L 14 RJ 712/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 RJ 238/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 RJ 712/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 7. Dezember 2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die im Jahre 1946 geborene Klägerin stand vom 04.04.1961 bis 30.04.1991 im Erwerbsleben. Sie hatte keinen Beruf erlernt und war 30 Jahre bei der N.-Werk AG, M.-Werk S. , versicherungspflichtig beschäftigt, zuletzt als Arbeiterin in der Kontrollküche (Kochen und Festhalten von Geschmacksbefunden in der Qualitätskontrolle) bei vier Monaten Anlernzeit und weiteren sechs Monaten Einarbeitung zur Erreichung einer normalen Leistung (Auskunft des Arbeitgebers vom 08.02.1999).

Vor dem 30.04.1991 bestanden keine langdauernden Zeiten der Arbeitsunfähigkeit (z.B. Krankengeldbezug vom 07. bis 20.07.1990, 17.02. bis 28.03.1991 und 05. bis 16.04.1991); das Arbeitsverhältnis wurde einvernehmlich gegen die Zahlung einer Abfindung von 20.000,00 DM beendet, nachdem die Klägerin auf eine Umsetzung an das Verleseband im Bereich "Silo" mit einer Panikattccke (Arbeitsunfähigkeit vom 05. bis 16.04.1991) reagierte.

Seit dem 30.04.1991 hat sie keine rentenrechtlichen Zeiten mehr zurückgelegt. Nach Heirat im August 1990 verzog sie von S. nach V. , versorgte ab Mai 1991 nur den ehelichen Haushalt und war - nicht versicherungspflichtig - stundenweise als Büglerin tätig.

Im Jahre 1998 wurde bei ihr ein Dickdarm-Karzinom festgestellt. Nach Operation (29.07.1998) führte die Beklagte vom 27.08. bis 17.09.1998 ein Anschlussheilverfahren in der S.-Klinik O. mit den Abschlussdiagnosen: Zökum-Karzinom, Diabetes mellitus, Adipositas, Anämie und reaktive Depression durch, lehnte aber den in einen Rentenantrag umgedeuteten Rehabilitationsantrag vom 10.08.1998 mit streitgegenständlichem Bescheid vom 04.11.1998 ab, weil zwar laut Äußerung ihres Ärztlichen Dienstes Erwerbsunfähigkeit vom 29.07.1998 auf Zeit bis 31.10. 1999 wegen eines unter vollschichtigen Leistungsvermögens bestehe, aber in den letzten fünf Jahren vor Eintritt des Leistungsfalls (29.07.1993 bis 28.07.1998) nicht die gesetzlich geforderten mindestens 36 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen vorlägen.

Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie sei bei der Fa. M. aus gesundheitlichen Gründen ausgeschieden und körperlich und nervlich total am Ende gewesen. Sie habe sich nicht arbeitslos melden wollen, weil sie es als ungerechtfertigt empfunden habe, Leistungen bei fehlender Arbeitsfähigkeit zu beziehen. An Rente habe sie nicht gedacht, weil sie gehofft habe, eines Tags wieder einer Arbeit nachzugehen.

Die Widerspruchsstelle der Beklagten zog ärztliche Unterlagen für die Zeit von 1989 bis 1999 bei und wies den Rechtsbehelf mit Widerspruchsbescheid vom 22.03.1999 zurück, weil es - so der Ärztliche Dienst der Beklagten - trotz zahlreicher ärzt- licher Befunde nicht gelungen sei, eine rentenrelevante Leistungsminderung für die Zeit vor Juli 1998 nachzuweisen.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Augsburg machte die Klägerin unter Vorlage ärztlicher Bescheinigungen der Internistin und Psychotherapeutin Dr.S. , der späteren Dr.Z. , vom 23.05.1991, 17.11.1998 und 15.02.1999 geltend, spätestens im Jahre 1991 sei Erwerbsunfähigkeit wegen Angstneurose mit Panikattacken und depressiver Komponente sowie wegen Schmerzsyndroms eingetreten.

Das Sozialgericht zog Befundberichte des Internisten Dr.J. (Behandlung der Klägerin von Februar 1992 bis Juni 1993), der Dr.Z. (Behandlung von April 1989 bis ca. April 1991), des Neurologen und Psychiaters Dr.G. (Behandlung September 1972 bis ca. März 1989) sowie der Allgemeinärztin Dr.K. (Behandlung August bis Dezember 1991) bei und holte das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr.W. vom 17.12.1999 ein. Dieser diagnostizierte depressive Entwicklung mit phobischen Ängsten, chronisches Schmerzsyndrom bei Weichteilrheumatismus und Zustand nach Operation eines Coecumcarzinoms Juli 1998. Das derzeitige Ausmaß der psychischen und körperlichen Behinderung sei so ausgeprägt, dass eine regelmäßige, gewinnbringende Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zumutbar sei; der Schweregrad der Behinderung bis spätestens April 1993 sei anhand der vorliegenden ärztlichen Unterlagen und auch nach Schilderung der Klägerin quantitativ nicht einzuschätzen. Eine Befundänderung seit April 1993 sei insofern anzunehmen, als das chronische Schmerzsyndrom bei Weichteilrheuma nach vorliegenden Berichten verstärkt zum Ausdruck gekommen sei. Seit Juli 1998 sei zusätzlich ein operierter Dickdarmkrebs sowie eine jetzt deutliche depressive Verstimmung zu berücksichtigen. Seit April 1993 bis Juli 1998 sei die Klägerin in der Lage gewesen, leichte körperliche Arbeiten ohne Heben von Lasten, einseitige Körperhaltung, Zeitdruck, Akkord und Wechselschicht sowie ohne Publikumsverkehr maximal vier Stunden täglich zu verrichten. Dieses Leistungsbild bestehe seit Beendigung der Berufstätigkeit, d.h. seit April 1991.

Hierzu nahm die Klägerin mit einem Attest der Allgemeinärztin Dr.K. vom 15.06.2000 dahingehend Stellung, dass im diesbezüglichen Behandlungszeitraum zu 100 % Arbeitsunfähigkeit bestanden habe. Das Sozialgericht zog Unterlagen der Dr.K. sowie der Orthopäden Dr.S. und Dr.S. bei. Die Klägerin reichte noch eine "ärztliche Aussage" der Dr.Z. vom 15.05.2001 mit dem damals gestellten Antrag vom 29.09.1989 auf eine Kurzzeittherapie (15 Stunden) wegen "reaktiv-depressiven Syndroms mit Somatisierung (Herz, Kopf)" ein, in dem sich die Ärztin dahingehend geäußert hatte, dass eine akute Intervention im Sinne einer konfliktzentrierten, tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie erforderlich sei, um die Arbeitsfähigkeit der Klägerin zu erhalten.

Mit Urteil vom 07.12.2001 wies das Sozialgericht die Klage ab, weil nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden könne, dass Erwerbsunfähigkeit bis spätestens April 1993 eingetreten sei, als letztmals die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt waren.

Mit dem Rechtsmittel der Berufung stützt die Klägerin ihr Rentenbegehren auf das Gutachten des Dr.W. sowie darauf, dass bereits im Jahre 1984 bei ihr eine schwere Angstneurose diagnostiziert worden sei. Diese Neurose mit damit verbundenen Panikattacken sowie orthopädische Beeinträchtigungen, eine Fibromyalgie und eine zunehmende Vergesslichkeit ließen eine Erwerbstätigkeit nicht mehr möglich erscheinen. Diese Annahme werde durch die zunehmenden Arbeitsunfähigkeitszeiten aus den Jahren 1989 bis 1991 und die dann erfolgte Arbeitsaufgabe im April 1991 unterstrichen.

Der Senat zog die Röntgenfilme der Orthopäden Dres.S. und S. sowie ärztliche Unterlagen des Dr.G. , der Dr.K. , des Dr.K. und des Dr.J. bei. In den Unterlagen des Dr.J. befanden sich Arztbriefe der Dres.S. und S. , der Bericht des St. G.-Krankenhauses Bad D. , Krankenhaus für Psychosomatische Medizin (stationäre Behandlung vom 24.04. bis 17.08.1984 wegen Angstneurose) und der Bericht der K.-Klinik Ü. , Fachklinik für ernährungsabhängige Krankheiten (Heilverfahren vom 13.10. bis 18.11. 1993 wegen Adipositas sowie physischen und psychischen Erschöpfungszustands). Beigezogen wurden weiterhin der Bericht des K.-Sanatoriums Ü. zur stationären Behandlung der Klägerin vom 25.05.bis 29.06.1978 (Heilverfahren mit den Entlassungsdiagnosen: Psychosomathose, chronisch rezidivierende Kopfschmerzen, hypertone Kreislaufregulationsstörung, unbewältigte Adipositas), der K.-Klinik Ü. zum Heilverfahren vom 11.11.bis 12.02 1988 (Hauptleiden psychovegetative Erschöpfung), des Kreiskrankenhauses I. zur statio- nären Behandlung vom 08. bis 14.10.1994 (Rippenfraktur), der Fachklinik I. zur stationären Behandlung vom 05. bis 22.08.1996 (u.a. weichteilrheumatisches Syndrom, degenerative Wirbelsäulenveränderungen bei L5/S1 und diätetisch eingestellter Diabetes mellitus) und der Klinik D. (späteres Kreisklinikum S.) zur stationären Behandlung vom 19.02. bis 10.03.1990 (Hysterektomie), weiterhin Krankenhaus- und Rehaklinikberichte aus den Jahren 1998/99 (Dickdarmoperation wegen Krebses und Anschlussbehandlungen).

Die Klägerin selbst reichte die Bescheinigung des Dr.G. , Facharzt für Psychotherapeutische Medizin, vom 29.05.2002 zu den Akten des Gerichts über eine regelmäßig ambulante psychotherapeutische Behandlung ab 09.08.2001 ein. Danach soll sie an Fibromyalgie leiden, wobei es psychodynamisch um langbestehende innere gewalttätige Konflikte gehe, die durch äußere Reize existentielle Todesängste und somatische Beschwerden reaktivierten, die schwer zu behandeln seien. Aus ärztlicher Sicht seien solche Konflikte schon im Jahre 1990/91 am Arbeitsplatz vorhanden und wirksam gewesen.

Der Senat erhob Beweis durch Einholung dreier fachärztlicher Gutachten. Der Orthopäde Dr.F. wies in seinem Aktenlage-Gutachten vom 23.05.2002 darauf hin, dass im Vordergrund der Gesundheitsstörungen von Mai 1991 bis April 1993 eine Somatisierungsstörung, wiederholt auch als Fibromyalgie bezeichnet, gestanden habe, weiterhin ein extrem erhöhtes Körpergewicht. Auf orthopädischem Gebiet sei lediglich eine leichte Verschleißschädigung der letzten Lendenbandscheibe mehrfach radiologisch dokumentiert, aber keine neurologischen Ausfallserscheinungen oder funktionell bedeutsame Bewegungseinschränkungen. Auf orthopädischem Gebiet könne er wesentliche Funktionsausfälle und Behinderungen nicht objektivieren. Die diskreten Veränderungen der Lendenwirbelsäule ließen den Schluss zu, dass die Klägerin von 1991 bis 1993 keine ausgesprochen schweren Arbeiten mehr verrichten habe können und das Heben und Tragen schwerer Lasten sowie anhaltendes Bücken unzumutbar gewesen seien. Unter diesen Voraussetzungen habe die Klägerin damals acht Stunden täglich arbeiten können.

Der Internist Dr.H. diagnostizierte in seinem Aktenlage-Gutachten vom 16.07.2002 für die Zeit von Mai 1991 bis April 1993 eine Hyperlipoproteinämie (keine Hinweise von Sekundärveränderungen), einen Diabetes mellitus Typ II B, diätetisch einstellbar (erstmals festgestellt Juni 1993), eine Adipositas permagna, einen diffusen Leberparenchymschaden mit entzündlicher Aktivität bei Diabetes und eine Struma nodosa rechtsbetont. Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit hätten sich nur aus der Adipositas ergeben. So seien der Klägerin leichte und mittelschwere Arbeiten überwiegend im Sitzen (kein ausschließliches Gehen und Stehen) zumutbar gewesen, bei Vermeidung von Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, Tätigkeiten an Maschinen und am Fließband, Arbeiten im Gefahrenbereich wie z.B. auf Leitern und Gerüsten sowie von häufigem Treppensteigen. Der Gesundheitszustand der Klägerin habe sich im Jahre 1998 (Operation wegen Zökum-Karzinoms und radikale Lymphknotenentfernung) verschlechtert, so dass ihr ab diesem Zeitpunkt nur noch leichte Arbeiten unter Vermeidung von Heben und Tragen von Lasten über 5 kg möglich gewesen seien. Die zusätzlich aufgetretene Anämie sei nur vorübergehender Art gewesen und ohne sozialmedizinische Relevanz. Weitere Leistungseinschränkungen seien aus internistischer Sicht nicht vorzusehen, weil die Vorsorgeuntersuchungen ab 1998 bis zuletzt im Krankenhaus W. im Juli 2002 keine Anhalte für ein Rezidiv bzw. eine Metastasierung ergeben hätten.

Der Neurologe und Psychiater Dr.H. besprach nach einer Untersuchung der Klägerin in seinem Gutachten vom 25.03.2003 die von ihr vorgetragenen Beschwerden (seit Ende 1960 Angstzustände, verstärkt im Jahre 1970 durch Attacken und Bedrohungen durch ersten Ehemann und Schwiegervater, Probleme mit der drogensüchtigen Tochter im Jahre 1990 sowie seit Mitte der 80er Jahre Schmerzen in den Muskeln bzw. der Wirbelsäule und den großen Gelenken) und die für die Zeit ab 1972 vorliegenden ärztlichen Unterlagen (u.a. des Dr.G.). Der Sachverständige wies darauf hin, dass Beschwerden der Klägerin auf orthopädischem Gebiet im Bereich der Wirbelsäule und der Gelenke (u.a. angebliche Kniearthrose) keine organische Ursache hätten und die Diagnose einer Fibromyalgie (gleichbedeutend mit dem im Jahre 1996 diagnostizierten weichteilrheumatischen Syndrom) bei genauer Anwendung der Definition des Amerikanischen Rheumatologiecolleges (ACR) nicht erfüllt sei, wenn auch eine gewisse Anzahl an diagnostischen Kriterien vorliege. Ebenso seien wichtige Teilaspekte für die Annahme einer posttraumatischen Belastungsstörung, wie sie Dr.G. am 07.08.2002 bescheinigt habe, nicht erfüllt. Dr.H. ordnete die Beschwerden der Klägerin ein unter die Diagnosen "seit Jugend depressiv-ängstliche Persönlichkeitsstörung mit histrionischen und schizoiden Zügen, seit 1972 Panikstörung mit Agoraphobie, seit Mitte der 80er Jahre depressive Störung, derzeit mittelgradige Episode, seit Anfang bis Mitte der 80er Jahre anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Auf Grund des chronifizierten jahrzehntelangen Gesamtverlaufs sei davon auszugehen, dass diese Gesundheitsstörungen in nennenswertem Ausmaß auch von Mai 1991 bis April 1993 bestanden hätten. Heute seien der Klägerin nur leichte und zeitweise mittelschwere Arbeiten für mehr als vier, aber sicher nur noch unter sechs Stunden zumutbar, wobei noch vermieden werden müssten: Arbeiten überwiegend im Gehen und Stehen, Heben und Tragen von Lasten, häufiges Bücken, Tätigkeiten unter Schichtbedingungen und im Akkord sowie unter Stress und Zeitdruck. Einschränkungen bestünden für öffentliche Verkehrsmittel ohne Begleitung wegen der vorliegenden Panikstörung.

Allerdings sei nicht abzuschätzen, in welchem Ausmaß dies zwischen 1991 und 1993 der Fall gewesen wäre. Mit großer Wahrscheinlichkeit könne davon ausgegangen werden, dass der Gesundheitszustand mit den genannten Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit auch von Mai 1991 bis April 1993 bestanden und sich dann im Jahre 1998 verschlechtert habe.

Zur Bekräftigung des Gutachtens des Dr.H. reichte die Klägerin die Bescheinigungen des Dr.G. vom 29.05. und 07.08.2002 mit einem ausführlichen Krankenbericht vom 25.11.2002 zu den Akten des Senats ein. Die Beklagte hingegen ließ durch die Internistin und Sozialmedizinerin Dr.S. dahingehend Stellung nehmen, dass sich aus allen Unterlagen rückwirkend für einen mittlerweile zehn Jahre zurückliegenden Zeitraum weder durch jetzt durchgeführte Begutachtungen noch aus den Aktenunterlagen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine zeitliche Einschränkung der Erwerbsfähigkeit ableiten lasse. Es handle sich bei den entscheidungsrelevanten Erkrankungen um Leiden, die sich weitgehend im Subjektiven abspielten. Bei einer solchen Konstellation könne der Beweis einer rentenrechtlich relevanten Erwerbsminderung nur durch eine zeitnahe Untersuchung seitens eines fachkompetenten Gutachters erbracht werden, keineswegs anhand nachträglich ausgestellter Atteste.

In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 18.06.2003 stellte Dr.H. klar, dass er auf Grund der zur Verfügung stehenden, insbesondere nervenärztlichen Unterlagen und des jahrzehntelangen konsistenten Verlaufs weiterhin nur mit einer hohen bzw. großen, aber nicht mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit davon ausgehen könne, dass das Leistungsvermögen der Klägerin in den Jahren von 1991 bis 1993 in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt gewesen sei.

Die Klägerin legte hierauf die Stellungnahmen des Dr.G. vom 19.05. und 12.08.2003 vor, in denen dieser der Ansicht des Dr.S. widersprach und aus glaubwürdigen Angaben der Klägerin, die er auswertete, zu dem Ergebnis kam, bereits 1990/91 sei diese infolge der früheren zahlreichen Ereignisse psychisch nicht mehr in der Lage gewesen, regelmäßig mehr als halbschichtig Arbeiten zu verrichten. Dr.S. legte in seiner Stellungnahme vom 23.01.2004 nochmals die einzelnen Gründe dar, warum die Deutungsversuche des Dr.G. zutreffen könnten und warum der sichere Beweis dennoch nicht zu führen sei.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 07.12.2001 und den Bescheid der Beklagten vom 04.11.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.03.1999 aufzuheben und diese zu verurteilen, ihr eine Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit ab Antrag zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Dem Senat lagen zur Entscheidung die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die zu Beweiszwecken beigezogenen Versichertenakten der Beklagten vor. Zur Ergänzung des Tatbestands, insbesondere hinsichtlich des Inhalts der ärztlichen Unterlagen und Gutachten, wird hierauf Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143 f., 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG) ist zulässig, jedoch in der Hauptsache nicht begründet.

Auch der Senat ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der Klägerin kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Berufs- unfähigkeit zusteht; gleichermaßen erfüllt die Klägerin nicht die Voraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung auf Grund der ab 01.01.2001 geänderten Vorschriften des Sozialgesetzbuches Teil VI (SGB VI).

Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann (§ 43 Abs.2 Sätze 1, 2 und 4 des Sozialgesetzbuches Teil VI - SGB VI - in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung).

Erwerbsunfähig sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße bzw. monatlich 630,00 DM übersteigt; erwerbsunfähig ist nicht, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarkt- lage nicht zu berücksichtigen (§ 44 Abs.2 SGB VI in den vom 01.01.1992 bis 31.12.2000 geltenden Fassungen).

Teilweise erwerbsgemindert ist der Versicherte, der wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein, und voll erwerbsgemindert der Versicherte, der unter den gleichen Voraussetzungen außer Stande ist, mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs.1 Satz 2 und Abs.2 Satz 2 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung). Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsfähigkeit erhält auch der Versicherte, der vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig ist (Übergangsvorschrift des § 240 Abs.1 SGB VI n.F.).

Die Klägerin erfüllt die medizinischen Voraussetzungen für eine Berentung nach den genannten Vorschriften seit dem Jahre 1998 (Rehabilitationsantrag = Rentenantrag vom 10.08.1998, Eintritt einer erheblichen Leistungsminderung mit dem 29.07.1998), nicht jedoch alle versicherungsrechtlichen Voraussetzungen. Sie hat zwar die Wartezeit erfüllt, aber nicht die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der §§ 43, 44, 240, 241 SGB VI a.F. (bzw. § 43, 240 SGB VI n.F. in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung). Die Zeit ab 01.01.1984 bis zum Eintritt des "medizinischen Leistungsfalls" im Jahre 1998 ist nicht lückenlos mit Pflichtbeiträgen (z.B. infolge Beschäftigung oder Bezugs von Arbeitslosengeld oder Krankengeld), freiwilligen Beiträgen oder sonstigen Anwartschaftserhaltungszeiten belegt (§§ 240 Abs.2, 241 Abs.2 SGB VI a.F. bzw. § 240 Abs.2 SGB VI n.F.). Eine Berentung ist daher davon abhängig, dass innerhalb der letzten fünf Jahre (60 Monate) vor Eintritt einer erheblichen Leistungsminderung mindestens 36 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen belegt sind; innerhalb dieses Zeitraums (29.07.1993 bis 28.07.1998) sind jedoch keinerlei Pflichtbeiträge vorhanden. Der Fünf-Jahreszeitraum "verlängert" sich nicht, d.h. wird auch nicht in die Vergangenheit geschoben wegen Anrechnungszeiten, Berücksichtigungszeiten und sonstigen Schiebezeiten im Sinne von § 43 Abs.3 SGB VI. Nur bei Eintritt der Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit noch im Frühjahr 1993 sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen letztmals gegeben.

Der Eintritt einer rentenrelevanten Einschränkung des Erwerbsvermögens (bis spätestens April/Mai 1993) ist nicht nachgewiesen, wie es jedoch die allgemeinen Beweisregeln erfordern. Es kann nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass das von den im Klage- und Berufungsverfahren tätig gewordenen Sachverständigen beschriebene eingeschränkte Leistungsbild der Klägerin bereits im Frühjahr 1993 vorgelegen hat. Die bloße Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit im Sinne der überwiegenden Wahrscheinlichkeit oder hohen Wahrscheinlichkeit ist nicht ausreichend. Die Beweislosigkeit für den Eintritt einer relevanten Minderung des Erwerbsvermögens für das Jahr 1993 trägt die Klägerin. Die vorliegend bestehenden Zweifel gehen zu Lasten des Klageanspruchs.

Auf Grund des Ergebnisses der Beweisaufnahme ist davon auszugehen, dass die Klägerin bis Frühjahr 1993 über ein vollschichtiges Leistungsvermögen verfügte und die aus den Gesundheitsstörungen resultierenden qualitativen Einschränkungen nicht so gravierend waren, als dass damals der Arbeitsmarkt verschlossen gewesen wäre. Zur Begründung des Urteils wird in vollem Umfang auf die ausführliche Begründung im erstinstanzlichen Urteil Bezug genommen (§ 153 Abs.2 SGG). Wesentlich neue Gesichtspunkte haben sich im Berufungsverfahren nicht ergeben, wenn auch zusätzliche ärztliche Unterlagen beigezogen und weitere Gutachten veranlasst worden sind.

Auf internistischem Gebiet bestand bis Frühjahr 1993 im Wesentlichen nur eine Adipositas permagna (über 100 kg bei einer Körpergröße von 165 cm). Wohl irrtümlich hat Dr.H. in die Zeit bis April 1993 noch einen Diabetes mellitus Typ II B datiert, der aber seit 1993 diätetisch eingestellt war und im Wesentlichen erst 1999 durch Tablettengabe behandelt wird. Dr.H. hat daher dem Diabetes keinerlei Krankheitswert beigemessen. Der Senat kann sich daher darauf beschränken, dass ein erhöhter Blutzucker von 128 mg/dl erstmals vom Hausarzt Dr.J. im Juni 1993 festgestellt worden ist, wobei dieser Wert noch sehr geringfügig erhöht gewesen ist, wird berücksichtigt, dass die Normalwerte unter 100 mg/dl liegen und zwischen 100 und 120 mg/dl noch von einem subklinischen Diabetes mellitus gesprochen wird. Bedeutsame Hinweise auf eine Zuckerkrankheit ergaben sich im Oktober 1993 anläßlich des Heilverfahrens in der K.-Klinik Ü. mit einem Nüchtern-Blutzucker von 152 mg/dl, der aber unter diätetischen Maßnahmen zur Entlassung hin auf 93 mg/dl reduziert werden konnte und keine oralen Antidiabetika erforderte.

Mithin kann für die damalige Zeit bis Frühjahr 1993 ein Diabetes außer Acht gelassen werden, wohingegen aber sich aus dem Übergewicht der Klägerin gleichwohl schon Leistungseinschränkungen ergeben. So hat Dr.H. schlüssig dargelegt, dass der Klägerin bis zum Jahre 1993 keine schweren körperlichen Arbeiten zumutbar gewesen sind und insbesondere auch keine Arbeiten ausschließlich im Gehen und Stehen, wie sie sie in der Versuchsküche des letzten Arbeitgebers verrichten musste. Vermieden werden sollten damals auch Heben und Tragen von Lasten über 10 kg sowie Arbeiten im Gefahrenbereich (auf Leitern und Gerüsten sowie an Maschinen) und am Fließband.

Bis zum Jahre 1993 lagen auch noch keine wesentlichen Einschränkungen des Erwerbsvermögens der Klägerin auf orthopädischem Gebiet vor. Es ist der Klägerin durchaus einzuräumen, dass sie wiederholt über Rückenbeschwerden, Kniebeschwerden und Beschwerden in großen Gelenken des Körpers geklagt hatte; dem entsprach jedoch kein Korrelat auf orthopädischem Gebiet. Die ehemals von der Allgemeinärztin Dr.S. für den Arbeitgeber der Klägerin bescheinigte Kniearthrose war nie gegeben und ließ sich auch durch Dr.F. nicht feststellen. Die damaligen Befunde der behandelnden Orthopäden einschließlich der Röntgenbefunde reduzieren sich im Wesentlichen auf leichte Verschleißerscheinungen an der Lendenwirbelsäule; noch anlässlich des Heilverfahrens vom 13.10. bis 18.11.1993 in der K.-Klinik Ü. wurden wesentliche Befunde auf orthopädischem Gebiet nicht erhoben, wenn die Klägerin auch über vielfältige Beschwerden, u.a. über ein Wirbelsäulensyndrom mit Schmerzausstrahlung und vielfältige Beschwerden in den Gelenken klagte; dem wurde im Wesentlichen durch eine Gewichtsreduktion und eine Bewegungstherapie sowie einer Besserung der psychischen Situation der Klägerin abgeholfen. Das Ergebnis wird im Wesentlichen bestätigt auch durch den Krankenbericht der Fachklinik I. über die stationäre Behandlung vom 05. bis 22.08.1996. Dort hatte die Klägerin zwar über Lumboischialgie beidseits, Cephalgien und allgemeine Körperschmerzen geklagt, die Röntgenaufnahmen und orthopädische Befundung erbrachten jedoch keine wesentlichen auf orthopädischem Gebiet begründete Gesundheitseinschränkungen, so dass auf Grund des Gesamteindruckes ein "weichteilrheumatisches Syndrom ICD-Nr.729" diagnostiziert worden ist, das - wie Dr.H. dargelegt hat - in etwa der später von manchen Ärzten diagnostizierten Fibromyalgie (psychisch bedingt) entsprach.

Im Vordergrund der Gesundheitsstörungen lagen vor dem Jahre 1990 sowie auch bis Frühjahr 1993 eine depressiv-ängstliche Persönlichkeitsstörung, eine Panikstörung mit Agoraphobie, eine depressive Störung sowie eine somatoforme Schmerzstörung. In diesem Zusammenhang war nicht ausschlaggebend, ob zusätzlich die Diagnose einer Fibromyalgie gestellt werden kann, wie Dr.H. - jedenfalls unter Zugrundelegung strenger Anforderungen - wegen Fehlens einer hinreichenden Anzahl von tenderpoints verneinte. Es ist bekannt, dass der Begriff "Fibromyalgie" teilweise noch umstritten ist, wenn auch bestimmte Grundsätze (Empfindlichkeit einer bestimmten Anzahl von tender-points) festliegen. Teilweise wird die Fibromyalgie als überwiegend psychisch bedingte Erkrankung angesehen, nach anderer Ansicht ist sie zumindest häufig mit psychischen Begleiterscheinungen verbunden. Maßgebend für die Beurteilung hinsichtlich der Erwerbsfähigkeit waren vorliegend jedenfalls das Schmerzsyndrom und die psychischen Auffälligkeiten der Klägerin, die in ihren Auswirkungen auf das Erwerbsvermögen beurteilt werden mussten. Insoweit ergab sich kein Unterschied, ob von einem Gesamtbild der Fibromyalgie ausgegangen wird oder von den von Dr.H. genannten Gesundheitsstörungen. Maßgebend ist nämlich nicht allein die Diagnose, wobei im Übrigen bei einer Fibromyalgie auch anzumerken wäre, dass es diese im leichten und schweren Grade gibt und mit der Diagnose keineswegs der Schluss auf fehlende Erwerbsfähigkeit schon verbunden ist.

Die Auswirkungen der Gesundheitsstörungen auf das Erwerbsvermögen der Klägerin lassen sich bis April 1991 nicht sicher einschätzen. Der Senat hat zwar noch ärztliche Unterlagen beigezogen; hierdurch konnte jedoch nur im Wesentlichen der Inhalt der bisher erstellten ärztlichen Befundberichte bestätigt werden, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren berücksichtigt worden sind. So lagen damals neben den genannten ärztlichen Befundberichten sowie den Arztbriefen in der Versichertenakte bereits der Bericht der K.-Klinik über den stationären Aufenthalt vom 13.10. bis 18.11.1993 vor, weiterhin ein Krankenkassenauszug über die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin, die seit mindestens einem Jahrzehnt auch geprägt waren durch Krankschreibungen wegen nervösen Erschöpfungszustands, reaktiver Depression, depressiven Versagenszustands und Panikanfalls bei Angstneurose mit Somatisierung. Vom Senat neu beigezogen worden sind der Bericht des Krankenhauses St. G. über die stationäre Behandlung vom 24.04. bis 17.08.1984 wegen einer Angstneurose, die auf kindlichen Ereignissen sowie insbesondere der Scheidung der Klägerin mit vorausgehenden Bedrohungen durch den ersten Ehemann und den Schwiegervater (1970) beruhte. In diesem Zusammenhang ist auch der neu beigezogene Bericht der K.-Klinik zum Heilverfahren vom 25.05. bis 29.06.1978 zu sehen, anlässlich der neben einer Gewichtsreduktion eine Psychotherapie im Vordergrund gestanden hat (Diagnose u.a. Psychosomathose). Ins bisherige Gesamtbild passt auch der Bericht der K.-Klinik zum Heilverfahren vom 11.01. bis 12.02.1988; hier werden zwar im Entlassungsbericht neben dem Hauptleiden "psychovegetative Erschöpfung" auch ein Halswirbelsäulen-, Brustwirbelsäulen- und Lendenwirbelsäulen-Syndrom sowie Kniegelenksbeschwerden und Adipositas genannt. Aus dem Bericht selbst ergibt sich jedoch, dass die Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Gebiet von der Klägerin angegeben und durch entsprechende Diagnosen nicht bestätigt worden sind; im Wesentlichen sind ein Schmerzsyndrom und vor allem ein physischer und psychischer Erschöpfungszustand behandelt worden.

Der wesentliche Inhalt der Gesundheitsstörungen und der deswegen unternommenen Behandlungen ergab sich jedoch schon aus den anamnestischen Angaben der Klägerin und den Befundberichten der behandelnden Ärzte und wurde in erster Instanz in den erstellten Gutachten berücksichtigt. Auch Dr.H. konnte letzten Endes, obwohl ihm umfangreicheres ärztliches Material und eine streckenweise genauere Schilderung des Zustands der Klägerin vorgelegen hat, nicht mit der gebotenen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit feststellen, dass bei ihr eine wesentliche Minderung der Erwerbsfähigkeit bis Frühjahr 1993 eingetreten war.

Maßgebend hierfür ist u.a., dass der wesentliche Teil der Gesundheitsstörungen der Klägerin, der nachweisbar erst ab 1998 eine Verschlimmerung erfahren hat, bereits während ihrer 30- jährigen Beschäftigung bei der Fa. M. bestand und sie dennoch bei unterstützender ambulanter Behandlung und gelegentlichen stationären Behandlungen in der Lage gewesen ist, vollschichtig tätig zu sein. In den Befunden, wie sie bis April 1991 vorliegen, kann keineswegs eine Verschlimmerung bis zum Ende des Jahres 1993 festgestellt werden. Es liegen der Bericht und die Unterlagen des Nervenarztes Dr.G. über die Behandlungszeit von 1972 bis 1989 mit einer Psychotherapie vor. Davon weicht, wie Dr.H. dargelegt hat, der Krankenbericht der Internistin und Fachärztin für Psychotherapie Dr.Z. über die Behandlung von April 1989 bis ca. 1991 nicht im Wesentlichen ab. Wenn Dr.Z. auch mehrere Jahre nach Beendigung der Behandlung der Klägerin und bei im Wesentlichen nicht mehr vorhandenen Unterlagen, wie die Ärztin selbst angegeben hat, eine Erwerbsunfähigkeit der Klägerin im Jahre 1991 bejaht, so lässt sich das nicht nachvollziehen. Bemerkenswert ist immerhin, dass Dr.Z. zu Beginn der Behandlung der Klägerin eine (nur) 15-stündige Therapie für erforderlich gehalten hat, dagegen nicht mehr in den Jahren 1990 und 1991. Auffallend ist weiterhin, dass zur Begründung des Antrags auf Psychotherapie im Jahre 1989 nicht die Wiederherstellung einer wesentlich eingeschränkten oder verloren gegangenen Erwerbsfähigkeit genannt worden ist, sondern der Erhalt bzw. die Sicherung einer bereits bestehenden Arbeitsfähigkeit. Zur rückblcckend geäußerten Meinung der Dr.Z. über eine Erwerbsunfähigkeit spätestens im Jahre 1991 passt auch nicht ihr Attest für den Arbeitgeber, in dem eine Umsetzung der Klägerin am Arbeitsplatz vorrangig wegen Übergewichts und einer (nichtbestehenden) Kniearthrose befürwortet wurde. Der Senat verkennt hierbei nicht, dass aus Gründen der "Schonung der Klägerin" andere gesundheitliche Gründe als die im Vordergrund stehenden vorgegeben worden sein könnten. In den ärztlichen Berichten ist nämlich auch die Rede davon, dass sich die Klägerin seit ca. 1987 "gemobbt" fühlte durch ein Verhalten ihrer neuen Chefin, weiterhin dass sie in ihrem psychischen Zustand in den Jahren 1990/91 stark beeinträchtigt worden ist durch ihre Tochter, die Drogen nahm und die Verbindung zu ihrer Mutter abbrach. Weiterhin ist durchaus in Erwägung zu ziehen, dass die Klägerin die konkret ausgeübte Arbeit auch aus körperlichen Gründen nicht zumutbar verrichten konnte, weil in der Versuchsküche schwere körperliche Arbeiten, u.a. fast ausschließlich im Gehen und Stehen, zu verrichten waren. Alle genannten Umstände mögen ursächlich dafür gewesen sein, dass die Klägerin ihren Arbeitsplatz aufgegeben hat, wobei auch mitgespielt haben mag, dass sie nach eigenen Angaben im August 1990 aus "Versorgungsgründen" geheiratet und ihre Lebensplanung umgestellt hatte. Es kann letztlich nicht mehr festgestellt werden, welche Gesichtspunkte bei Arbeitsaufgabe vorrangig gewesen sind. Sicherlich mag zu Gunsten der Klägerin unterstellt werden, dass die bisher ausgeübte Tätigkeit für sie zu schwer gewesen ist. Dies ist jedoch nicht gleichzusetzen mit Eintritt der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit, die nur dann gegeben ist, wenn die Klägerin damals (1991 bis 1993) auch nicht in der Lage gewesen wäre, eine andere Erwerbstätigkeit vollschichtig zu verrichten. Dies ist jedoch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachweisbar. Die diesbezüglichen nachträglichen Behauptungen der Klägerin, die sich im Jahre 1998 gekränkt fühlte, weil man ihren Gesundheitszustand nicht ernst genug genommen und die Rentengewährung abgelehnt habe, sind jedoch nicht entscheidend. Käme es auf subjektive Kriterien allein an, so könnte der Klägerin auch entgegengehalten werden, sie habe sich mit Aufgabe der Tätigkeit weder arbeitslos gemeldet noch sei sie krankgeschrieben worden noch habe sie Rente beantragt. Entscheidend sind schließlich die objektiven Kriterien, und gerade in Bezug hierauf fehlt es in der Zeit bis Frühjahr 1993 an schlüssigen und beweisenden Befunden und sonstigen Tatsachen. Auf das in Erstinstanz erstellte Gutachten des Dr.W. kann sich die Klägerin nicht berufen. Wird dieses genau gelesen, so bejahte der Sachverständige für die Zeit ab April 1993 ein zeitlich eingeschränktes Erwerbsvermögen der Klägerin und konnte eine solche Beurteilung - wie er im Gutachten und der anschließenden Stellungnahme ausdrücklich kundgetan hatte - nicht für die Zeit bis Frühjahr 1993 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit treffen. Letzten Endes verwies er hierzu nur auf die Beurteilung der Dr.Z. und erstreckte am Schluss seines Gutachtens entgegen seinen bisherigen Ausführungen die Bewertung der Leistungsfähigkeit der Klägerin für die Zeit ab April 1993 mit Wahrscheinlichkeit auf die davor liegende Zeit. Nicht ausgeräumt werden konnten damit die Zweifel an dem Vorliegen einer rentenrelevanten Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Klägerin bis Frühjahr 1993. Dies liegt in erster Linie daran, dass schlüssige, umfassende und überzeugende Befunde nicht vorliegen, und in zweiter Linie, dass der Stichtag "April 1993" sich in keiner Weise aus medizinischen Daten ergibt, insoweit rein fiktiv anzunehmen ist, weil er allein aus versicherungsrechtlichen Gründen das Ende des Rahmens bildet, in dem noch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gegeben sind. Tatsächlich läßt sich aber z.B. in der Zeit von 1990 bis 1995 kein Anlass oder Ereignis finden, das eine gewisse Wende im Krankheitsgeschehen, insbesondere eine Verschlimmerung, dokumentieren könnte. Auch die ärztlichen Unterlagen hierzu sind leer. Insoweit läßt sich allenfalls feststellen, dass in der Zeit vor 1990 eine Psychotherapie auf ambulanter und stationärer Ebene wohl intensiver und häufiger erfolgt ist als nach dem Jahre 1990.

Es muß eine Theorie bleiben, aus den Geschehnissen seit 1970 abzuleiten, dass die Klägerin - so Dr.G. - in den Jahren 1990/91 psychisch völlig fertig gewesen sei und deshalb die Arbeitsaufgabe erfolgt sei. Die Beurteilung des Dr.G. steht auf unsicheren Füßen. Es kam nicht darauf an, dass der Nachweis- 1990/91 erwerbsfähig, d.h. insbesondere im zeitlichen Umfange nicht beeinträchtigt gewesen ist, sondern darauf, dass sich nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen läßt, dass ihre Erwerbsfähigkeit in erheblichen Umfange herabgesunken ist. Dr.G. hat die Klägerin nach seinen Angaben erst seit 09.08.2001 behandelt. Ihm standen die umfangreichen ärztlichen Unterlagen, wie sie sich in den Versicherten-, Klage- und Berufungsakten befinden, nicht zur Verfügung. Im Wesentlichen kann er sich nur auf die von ihm eingeleitete Psychotherapie mit den eigenen Untersuchungen sowie die anamnestischen Angaben der Klägerin stützen. Es mögen so gewichtige Erklärungsversuche vorhanden sein, die die Arbeitsaufgabe der Klägerin und ein eingeschränktes Erwerbsvermögen im Jahre 1991 begründen. Zwingend ist dies jedoch nicht, da die Klägerin von 1984 bis 1988 mehrfach "dekompensierte", wie ihre Zeiten der Arbeitsunfähigkeit und die stationären Behandlungen belegen, gleichwohl aber danach wieder im Stande war, ihrer Erwerbstätigkeit weiterhin nachzugehen. Maßgebend für die Beurteilung, welcher Gesundheitszustand von 1990 bis 1993 vorgelegen hat, ist aber nicht nur ein ärztliches Bemühen, aus der Anamnese und der "Glaubwürdigkeit" der subjektiven klägerischen Angaben Geschehnisse im Laufe der Jahrzehnte zu erklären, sondern zunächst einmal der objektive gesundheitliche Zustand der Klägerin, wie er vor mehr als einem Jahrzehnt vorgelegen hat. Insoweit bleiben aber wesentliche Unsicherheiten bestehen, zumal von 1991 bis 1993 die psychiatrischen Befunde sehr dünn sind und eine Verschlimmerung des Leidenszustands der Klägerin nicht begründen können, weil sie bei den gleichen Gesundheitsstörungen jahrzehntelang gearbeitet hat. Aus der Gesamtschau mögen sich nur eine Vermutung oder eine Wahrscheinlichkeit ableiten lassen, dass die Klägerin in den Jahren von 1991 bis 1993 auch nicht eine andere leichtere Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarkts vollschichtig verrichten konnte.

Mit den von den ärztlichen Sachverständigen genannten und nachweisbaren Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit ist die Klägerin auf alle ihrem Gesundheitszustand entsprechenden leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verweisbar. Nach ihren eigenen Angaben sowie denen des Arbeitgebers gehörte sie zur Gruppe der kurzfristig Angelernten an (Ausbildung oder entsprechende Anlern- und Einarbeitungszeit von drei bis 24 Monaten, unterer Bereich drei bis 12 Monate) und ist nicht nur auf gleichwertige Tätigkeiten, sondern auch auf die Tätigkeiten von ungelernten Kräften (Einarbeitungszeit bis zu drei Monaten) zumutbar verweisbar. Bei den Gegebenheiten, wie sie bis Frühjahr 1993 vorlagen, kann der Klägerin kein Rentenanspruch zustehen. Für die anschließende Zeit kommt aus anderen Gründen eine Berentung nicht mehr in Frage.

Daher war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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