Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 2 RJ 1038/01 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 428/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 13. Mai 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitgegenstand ist die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die 1942 in Ex-Jugoslawien geborene Klägerin, die derzeit in Serbien und Montenegro wohnt, erhält dort seit 01.07. 2000 eine Pension. In ihrer Heimat hat sie von Januar 1986 bis Juni 2000 Versicherungszeiten zurückgelegt. In Deutschland war sie von Oktober 1970 bis Juni 1978 versicherungspflichtig beschäftigt. Eingesetzt war sie als Büglerin und Küchenhilfe. Seit 01.05.2002 erhält sie von der Beklagten Altersrente für Frauen (Bescheid vom 28.05.2002).
Im Zusammenhang mit ihrem Rentenantrag vom 06.07.2000 wurde das Formblattgutachten JU 207 vom 09.11.2000 übersandt. Darin heißt es, es bestehe ein Zustand nach Operation einer Echinokokkenzyste der Leber 1984 und eine Spondylosis cervikalis. Bei erhaltener Leberfunktion und fehlenden neurologischen Ausfällen von Seiten der Wirbelsäule sei die Klägerin vollschichtig leistungsfähig. Nachdem dieser Beurteilung der sozialmedizinische Beratungsdienst der Beklagten zugestimmt hatte, lehnte die Beklagte den Rentenantrag am 01.02.2001 mit der Begründung ab, die Klägerin sei weder berufsunfähig noch teilweise oder voll erwerbsgemindert.
Im Widerspruchsverfahren übersandte die Klägerin zwei Begutachtungsanträge vom 15.07.1999 und 19.04.2000, die offensichtlich von der behandelnden Ärztin erstellt worden sind und eine lange Liste von Diagnosen enthalten. Diese Unterlagen wurden von Dr.D. ausgewertet. Seines Erachtens ist davon auszugehen, dass von der Invalidenkommission alle Leiden berücksichtigt worden sind, da die Begutachtung nach der Vorlage der jetzt übersandten Befunde durchgeführt worden sei. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch am 03.07.2001 mit der Begründung zurück, leichte Arbeiten ohne überwiegend einseitige Körperhaltung und ohne häufiges Heben und Tragen von Lasten seien mindestens sechs Stunden täglich zumutbar.
Dagegen hat die Klägerin am 09.08.2001 beim Sozialgericht Stuttgart Klage erhoben und geltend gemacht, nur ein Teil der Leiden sei berücksichtigt worden. Nach der Verweisung des Rechtsstreits an das Sozialgericht Landshut am 19.09.2001 sind aktuelle medizinische Unterlagen vorgelegt worden. Der sozialmedizinische Prüfarzt Dr.D. hat mangels detaillierter Befunde keine Änderung für veranlasst gesehen. Aus gesundheitlichen Gründen hat die Klägerin um ein Gutachten nach Aktenlage gebeten und darauf hingewiesen, dass sie bislang lediglich körperliche Arbeiten verrichtet habe und hierzu nicht mehr fähig sei. Sie hat ein Attest vom 17.07.2002 vorgelegt, dass sie für die psychophysische Anstrengung einer Reise nicht fähig sei. Auch darin hat Dr.D. keinen Anlass zur Änderung seiner Beurteilung gesehen. Auf Bitte um Übermittlung aller medizinischen Unterlagen ab 2000 hat die Klägerin mitgeteilt, dass sich diese bei dem jugoslawischen Versicherungsträger befänden, und ergänzend zwei fachärztliche Berichte aus dem Jahr 2003 übersandt.
Im Auftrag des Gerichts hat der Internist und Radiologe Dr.R. am 03.03.2003 ein Gutachten nach Aktenlage erstellt. Er hat folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: 1. Mittelgradiger Bluthochdruck mit Herzbelastung 2. Verdauungsbeschwerden nach Operation einer Echinokokkenzyste 1984 und Gallensteinoperation 3. Degeneratives Wirbelsäulensyndrom 4. Bronchitisneigung.
Er hat eine mäßige bis mittelgradige Einschränkung der Kreislaufleistungsbreite und der Wirbelsäulenbelastbarkeit sowie eine Bronchialempfindlichkeit bejaht und folgende Leistungseinschränkungen genannt: Keine schweren und ständig mittelschweren Arbeiten, kein Heben und Tragen schwererer Lasten ohne mechanische Hilfsmittel, keine gebückte oder gebeugte Arbeitsweise in Zwangshaltung, keine Stressexpositionen (Zeitdruck, Akkord, taktgebundene Arbeiten, Wechsel und Nachtschicht sowie hohe Konzentrationsanforderungen), keine naßkalte Witterungsexpositionen, Staub- und Reizgaseinwirkungen. Seines Erachtens ist eine zeitliche Einschränkung der Einsatzfähigkeit nicht begründbar, zusätzliche Arbeitspausen waren nicht erforderlich und Arbeitswege über 500 m konnten zurückgelegt werden.
Dagegen hat die Klägerin am 10.04.2003 eingewandt, es sei eine Leidensverschlimmerung eingetreten, sie leide unter einem hohen Blutdruck auf Dauer und die Folgen der Leberoperation seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. Eine zumutbare Tätigkeit existiere auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht, was durch die Einholung einer Stellungnahme vom Arbeitsamt und eines berufskundlichen Gutachtens zu beweisen sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 13.05.2003 hat das Sozialgericht Landshut die Klage abgewiesen. Angesichts der von Dr.R. getroffenen Feststellungen sei die Klägerin nicht berufsunfähig und habe im Übrigen die Last der unvollständigen Aufklärung zu tragen. Soweit eine wesentliche Verschlechterung nach Juli 2002 eingetreten sei, entfalle ein Anspruch schon wegen der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen.
Gegen den am 06.06.2003 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin mit e-mail vom 8. Juli 2003 an das Sozialgericht Landshut, dort eingegangen am 9. Juli 2003, Berufung eingelegt. Darin hat sie eine neuerliche Begutachtung und Rente wegen Erwerbsunfähigkeit seit Antragstellung beantragt und geltend gemacht, ihr Gesundheitszustand sei nicht voll berücksichtigt worden. Die e-mail ist beim LSG am 7. August 2003 eingegangen. Mit Schreiben vom 15.09.2003 ist die Klägerin aufgefordert worden, Unterlagen beizubringen, die die bislang vorliegenden Gutachten entkräften könnten.
Mit Schreiben vom 23.12.2003, zugegangen am 06.01.2004, wurde die Klägerin auf das Fehlen der Unterschrift auf dem Berufungsschriftsatz hingewiesen. Gleichzeitig ist ihr Gelegenheit gegeben worden, binnen eines Monats die Unterschrift nachzuholen. Am 19.01.2004 ist ein von der Klägerin unterzeichneter Schriftsatz eingegangen, worin sie auf die schwere Operation 1984 und die seither bestehenden Folgen hinweist und sich dagegen verwahrt, auf nicht existente Schonberufe verwiesen zu werden.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 13.05. 2003 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 01.02.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.07.2001 zu verurteilen, ab 01.07.2000 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 13.05.2003 zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akten des Sozialgerichts Landshut sowie der Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig.
Zwar hat die Klägerin mangels schriftlicher Berufungseinlegung die Berufungsfrist versäumt. Die wegen der Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung im Ausland maßgebliche Dreimonatsfrist (§ 151 Abs.1 i.V.m. § 87 Abs.1 Satz 2 SGG) hat am Montag, den 8.09.2003 geendet. Bis dahin ist keine wirksame Berufungseinlegung erfolgt. Für die in § 151 Abs.1 SGG geforderte "Schriftlichkeit" der Berufung wird grundsätzlich verlangt, dass die Berufungserklärung handschriftlich unterschrieben sein muss, soweit nicht bestimmte Ausnahmefälle, z.B. Einlegung per Telegramm oder Computerfax, vorliegen (vgl. BSG vom 16.11.2000 in SozR 3-1500 § 151 Nr.4). Eine unterschriebene Berufungsschrift ist erst am 19.01.2004 eingegangen.
Der Klägerin ist jedoch gemäß § 67 SGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Voraussetzung dafür ist, dass ein Beteiligter "ohne Verschulden verhindert" war, die Verfahrensfrist einzuhalten (§ 67 Abs.1 SGG), und die versäumte Rechtshandlung innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses nachgeholt wird (§ 67 Abs.2 Satz 3 i.V.m. Satz 1 SGG). Diese Voraussetzungen sind erfüllt, da die Klägerin innerhalb der bis zum 06.02.2004 laufenden Monatsfrist mittels handschriftlich unterschriebenen Schriftsatzes deutlich gemacht hat, dass sie Berufung einlegen wollte.
Zwar hat die Klägerin mit der Übersendung einer e-mail an das laut Rechtsmittelbelehrung zuständige Sozialgericht Landshut die von einem gewissenhaften Prozessführenden im prozessualen Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht erfüllt. Selbst wenn sie dies verschuldet hat, kann ihr dies lt. höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht zugerechnet werden, weil die Frist im Fall pflichtgemäßen Verhaltens des Gerichts gewahrt worden wäre. Bei drohendem Fristablauf muss das Gericht dasjenige Verhalten bezeichnen, mit dem das Erforderliche ggf. am schnellsten bewirkt werden kann (Urteil des Bundessozialgericht vom 30. Januar 2002 Az.: B 5 RJ 10/01 R). Der Senat kann insbesondere die Berufung deshalb nicht als verfristet zurückweisen, weil das Sozialgericht das formlose Berufungsschreiben unbeanstandet als Berufung an das Bayerische LSG weitergeleitet hat. Aus diesem Fehler dürfen der Klägerin keine Verfahrensnachteile entstehen. Maßgeblich ist, dass die Klägerin unverzüglich nach Aufklärung über das fehlende Formerfordernis am 06.01.2004 die Unterschrift nachgeholt hat.
Die zulässige Berufung erweist sich jedoch als unbegründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 13.05.2003 ist ebenso wenig zu beanstanden, wie der Bescheid der Beklagten vom 01.02.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.07.2001. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Sie ist weder berufsunfähig noch erwerbsunfähig oder erwerbsgemindert im Sinne der ab 01.01.2001 geltenden Normen des SGB VI.
Zutreffend hat das Sozialgericht die Maßgeblichkeit sowohl des alten als auch des ab 01.01.2001 geltenden Rechts dargestellt, die Voraussetzungen der Berufsunfähigkeitsrente genannt, die Klägerin auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen und sie mit qualitativen Einschränkungen für vollschichtig leistungsfähig erachtet. Gemäß § 153 II SGG wird insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen.
Die Klägerin hat im Berufungsverfahren keine Unterlagen vorgebracht, die den Beweiswert der bislang vorliegenden Gutachten entkräften könnten. Nicht nur der gerichtlich bestellte Sachverständige Dr.R. , sondern auch die Invalidenkommission in N. , der lt. Klägerin sämtliche Fremdbefunde vorgelegen haben, halten die Klägerin für vollschichtig leistungsfähig. Dem hat sich Dr.D. , der die medizinischen Unterlagen mehrfach ausgewertet hat, angeschlossen. Die abweichenden Ansichten der behandelnden Ärzte sind sowohl der Invalidenkommission als auch Dr.R. bekannt gewesen und besitzen nicht denselben Beweiswert wie die Stellungnahmen neutraler und sozialmedizinisch besonders versierter Sachverständiger.
Zusammenfassend sind der Klägerin nur noch leichte und ruhige Frauenarbeiten in wechselnder Körperhaltung, in geschlossenen, temperierten, sauberen Räumen zumutbar. Mit diesem Restleistungsvermögen ist die Klägerin in der Lage, eine Vielzahl von Tätigkeiten zu verrichten, wie sie üblicherweise von ungelernten Arbeitern gefordert werden. Bei erhaltener Funktionsfähigkeit der Hände und der Sinnesorgane und ausreichender Belastbarkeit der Wirbelsäule erscheinen Verrichtungen wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Verpacken, Aufsicht und Kontrolle möglich. Die Prüfung einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen erübrigt sich daher. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist bei diesem Restleistungsvermögen nicht geboten.
Die Klägerin, die keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit hat, weil sie zumutbare Verweisungstätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten kann, hat erst recht keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß § 44 Abs.1 a.F., weil sie die noch strengeren Voraussetzungen des Begriffs der Erwerbsunfähigkeit im Sinn des 2. Absatzes dieser Vorschrift nicht erfüllt. Das vorhandene Restleistungsvermögen gestattet es ihr, mittels einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit mehr als geringfügige Einkünfte zu erzielen.
Ob der Klägerin ein Arbeitsplatz tatsächlich vermittelt werden kann, ist rechtlich unerheblich, weil vollschichtig einsatzfähigen Versicherten der Arbeitsmarkt offen steht und das Risiko der Arbeitsplatzvermittlung von der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung und nicht von der gesetzlichen Rentenversicherung zu tragen ist (vgl. u.a. SozR 3-2200 § 1246 Nr.50). Insoweit muss sich die im Ausland wohnhafte Klägerin wie eine in Deutschland lebende Versicherte behandeln lassen. Entscheidend ist, dass die Klägerin die vollschichtige Tätigkeit unter betriebsüblichen Bedingungen erbringen kann, weil zusätzliche Pausen nicht erforderlich sind, und dass die Anmarschwege zur Arbeit problemlos zurückgelegt werden können. Es liegen auch kein Anhaltspunkt dafür vor, dass sich die Klägerin nicht auf eine andere als die zuletzt ausgeübte Tätigkeit umstellen kann.
Zutreffend hat es das Sozialgericht auch abgelehnt, zu prüfen, ob nach Juni 2002 eine Leidensverschlimmerung eingetreten ist, wie dies die Klägerin mit Schreiben vom 10.04.2003 behauptet. Zum einen ginge im Fall des Eintritts der relevanten Erwerbsminderung gemäß § 89 SGB VI die ab 01.05.2002 bewilligte Altersrente für Frauen vor und darüber hinaus scheiterte ein Rentenanspruch an den besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen. Diese fordern für eine Rentengewährung, dass Versicherte in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (§ 43 Abs.2 Ziff.2, Abs.1 Ziff.1 SGB VI). Der letzte Pflichtbeitrag wurde in der Heimat der Klägerin im Juni 2000 entrichtet. Der Zeitpunkt von fünf Jahren bei Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit verlängert sich nicht um Zeiten der Rentengewährung in Jugoslawien. Laut dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien werden für den Erwerb des Leistungsanspruchs nur anrechnungsfähige Versicherungszeiten des anderen Vertragsstaates angerechnet (Art.25). Der Leistungsfall der relevanten Erwerbsminderung müsste also spätestens am 01.07.2002 eingetreten sein. Die bis dahin erhobenen medizinischen Befunde begründen keinen Zweifel, dass die Klägerin unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein konnte. Bis dahin war sie also nicht erwerbsgemindert (§ 43 Abs.3 SGB VI). Die Ausnahmevorschrift des § 241 Abs.2 SGB VI findet keine Anwendung, weil der Versicherungsverlauf der Klägerin zwischen dem 1. Januar 1984 und dem 1. Januar 1986 eine Lücke aufweist.
Aus diesen Gründen war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs.2 SGG) sind nicht gegeben.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitgegenstand ist die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die 1942 in Ex-Jugoslawien geborene Klägerin, die derzeit in Serbien und Montenegro wohnt, erhält dort seit 01.07. 2000 eine Pension. In ihrer Heimat hat sie von Januar 1986 bis Juni 2000 Versicherungszeiten zurückgelegt. In Deutschland war sie von Oktober 1970 bis Juni 1978 versicherungspflichtig beschäftigt. Eingesetzt war sie als Büglerin und Küchenhilfe. Seit 01.05.2002 erhält sie von der Beklagten Altersrente für Frauen (Bescheid vom 28.05.2002).
Im Zusammenhang mit ihrem Rentenantrag vom 06.07.2000 wurde das Formblattgutachten JU 207 vom 09.11.2000 übersandt. Darin heißt es, es bestehe ein Zustand nach Operation einer Echinokokkenzyste der Leber 1984 und eine Spondylosis cervikalis. Bei erhaltener Leberfunktion und fehlenden neurologischen Ausfällen von Seiten der Wirbelsäule sei die Klägerin vollschichtig leistungsfähig. Nachdem dieser Beurteilung der sozialmedizinische Beratungsdienst der Beklagten zugestimmt hatte, lehnte die Beklagte den Rentenantrag am 01.02.2001 mit der Begründung ab, die Klägerin sei weder berufsunfähig noch teilweise oder voll erwerbsgemindert.
Im Widerspruchsverfahren übersandte die Klägerin zwei Begutachtungsanträge vom 15.07.1999 und 19.04.2000, die offensichtlich von der behandelnden Ärztin erstellt worden sind und eine lange Liste von Diagnosen enthalten. Diese Unterlagen wurden von Dr.D. ausgewertet. Seines Erachtens ist davon auszugehen, dass von der Invalidenkommission alle Leiden berücksichtigt worden sind, da die Begutachtung nach der Vorlage der jetzt übersandten Befunde durchgeführt worden sei. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch am 03.07.2001 mit der Begründung zurück, leichte Arbeiten ohne überwiegend einseitige Körperhaltung und ohne häufiges Heben und Tragen von Lasten seien mindestens sechs Stunden täglich zumutbar.
Dagegen hat die Klägerin am 09.08.2001 beim Sozialgericht Stuttgart Klage erhoben und geltend gemacht, nur ein Teil der Leiden sei berücksichtigt worden. Nach der Verweisung des Rechtsstreits an das Sozialgericht Landshut am 19.09.2001 sind aktuelle medizinische Unterlagen vorgelegt worden. Der sozialmedizinische Prüfarzt Dr.D. hat mangels detaillierter Befunde keine Änderung für veranlasst gesehen. Aus gesundheitlichen Gründen hat die Klägerin um ein Gutachten nach Aktenlage gebeten und darauf hingewiesen, dass sie bislang lediglich körperliche Arbeiten verrichtet habe und hierzu nicht mehr fähig sei. Sie hat ein Attest vom 17.07.2002 vorgelegt, dass sie für die psychophysische Anstrengung einer Reise nicht fähig sei. Auch darin hat Dr.D. keinen Anlass zur Änderung seiner Beurteilung gesehen. Auf Bitte um Übermittlung aller medizinischen Unterlagen ab 2000 hat die Klägerin mitgeteilt, dass sich diese bei dem jugoslawischen Versicherungsträger befänden, und ergänzend zwei fachärztliche Berichte aus dem Jahr 2003 übersandt.
Im Auftrag des Gerichts hat der Internist und Radiologe Dr.R. am 03.03.2003 ein Gutachten nach Aktenlage erstellt. Er hat folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: 1. Mittelgradiger Bluthochdruck mit Herzbelastung 2. Verdauungsbeschwerden nach Operation einer Echinokokkenzyste 1984 und Gallensteinoperation 3. Degeneratives Wirbelsäulensyndrom 4. Bronchitisneigung.
Er hat eine mäßige bis mittelgradige Einschränkung der Kreislaufleistungsbreite und der Wirbelsäulenbelastbarkeit sowie eine Bronchialempfindlichkeit bejaht und folgende Leistungseinschränkungen genannt: Keine schweren und ständig mittelschweren Arbeiten, kein Heben und Tragen schwererer Lasten ohne mechanische Hilfsmittel, keine gebückte oder gebeugte Arbeitsweise in Zwangshaltung, keine Stressexpositionen (Zeitdruck, Akkord, taktgebundene Arbeiten, Wechsel und Nachtschicht sowie hohe Konzentrationsanforderungen), keine naßkalte Witterungsexpositionen, Staub- und Reizgaseinwirkungen. Seines Erachtens ist eine zeitliche Einschränkung der Einsatzfähigkeit nicht begründbar, zusätzliche Arbeitspausen waren nicht erforderlich und Arbeitswege über 500 m konnten zurückgelegt werden.
Dagegen hat die Klägerin am 10.04.2003 eingewandt, es sei eine Leidensverschlimmerung eingetreten, sie leide unter einem hohen Blutdruck auf Dauer und die Folgen der Leberoperation seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. Eine zumutbare Tätigkeit existiere auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht, was durch die Einholung einer Stellungnahme vom Arbeitsamt und eines berufskundlichen Gutachtens zu beweisen sei.
Mit Gerichtsbescheid vom 13.05.2003 hat das Sozialgericht Landshut die Klage abgewiesen. Angesichts der von Dr.R. getroffenen Feststellungen sei die Klägerin nicht berufsunfähig und habe im Übrigen die Last der unvollständigen Aufklärung zu tragen. Soweit eine wesentliche Verschlechterung nach Juli 2002 eingetreten sei, entfalle ein Anspruch schon wegen der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen.
Gegen den am 06.06.2003 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin mit e-mail vom 8. Juli 2003 an das Sozialgericht Landshut, dort eingegangen am 9. Juli 2003, Berufung eingelegt. Darin hat sie eine neuerliche Begutachtung und Rente wegen Erwerbsunfähigkeit seit Antragstellung beantragt und geltend gemacht, ihr Gesundheitszustand sei nicht voll berücksichtigt worden. Die e-mail ist beim LSG am 7. August 2003 eingegangen. Mit Schreiben vom 15.09.2003 ist die Klägerin aufgefordert worden, Unterlagen beizubringen, die die bislang vorliegenden Gutachten entkräften könnten.
Mit Schreiben vom 23.12.2003, zugegangen am 06.01.2004, wurde die Klägerin auf das Fehlen der Unterschrift auf dem Berufungsschriftsatz hingewiesen. Gleichzeitig ist ihr Gelegenheit gegeben worden, binnen eines Monats die Unterschrift nachzuholen. Am 19.01.2004 ist ein von der Klägerin unterzeichneter Schriftsatz eingegangen, worin sie auf die schwere Operation 1984 und die seither bestehenden Folgen hinweist und sich dagegen verwahrt, auf nicht existente Schonberufe verwiesen zu werden.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 13.05. 2003 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 01.02.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.07.2001 zu verurteilen, ab 01.07.2000 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 13.05.2003 zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akten des Sozialgerichts Landshut sowie der Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig.
Zwar hat die Klägerin mangels schriftlicher Berufungseinlegung die Berufungsfrist versäumt. Die wegen der Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung im Ausland maßgebliche Dreimonatsfrist (§ 151 Abs.1 i.V.m. § 87 Abs.1 Satz 2 SGG) hat am Montag, den 8.09.2003 geendet. Bis dahin ist keine wirksame Berufungseinlegung erfolgt. Für die in § 151 Abs.1 SGG geforderte "Schriftlichkeit" der Berufung wird grundsätzlich verlangt, dass die Berufungserklärung handschriftlich unterschrieben sein muss, soweit nicht bestimmte Ausnahmefälle, z.B. Einlegung per Telegramm oder Computerfax, vorliegen (vgl. BSG vom 16.11.2000 in SozR 3-1500 § 151 Nr.4). Eine unterschriebene Berufungsschrift ist erst am 19.01.2004 eingegangen.
Der Klägerin ist jedoch gemäß § 67 SGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Voraussetzung dafür ist, dass ein Beteiligter "ohne Verschulden verhindert" war, die Verfahrensfrist einzuhalten (§ 67 Abs.1 SGG), und die versäumte Rechtshandlung innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses nachgeholt wird (§ 67 Abs.2 Satz 3 i.V.m. Satz 1 SGG). Diese Voraussetzungen sind erfüllt, da die Klägerin innerhalb der bis zum 06.02.2004 laufenden Monatsfrist mittels handschriftlich unterschriebenen Schriftsatzes deutlich gemacht hat, dass sie Berufung einlegen wollte.
Zwar hat die Klägerin mit der Übersendung einer e-mail an das laut Rechtsmittelbelehrung zuständige Sozialgericht Landshut die von einem gewissenhaften Prozessführenden im prozessualen Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht erfüllt. Selbst wenn sie dies verschuldet hat, kann ihr dies lt. höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht zugerechnet werden, weil die Frist im Fall pflichtgemäßen Verhaltens des Gerichts gewahrt worden wäre. Bei drohendem Fristablauf muss das Gericht dasjenige Verhalten bezeichnen, mit dem das Erforderliche ggf. am schnellsten bewirkt werden kann (Urteil des Bundessozialgericht vom 30. Januar 2002 Az.: B 5 RJ 10/01 R). Der Senat kann insbesondere die Berufung deshalb nicht als verfristet zurückweisen, weil das Sozialgericht das formlose Berufungsschreiben unbeanstandet als Berufung an das Bayerische LSG weitergeleitet hat. Aus diesem Fehler dürfen der Klägerin keine Verfahrensnachteile entstehen. Maßgeblich ist, dass die Klägerin unverzüglich nach Aufklärung über das fehlende Formerfordernis am 06.01.2004 die Unterschrift nachgeholt hat.
Die zulässige Berufung erweist sich jedoch als unbegründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 13.05.2003 ist ebenso wenig zu beanstanden, wie der Bescheid der Beklagten vom 01.02.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.07.2001. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Sie ist weder berufsunfähig noch erwerbsunfähig oder erwerbsgemindert im Sinne der ab 01.01.2001 geltenden Normen des SGB VI.
Zutreffend hat das Sozialgericht die Maßgeblichkeit sowohl des alten als auch des ab 01.01.2001 geltenden Rechts dargestellt, die Voraussetzungen der Berufsunfähigkeitsrente genannt, die Klägerin auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen und sie mit qualitativen Einschränkungen für vollschichtig leistungsfähig erachtet. Gemäß § 153 II SGG wird insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen.
Die Klägerin hat im Berufungsverfahren keine Unterlagen vorgebracht, die den Beweiswert der bislang vorliegenden Gutachten entkräften könnten. Nicht nur der gerichtlich bestellte Sachverständige Dr.R. , sondern auch die Invalidenkommission in N. , der lt. Klägerin sämtliche Fremdbefunde vorgelegen haben, halten die Klägerin für vollschichtig leistungsfähig. Dem hat sich Dr.D. , der die medizinischen Unterlagen mehrfach ausgewertet hat, angeschlossen. Die abweichenden Ansichten der behandelnden Ärzte sind sowohl der Invalidenkommission als auch Dr.R. bekannt gewesen und besitzen nicht denselben Beweiswert wie die Stellungnahmen neutraler und sozialmedizinisch besonders versierter Sachverständiger.
Zusammenfassend sind der Klägerin nur noch leichte und ruhige Frauenarbeiten in wechselnder Körperhaltung, in geschlossenen, temperierten, sauberen Räumen zumutbar. Mit diesem Restleistungsvermögen ist die Klägerin in der Lage, eine Vielzahl von Tätigkeiten zu verrichten, wie sie üblicherweise von ungelernten Arbeitern gefordert werden. Bei erhaltener Funktionsfähigkeit der Hände und der Sinnesorgane und ausreichender Belastbarkeit der Wirbelsäule erscheinen Verrichtungen wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Verpacken, Aufsicht und Kontrolle möglich. Die Prüfung einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen erübrigt sich daher. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist bei diesem Restleistungsvermögen nicht geboten.
Die Klägerin, die keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit hat, weil sie zumutbare Verweisungstätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten kann, hat erst recht keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß § 44 Abs.1 a.F., weil sie die noch strengeren Voraussetzungen des Begriffs der Erwerbsunfähigkeit im Sinn des 2. Absatzes dieser Vorschrift nicht erfüllt. Das vorhandene Restleistungsvermögen gestattet es ihr, mittels einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit mehr als geringfügige Einkünfte zu erzielen.
Ob der Klägerin ein Arbeitsplatz tatsächlich vermittelt werden kann, ist rechtlich unerheblich, weil vollschichtig einsatzfähigen Versicherten der Arbeitsmarkt offen steht und das Risiko der Arbeitsplatzvermittlung von der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung und nicht von der gesetzlichen Rentenversicherung zu tragen ist (vgl. u.a. SozR 3-2200 § 1246 Nr.50). Insoweit muss sich die im Ausland wohnhafte Klägerin wie eine in Deutschland lebende Versicherte behandeln lassen. Entscheidend ist, dass die Klägerin die vollschichtige Tätigkeit unter betriebsüblichen Bedingungen erbringen kann, weil zusätzliche Pausen nicht erforderlich sind, und dass die Anmarschwege zur Arbeit problemlos zurückgelegt werden können. Es liegen auch kein Anhaltspunkt dafür vor, dass sich die Klägerin nicht auf eine andere als die zuletzt ausgeübte Tätigkeit umstellen kann.
Zutreffend hat es das Sozialgericht auch abgelehnt, zu prüfen, ob nach Juni 2002 eine Leidensverschlimmerung eingetreten ist, wie dies die Klägerin mit Schreiben vom 10.04.2003 behauptet. Zum einen ginge im Fall des Eintritts der relevanten Erwerbsminderung gemäß § 89 SGB VI die ab 01.05.2002 bewilligte Altersrente für Frauen vor und darüber hinaus scheiterte ein Rentenanspruch an den besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen. Diese fordern für eine Rentengewährung, dass Versicherte in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (§ 43 Abs.2 Ziff.2, Abs.1 Ziff.1 SGB VI). Der letzte Pflichtbeitrag wurde in der Heimat der Klägerin im Juni 2000 entrichtet. Der Zeitpunkt von fünf Jahren bei Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit verlängert sich nicht um Zeiten der Rentengewährung in Jugoslawien. Laut dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien werden für den Erwerb des Leistungsanspruchs nur anrechnungsfähige Versicherungszeiten des anderen Vertragsstaates angerechnet (Art.25). Der Leistungsfall der relevanten Erwerbsminderung müsste also spätestens am 01.07.2002 eingetreten sein. Die bis dahin erhobenen medizinischen Befunde begründen keinen Zweifel, dass die Klägerin unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein konnte. Bis dahin war sie also nicht erwerbsgemindert (§ 43 Abs.3 SGB VI). Die Ausnahmevorschrift des § 241 Abs.2 SGB VI findet keine Anwendung, weil der Versicherungsverlauf der Klägerin zwischen dem 1. Januar 1984 und dem 1. Januar 1986 eine Lücke aufweist.
Aus diesen Gründen war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs.2 SGG) sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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