, eine anderweitige Altersversorgung aufzubauen. Bei der Leistung aus dem Berufsschadensausgleich handele es sich zudem um ein pauschales Rechensystem und nicht um ein System mit einer konkreten Berechnung des Einkommensverlustes.
Am 21. Februar 2014 hat E. H. beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung erhoben. Zur Begründung wird angeführt, dass der Anspruch auf Ausgleichszahlung nach § 89b HGB kein Versorgungsanspruch, sondern eine Bezahlung für die durch die Provision noch nicht voll abgegoltene Leistung des Handelsvertreters, nämlich für den Kundenstamm, sei. Die Ausgleichszahlung sei daher keine Kapitalentschädigung im Sinne von § 8 Abs. 5 BSchAV, da sie nicht "anstelle" des bisherigen Bruttoeinkommens gezahlt werde. Die BSG-Rechtsprechung zur Ausgleichsrente sei heranzuziehen, da auch der Berufsschadensausgleich zur Deckung des Lebensunterhaltes beitragen und Einkommensverluste ausgleichen solle. Für den Beschädigten habe schließlich auch keine gesetzliche Verpflichtung bestanden, eine anderweitige Altersversorgung aufzubauen.
Die drei Söhne des Versorgungsempfängers und seiner zwischenzeitlich ebenfalls verstorbenen Witwe, deren Alleinerben sie sind, führen das Berufungsverfahren fort. Sie bringen u.a. in der mündlichen Verhandlung am 2. Februar 2017 noch vor, dass bei der Berechnung der Kapitalverrentung für die Ausgleichzahlung ein Zinssatz zugrunde gelegt worden sei, der doppelt so hoch wie marktüblich sei.
Die Kläger beantragen zuletzt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 11. Dezember 2013 und den Bescheid vom 24. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Mai 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 1. Juli 1987 abzuändern und den Klägern beginnend ab dem 1. Januar 1999 einen Berufsschadensausgleich für G. H. ohne Anrechnung der Ausgleichzahlungen über den Gesamtbetrag in Höhe von 87.051,37 DM zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er führt an, dass auch eine Zahlung, die als Ausgleich für den Verlust von Provisionen gezahlt werde, eine Einnahme aus früherer selbständiger Tätigkeit sei und verrentet sowie lebenslang angerechnet werden könne. Wegen § 44 Abs. 4 SGB X sei zudem ein Berufsschadensausgleich ohne Berücksichtigung einer verrenteten Ausgleichszahlung erst ab 1. Januar 1999 denkbar.
Die Senatsvorsitzende hat am 18. Mai 2016 einen rechtlichen Hinweis erteilt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des SG Konstanz aus dem vorliegenden Rechtsstreit sowie den angeführten anderen Gerichtsverfahren und die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143, § 144 SGG). Die Kläger sind als Alleinerben gem. § 1922 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) Gesamtrechtsnachfolger der während des Berufungsverfahrens verstorbenen E. H. und damit aktivlegitimiert. Diese wiederum war gem. § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) als Sonderrechtsnachfolgerin des im erstinstanzlichen Klageverfahren verstorbenen Beschädigten, mit dem sie in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hatte, Inhaberin seiner Ansprüche auf laufende Geldleistungen geworden.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Denn das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die zulässige Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage ist unbegründet. In der Sache hat der Beklagte im Rahmen des Überprüfungsverfahrens zutreffend die Rücknahme des Bescheides vom 1. Juli 1987 abgelehnt. Der Prüfungsmaßstab richtet sich dabei nach § 44 SGB X. Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 44 Abs. 1 Satz 2 SGB X). Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile des SGB längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht (§ 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X). Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (§ 44 Abs. 4 Satz 2 SGB X). Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag (§ 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X).
Ziel dieser Norm ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zugunsten letzterer aufzulösen (vgl. BSG, Urteil vom 4. Februar 1998 - B 9 V 16/96 R -, SozR 3-1300 § 44 Nr. 24). Ist ein Verwaltungsakt rechtswidrig, haben Betroffene einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes unabhängig davon, ob dieser durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (BSG, Urteil vom 28. Januar 1981 - 9 RV 29/80 -, BSGE 51, 139 (141)). Auch wenn Betroffene schon einmal einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X gestellt haben, darf die Verwaltung ein erneutes Begehren nicht ohne Rücksicht auf die wirkliche Sach- und Rechtslage zurückweisen (Urteil des Senats vom 23. Juni 2016 – L 6 VG 5048/15 –, juris, Rz. 51).
Die Voraussetzungen des § 44 SGB X liegen hier nicht vor. Da im Berufungsverfahren nur noch um einen höherern Berufsschadensausgleich ab 1. Januar 1999 gestritten wurde, waren konkret der Änderungsbescheid vom 22. Juni 1998 und seine jährlichen Folgebescheiden zu prüfen, da sie die Höhe der Leistungen ab 1. Januar 1999 regelten. Dem Beschädigten sind jedoch keine Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden, da der Beschädigte keinen Anspruch auf höheren Berufsschadensausgleich hatte.
Nach § 30 Abs. 3 Bundesversorgungsgesetz (BVG) in der damals gültigen und heute im Wesentlichen gleichlautenden Fassung erhalten rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, nach Anwendung des § 30 Abs. 2 BVG einen Berufsschadensausgleich i. H. v. 42,5 vom Hundert des auf volle Deutsche Mark (bzw. Euro) nach oben gerundeten Einkommensverlustes (§ 30 Abs. 4 BVG) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs. 6 BVG (Nettoberufsschadensausgleich). Einkommensverlust in diesem Sinne ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen (§ 30 Abs. 4 Satz 1 BVG). Das Vergleichseinkommen errechnet sich aus dem monatlichen Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der der Beschädigte ohne die Schädigungen nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehört hätte (§ 30 Abs. 5 Satz 1 BVG). Nähere Regelungen hierzu enthält die BSchAV vom 29. Juni 1984 (BGBl. I S. 861) und zwar hier in der Fassung der Verordnung vom 16. Januar 1991 (BGBl. I S. 136).
Wie das BSG bereits mehrfach entschieden hat, ergibt sich der Berufsschadensausgleich eines Selbständigen dabei nicht aus der Differenz zwischen dem, was er als Gesunder wahrscheinlich verdienen würde, und dem, was er als beschädigter Selbständiger tatsächlich verdient. Entscheidend ist vielmehr, wie er seine berufliche Arbeitskraft als Unselbständiger auf dem Arbeitsmarkt verwerten könnte - einerseits als Gesunder, andererseits als Beschädigter. Das folgt aus §§ 5 und 9 Abs. 1 Nr. 2 BSchAV i.V.m. § 30 BVG (BSG, Urteil vom 15. Februar 1989 – 9/4b RV 47/87 -, BSGE 64, 283-288, SozR 3100 § 30 Nr. 76, Rz. 18) und gilt nicht nur dann, wenn ein Selbständiger noch erwerbstätig ist, sondern auch dann, wenn er - wie der Beschädigte im streitgegenständlichen Zeitraum - aus dem Berufsleben ausscheidet und Rente bezieht. Auch dann wird nicht das tatsächlich erzielte Alterseinkommen dem Vergleichseinkommen gegenübergestellt, sondern ein fiktives Alterseinkommen, welches der Beschädigte als Unselbständiger bei Ausnutzung seiner Arbeitskraft erreicht hätte. Denn es ist nicht Sinn des Berufsschadensausgleichs bei Selbständigen, eine trotz der Schädigung mögliche, aber unterlassene Altersvorsorge durch entsprechend höhere Versorgungsleistungen auszugleichen (vgl. BSG, Urteil vom 15. Februar 1989 - a.a.O., Rz. 27; BSG, Beschluss vom 23. Dezember 1993 – 9 BV 184/93 –, juris, Rz. 1; BSG, Urteil vom 8. März 1995 – 9 RV 19/94 –, SozR 3-3642 § 9 Nr. 3, SozR 3-3100 § 30 Nr. 11, Rz. 12).
Näheres zur Berechnung des Berufsschadensausgleichs bei Selbständigen im Ruhestand hat der Verordnungsgeber in der bis 30. Juni 2011 gültigen Fassung des § 9 Abs. 8 BSchAV (a.F.; aktuell: § 8 Abs. 8 BSchAV) geregelt: Bleibt das derzeitige Bruttoeinkommen, das einem Beschädigten, der mindestens ein Viertel der Zeit seiner Berufstätigkeit selbständig tätig gewesen ist, zur Verfügung steht, nach seinem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben erheblich hinter einem Betrag zurück, der in einem angemessenen Verhältnis zu dem nach Absatz 1 Satz 1 letzter Halbsatz zu berücksichtigenden Einkommen steht, ist der Fehlbetrag dem derzeitigen Bruttoeinkommen hinzuzurechnen (Satz 1). Der Fehlbetrag ist wie folgt zu schätzen: Das Arbeitsentgelt, das einem nichtbeschädigten Arbeitnehmer in vergleichbarer Stellung zu zahlen wäre, ist um den Anteil zu mindern, um den im Durchschnitt des Erwerbslebens die gesundheitliche Fähigkeit des Beschädigten, seine Berufstätigkeit auszuüben, eingeschränkt war (Satz 2). Für jedes Jahr der Erwerbstätigkeit sind 1,67 vom Hundert dieses Ergebnisses, bezogen auf das aktuelle Einkommen als Vergleichswert, anzusetzen (Satz 3). Erreicht das derzeitige Bruttoeinkommen nicht drei Viertel des Vergleichswertes, ist dieser Betrag das derzeitige Bruttoeinkommen (Satz 4). Der Betrag ist in entsprechender Anwendung des § 30 Abs. 16 Satz 3 des Bundesversorgungsgesetzes zu verändern (Satz 5). Die Sätze 1 bis 5 gelten nicht, wenn der Berufsschadensausgleich für den Monat Juni 1990 bereits unter Anrechnung des tatsächlich erzielten derzeitigen Bruttoeinkommens festgestellt war (Satz 6).
Mit dieser Vorschrift stellt der Verordnungsgeber also dem Vergleichseinkommen nicht die tatsächlichen Alterseinkünfte des ehemals Selbständigen gegenüber, sondern den Betrag, den ein abhängig Beschäftigter in vergleichbarer Stellung als Alterssicherung hätte erlangen können (Vergleichswert). Der Einkommensverlust ist dann die Differenz zwischen zwei fiktiven Beträgen: dem Vergleichswert und dem - nach Vollendung des 65. Lebensjahres abgesenkten - Vergleichseinkommen. Die Modalitäten zur Berechnung des Vergleichswerts sollen sicherstellen, dass ein Selbständiger, der in der Zeit seines Erwerbslebens Einkünfte in Höhe des Vergleichseinkommens erzielt hat oder hätte erzielen können, keinen Schaden in der Altersversorgung geltend machen kann (BSG, Urteil vom 8. März 1995 – a.a.O., Rz. 14).
Unter Zugrundelegung des § 9 Abs. 8 BSchAV a.F. umfasste beim Beschädigten die selbständige Tätigkeit 31 Jahre (vom Januar 1956 bis Dezember 1986) und damit deutlich mehr als ein Viertel seiner gesamten Berufstätigkeit. Das Arbeitsentgelt, das einem nichtbeschädigten Arbeitnehmer in vergleichbarer Stellung zu zahlen wäre - hier ein unselbständig tätiger Anzeigenvertreter -, hätte zuletzt monatlich 3.158 DM als tarifliches Entgelt zuzüglich insbesondere Provisionszahlungen betragen. Es überzeugt, wenn der Beklagte als schädigungsbedingten Minderverdienst hier die Provisionszahlungen nicht berücksichtigt, da der Beschädigte aufgrund seiner Schädigungsfolgen bei Anstrengung kurzatmig war und sich bei Reisetätigkeit seine Schließmuskelschwäche unangenehm bemerkbar machte (vgl. Angaben des Beschädigten im versorgungsärztlichen Gutachten vom 14. Juni 1962, Bl. 174 der Versorgungsakten, und im Schreiben vom 24. Juli 1962, B. 184 der Versorgungsakten), was die durchaus körperlich anspruchsvolle Tätigkeit eines Anzeigenvertreters mit großem Akquisitionsgebiet nicht unerheblich beeinträchtigt. Der Minderverdienst aufgrund der Schädigungsfolgen betrug danach ca. 14 v.H. (vgl. Berechnung des Beklagten vom 27. Mai 2004, Bl. 1152 der Versorgungsakten).
Der Beschädigte war weiter insgesamt 605 Monate, d.h. ca. 50 Jahre, erwerbstätig (vgl. Rentenberechnung vom 16. März 1988, Bl. 1139 der Versorgungsakten), so dass sich als Vergleichswert für die zu erreichende Alterseinkünfte ein Betrag von 2.636,93 DM errechnet, da 83,5 v. H. (für jedes Jahr der Erwerbstätigkeit 1,67 v. H., vgl. § 9 Abs. 8 Satz 3 BSchAV a.F.) vom aktuellen Einkommen hierfür zu berücksichtigen sind. Wenn hiervon der Minderverdienst (14 v.H.) aufgrund der Schädigungsfolgen abgezogen wird, so verbleibt ein Betrag von 2.267,76 DM, die der Beschädigte trotz der Schädigung als mögliche Altersversorgung hätte erreichen können. Tatsächlich betrug die Altersrente des Beschädigten jedoch bei Renteneintritt mit 65 Jahren nur monatlich 918,74 DM (Stand Mai 1984). Der Beschädigte hatte es also unterlassen, eine adäquate Altersversorgung aufzubauen, wie es bei Selbständigen nicht selten vorkommt. Damit aber der Berufsschadensausgleich nicht diese unterlassene Altersversorgung ausgleicht, ist sie somit gem. § 9 Abs. 8 Satz 1 BSchAV a.F. ein Fehlbetrag von 1.349,02 DM (=2.267,76 DM - 918,74 DM) dem derzeitigen Bruttoeinkommen hinzuzurechnen.
Tatsächlich hat der Beklagte jedoch zu der Altersrente, dem damals einzig erhaltenen Bruttoeinkommen, über die verrentete Ausgleichszahlung lediglich einen Betrag von monatlich 1.093,12 DM - statt der möglichen 1.349,02 DM - hinzugerechnet, so dass der Beschädigte mit dieser Berechnungsweise des Beklagten letztlich sogar begünstigt wurde. Im Ergebnis hatte dies auch zur Folge, dass der Beschädigte, der in den Jahren vor seinem Ruhestand (1978 bis 1983) zwischen 721 DM und 1.146 DM monatlich an Berufsschadensausgleich gewährt bekommen hatte, nun nach Beginn seiner Altersrente und der Aufgabe seiner selbständigen Tätigkeit im Jahr 1987 sogar einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 1.494 DM erhalten hatte, obwohl sich der auszugleichende berufliche Schaden nicht vergrößert hatte. Der Beschädigte hatte es nur unterlassen, in den Zeiten seiner selbständigen Tätigkeit eine ihm mögliche höhere Altersversorgung aufzubauen.
Da der Beschädigte durch die Berechnungsweise des Beklagten, in der zwar die Ausgleichszahlung (verrentet) berücksichtigt, aber der Fehlbetrag für die unterlassene Altersversorgung außer Acht gelassen wird, begünstigt wurde, kann vorliegend die zwischen den Beteiligten im Widerspruchs- und Klageverfahren im Vordergrund stehende Frage, ob die einmalige Ausgleichszahlung überhaupt als Einkommen gem. 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. i.V.m. Abs. 5 BSchAV a.F. (nun: § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. i.V.m. Abs. 5 BSchAV) hätte anspruchsmindernd herangezogen werden können, dahingestellt bleiben. Gleiches gilt für den zuletzt vorgebrachten Einwand, dass man bei der Berechnung der Kapitalverrentung für die Ausgleichzahlung einen zu hohen Zinssatz zugrunde gelegt habe. Das berücksichtigte (fiktive) Einkommen aus der Ausgleichzahlung ist nämlich - trotz Bruttoberechnung und Heranziehung eines hohen "Zinssatzes" bei der Ermittlung des Monatsbetrages - immer noch geringer als der Fehlbetrag durch die unterlassene Altersversorge. Somit ist hier auch nicht zu klären, ob die Rechtsprechung des BSG bezüglich fiktiven Einkommens im Falle einer Witwenausgleichsrente (Urteil vom 8. Oktober 1987 – a.a.O.) auf die verrentete Ausgleichszahlung anzuwenden ist.
Auch über § 9 Abs. 8 Satz 6 BSchAV a.F. können die Kläger keine günstigere Berechnung und höheren Berufsschadensausgleich im Zugunstenverfahren erreichen. Nach dieser Norm ist der Fehlbetrag, der durch unterlassene Altersvorsorge entstanden ist, dann nicht dem Einkommen fiktiv hinzuzurechnen, wenn - wie beim Beschädigten - der Berufsschadensausgleich für den Monat Juni 1990 bereits unter Anrechnung des tatsächlich erzielten derzeitigen Bruttoeinkommens festgestellt war. Voraussetzung ist also für die weitere Nichtberücksichtigung der nicht ausreichenden Altersvorsorge, dass es bei der Heranziehung des im Juni 1990 erzielten Bruttoeinkommens verbleibt. Auf diese Weise soll dem Versorgungsempfänger ersichtlich eine Art Vertrauensschutz gewährt werden und auf die Reduzierung der Versorgungsleistung wegen der unterlassenen Altersvorsorge verzichtet werden (vgl. allgemein zu den Motiven des Verordnungsgebers in BR-Drucks. 719/90, S 21 f.). Die Norm kann aber nicht dazu führen, dass im Wege des Überprüfungsverfahrens bislang durchgehend berücksichtigtes Bruttoeinkommen rückwirkend außen vor zu lassen ist und somit ein (noch) größerer Ausgleich der unterlassenen Altersversorgung durch einen zu erhöhenden Berufsschadensausgleich zu gewähren wäre.
Vor diesem Hintergrund ist die Berufung zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG. Das Verfahren war für die Kläger, obwohl sie keine Leistungsempfänger oder Sonderrechtsnachfolger sind, nach § 183 Satz 2 SGG in der Berufungsinstanz kostenfrei, da sie das Verfahren erst in diesem Rechtszug aufgenommen haben.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist im Zugunstenverfahren ein höherer Berufsschadensausgleich.
Der im Jahr 1919 geborene und 2010 verstorbene G. H. (im Folgenden: Beschädigter) hatte nach der Volks- und Aufbauschule die Seemanns- und Oberseefahrtsschule besucht und war anschließend als Schiffsoffizier in der Handelsmarine tätig. Im zweiten Weltkrieg war er in der Kriegsmarine dienstverpflichtet und geriet in kanadische Kriegsgefangenschaft. Dort erlitt er eine feuchte Rippenfellentzündung. In der Folge wurden eine Lungentuberkulose und später zusätzlich eine Schwäche des Afterschließmuskels nach Mastdarmfisteloperation vom Beklagten als Wehrdienstbeschädigung anerkannt (vgl. Bescheide vom 8. November 1950 und 12. Juli 1962). Nach dem Krieg war der Beschädigte ab dem Jahr 1956 als selbständiger Verlagsrepräsentant (freier Handelsvertreter) bzw. als Anzeigenvertreter auf Provisionsbasis bis Ende 1986 tätig.
Mit Zugunstenbescheid vom 17. Februar 1969 war vom Beklagten beim Beschädigten eine besondere berufliche Betroffenheit anerkannt worden. Neben einer Beschädigtengrundrente wurde ihm in der Folge ab 1. Januar 1964 ein Berufsschadensausgleich unter Anrechnung seines jeweiligen Einkommens gewährt (vgl. Bescheid vom 29. Mai 1969). Der Berufsschadensausgleich betrug vor seinem Ruhestand und vor Rentenbeginn in den Jahren 1978 bis 1983 zwischen 721 DM und 1.146 DM; hierbei wurden monatliche Einkünfte aus der selbständigen Tätigkeit in Höhe von 2.880,33 DM bzw. 3.158 DM berücksichtigt. Für die Berechnung des Berufsschadensausgleichs wurde ab dem Jahr 1974 das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 15 zuzüglich Ortszuschlag Gruppe 2 zugrunde gelegt.
Ab Mai 1984 bezog der Beschädigte eine Altersrente (monatlich 918,74 DM – Stand Mai 1984 -; 1.093,12 DM - Stand Juli 1987 -; 813,98 EUR - Stand Juli 2003). Anlässlich der Beendigung seiner selbständigen Tätigkeit Ende 1986 erhielt er von der R.-B. Druckerei- und Verlagsgesellschaft mbH (RBDV) im Jahr 1986 eine Zahlung einschließlich Mehrwertsteuer in Höhe von 91.617,35 DM und im Jahr 1987 für die Beendigung seiner Handelsvertretertätigkeit in der Schweiz und in Lichtenstein eine Zahlung in Höhe von 7.621,31 DM brutto. Die RBDV teilte dem Beklagten auf Nachfrage mit, dass Grundlage für die Zahlung insbesondere der Ausgleichsanspruch nach § 89b Handelsgesetzbuch (HGB) sei (vgl. Schreiben vom 23. Februar und 21. Mai 1987).
Den zuletzt ab 1. Januar 1987 in Höhe von 40 DM und ab 1. Juli 1987 in Höhe von 82 DM (vgl. Bescheide vom 3. November 1986 und 22. Juni 1987) bewilligten monatlichen Berufsschadensausgleich erhöhte der Beklagte darauf unter Aufhebung der vorangegangenen Bescheide nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) rückwirkend mit Bescheid vom 1. Juli 1987 ab dem 1. Januar 1987 auf monatlich 1.494 DM und ab dem 1. Juli 1987 auf 1.549 DM. Zur Begründung hierfür führte der Beklagte an, dass beim Beschädigten zum einen wegen der Tätigkeitsaufgabe ab Januar 1987 die Anrechnung des Wertes der eigenen Arbeitsleistung weggefallen sei. Zum anderen seien die wegen der Berufsaufgabe erhaltenen Ausgleichsleistungen auf monatliche Rentenbeträge umgerechnet und bei der Berechnung des Berufsschadensausgleichs in Höhe von 1.093,12 DM monatlich berücksichtigt worden. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
In den Folgejahren berücksichtigte der Beklagte bei seinen jährlichen Bescheiden über die Höhe des Versorgungsbezugs durchgehend bei der Ermittlung des Berufsschadensausgleichs bestandskräftig jeweils monatlich neben seiner Altersrente als anzurechnendes Einkommen einen aus der Ausgleichszahlung errechneten Betrag als "sonstige Zuwendung" in Höhe von 1.093,12 DM bzw. 558,90 EUR (vgl. zuletzt Bescheid vom 18. Juni 2003 für die Versorgungsbezüge ab 1. Juli 2003).
Mit Schreiben vom 22. November 2003 wandte sich der Beschädigte beim Beklagten gegen die Anrechnung seiner Ausgleichzahlung beim Berufsschadensausgleich, da inzwischen umgerechnet bereits mehr als das Doppelte des Ausgleichszahlungsbetrages, d.h. über 200.000 DM abgezogen worden seien. Diese nachteilige Berechnung hätte er vermeiden können, wenn ihm vom Verlag die Abfindung in monatlichen Raten ausbezahlt worden wäre. Wäre er vom Beklagten damals auf diese Möglichkeit hingewiesen worden, hätte er diese für ihn günstigere Möglichkeit genutzt. Er beantrage deswegen eine Korrektur der Berechnung der Ausgleichszahlung. Er hätte die Summe der Ausgleichszahlung zwar angelegt, jedoch sei sie inzwischen völlig verbraucht (vgl. auch Telefonvermerk vom 21. Oktober 2003).
Der Beklagte fasste das Schreiben als Überprüfungsantrag auf und lehnte mit Bescheid vom 28. April 2005 die Erteilung eines Rücknahmebescheides nach § 44 SGB X ab, da die Verrentung und Anrechnung der Ausgleichszahlung im Bescheid vom 1. Juli 1987 nicht unrichtig gewesen sei. Der Bescheid sei nicht rechtswidrig. Die beträchtliche Höhe der Ausgleichszahlung sei ein deutlicher Anhaltspunkt für die Abdeckung eines längeren Zeitraums. Eine Beendigung der Anrechnung hätte anderenfalls zu einem wesentlich höheren Berufsschadensausgleich und damit auch zu einem Ausgleich einer nicht wegen der Schädigungsfolgen verminderten Altersversorgung geführt. Der Beschädigte erhalte aufgrund freiwilliger Beitragsleistung nur eine Rente in Höhe von derzeit 813 EUR, obwohl als Wert der Arbeitsleistung als selbständiger Anzeigenvertreter bis 1987 noch 3.477 DM bei der Berechnung des Berufsschadensausgleichs zugrunde gelegt worden seien. Es sei nicht Sinn des Berufsschadensausgleichs bei Selbständigen eine trotz der Schädigung mögliche aber gleichwohl unterlassene Altersvorsorge durch entsprechend höhere Abfindungsleistungen auszugleichen.
Den hiergegen ohne weitergehende Begründung erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 2007 zurück.
Der zwischenzeitlich ergangene Bescheid vom 15. Juni 2004 über die Versorgungsbezüge ab 1. Juli 2004, in dem weiterhin eine "sonstige Zuwendung" in Höhe von 558,90 EUR anspruchsmindernd berücksichtigt wurde, wurde bestandskräftig. Gegen den weiteren Bescheid vom 20. Juni 2005 über die Berechnung der Versorgungsbezüge ab Juli 2005 erhob der Kläger hingegen Widerspruch, der erfolglos blieb (vgl. Widerspruchsbescheid vom 19. September 2008). Das diesbezügliche Klageverfahren beim Sozialgericht Konstanz (SG; S 6 VE 2433/12) ruht derzeit.
Am 8. Juni 2007 hat der Beschädigte beim SG gegen den Bescheid vom 24. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Mai 2007 Klage erhoben (früheres Az. S 6 V 1610/07). Er hat zusätzlich angeführt, dass zumindest bei der Berechnung der Ausgleichszahlung nicht der Bruttobetrag hätte zugrunde gelegt werden dürfen. Ihm sei nach Abzug der Mehrwertsteuer tatsächlich nur ein Nettobetrag von 87.051,37 DM zugeflossen. Außerdem könne die Ausgleichszahlung nur in Höhe des tatsächlich gezahlten Betrages angerechnet werden und nicht fiktiv als monatliche Verrentung auf unbestimmte Zeit. Sonst wäre er schlechter gestellt als derjenige, der eine Abfindung als Rentenleistung erhalte. Er habe überhaupt nicht die Möglichkeit gehabt, statt einer einmaligen Ausgleichszahlung eine Dauerrentenleistung zu wählen. Dass eine Anrechnung von fiktivem Einkommen nicht gewollt sei, habe das Bundessozialgericht (BSG) im Falle einer Witwenausgleichsrente klargestellt (Urteil vom 8. Oktober 1987 – 4b RV 25/86).
Das Klageverfahren hat beim SG vom 16. Juni 2008 bis 26. September 2012 wegen eines parallel anhängigen Berufungsverfahrens über die Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit (L 6 VK 3266/09) geruht, bis die im Jahr 1923 geborene und 2015 verstorbene E. H., Witwe des zwischenzeitlich verstorbenen und mit ihm in einem Haushalt lebenden Beschädigten, die auch dessen Alleinerbin war, den Rechtsstreit weitergeführt hat.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Bei der Anrechnung von Einkommen sei nach der Berufsschadensausgleichsverordnung (BSchAV) grundsätzlich vom Bruttoverdienst auszugehen. Die Ausgleichszahlung könne ferner nicht mit einer Lebensversicherung gleichgesetzt werden, da sie nicht mit der Zahlung von Beiträgen verbunden gewesen sei. Sie sei daher lebenslang anzurechnen gewesen. Das von Klägerseite zitierte BSG-Urteil sei für den vorliegenden Sachverhalt nicht einschlägig, da die Ausgleichsrente unabhängig vom Grund der Erwerbsbeschränkung aus Fürsorgegesichtspunkten ein Mindesteinkommen verschaffe, der Berufsschadensausgleich hingegen den durch die Schädigungsfolgen bedingten Verlust an Einkommen ausgleichen solle. Der Beschädigte hätte in seiner 31jährigen selbständigen Tätigkeit eine erheblich geringere Altersversorgung erreicht, als ihm trotz der Schädigung möglich gewesen sei.
Mit Urteil nach mündlicher Verhandlung vom 11. Dezember 2013, dem Prozessbevollmächtigten der Witwe am 27. Januar 2014 zugestellt, hat das SG die Klage abgewiesen, da kein Anspruch auf Aufhebung der Bescheide bestünde. Zwischen Ausgleichsrente und Berufsscha¬densausgleich lägen strukturelle Unterschiede, so dass eine Übertragung des BSG-Urteils auf den vorliegenden Fall nicht in Betracht komme. Der Beschädigte sei wegen seiner Schädigungsfolgen nicht gehindert gewesen, eine anderweitige Altersversorgung aufzubauen. Bei der Leistung aus dem Berufsschadensausgleich handele es sich zudem um ein pauschales Rechensystem und nicht um ein System mit einer konkreten Berechnung des Einkommensverlustes.
Am 21. Februar 2014 hat E. H. beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung erhoben. Zur Begründung wird angeführt, dass der Anspruch auf Ausgleichszahlung nach § 89b HGB kein Versorgungsanspruch, sondern eine Bezahlung für die durch die Provision noch nicht voll abgegoltene Leistung des Handelsvertreters, nämlich für den Kundenstamm, sei. Die Ausgleichszahlung sei daher keine Kapitalentschädigung im Sinne von § 8 Abs. 5 BSchAV, da sie nicht "anstelle" des bisherigen Bruttoeinkommens gezahlt werde. Die BSG-Rechtsprechung zur Ausgleichsrente sei heranzuziehen, da auch der Berufsschadensausgleich zur Deckung des Lebensunterhaltes beitragen und Einkommensverluste ausgleichen solle. Für den Beschädigten habe schließlich auch keine gesetzliche Verpflichtung bestanden, eine anderweitige Altersversorgung aufzubauen.
Die drei Söhne des Versorgungsempfängers und seiner zwischenzeitlich ebenfalls verstorbenen Witwe, deren Alleinerben sie sind, führen das Berufungsverfahren fort. Sie bringen u.a. in der mündlichen Verhandlung am 2. Februar 2017 noch vor, dass bei der Berechnung der Kapitalverrentung für die Ausgleichzahlung ein Zinssatz zugrunde gelegt worden sei, der doppelt so hoch wie marktüblich sei.
Die Kläger beantragen zuletzt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 11. Dezember 2013 und den Bescheid vom 24. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Mai 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 1. Juli 1987 abzuändern und den Klägern beginnend ab dem 1. Januar 1999 einen Berufsschadensausgleich für G. H. ohne Anrechnung der Ausgleichzahlungen über den Gesamtbetrag in Höhe von 87.051,37 DM zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er führt an, dass auch eine Zahlung, die als Ausgleich für den Verlust von Provisionen gezahlt werde, eine Einnahme aus früherer selbständiger Tätigkeit sei und verrentet sowie lebenslang angerechnet werden könne. Wegen § 44 Abs. 4 SGB X sei zudem ein Berufsschadensausgleich ohne Berücksichtigung einer verrenteten Ausgleichszahlung erst ab 1. Januar 1999 denkbar.
Die Senatsvorsitzende hat am 18. Mai 2016 einen rechtlichen Hinweis erteilt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des SG Konstanz aus dem vorliegenden Rechtsstreit sowie den angeführten anderen Gerichtsverfahren und die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143, § 144 SGG). Die Kläger sind als Alleinerben gem. § 1922 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) Gesamtrechtsnachfolger der während des Berufungsverfahrens verstorbenen E. H. und damit aktivlegitimiert. Diese wiederum war gem. § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) als Sonderrechtsnachfolgerin des im erstinstanzlichen Klageverfahren verstorbenen Beschädigten, mit dem sie in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hatte, Inhaberin seiner Ansprüche auf laufende Geldleistungen geworden.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Denn das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die zulässige Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage ist unbegründet. In der Sache hat der Beklagte im Rahmen des Überprüfungsverfahrens zutreffend die Rücknahme des Bescheides vom 1. Juli 1987 abgelehnt. Der Prüfungsmaßstab richtet sich dabei nach § 44 SGB X. Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 44 Abs. 1 Satz 2 SGB X). Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile des SGB längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht (§ 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X). Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (§ 44 Abs. 4 Satz 2 SGB X). Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag (§ 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X).
Ziel dieser Norm ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zugunsten letzterer aufzulösen (vgl. BSG, Urteil vom 4. Februar 1998 - B 9 V 16/96 R -, SozR 3-1300 § 44 Nr. 24). Ist ein Verwaltungsakt rechtswidrig, haben Betroffene einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes unabhängig davon, ob dieser durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (BSG, Urteil vom 28. Januar 1981 - 9 RV 29/80 -, BSGE 51, 139 (141)). Auch wenn Betroffene schon einmal einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X gestellt haben, darf die Verwaltung ein erneutes Begehren nicht ohne Rücksicht auf die wirkliche Sach- und Rechtslage zurückweisen (Urteil des Senats vom 23. Juni 2016 – L 6 VG 5048/15 –, juris, Rz. 51).
Die Voraussetzungen des § 44 SGB X liegen hier nicht vor. Da im Berufungsverfahren nur noch um einen höherern Berufsschadensausgleich ab 1. Januar 1999 gestritten wurde, waren konkret der Änderungsbescheid vom 22. Juni 1998 und seine jährlichen Folgebescheiden zu prüfen, da sie die Höhe der Leistungen ab 1. Januar 1999 regelten. Dem Beschädigten sind jedoch keine Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden, da der Beschädigte keinen Anspruch auf höheren Berufsschadensausgleich hatte.
Nach § 30 Abs. 3 Bundesversorgungsgesetz (BVG) in der damals gültigen und heute im Wesentlichen gleichlautenden Fassung erhalten rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, nach Anwendung des § 30 Abs. 2 BVG einen Berufsschadensausgleich i. H. v. 42,5 vom Hundert des auf volle Deutsche Mark (bzw. Euro) nach oben gerundeten Einkommensverlustes (§ 30 Abs. 4 BVG) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs. 6 BVG (Nettoberufsschadensausgleich). Einkommensverlust in diesem Sinne ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen (§ 30 Abs. 4 Satz 1 BVG). Das Vergleichseinkommen errechnet sich aus dem monatlichen Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der der Beschädigte ohne die Schädigungen nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehört hätte (§ 30 Abs. 5 Satz 1 BVG). Nähere Regelungen hierzu enthält die BSchAV vom 29. Juni 1984 (BGBl. I S. 861) und zwar hier in der Fassung der Verordnung vom 16. Januar 1991 (BGBl. I S. 136).
Wie das BSG bereits mehrfach entschieden hat, ergibt sich der Berufsschadensausgleich eines Selbständigen dabei nicht aus der Differenz zwischen dem, was er als Gesunder wahrscheinlich verdienen würde, und dem, was er als beschädigter Selbständiger tatsächlich verdient. Entscheidend ist vielmehr, wie er seine berufliche Arbeitskraft als Unselbständiger auf dem Arbeitsmarkt verwerten könnte - einerseits als Gesunder, andererseits als Beschädigter. Das folgt aus §§ 5 und 9 Abs. 1 Nr. 2 BSchAV i.V.m. § 30 BVG (BSG, Urteil vom 15. Februar 1989 – 9/4b RV 47/87 -, BSGE 64, 283-288, SozR 3100 § 30 Nr. 76, Rz. 18) und gilt nicht nur dann, wenn ein Selbständiger noch erwerbstätig ist, sondern auch dann, wenn er - wie der Beschädigte im streitgegenständlichen Zeitraum - aus dem Berufsleben ausscheidet und Rente bezieht. Auch dann wird nicht das tatsächlich erzielte Alterseinkommen dem Vergleichseinkommen gegenübergestellt, sondern ein fiktives Alterseinkommen, welches der Beschädigte als Unselbständiger bei Ausnutzung seiner Arbeitskraft erreicht hätte. Denn es ist nicht Sinn des Berufsschadensausgleichs bei Selbständigen, eine trotz der Schädigung mögliche, aber unterlassene Altersvorsorge durch entsprechend höhere Versorgungsleistungen auszugleichen (vgl. BSG, Urteil vom 15. Februar 1989 - a.a.O., Rz. 27; BSG, Beschluss vom 23. Dezember 1993 – 9 BV 184/93 –, juris, Rz. 1; BSG, Urteil vom 8. März 1995 – 9 RV 19/94 –, SozR 3-3642 § 9 Nr. 3, SozR 3-3100 § 30 Nr. 11, Rz. 12).
Näheres zur Berechnung des Berufsschadensausgleichs bei Selbständigen im Ruhestand hat der Verordnungsgeber in der bis 30. Juni 2011 gültigen Fassung des § 9 Abs. 8 BSchAV (a.F.; aktuell: § 8 Abs. 8 BSchAV) geregelt: Bleibt das derzeitige Bruttoeinkommen, das einem Beschädigten, der mindestens ein Viertel der Zeit seiner Berufstätigkeit selbständig tätig gewesen ist, zur Verfügung steht, nach seinem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben erheblich hinter einem Betrag zurück, der in einem angemessenen Verhältnis zu dem nach Absatz 1 Satz 1 letzter Halbsatz zu berücksichtigenden Einkommen steht, ist der Fehlbetrag dem derzeitigen Bruttoeinkommen hinzuzurechnen (Satz 1). Der Fehlbetrag ist wie folgt zu schätzen: Das Arbeitsentgelt, das einem nichtbeschädigten Arbeitnehmer in vergleichbarer Stellung zu zahlen wäre, ist um den Anteil zu mindern, um den im Durchschnitt des Erwerbslebens die gesundheitliche Fähigkeit des Beschädigten, seine Berufstätigkeit auszuüben, eingeschränkt war (Satz 2). Für jedes Jahr der Erwerbstätigkeit sind 1,67 vom Hundert dieses Ergebnisses, bezogen auf das aktuelle Einkommen als Vergleichswert, anzusetzen (Satz 3). Erreicht das derzeitige Bruttoeinkommen nicht drei Viertel des Vergleichswertes, ist dieser Betrag das derzeitige Bruttoeinkommen (Satz 4). Der Betrag ist in entsprechender Anwendung des § 30 Abs. 16 Satz 3 des Bundesversorgungsgesetzes zu verändern (Satz 5). Die Sätze 1 bis 5 gelten nicht, wenn der Berufsschadensausgleich für den Monat Juni 1990 bereits unter Anrechnung des tatsächlich erzielten derzeitigen Bruttoeinkommens festgestellt war (Satz 6).
Mit dieser Vorschrift stellt der Verordnungsgeber also dem Vergleichseinkommen nicht die tatsächlichen Alterseinkünfte des ehemals Selbständigen gegenüber, sondern den Betrag, den ein abhängig Beschäftigter in vergleichbarer Stellung als Alterssicherung hätte erlangen können (Vergleichswert). Der Einkommensverlust ist dann die Differenz zwischen zwei fiktiven Beträgen: dem Vergleichswert und dem - nach Vollendung des 65. Lebensjahres abgesenkten - Vergleichseinkommen. Die Modalitäten zur Berechnung des Vergleichswerts sollen sicherstellen, dass ein Selbständiger, der in der Zeit seines Erwerbslebens Einkünfte in Höhe des Vergleichseinkommens erzielt hat oder hätte erzielen können, keinen Schaden in der Altersversorgung geltend machen kann (BSG, Urteil vom 8. März 1995 – a.a.O., Rz. 14).
Unter Zugrundelegung des § 9 Abs. 8 BSchAV a.F. umfasste beim Beschädigten die selbständige Tätigkeit 31 Jahre (vom Januar 1956 bis Dezember 1986) und damit deutlich mehr als ein Viertel seiner gesamten Berufstätigkeit. Das Arbeitsentgelt, das einem nichtbeschädigten Arbeitnehmer in vergleichbarer Stellung zu zahlen wäre - hier ein unselbständig tätiger Anzeigenvertreter -, hätte zuletzt monatlich 3.158 DM als tarifliches Entgelt zuzüglich insbesondere Provisionszahlungen betragen. Es überzeugt, wenn der Beklagte als schädigungsbedingten Minderverdienst hier die Provisionszahlungen nicht berücksichtigt, da der Beschädigte aufgrund seiner Schädigungsfolgen bei Anstrengung kurzatmig war und sich bei Reisetätigkeit seine Schließmuskelschwäche unangenehm bemerkbar machte (vgl. Angaben des Beschädigten im versorgungsärztlichen Gutachten vom 14. Juni 1962, Bl. 174 der Versorgungsakten, und im Schreiben vom 24. Juli 1962, B. 184 der Versorgungsakten), was die durchaus körperlich anspruchsvolle Tätigkeit eines Anzeigenvertreters mit großem Akquisitionsgebiet nicht unerheblich beeinträchtigt. Der Minderverdienst aufgrund der Schädigungsfolgen betrug danach ca. 14 v.H. (vgl. Berechnung des Beklagten vom 27. Mai 2004, Bl. 1152 der Versorgungsakten).
Der Beschädigte war weiter insgesamt 605 Monate, d.h. ca. 50 Jahre, erwerbstätig (vgl. Rentenberechnung vom 16. März 1988, Bl. 1139 der Versorgungsakten), so dass sich als Vergleichswert für die zu erreichende Alterseinkünfte ein Betrag von 2.636,93 DM errechnet, da 83,5 v. H. (für jedes Jahr der Erwerbstätigkeit 1,67 v. H., vgl. § 9 Abs. 8 Satz 3 BSchAV a.F.) vom aktuellen Einkommen hierfür zu berücksichtigen sind. Wenn hiervon der Minderverdienst (14 v.H.) aufgrund der Schädigungsfolgen abgezogen wird, so verbleibt ein Betrag von 2.267,76 DM, die der Beschädigte trotz der Schädigung als mögliche Altersversorgung hätte erreichen können. Tatsächlich betrug die Altersrente des Beschädigten jedoch bei Renteneintritt mit 65 Jahren nur monatlich 918,74 DM (Stand Mai 1984). Der Beschädigte hatte es also unterlassen, eine adäquate Altersversorgung aufzubauen, wie es bei Selbständigen nicht selten vorkommt. Damit aber der Berufsschadensausgleich nicht diese unterlassene Altersversorgung ausgleicht, ist sie somit gem. § 9 Abs. 8 Satz 1 BSchAV a.F. ein Fehlbetrag von 1.349,02 DM (=2.267,76 DM - 918,74 DM) dem derzeitigen Bruttoeinkommen hinzuzurechnen.
Tatsächlich hat der Beklagte jedoch zu der Altersrente, dem damals einzig erhaltenen Bruttoeinkommen, über die verrentete Ausgleichszahlung lediglich einen Betrag von monatlich 1.093,12 DM - statt der möglichen 1.349,02 DM - hinzugerechnet, so dass der Beschädigte mit dieser Berechnungsweise des Beklagten letztlich sogar begünstigt wurde. Im Ergebnis hatte dies auch zur Folge, dass der Beschädigte, der in den Jahren vor seinem Ruhestand (1978 bis 1983) zwischen 721 DM und 1.146 DM monatlich an Berufsschadensausgleich gewährt bekommen hatte, nun nach Beginn seiner Altersrente und der Aufgabe seiner selbständigen Tätigkeit im Jahr 1987 sogar einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 1.494 DM erhalten hatte, obwohl sich der auszugleichende berufliche Schaden nicht vergrößert hatte. Der Beschädigte hatte es nur unterlassen, in den Zeiten seiner selbständigen Tätigkeit eine ihm mögliche höhere Altersversorgung aufzubauen.
Da der Beschädigte durch die Berechnungsweise des Beklagten, in der zwar die Ausgleichszahlung (verrentet) berücksichtigt, aber der Fehlbetrag für die unterlassene Altersversorgung außer Acht gelassen wird, begünstigt wurde, kann vorliegend die zwischen den Beteiligten im Widerspruchs- und Klageverfahren im Vordergrund stehende Frage, ob die einmalige Ausgleichszahlung überhaupt als Einkommen gem. 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. i.V.m. Abs. 5 BSchAV a.F. (nun: § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. i.V.m. Abs. 5 BSchAV) hätte anspruchsmindernd herangezogen werden können, dahingestellt bleiben. Gleiches gilt für den zuletzt vorgebrachten Einwand, dass man bei der Berechnung der Kapitalverrentung für die Ausgleichzahlung einen zu hohen Zinssatz zugrunde gelegt habe. Das berücksichtigte (fiktive) Einkommen aus der Ausgleichzahlung ist nämlich - trotz Bruttoberechnung und Heranziehung eines hohen "Zinssatzes" bei der Ermittlung des Monatsbetrages - immer noch geringer als der Fehlbetrag durch die unterlassene Altersversorge. Somit ist hier auch nicht zu klären, ob die Rechtsprechung des BSG bezüglich fiktiven Einkommens im Falle einer Witwenausgleichsrente (Urteil vom 8. Oktober 1987 – a.a.O.) auf die verrentete Ausgleichszahlung anzuwenden ist.
Auch über § 9 Abs. 8 Satz 6 BSchAV a.F. können die Kläger keine günstigere Berechnung und höheren Berufsschadensausgleich im Zugunstenverfahren erreichen. Nach dieser Norm ist der Fehlbetrag, der durch unterlassene Altersvorsorge entstanden ist, dann nicht dem Einkommen fiktiv hinzuzurechnen, wenn - wie beim Beschädigten - der Berufsschadensausgleich für den Monat Juni 1990 bereits unter Anrechnung des tatsächlich erzielten derzeitigen Bruttoeinkommens festgestellt war. Voraussetzung ist also für die weitere Nichtberücksichtigung der nicht ausreichenden Altersvorsorge, dass es bei der Heranziehung des im Juni 1990 erzielten Bruttoeinkommens verbleibt. Auf diese Weise soll dem Versorgungsempfänger ersichtlich eine Art Vertrauensschutz gewährt werden und auf die Reduzierung der Versorgungsleistung wegen der unterlassenen Altersvorsorge verzichtet werden (vgl. allgemein zu den Motiven des Verordnungsgebers in BR-Drucks. 719/90, S 21 f.). Die Norm kann aber nicht dazu führen, dass im Wege des Überprüfungsverfahrens bislang durchgehend berücksichtigtes Bruttoeinkommen rückwirkend außen vor zu lassen ist und somit ein (noch) größerer Ausgleich der unterlassenen Altersversorgung durch einen zu erhöhenden Berufsschadensausgleich zu gewähren wäre.
Vor diesem Hintergrund ist die Berufung zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG. Das Verfahren war für die Kläger, obwohl sie keine Leistungsempfänger oder Sonderrechtsnachfolger sind, nach § 183 Satz 2 SGG in der Berufungsinstanz kostenfrei, da sie das Verfahren erst in diesem Rechtszug aufgenommen haben.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved