Land
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 20 AL 237/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AL 145/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 4/16 R
Datum
Kategorie
Urteil
Der Bescheid der Beklagten vom 3. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2012 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 18. Juni 2012 Arbeitslosengeld in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
Die Beklagte hat dem Kläger die ihm entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Arbeitslosengeld.
Der Kläger meldete sich am 18. Juni 2012 arbeitsuchend und mit Wirkung zum 18. Juni 2012 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld.
Er war seit dem 2. November 2011 arbeitsunfähig krankgeschrieben bis zum 17. Juni 2012. Er hatte zuvor von 1981 bis 31. Januar 2010 bei D. gearbeitet, war vom 1. Februar 2010 bis 1. Mai 2011 arbeitsunfähig gewesen und hatte vom 2. Mai 2011 bis 9. Dezember 2011 an einem Quit-Lehrgang beim Bildungswerk in D-Stadt teilgenommen. Der Kläger war privat krankenversichert und erhielt ab dem 11. März 2010 Krankentagegeld, da sein Vertrag die Zahlung von Krankentagegeld ab dem 43. Kalendertag einer Krankmeldung vorsah. Er war erkrankt wegen einer depressiven Episode. Das Bildungswerk bescheinigte, dass der Kläger Übergangsgeld wegen einer Maßnahme zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben erhalten habe.
Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 3. August 2012 ab und verwies darauf, dass der Kläger in den letzten zwei Jahren vor dem 18. Juni 2012 weniger als zwölf Monate versicherungspflichtig gewesen sei.
Der Kläger legte am 10. August 2012 Widerspruch ein, der am 17. Oktober 2012 zurückgewiesen wurde. Die Widerspruchsbegründung war nicht zur Akte der Beklagten gelangt.
Der Kläger hat 6. November 2012 Klage vor dem Sozialgericht Gießen erhoben.
Der Kläger ist der Ansicht, dass ein Beratungsfehler der Beklagten vorliege, da er mehrfach der Beklagten mitgeteilt habe, dass er erst ab dem 43. Kalendertag der Arbeitsunfähigkeit einen Anspruch auf Krankentagegeld habe. Die Beklagte habe ihm nicht mitgeteilt, dass ein Verlust der Anwartschaft drohe. Hätte sie ihn dahingehend beraten, hätte er entsprechende Maßnahmen ergreifen können.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 3. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab 18. Juni 2012 Arbeitslosengeld in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf die Begründung im Widerspruchsbescheid.
Es wird zum weiteren Sach- und Streitstand auf die Gerichtsakte und die Leistungsakte des Klägers bei der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 3. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2012 war aufzuheben, da er rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt.
Der Kläger hat ab 18. Juni 2012 Anspruch auf die Gewährung von Arbeitslosengeld in gesetzlichem Umfang.
Nach § 136 Abs. 1 SGB III haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosengeld
1. bei Arbeitslosigkeit oder
2. bei beruflicher Weiterbildung.
§ 137 Abs. 1 SGB III bestimmt, dass Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit hat, wer
1. arbeitslos ist,
2. sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und
3. die Anwartschaftszeit erfüllt hat.
Arbeitslos ist nach § 138 SGB III, wer Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer ist und
1. nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit),
2. sich bemüht, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen), und
3. den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit). Eine ehrenamtliche Betätigung schließt Arbeitslosigkeit nicht aus, wenn dadurch die berufliche Eingliederung der oder des Arbeitslosen nicht beeinträchtigt wird. Die Ausübung einer Beschäftigung, selbständigen Tätigkeit, Tätigkeit als mithelfende Familienangehörige oder mithelfender Familienangehöriger (Erwerbstätigkeit) schließt die Beschäftigungslosigkeit nicht aus, wenn die Arbeits- oder Tätigkeitszeit (Arbeitszeit) weniger als 15 Stunden wöchentlich umfasst; gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer bleiben unberücksichtigt. Die Arbeitszeiten mehrerer Erwerbstätigkeiten werden zusammengerechnet. Im Rahmen der Eigenbemühungen hat die oder der Arbeitslose alle Möglichkeiten zur beruflichen Eingliederung zu nutzen. Hierzu gehören insbesondere
1. die Wahrnehmung der Verpflichtungen aus der Eingliederungsvereinbarung,
2. die Mitwirkung bei der Vermittlung durch Dritte und
3. die Inanspruchnahme der Selbstinformationseinrichtungen der Agentur für Arbeit.
Den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit steht zur Verfügung, wer
1. eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie oder ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf,
2. Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann,
3. bereit ist, jede Beschäftigung im Sinne der Nummer 1 anzunehmen und auszuüben, und
4. bereit ist, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen. Der Kläger ist seit dem 18. Juni 2012 arbeitslos. Er übte bis zum 31. Januar 2010 eine abhängige Beschäftigung aus, hiernach nicht mehr. Er hat sich – entsprechend seiner Angaben im Termin zur mündlichen Verhandlung, an deren Richtigkeit das Gericht keinen Zweifel hat – stets weiterhin um Arbeit bemüht und sich beworben. Er hat keine Erwerbstätigkeit mehr aufgenommen, denn sein Bemühen war bisher nicht erfolgreich. Sein Lebensunterhalt war durch Vermögen und anderweitiges Einkommen gesichert. Er war zudem lediglich in den schon bekannten Zeiten arbeitsunfähig. Er war seit Juni 2012 nicht mehr für einen längeren Zeitraum arbeitsunfähig.
Er hat sich auch am 18. Juni 2012 arbeitslos gemeldet. Nach § 141 Abs. 1 SGB III hat sich der Arbeitslose persönlich bei der zuständigen Agentur für Arbeit arbeitslos zu melden. Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Arbeitslosmeldung ist auch nicht erloschen, denn dies ist der Fall bei einer mehr als sechswöchigen Unterbrechung der Arbeitslosigkeit oder mit der Aufnahme der Beschäftigung, selbständigen Tätigkeit, Tätigkeit als mithelfende Familienangehörige oder als mithelfender Familienangehöriger, wenn die oder der Arbeitslose diese der Agentur für Arbeit nicht unverzüglich mitgeteilt hat. Beides liegt nicht vor.
Der Kläger erfüllt auch die Anwartschaftszeit.
Nach § 142 Abs. 1 Satz 1 SGB III hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist (§ 143 SGB III) mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Gemäß § 143 Abs. 1 SGB III beträgt die Rahmenfrist zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Rahmenfrist reicht nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hinein, in der die oder der Arbeitslose eine Anwartschaftszeit erfüllt hatte. In die Rahmenfrist werden Zeiten nicht eingerechnet, in denen die oder der Arbeitslose von einem Rehabilitationsträger Übergangsgeld wegen einer berufsfördernden Maßnahme bezogen hat. In diesem Fall endet die Rahmenfrist spätestens fünf Jahre nach ihrem Beginn.
Der Kläger erfüllte am 18. Juni 2012 die Voraussetzungen für die Gewährung von Arbeitslosengeld. Die Rahmenfrist läuft somit nach § 143 Abs. 1 SGB III vom 18. Juni 2010 bis 17. Juni 2012. Sodann erweitert sie sich jedoch um den Zeitraum, in dem der Kläger an dem Quit-Lehrgang beim Bildungswerk in D-Stadt vom 2. Mai 2011 bis 9. Dezember 2011 teilgenommen hat. Hierbei handelt es sich um einen Zeitraum von 222 Tagen, so dass sich die Rahmenfrist verlängert bis zum 8. November 2009. In dem Zeitraum vom 8. November 2009 bis 31. Januar 2010 hatte der Kläger 85 Tage in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden.
Zudem bezog er vom 11. März 2010 bis 1. Mai 2011 Krankentagegeld, was einem Zeitraum von 415 Tagen entspricht. Dieses Krankentagegeld war auch zu berücksichtigen.
Nach § 26 Abs. 2 Nr. 2 SGB III sind versicherungspflichtig Personen in der Zeit, für die sie von einem privaten Krankenversicherungsunternehmen Krankentagegeld beziehen, wenn sie unmittelbar vor Beginn der Leistung versicherungspflichtig waren, eine laufende Entgeltersatzleistung nach dem SGB III bezogen oder eine als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme geförderte Beschäftigung ausgeübt haben, die ein Versicherungspflichtverhältnis oder den Bezug einer laufenden Entgeltersatzleistung nach diesem Buch unterbrochen hat. Der Kläger stand bis zum 31. Januar 2010 in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. Er war daher unmittelbar vor Bezug des Krankentagegelds versicherungspflichtig nach dem SGB III.
Die Lücke vom 1. Februar 2010 bis 11. März 2010 (sechs Wochen) hindert den Unmittelbarkeitszusammenhang nicht. Unmittelbarkeit in diesem Sinne liegt dann vor, wenn keine wesentlichen Zeiträume zwischen der Beschäftigungszeit und der Leistungsbezugszeit liegen. Das ist hier der Fall. Das Gericht schließt sich der Ansicht des LSG für das Land Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 22. Mai 2014, Az.: L 16 AL 287/13, juris) an. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Unmittelbarkeitszusammenhang nicht mehr gegeben sein kann, wenn eine Lücke vorliegt, die einen Zeitraum von vier Wochen überschreitet (so z. B. Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 6. Mai 2010, Az.: L 3 AL 98/09 m. w. N.) bzw. diese Grenze nur unwesentlich überschritten werden darf (Hessisches LSG, Urteil vom 15. Juli 2011, Az.: L 9 AL 125/10 - Überschreitung um 2 Tage).
Das Gesetz benennt keine feste Frist. Hieraus folgt, dass eine Auslegung gefunden werden muss, die dem Sinn und Zweck der Vorschrift entspricht (siehe auch B. Schmidt, SGb 2014, S. 240, 246). Der Zweck des Unmittelbarkeitszusammenhangs ist es, im Ergebnis die Arbeitslosen vom Leistungsbezug auszuschließen, die den Bezug zur Arbeitslosenversicherung durch lange Unterbrechungen der Erwerbsbiographie verloren haben. Es handelt sich um Personen, die als nicht mehr zum Kreis der Arbeitnehmer gehörend zu bezeichnen sind. Dies war jedoch bei dem Kläger nicht der Fall. Er war durchgehend seit 1981 bis Januar 2010 in einem Beschäftigungsverhältnis tätig. Er verlor sodann seine Arbeitsstelle und erkrankte in der Folge arbeitsunfähig. Er erhielt sechs Wochen nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit Krankentagegeld, nahm jedoch dann an einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben teil. Er erkrankte erneut und bemühte sich nach Genesung fortan um ein neues Arbeitsverhältnis. Nach Ansicht des Gerichtes besteht bei dem vorliegenden zeitlichen Ablauf zwischen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses und Bezug des Krankentagegeldes ein ausreichender Bezug zur Arbeitslosenversicherung. Ebenso wie im vom LSG für das Land Nordrhein-Westfalen (a. a. O.) entschiedenen Fall beruht die "Lücke" zwischen Beschäftigungsende und Beginn des Krankentagegeld-Zahlungszeitraums nicht darauf, dass der Kläger den Status als Arbeitnehmer aufgegeben und sich einer selbständigen Tätigkeit zugewandt oder jegliche Erwerbstätigkeit aufgegeben hätte. In der Entscheidung des LSG für das Land Nordrhein-Westfalen (a. a. O.) wird weiter ausgeführt, dass, wenn der Gesetzgeber beim Bezug von Krankengeld (anders als beim Bezug von Rente wegen voller Erwerbsminderung) typisierend davon ausgehe, dass der Betreffende noch nicht aus dem Kreis der Erwerbstätigen und damit aus der Solidargemeinschaft ausgeschieden sei, und deshalb unter den Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Nr. 2 SGB III die Versicherungspflicht der Zeit des Krankengeldbezugs anordne, es systemwidrig erscheine, einen hinreichenden Bezug zur Arbeitslosenversicherung wegen des bei Arbeitnehmern ohne Anspruch auf Lohnfortzahlung für wenigstens sechs Wochen zwangsläufig vorausgehenden sechswöchigen Ruhenszeitraums den Versicherungsschutz zu verneinen. Die Lücke sei nämlich nicht Ausdruck einer wie auch immer gearteten Lösung von der Versichertengemeinschaft, sondern diene lediglich in Bezug auf den Beginn der Krankengeldzahlung der Gleichstellung der Betroffenen mit den sonstigen Arbeitnehmern mit Anspruch auf Entgeltfortzahlung für wenigstens sechs Wochen. Gleiches gilt nach Ansicht des Gerichts auch im Fall des Klägers beim Bezug des Krankentagegelds ab dem 43. Tag der Krankschreibung.
Die Verpflichtung zur Leistungsgewährung ist nur dem Grunde nach verfügt, beginnt am 18. Juni 2012 und besteht in gesetzlichem Umfang.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und die Rechtsmittelbelehrung ergibt sich aus § 143 SGG.
Die Beklagte hat dem Kläger die ihm entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Arbeitslosengeld.
Der Kläger meldete sich am 18. Juni 2012 arbeitsuchend und mit Wirkung zum 18. Juni 2012 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld.
Er war seit dem 2. November 2011 arbeitsunfähig krankgeschrieben bis zum 17. Juni 2012. Er hatte zuvor von 1981 bis 31. Januar 2010 bei D. gearbeitet, war vom 1. Februar 2010 bis 1. Mai 2011 arbeitsunfähig gewesen und hatte vom 2. Mai 2011 bis 9. Dezember 2011 an einem Quit-Lehrgang beim Bildungswerk in D-Stadt teilgenommen. Der Kläger war privat krankenversichert und erhielt ab dem 11. März 2010 Krankentagegeld, da sein Vertrag die Zahlung von Krankentagegeld ab dem 43. Kalendertag einer Krankmeldung vorsah. Er war erkrankt wegen einer depressiven Episode. Das Bildungswerk bescheinigte, dass der Kläger Übergangsgeld wegen einer Maßnahme zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben erhalten habe.
Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 3. August 2012 ab und verwies darauf, dass der Kläger in den letzten zwei Jahren vor dem 18. Juni 2012 weniger als zwölf Monate versicherungspflichtig gewesen sei.
Der Kläger legte am 10. August 2012 Widerspruch ein, der am 17. Oktober 2012 zurückgewiesen wurde. Die Widerspruchsbegründung war nicht zur Akte der Beklagten gelangt.
Der Kläger hat 6. November 2012 Klage vor dem Sozialgericht Gießen erhoben.
Der Kläger ist der Ansicht, dass ein Beratungsfehler der Beklagten vorliege, da er mehrfach der Beklagten mitgeteilt habe, dass er erst ab dem 43. Kalendertag der Arbeitsunfähigkeit einen Anspruch auf Krankentagegeld habe. Die Beklagte habe ihm nicht mitgeteilt, dass ein Verlust der Anwartschaft drohe. Hätte sie ihn dahingehend beraten, hätte er entsprechende Maßnahmen ergreifen können.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 3. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab 18. Juni 2012 Arbeitslosengeld in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf die Begründung im Widerspruchsbescheid.
Es wird zum weiteren Sach- und Streitstand auf die Gerichtsakte und die Leistungsakte des Klägers bei der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 3. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2012 war aufzuheben, da er rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt.
Der Kläger hat ab 18. Juni 2012 Anspruch auf die Gewährung von Arbeitslosengeld in gesetzlichem Umfang.
Nach § 136 Abs. 1 SGB III haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosengeld
1. bei Arbeitslosigkeit oder
2. bei beruflicher Weiterbildung.
§ 137 Abs. 1 SGB III bestimmt, dass Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit hat, wer
1. arbeitslos ist,
2. sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und
3. die Anwartschaftszeit erfüllt hat.
Arbeitslos ist nach § 138 SGB III, wer Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer ist und
1. nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit),
2. sich bemüht, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen), und
3. den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit). Eine ehrenamtliche Betätigung schließt Arbeitslosigkeit nicht aus, wenn dadurch die berufliche Eingliederung der oder des Arbeitslosen nicht beeinträchtigt wird. Die Ausübung einer Beschäftigung, selbständigen Tätigkeit, Tätigkeit als mithelfende Familienangehörige oder mithelfender Familienangehöriger (Erwerbstätigkeit) schließt die Beschäftigungslosigkeit nicht aus, wenn die Arbeits- oder Tätigkeitszeit (Arbeitszeit) weniger als 15 Stunden wöchentlich umfasst; gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer bleiben unberücksichtigt. Die Arbeitszeiten mehrerer Erwerbstätigkeiten werden zusammengerechnet. Im Rahmen der Eigenbemühungen hat die oder der Arbeitslose alle Möglichkeiten zur beruflichen Eingliederung zu nutzen. Hierzu gehören insbesondere
1. die Wahrnehmung der Verpflichtungen aus der Eingliederungsvereinbarung,
2. die Mitwirkung bei der Vermittlung durch Dritte und
3. die Inanspruchnahme der Selbstinformationseinrichtungen der Agentur für Arbeit.
Den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit steht zur Verfügung, wer
1. eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie oder ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf,
2. Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann,
3. bereit ist, jede Beschäftigung im Sinne der Nummer 1 anzunehmen und auszuüben, und
4. bereit ist, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen. Der Kläger ist seit dem 18. Juni 2012 arbeitslos. Er übte bis zum 31. Januar 2010 eine abhängige Beschäftigung aus, hiernach nicht mehr. Er hat sich – entsprechend seiner Angaben im Termin zur mündlichen Verhandlung, an deren Richtigkeit das Gericht keinen Zweifel hat – stets weiterhin um Arbeit bemüht und sich beworben. Er hat keine Erwerbstätigkeit mehr aufgenommen, denn sein Bemühen war bisher nicht erfolgreich. Sein Lebensunterhalt war durch Vermögen und anderweitiges Einkommen gesichert. Er war zudem lediglich in den schon bekannten Zeiten arbeitsunfähig. Er war seit Juni 2012 nicht mehr für einen längeren Zeitraum arbeitsunfähig.
Er hat sich auch am 18. Juni 2012 arbeitslos gemeldet. Nach § 141 Abs. 1 SGB III hat sich der Arbeitslose persönlich bei der zuständigen Agentur für Arbeit arbeitslos zu melden. Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Arbeitslosmeldung ist auch nicht erloschen, denn dies ist der Fall bei einer mehr als sechswöchigen Unterbrechung der Arbeitslosigkeit oder mit der Aufnahme der Beschäftigung, selbständigen Tätigkeit, Tätigkeit als mithelfende Familienangehörige oder als mithelfender Familienangehöriger, wenn die oder der Arbeitslose diese der Agentur für Arbeit nicht unverzüglich mitgeteilt hat. Beides liegt nicht vor.
Der Kläger erfüllt auch die Anwartschaftszeit.
Nach § 142 Abs. 1 Satz 1 SGB III hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist (§ 143 SGB III) mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Gemäß § 143 Abs. 1 SGB III beträgt die Rahmenfrist zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Rahmenfrist reicht nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hinein, in der die oder der Arbeitslose eine Anwartschaftszeit erfüllt hatte. In die Rahmenfrist werden Zeiten nicht eingerechnet, in denen die oder der Arbeitslose von einem Rehabilitationsträger Übergangsgeld wegen einer berufsfördernden Maßnahme bezogen hat. In diesem Fall endet die Rahmenfrist spätestens fünf Jahre nach ihrem Beginn.
Der Kläger erfüllte am 18. Juni 2012 die Voraussetzungen für die Gewährung von Arbeitslosengeld. Die Rahmenfrist läuft somit nach § 143 Abs. 1 SGB III vom 18. Juni 2010 bis 17. Juni 2012. Sodann erweitert sie sich jedoch um den Zeitraum, in dem der Kläger an dem Quit-Lehrgang beim Bildungswerk in D-Stadt vom 2. Mai 2011 bis 9. Dezember 2011 teilgenommen hat. Hierbei handelt es sich um einen Zeitraum von 222 Tagen, so dass sich die Rahmenfrist verlängert bis zum 8. November 2009. In dem Zeitraum vom 8. November 2009 bis 31. Januar 2010 hatte der Kläger 85 Tage in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden.
Zudem bezog er vom 11. März 2010 bis 1. Mai 2011 Krankentagegeld, was einem Zeitraum von 415 Tagen entspricht. Dieses Krankentagegeld war auch zu berücksichtigen.
Nach § 26 Abs. 2 Nr. 2 SGB III sind versicherungspflichtig Personen in der Zeit, für die sie von einem privaten Krankenversicherungsunternehmen Krankentagegeld beziehen, wenn sie unmittelbar vor Beginn der Leistung versicherungspflichtig waren, eine laufende Entgeltersatzleistung nach dem SGB III bezogen oder eine als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme geförderte Beschäftigung ausgeübt haben, die ein Versicherungspflichtverhältnis oder den Bezug einer laufenden Entgeltersatzleistung nach diesem Buch unterbrochen hat. Der Kläger stand bis zum 31. Januar 2010 in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. Er war daher unmittelbar vor Bezug des Krankentagegelds versicherungspflichtig nach dem SGB III.
Die Lücke vom 1. Februar 2010 bis 11. März 2010 (sechs Wochen) hindert den Unmittelbarkeitszusammenhang nicht. Unmittelbarkeit in diesem Sinne liegt dann vor, wenn keine wesentlichen Zeiträume zwischen der Beschäftigungszeit und der Leistungsbezugszeit liegen. Das ist hier der Fall. Das Gericht schließt sich der Ansicht des LSG für das Land Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 22. Mai 2014, Az.: L 16 AL 287/13, juris) an. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Unmittelbarkeitszusammenhang nicht mehr gegeben sein kann, wenn eine Lücke vorliegt, die einen Zeitraum von vier Wochen überschreitet (so z. B. Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 6. Mai 2010, Az.: L 3 AL 98/09 m. w. N.) bzw. diese Grenze nur unwesentlich überschritten werden darf (Hessisches LSG, Urteil vom 15. Juli 2011, Az.: L 9 AL 125/10 - Überschreitung um 2 Tage).
Das Gesetz benennt keine feste Frist. Hieraus folgt, dass eine Auslegung gefunden werden muss, die dem Sinn und Zweck der Vorschrift entspricht (siehe auch B. Schmidt, SGb 2014, S. 240, 246). Der Zweck des Unmittelbarkeitszusammenhangs ist es, im Ergebnis die Arbeitslosen vom Leistungsbezug auszuschließen, die den Bezug zur Arbeitslosenversicherung durch lange Unterbrechungen der Erwerbsbiographie verloren haben. Es handelt sich um Personen, die als nicht mehr zum Kreis der Arbeitnehmer gehörend zu bezeichnen sind. Dies war jedoch bei dem Kläger nicht der Fall. Er war durchgehend seit 1981 bis Januar 2010 in einem Beschäftigungsverhältnis tätig. Er verlor sodann seine Arbeitsstelle und erkrankte in der Folge arbeitsunfähig. Er erhielt sechs Wochen nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit Krankentagegeld, nahm jedoch dann an einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben teil. Er erkrankte erneut und bemühte sich nach Genesung fortan um ein neues Arbeitsverhältnis. Nach Ansicht des Gerichtes besteht bei dem vorliegenden zeitlichen Ablauf zwischen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses und Bezug des Krankentagegeldes ein ausreichender Bezug zur Arbeitslosenversicherung. Ebenso wie im vom LSG für das Land Nordrhein-Westfalen (a. a. O.) entschiedenen Fall beruht die "Lücke" zwischen Beschäftigungsende und Beginn des Krankentagegeld-Zahlungszeitraums nicht darauf, dass der Kläger den Status als Arbeitnehmer aufgegeben und sich einer selbständigen Tätigkeit zugewandt oder jegliche Erwerbstätigkeit aufgegeben hätte. In der Entscheidung des LSG für das Land Nordrhein-Westfalen (a. a. O.) wird weiter ausgeführt, dass, wenn der Gesetzgeber beim Bezug von Krankengeld (anders als beim Bezug von Rente wegen voller Erwerbsminderung) typisierend davon ausgehe, dass der Betreffende noch nicht aus dem Kreis der Erwerbstätigen und damit aus der Solidargemeinschaft ausgeschieden sei, und deshalb unter den Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Nr. 2 SGB III die Versicherungspflicht der Zeit des Krankengeldbezugs anordne, es systemwidrig erscheine, einen hinreichenden Bezug zur Arbeitslosenversicherung wegen des bei Arbeitnehmern ohne Anspruch auf Lohnfortzahlung für wenigstens sechs Wochen zwangsläufig vorausgehenden sechswöchigen Ruhenszeitraums den Versicherungsschutz zu verneinen. Die Lücke sei nämlich nicht Ausdruck einer wie auch immer gearteten Lösung von der Versichertengemeinschaft, sondern diene lediglich in Bezug auf den Beginn der Krankengeldzahlung der Gleichstellung der Betroffenen mit den sonstigen Arbeitnehmern mit Anspruch auf Entgeltfortzahlung für wenigstens sechs Wochen. Gleiches gilt nach Ansicht des Gerichts auch im Fall des Klägers beim Bezug des Krankentagegelds ab dem 43. Tag der Krankschreibung.
Die Verpflichtung zur Leistungsgewährung ist nur dem Grunde nach verfügt, beginnt am 18. Juni 2012 und besteht in gesetzlichem Umfang.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und die Rechtsmittelbelehrung ergibt sich aus § 143 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
HES
Saved