S 34 RJ 53/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
34
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 34 RJ 53/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Kostenerstattung für eine selbstbeschaffte Haushaltshilfe.

Die im Jahre 1966 geborene Klägerin ist als Versandarbeiterin bei der Firma I in X mit einer Arbeitszeit von 4:00 Uhr bis 11:00 Uhr morgens beschäftigt. Nach Rückkehr von der Arbeit versorgt sie ihre beiden 1993 und 1994 geborenen Kinder.

Am 6. August 2001 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Kostenersatz für eine selbstbeschaffte Haushaltshilfe während einer vom 12. September 2001 bis 10. Oktober 2001 in Bad U stattfindenden medizinischen Rehabilitationsmaßnahme. Betreuungsbedarf für ihre Kinder bestehe von 6:00 Uhr bis 15:00 Uhr. Ihr Ehemann arbeite von 6:00 Uhr bis 14:00 Uhr. Die Kinder würden ab 6:00 Uhr durch eine Bekannte fertig gemacht und zur Schule gebracht. Der Ehemann könne wegen eines Zeitvertrages keinen Urlaub nehmen.

Mit Bescheid vom 19. September 2001 bewilligte die Beklagte der Klägerin Kostenersatz für eine Haushaltshilfe während der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme im Umfang von 2 Stunden täglich. Der Betreuungsbedarf werde nur für die Zeit von 12:00 bis 14:00 Uhr akzeptiert, da eine private Kinderfrau die Kinder ab 6:00 Uhr morgens betreue und zur Schule bringe. In der Zeit von 8:00 bis 12:00 Uhr befänden sich die Kinder in der Schule, so dass eine Betreuung nicht erforderlich sei. Der Ehemann könne nach Rückkehr von seiner Arbeitsstelle die Betreuung der Kinder übernehmen. Kostenerstattung werde nach dem Höchstbetrag von 14,00 DM pro Stunde geleistet.

Mit Ihrem Widerspruch machte die Klägerin den zusätzlichen Betreuungsbedarf für die Zeit von Schulschluss ab 11:15 Uhr und die Zeit bis 14:30 Uhr geltend, da ihr Ehemann erst zu diesem Zeitpunkt von der Arbeitsstätte zurückkehre. Zudem leide der Ehemann an Depressionen mit Somatisierungsstörungen.

Der Hausarzt F attestiere dem Ehemann der Klägerin, dass er nicht in der Lage gewesen sei, zusätzlichen haushaltlichen Verpflichtungen nachzukommen.

Die Beklagte zog einen Befundbericht von Herrn F vom 25. August 2002 bei. Er diagnostizierte bei dem Ehemann der Klägerin einen Zustand nach Wirbelsäulentuberkulose 1992, ein Reizdarmsyndrom sowie den Verdacht auf eine somatoforme Störung. Bei dem Familienvater beständen häufige Dorsalgien sowie eine Einschränkung der Rumpfflexion, Rumpfrotation und Seitwärtsneigung sowie eine Neigung zu abdominellen Beschwerden.

Mit weiterem Bescheid vom 16. Dezember 2002 erklärte sich die Beklagte bereit, die Zeit für die Wegstrecke von der Arbeitsstätte des Ehemannes der Klägerin bis zur Wohnung mit einzubeziehen. Unter Berücksichtigung des Arbeitsnachweises und des jeweiligen Schulschlusses der Kinder werde von montags bis donnerstags die Haushaltshilfe in der Zeit vom 11:30 Uhr bis 14:30 Uhr für erforderlich gehalten. Freitags gelte dies bereits ab 11:15 Uhr. Für den 3. Oktober und den 10. Oktober 2001 könne keine Erstattung erfolgen, weil der Ehemann der Klägerin an diesen Tagen nicht gearbeitet habe. Es ergebe sich nunmehr ein Erstattungsbetrag von 379,38 Euro. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Januar 2003 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin im Übrigen als unbegründet zurück. Nach Auswertung des Befundberichtes des behandelnden Arztes könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Ehemann der Klägerin nach Abschluss seiner Berufstätigkeit aus gesundheitlichen Gründen zur Haushaltsführung und Kinderbetreuung außerstande gewesen sei. Die von der Haushaltshilfe vormittags während der Abwesenheit der Kinder verrichtete Hausarbeit habe der Ehemann der Klägerin auch nach seiner Berufstätigkeit erledigen können.

Mit der am 24. Februar 2003 erhobenen Klage begehrt die Klägerin Kostenersatz für eine täglich fünfstündige Haushaltshilfe. Die von ihr herangezogene Bekannte habe während der kurbedingten Abwesenheit von 9:30 Uhr bis 14:30 Haushaltshilfe geleistet. Dies sei erforderlich gewesen, um eine ordnungsgemäße Haushaltsführung und Betreuung der Kinder zu gewährleisten. Dies beruhe darauf, dass ansonsten die Klägerin in der Familie die überwiegende Hauptlast der Haushaltsführung und Kinderbetreuung übernehme. Der Ehemann der Klägerin sei insbesondere aus gesundheitlichen Gründen hierzu nicht in der Lage. Er sei schwerbehindert mit einem GdB von 60 und dem Merkzeichen "G" (erhebliche Gehbehinderung). Grund der Schwerbehinderung sei eine im Jahre 1992 durchgemachte Wirbelsäulentuberkulose. Im Rahmen einer operativen Sanierung mit osteosynthetischer Blockade von BWK 9 bis LWK 2 seien bei dem Ehemann der Klägerin metallerne Versteifungen der Wirbelsäule vorgenommen worden. Die Belastbarkeit und Gehfähigkeit sei somit deutlich eingeschränkt. Darüber hinaus lägen bei dem Ehemann der Klägerin ein Reizdarmsyndrom, eine somatoforme Störung und Depressionen vor, die insbesondere zwischen September und Dezember 2001 eine akute Phase gezeigt hätten. Nach der Arbeit benötige er mindestens 1 bis 2 Stunden Ruhepause. Der Ehemann der Klägerin habe lediglich die Hausaufgaben der Kinder betreuen und für das Abendessen Sorge tragen können. Weitere Haushaltstätigkeiten seien ihm nicht möglich gewesen. Am 3. Oktober 2001 sei der Ehemann der Klägerin aus gesundheitlichen Gründen nicht einsatzfähig gewesen. Am 10. Oktober 2001 habe er sich freigenommen, um sich auf eine Führerscheinprüfung vorzubereiten.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 19. September 2001 und 16. Dezember 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2003 zu verurteilen, ihr als Kostenersatz für eine Haushaltshilfe weitere 372,22 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist weiterhin der Auffassung, dass die vorgetragenen gesundheitlichen Einschränkungen des Ehemannes der Klägerin nicht so gravierend gewesen seien, dass ihm die Weiterführung des Haushaltes aus medizinischer Sicht verwehrt gewesen wäre. Die Vorbereitung auf eine mündliche Fahrprüfung sei kein wesentlicher Hinderungsgrund.

Auf Anfrage des Gerichts hat die Leiterin der D-Schule X am 13. Februar 2004 mitgeteilt, dass es im fraglichen Zeitraum vom 12. September bis 10. Oktober 2001 an ihrer Schule eine Betreuungsgruppe von 7:30 Uhr bis 8:15 Uhr sowie von 12:00 Uhr bis 14:15 Uhr gegeben habe. Trotz grundsätzlich erforderlicher Anmeldung sei eine Notfallregelung wegen Abwesenheit der Klägerin möglich gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Die angefochtenen Bescheide der Beklagten erweisen sich als rechtmäßig.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf weitergehende Kostenerstattung für eine selbstbeschaffte Haushaltshilfe, weil ihr Ehemann nach Rückkehr von seiner Arbeitsstelle und an den arbeitsfreien Tagen den Haushalt während der Teilnahme der Klägerin an einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme weiterführen konnte.

Nach § 28 des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) i.V.m. § 44 Abs. 1 Nr. 6 des Sozialgesetzbuchs - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) werden die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation ergänzt durch Haushaltshilfe und Kinderbetreuungskosten. Haushaltshilfe wird geleistet, wenn

1. den Leistungsempfängern wegen der Ausführung einer Leistung zur medizi- nischen Rehabilitation die Weiterführung des Haushalts nicht möglich ist,

2. eine andere im Haushalt lebende Person den Haushalt nicht weiterführen kann und 3. im Haushalt ein Kind lebt, dass bei Beginn der Haushaltshilfe das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder das behindert und auf Hilfe angewiesen ist (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGB IX).

Nach § 54 Abs. 1 Satz 2 SGB IX i.V.m. § 38 Abs. 4 des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) sind dem Versicherten die Kosten für eine selbstbeschaffte Haushaltshilfe in angemessener Höhe zu erstatten, soweit der Rehabilitationsträger keine Haushaltshilfe stellt oder Grund besteht, davon abzusehen.

Die Beklagte hat vorliegend zu Recht nur die Kosten für die Heranziehung der Bekannten der Klägerin in dem Zeitraum zwischen Schulschluss der Kinder und Rückkehr des Ehemannes von der Arbeitsstätte übernommen. Ein darüber hinausgehender Bedarf an Haushaltshilfe bestand nicht, weil im Übrigen der im Haushalt lebende Ehegatte im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB IX den Haushalt weiterführen konnte.

Soweit die Klägerin darauf hinweist, dass sie im Alltag die Familienarbeit weitgehend allein bewältige und von daher ihr Ehemann nicht herangezogen werden könne, ist dies unbeachtlich. Die Bewilligung der einmonatigen medizinischen Rehabilitationsmaßnahme in einer Kurklinik durch die Beklagte diente gerade dazu, eine Erwerbsminderung auf Grund der bei der Klägerin bestehenden Doppelbelastung durch Beruf und Familienarbeit abzuwenden. In dem der Bewilligung zugrundeliegenden ärztlichen Gutachten wird die Maßnahme unter Hinweis auf eine Erschöpfungsdepression der Klägerin befürwortet. Dass die Klägerin trotz Vollerwerbstätigkeit beider Eltern die Hauptlast in Haushaltsführung und Kinderbetreuung trägt, muss bei der Beurteilung der Erforderlichkeit von Haushaltshilfe außer Betracht bleiben. Grundsätzlich ist der Ehepartner des Rehabilitanden wegen der besonderen Verpflichtungen von Ehepartnern untereinander und im Verhältnis zu seinen minderjährigen Kindern zur Übernahme der Haushaltsführung als verpflichtet anzusehen (S.a. Mrozynski, SGB IX Teil 1, Kommentar, 1. Auflage 2002, § 54 Rdnr. 10). Es ist nicht Aufgabe der Sozialversicherung, aus Beitragsmitteln eine konservative familiäre Rollenverteilung in der Zeit einer Rehabilitationsmaßnahme fortzuschreiben.

Dem Ehemann der Klägerin war die Weiterführung des Haushaltes nach Rückkehr von seiner Erwerbstätigkeit auch nicht unzumutbar. Insbesondere war er gesundheitlich in der Lage, die nach täglich dreistündiger Haushaltshilfe verbleibenden Aufgaben zu erledigen. So war den Kindern bereits ein Mittagessen bereitet worden. Körperlich belastendere Aufgaben wie z.B. nicht täglich anfallende Putzarbeiten konnte die bezahlte Haushaltshilfe bereits in den Mittagsstunden erledigen. Die Kinder der Klägerin hätten auch die Betreuung der Grundschule bis 14:15 Uhr besuchen können, um der Haushaltshilfe mehr Zeit für Arbeiten im Haushalt zu verschaffen.

Die verbleibenden Aufgaben, insbesondere die Betreuung seiner Kinder bis zum Insbettgehen war dem Ehemann der Klägerin zur Überzeugung der Kammer während der vierwöchigen Abwesenheit der Klägerin gesundheitlich zuzumuten. Ein erhebliches seelisches Leiden bestand bei dem Ehemann der Klägerin ausweislich des Befundberichtes des behandelnden Arztes Erdmann nicht. Auch das von Herrn F beschriebene Wirbelsäulenleiden und die Neigung zu abdominellen Beschwerden hinderten ihn nicht, sich um seine immerhin bereits schulpflichtigen Kinder zu kümmern und leichtere Arbeiten im Haushalt zu verrichten. Soweit Herr F der Klägerin ohne nähere Begründung attestiert hat, der Ehegatte sei gesundheitlich nicht in der Lage gewesen, zusätzliche haushaltliche Verpflichtungen nachzukommen, überzeugt dies angesichts der von ihm selbst befundeten gesundheitlichen Einschränkungen nicht. Als wesentliches Indiz für die Zumutbarkeit der Übernahme familiärer Aufgaben nach Arbeitsende sieht es die Kammer auch an, dass der Ehemann der Klägerin in dem fraglichen Zeitraum nicht arbeitsunfähig erkrankt war und somit gesundheitlich in der Lage gewesen ist, einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Insofern ist es auch nicht plausibel, dass der Ehegatte gerade am arbeitsfreien 3. Oktober 2001 so erschöpft gewesen sein soll, dass Bettlägerigkeit vorgelegen haben könnte. Warum die Vorbereitung für eine Führerscheinprüfung am 10. Oktober 2001 die Kostenerstattungspflicht der Beklagten begründen sollte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Der Ausschluss der Berufung beruht auf § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Berufungszulassungsgründe in Sinne des § 144 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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