L 8 R 2514/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 2261/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 R 2514/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 07.06.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf Rente wegen (voller bzw. teilweiser) Erwerbsminderung (Antrag vom 12.11.2014) zusteht.

Der 1964 geborene Kläger ist ausgebildeter Stahlformenbauer und war bis Dezember 2005 in diesem Beruf tätig. Im Jahr 2006 meldete er sein vorbestehendes Gewerbe zu einem Transportunternehmen um und arbeitete bis zur Abmeldung im August 2014 (Blatt 85 der Beklagtenakte) als selbstständiger Transportunternehmer (zum beruflichen Werdegang vgl. Blatt 11 der Beklagtenakte/ärztlicher Teil). Das Unternehmen hatte teilweise mehr als zehn bzw. zwanzig Mitarbeiter. Ein Verfahren zur Feststellung von Rentenversicherungspflicht blieb erfolglos (bestandskräftiger Bescheid der Beklagten vom 21.11.2014). Bis 30.06.2009 war der Kläger als Selbständiger freiwilliges Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung, seit 01.07.2009 war er privat versichert (Blatt 37, 65 der Beklagtenakte). Seit Aufgabe des Gewerbes ist der Kläger arbeitslos.

Der Kläger befand sich vom 10.09.2013 bis 26.09.2013 in stationärer Behandlung im S. J. Krankenhaus F. , wo eine fortgeschrittene dekompensierte äthyltoxische Leberzirrhose bei schwer reduziertem Allgemeinzustand und vermindertem Ernährungszustand diagnostiziert worden war.

Am 12.11.2014 (Blatt 7/13 der Beklagtenakte) beantragte der Kläger die Gewährung einer Versichertenrente in Form einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zu diesem Antrag gab der Kläger an, seit 2003 erwerbsgemindert zu sein (Blatt 1 der Beklagtenakte/ärztlicher Teil). Im Laufe von 2004/2005 habe sich seine Leistungsfähigkeit deutlich vermindert, weshalb er seinen damaligen Beruf aufgegeben habe (Blatt 12 der Beklagtenakte/ärztlicher Teil).

In seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 12.01.2015 (Blatt 97/99 der Beklagtenakte) gab Dr. Z. an, dass eine Erwerbsminderung im Jahr 2003 bis 2005 nicht sicher bestehe. Eine erhebliche Verschlechterung des Allgemeinzustandes habe sich erst im Sommer 2013 eingestellt, dann mit zunehmendem Aszites, Ikterus und Beinschwellungen. Ursache seien die Folgen eines langjährigen Alkoholkonsums mit dann äthyltoxischer Leberzirrhose, im Sommer 2013 im Stadium Child C. Entsprechend den Angaben in den Berichten (dazu vgl. Blatt 23/51 der Beklagtenakte/ärztlicher Teil) könne zumindest bis Sommer 2013 noch von einem vollschichtigen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgegangen werden.

Mit Bescheid vom 22.01.2015 (Blatt 5/7 der Beklagtenakte/Widerspruchsakte) lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab, weil die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Zwar sei der Kläger seit 10.09.2013 dauerhaft teilweise erwerbsgemindert, weil jedoch vom 10.09.2008 bis 09.09.2013 statt der erforderlichen 36 Pflichtbeitragsmonate gar kein Monat mit Beiträgen belegt sei, seien die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt.

Mit seinem Widerspruch vom 20.02.2015 (Blatt 1 der Beklagtenakte/Widerspruchsakte) machte der Kläger u.a. geltend (Blatt 13/15 der Beklagtenakte/Widerspruchsakte), mit dem Attest von Dr. B. vom 13.02.2015 (Blatt 17 der Beklagtenakte/Widerspruchsakte) sei das Leistungsvermögen bereits seit 2005 auf unter drei Stunden reduziert gewesen. Der Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung sei bereits 2005 eingetreten.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 29.04.2015 (Blatt 39/43 der Beklagtenakte/Widerspruchsakte) den Widerspruch des Klägers zurück. Zwar sei der Kläger voll erwerbsgemindert, ein früherer Leistungsfall als am 10.09.2013 sei nicht festzustellen.

Am 19.05.2015 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Freiburg Klage erhoben, zu deren Begründung er darauf hingewiesen hat, der Leistungsfall sei 2003 mindestens jedoch 2005 eingetreten. Vorgelegt hat der Kläger das Attest der Fachärztin für Innere Medizin Dr. B. vom 10.10.2014, wonach sich der Kläger seit 02.09.2013 bei ihr in Behandlung befinde wegen einer Lebererkrankung (Leberzirrhose Child C), die Folge einer bereits 20003 diagnostizierten Fettleber sei.

Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 07.06.2016 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI seien letztmalig im Januar 2008 erfüllt gewesen. Bis einschließlich Januar 2008 liege kein Leistungsfall einer Rente wegen Erwerbsminderung vor. Die jedenfalls zum 10.09.2013 eingetretene teilweise Erwerbsminderung löse wegen Fehlens der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen keinen Rentenanspruch aus.

Gegen den seinem Bevollmächtigten am 10.06.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 06.07.2016 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Bei ihm liege im Wesentlichen eine Leberzirrhose als Folge einer Fettleber bei toxischer Leberzellschädigung, Kreislaufstörungen und psychische Einschränkungen vor. Er sei bis Dezember 2005 als Stahlformenbauer versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Dass er bereits seit 2003 erhebliche gesundheitliche Probleme gehabt habe, setze Zeichen dafür, dass er diese Tätigkeit tatsächlich im Dezember 2005 beenden musste. Weder die Beklagte noch das SG hätten weitere ärztliche Befundberichte eingeholt. Dr. B. , die bei ihm ein seit bereits 2005 unterdreistündiges tägliches Leistungsvermögen festgestellt habe, sei nicht befragt worden. Unter Umständen hätte sich auch durch Anfrage beim S. J. Krankhaus F. , wo er 2013 behandelt worden sei, ermitteln lassen, ob die Lebererkrankung bereits in den Jahren zwischen 2003 bis 2005 ihn derart belastet habe, dass bereits damals Erwerbsminderung vorgelegen habe.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 07.06.2016 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 22.01.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.04.2015 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI, ausgehend von einem Leistungsfall der spätestens zum 31.01.2008 eingetreten ist, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die Einschätzung, dass der Leistungsfall der Erwerbsminderung spätestens am 31,01.2008 eingetreten sei, werde von den bisher vorliegenden medizinischen Unterlagen weder gestützt, noch sei dies überhaupt wahrscheinlich. Selbst wenn man davon ausgehe, dass die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung als Stahlformenbauer aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben worden sein sollte, ließe sich hieraus nicht auf ein aufgehobenes Leistungsvermögen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes schließen. Die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit zum 01.01.2006 sei hingegen sogar ein untrügliches Indiz dafür, dass das Leistungsvermögen bis ins Jahr 2013 nicht relevant eingeschränkt gewesen sei.

Der Kläger hat mitgeteilt (Blatt 19 der Senatsakte, Schreiben vom 07.09.2016), dass er in den Jahren 2007 und 2008 nicht in ärztlicher Behandlung gewesen sei.

Die Sach- und Rechtslage wurde mit den Beteiligten in einem nichtöffentlichen Termin am 14.10.2016 erörtert. Wegen des Inhalts und Ergebnisses des Termins wird auf die Niederschrift (Blatt 22/24 der Senatsakte) Bezug genommen. Hier hat der Kläger u.a. ausgeführt, dass er Ende 2005/Anfang 2006 das Transportunternehmen zur hauptberuflichen Tätigkeit gemacht habe. Er habe mit einem Fahrzeug angefangen und alles transportiert z.B. Möbel für einen Möbelhersteller oder auch Bürobedarf. Anfangs sei er alleine, später dann mit Herrn Z. zusammen gewesen, am Ende hätten sie bis zu über 20 Mitarbeiter gehabt. Er sei dann krank geworden. Das meiste der Tätigkeit habe Herr Z. gemacht. Im Jahr 2013 sei er im Krankenhaus gewesen wegen der Leber. In Behandlung sei er allenfalls bei Dr. B. und Dr. J. gewesen. Schon vor 2013 sei es ihm nicht gut gegangen. Die Begleiterin des Klägers, Frau S.-E., hat u.a. erklärt, es sei dem Kläger so schlecht gegangen, dass er während der Autofahrt z.B. habe anhalten und sich übergeben müssen. Nach dem Essen sei er gleich auf die Toilette gegangen, er sei quittengelb gewesen und habe Durchfälle gehabt. Man habe ihn auch 2013 zwingen müssen, zum Arzt zu gehen. Im Wesentlichen habe Herr Z. dann das Unternehmen geführt, am Schluss habe der Kläger nur noch Rechnungen geschrieben.

Im Nachgang zum Termin hat der Kläger ärztliche Unterlagen vorgelegt, so die Berichte von Dr. J. vom 22.10.2003 und 02.11.2006 (Blatt 27/39 der Senatsakte). Außerdem hat der Kläger (Schreiben vom 09.12.2016, Blatt 40/72 der Senatsakte) die Stellungnahme des Steuerberaters und eine Darstellung des Geschäftsverlaufes für die Zeit von 2005 bis 2010 vorgelegt. Die selbständige Tätigkeit habe keine Existenzgrundlage geboten, weshalb die Auffassung der Beklagten, wonach die Aufnahme der Selbständigkeit die Leistungsfähigkeit indiziere, widerlegt sei.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens bei Prof. Dr. A. , Chefarzt der Medizinischen Klinik, Viszeralmedizinisches Zentrum, am E. Krankenhaus F ... Dieser hat in seinem Gutachten vom 22.03.2017 (Blatt 77/88 der Senatsakte; Untersuchung am 09.02.2017) eine Leberzirrhose Child A, 3 Punkte, eine Refluxoesophagitis, eine Trizytopenie (DD Hypersplenismus, DD toxische Knochenmarksschädigung), eine Eisenmangelanämie (DD gastrointestinale Blutung bei Oesophagusvarizen 1. Grades, hypertensive Gastropathie) einen quittierten Nikotin- und Alkoholkonsum, einen Heuschnupfen, einen Zustand nach Appendektomie und einen Zustand nach Tonsillektomie dargestellt. Leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien unter Beachtung von qualitativen Leistungseinschränkungen ohne Gefährdung der Gesundheit über 6 Stunden und mehr an 5 Tagen in der Woche möglich, wobei dem Kläger Möglichkeit zu häufigeren Pausen eingeräumt werden solle. Die Tätigkeiten als Stahlformenbauer, könne er weniger als drei Stunden ausüben. Tätigkeiten als Transportunternehmer seien für den Kläger für drei bis weniger sechs Stunden möglich, vorausgesetzt die Tätigkeit würde nur auf die administrativen Tätigkeiten wie Planung und Logistik im Büro und nicht die aktive Tätigkeit als Transporteur bzw. Fahrer beschränkt. Wie aus den Unterlagen ersichtlich, insbesondere belegt durch die Begutachtung bzw. Untersuchung von Herrn J. (Untersuchungsdatum zuletzt 10/06) habe bis dahin eine gute Leistungsfähigkeit des Klägers bestanden, in den folgenden Jahren seien keine Arztbesuche erfolgt und der Kläger anamnestisch bis Juli 2013 ohne Symptome geblieben (siehe Bericht U. Klinikum 01.10.13). Dann erst sei es zu einer deutlichen Verschlechterung mit Ikterus, Abgeschlagenheit, Ödemen gekommen, im September 2013 sei die stationäre Aufnahme mit Diagnose einer äthyltoxischen Leberzirrhose CHILD C erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt habe sicherlich eine massive Einschränkung der Leistungsfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit bestanden. Der genaue Zeitpunkt der gravierenden Leistungseinschränkung, letztlich der Übergang in die zugrundeliegende Leberzirrhose, lasse sich aufgrund der in der Zeit von 2006 bis 2013 nicht erfolgten ärztlichen Konsultationen zeitlich nicht weiter eingrenzen. Im weiteren Verlauf sei es unter der Alkoholkarenz und medikamentösen Therapie zu einer deutlichen Besserung der Leberfunktion und einer sehr erfreulichen Stabilisierung des Gesundheitszustandes gekommen. Zur Zeit zeige sich eine Leberzirrhose CHILD A. Anhand der von der Hausärztin überlassenen Laborparameter lasse sich eine stetige Besserung der Leberfunktion, insbesondere in den Jahren 2015 und 2016 dokumentieren, die sich auch in der aktuellen Kontrolle fortsetzt und bestätigt habe, so dass die derzeitige Leistungsfähigkeit des Klägers seit 2016 bestanden haben könnte.

Die Beklagte hat sich unter Vorlage einer sozialmedizinischen Stellungnahme von Dr. L. vom 06.04.2017 (Blatt 91 der Senatsakte) in ihrer Auffassung bestätigt gesehen (Schreiben vom 07.04.2017, Blatt 90 der Senatsakte).

Der Kläger hat ausgeführt (Schreiben vom 03.05.2017, Blatt 92/93 der Senatsakte), die gesundheitliche Situation sei in den Jahren bis 2008 weitaus schwerwiegender gewesen, als dies das Gutachten von Prof. Dr. A. zum Ausdruck bringe. Bei Berücksichtigung der bei ihm in den Jahren bis 2008 darstellenden gesundheitlichen Situation bleibe festzustellen, dass es ihm nicht möglich gewesen sei, unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes noch mindestens drei - bzw. sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Senat einverstanden erklärt (Blatt 92/93, 94 der Senatsakte).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§§ 152 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG) ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache aber nicht begründet.

Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (BSG SozR 3-2600 § 44 Nr. 7) ist der den Rentenantrag des Klägers vom 12.11.2014 ablehnende Bescheid vom 22.01.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.04.2015. Dieser erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung. Daher ist der Gerichtsbescheid des SG vom 07.06.2016 zutreffend und auch die Berufung in vollem Umfang zurückzuweisen.

Gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (Satz 1 Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Satz 1 Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1 Nr. 3). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2). Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben - bei im Übrigen identischen Tatbestandsvoraussetzungen - Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Vorliegend musste der Senat feststellen, dass der Kläger zuletzt im Dezember 2005 eine Beitragszeit zur Gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt hatte (vgl. Blatt 48 der Beklagtenakte); später sind keine rentenrechtlich relevante Zeiten mehr zurückgelegt worden. So hat der Kläger ab 01.01.2006 als selbständiger Transportunternehmer weder der Rentenversicherungspflicht unterlegen (vgl. bestandskräftiger Bescheid vom 21.11.2014) noch Beiträge zur Gesetzlichen Rentenversicherung geleistet.

Damit liegt die besondere erwerbsrentenversicherungsrechtliche Voraussetzung von drei Jahren Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung letztmals bezogen auf einen Leistungsfall am 31.01.2008 vor.

Der Fünfjahreszeitraum nach § 43 Abs.1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI bzw. § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI verlängert sich auch nicht nach § 43 Abs. 4 SGB VI. Denn es liegen bei dem Kläger, der bisher keine Rente wegen Erwerbsminderung bezogen hat, auch keine Berücksichtigungs- oder Anrechnungszeiten i.S.d. § 43 Abs. 4 i.V.m. § 57, 58 SGB VI vor, noch Zeiten i.S.d. § 43 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI vor, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten gem. § 58 SGB VI sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, und es sich auch nicht um Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung, handelt (§ 48 Abs. 4 Nr. 4 SGB VI).

Darüber hinaus ist weder die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist (§ 43 Abs. 5 i.V.m. § 53 SGB VI) noch war der Kläger ununterbrochen erwerbsgemindert schon seit einem Zeitpunkt vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit (§ 43 Abs. 6 SGB VI).

Der Senat konnte aber bezogen auf den 31.01.2008 nicht feststellen, dass der Kläger voll oder zumindest teilweise erwerbsgemindert gewesen war. Der Senat konnte auch feststellen, dass bei später eingetretener Erwerbsminderung die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt waren, weshalb dem Kläger kein Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente zusteht.

Zwar hat Dr. B. in ihrem Attest vom 13.02.2015 mitgeteilt, ein Leistungsvermögen von unter 3 Stunden arbeitstäglich (5 Tage/Woche) habe seit 2005 unverändert bestanden. Dieses Attest kann den Senat jedoch nicht überzeugen, denn Dr. B. hat den Kläger erstmals im Jahr 2013 gesehen und behandelt, wie sie in ihrem Attest vom 10.10.2014 bestätigt hatte. Daher kann sie keine auf eigene Untersuchungen gestützte Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Klägers acht bis zehn Jahre vor ihrem Erstkontakt vornehmen. Dass sie sich auf Fremdbefunde aus diesen Zeitraum stützt, ist in ihrem Attest nicht ausgeführt und auch sonst für den Senat nicht ersichtlich. Daher handelt es sich bei diesem Attest entweder um eine bewusste irreführende ärztliche Einschätzung ohne belastbare Beurteilungsgrundlage oder um ein reines Gefälligkeitsattest; somit überzeugt die Einschätzung von Dr. B. den Senat nicht.

Aus den vom Kläger im Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen (Bericht des S. J. Krankenhaus F. vom 26.09.2013, Blatt 23/36 der Beklagtenakte/ärztlicher Teil; Bericht des U. Klinikums F. vom 01.10.2013, Blatt 37/42 der Beklagtenakte/ärztlicher Teil; Bericht des U. Klinikums F. vom 29.10.2013, Blatt 43/45 der Beklagtenakte/ärztlicher Teil; Bericht des U. Klinikums F. vom 02.12.2013, Blatt 47/51 der Beklagtenakte/ärztlicher Teil) ist ein "seit Wochen" bestehender Ikterus, Bauchumfangsvermehrung, periphere Ödeme, Appetitverlust und seit "zwei Wochen" sistierter Alkoholkonsum ersichtlich. Im Bericht vom 01.10.2013 ist in der Anamnese vermerkt, dass der Kläger angeben hatte, bis "Juli diesen Jahres keine Symptome" gehabt zu haben, es sei dann ein Ikterus usw. aufgetreten. Im Bericht vom 29.10.2013 ist zusammenfassend ausgeführt: "Bei Ihnen war es seit Juli zu einer erheblichen Verschlechterung des Allgemeinbefindens gekommen."

Aus dem Bericht des Dr. J. vom 22.10.2003 ist eine berufliche Belastung von 40 bis 45 Stunden, bestehend ganz überwiegend aus administrativen und operativen Tätigkeiten, ersichtlich; darüber hinaus ergibt sich eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit von Herz und Kreislauf bei Hinweisen auf Trainingsmangel aber zufriedenstellender Ausdauerleistungsfähigkeit (Belastungs-EKG: 75 bis 200 Watt mit deutlich überschießendem Anstieg der Pulsfrequenz). Aus dem Bericht des Dr. J. vom 02.11.2006 ergibt sich, dass der Kläger seit der Voruntersuchung im November 2003 an der Folge eines Skiunfalls (Oberarmfraktur rechts im Januar 2006) leide, sich subjektiv beschwerdefrei fühle und körperlich normal belastbar sei, allerdings habe er in der Folge des Unfalls die körperlichen Aktivitäten deutlich eingeschränkt. Des Weiteren gibt Dr. J. an: "Auf Befragen verneinen Sie Atemnot bei Belastung, nächtliches Wasserlassen und abendliche Schwellungen der Beine ebenso wie pektanginöse Beschwerden. Ihr Appetit ist normal, Unverträglichkeiten bestehen nicht. Stuhlgang und Miktion schildern Sie als unauffällig. Ihr Schlaf ist gut. Sie nehmen keinerlei Medikamente ein. Sie rauchen ausschließlich abends bis zu 5 Zigaretten am Tag. An alkoholischen Getränken konsumieren Sie im Schnitt 2 Bier und gelegentlich auch zusätzlich 1/4. Wein. Ihre berufliche Belastung hat sich geändert. Sie sind jetzt selbständig als Transportunternehmer tätig und führen ausschließlich organisatorische und administrative Tätigkeiten aus. An ausqleichssportlichen Aktivitäten üben Sie im Winter Skilanglauf, im Sommer Radfahren und Wandern aus." Die Leber war nicht tastbar vergrößert, im Bauchraum kein tastbarer Befund zu erheben.

Aus diesen Befunden lässt sich nicht auf ein rentenrechtlich relevant eingeschränktes zeitliches (quantitatives) oder inhaltliches (qualitatives) Leistungsvermögen schließen. Soweit der Kläger in seiner im Berufungsverfahren vorgelegten Stellungnahme (Blatt 42 der Senatsakte) ausführt, dass ihm bereits 2005 Energie gefehlt habe und auffällige Leberwerte bestimmt worden seien, lässt sich hieraus auch nicht auf ein unter sechs bzw. auf unter drei Stunden herabgesunkenes Leistungsvermögen schließen. Insoweit spricht, worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hatte, die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit mit am Schluss über 20 Mitarbeitern gegen eine wesentliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit vor dem 31.01.2008. Soweit der Kläger ab 2010 (Blatt 42 der Senatsakte) den Auszug der damaligen Lebensgefährtin, weil er ihr nie erklärt habe, wie es ihm wirklich gehe und geleugnet habe, krank zu sein, in Zusammenhang mit einem Gesundheitszustand bringt, der auf ein reduziertes Leistungsvermögen schließen lassen, so mag das ggf. so sein, bedeutet vorliegend aber nicht einen Anspruch auf Rente, denn volle oder teilweise Erwerbsminderung müsste bis zum 31.01.2008 eingetreten sein, worauf auch die vom Kläger im Jahr 2010 geschilderten Umstände nicht hindeuten. Soweit der Kläger den gewinnbringenden Anstieg des Geschäfts ab dem Jahr 2010 dem Einstieg von Herrn Z. , der zuvor schon Mitarbeiter des Klägers gewesen war, zuschreibt und mit der Darstellung des Geschäftsverlaufs in den Jahren 2006 bis 2010 durch die Wirtschaftsprüfer und Steuerberater M.-L. + P. (Blatt 43/72 der Senatsakte) bescheinigt sieht, dass das selbständige Unternehmen bis 2009 nur Verluste und erst 2010 rund 9.000 EUR erwirtschaftet habe, so lässt sich insoweit bei einer selbständigen Tätigkeit weder auf das Ausmaß des investierten Arbeitsaufwandes schließen noch auf mögliche Gründe für eine nur reduzierte Arbeitsleistung. Dass die Selbständigkeit, die gerade durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet ist (vgl. z.B. LSG Baden-Württemberg 28.03.2017 – L 11 R 1310/16 – juris RdNr. 46), mangels ausreichender Erträge möglicherwiese nicht Existenzgrundlage für ein Leben z.B. auf dem Niveau des SGB II sein konnte, bedeutet nicht, dass der Kläger auch keinen Arbeitseinsatz gezeigt hatte. Vielmehr wird aus der Darlegung der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater deutlich, dass sich das allgemeine Risiko der Selbständigkeit – nämlich Arbeitsleistung, Sachleistungen und Finanzmittel einzusetzen, ohne einen Anspruch auf Gewinnerzielung zu haben - realisiert hatte.

Vor diesem Hintergrund überzeugt die Einschätzung des Gutachters Prof. Dr. A. , der ausgeführt hatte, dass jedenfalls bis zur Untersuchung bei Dr. J. (Untersuchungsdatum zuletzt 10/06) eine gute Leistungsfähigkeit des Klägers bestanden hatte. Auf dieser Grundlage konnte der Senat feststellen, dass Erwerbsminderung mit einem auf unter sechs bzw. auf unter drei Stunden arbeitstäglich herabgesunkenen Leistungsvermögen jedenfalls nicht bis Oktober 2006 eingetreten war. Da der Kläger in den folgenden Jahren keine Ärzte besucht hatte und er anamnestisch bis Juli 2013 ohne Symptome (siehe Bericht U. Klinikum 01.10.13) gewesen war und erst dann eine deutliche Verschlechterung mit Ikterus, Abgeschlagenheit, Ödemen, im September 2013 mit stationärer Aufnahme mit Diagnose einer äthyltoxischen Leberzirrhose CHILD C, eingetreten ist, konnte der Senat darüber hinaus auch nicht feststellen, dass bis zum 31.01.2008 ein auf unter sechs bzw. auf unter drei Stunden arbeitstäglich herabgesunkenes Leistungsvermögen eingetreten ist. Selbst wenn mit dem Kläger anzunehmen wäre, dass eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit möglich wäre, träfen ihn die nachteiligen Folgen der Beweislosigkeit, als der Senat ein solches herabgesunkenes Leistungsvermögen nicht feststellen konnte. Denn mit Prof. Dr. A. kann der genaue Zeitpunkt der gravierenden Leistungseinschränkung, letztlich der Übergang in die zuletzt zugrundeliegende Leberzirrhose aufgrund der in der Zeit von 2006 bis 2013 nicht erfolgten ärztlichen Konsultationen zeitlich nicht weiter eingegrenzt werden, zumal der Kläger 2013 den Ärzten lediglich von einer Verschlechterung ab Juli 2013 berichtet hatte.

Damit konnte der Senat nicht feststellen, dass der Kläger bis zum 31.01.2008 bereits i.S.d. §43 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 2 Satz 1 SGB VI nicht mehr in der Lage war, noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter den dort üblichen Bedingungen mindestens sechs bzw. drei Stunden arbeitstäglich zu verrichten. Er konnte auch nicht feststellen, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen erst später eingetretenen Leistungsfall der Erwerbsminderung erfüllt wären. Soweit der Kläger im Jahr 2013 daher mit Prof. Dr. A. tatsächlich erwerbsgemindert war, hat der Kläger die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Erwerbsminderungsrente nicht mehr erfüllt. Er hat damit keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung; da der Kläger erst am 19.03.1964 geboren wurde, scheidet ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) aus.

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit dem Gutachten von Prof. Dr. A. dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO).

Die Berufung des Klägers war daher in vollem Umfang unbegründet.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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