Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 4 RJ 626/01 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 RJ 629/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 14. Juni 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die 1950 geborene Klägerin wohnt in der Staatengemeinschaft Serbien und Montenegro, besitzt die dortige Staatsbürgerschaft und bezieht eine Invalidenrente aus der dortigen Invalidenversicherung.
Sie hat im ehemaligen Jugoslawien den Beruf der Verkäuferin erlernt und dort vom 1. November 1977 (ab 16. November 1989 durchgehend) bis 28. Oktober 1997 insgesamt 18 Jahre, 11 Monate und 13 Tage an Versicherungszeiten zurückgelegt.
In Deutschland war die Klägerin in den Jahren 1973 und 1974 mit Unterbrechungen nach eigenen Angaben als Arbeiterin, Presserin und einwöchig angelernte Mikroskopkontrolleurin versicherungspflichtig beschäftigt.
Am 1. Juli 1996 beantragte sie in ihrer Heimat eine Invalidenrente ohne Berücksichtigung deutscher Zeiten (JU 201 vom 26. Oktober 2000).
Am 5. November 1999 beantragte sie bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (JU 202 vom 5. Oktober 1999). Sie legte zur Begründung ein Gutachten der jugoslawischen Invalidenkommission vom 11. Juli 2000 vor. Der dortige Sachverständige Dr. P. (Psychiater und Facharzt für Arbeitsmedizin) war bei der ambulanten Untersuchung am 11. Juli 2000 - ausdrücklich abweichend von der zur Bewilligung der Invalidenrente führenden Vorbegutachtung - zu dem Ergebnis gekommen, die Klägerin könne weiterhin sowohl in ihrer letzten Tätigkeit (in Jugoslawien) als Arbeiterin in der Produktion von Teegebäck als auch im erlernten Beruf und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig tätig sein.
Der Sozialärztliche Dienst der Beklagten schloss sich dieser Leistungseinschätzung an (Stellungnahme Dr. D. vom 7. Dezember 2000). Daraufhin lehnte die Beklagte den Rentenantrag vom 5. November 1999 wegen fehlender Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit ab (Bescheid vom 15. Dezember 2000). Die Klägerin sei trotz neurotischer Störung, Durchblutungsstörung des Gehirns ohne neurologische Ausfälle, Funktionsminderung der Wirbelsäule bei Verschleißerscheinungen ohne Wurzelreizung und asthenischer Konstitution noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeiten vollschichtig auszuüben.
Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch. Zur Begründung legte sie mehrere ärztliche Befunde aus den Jahren 1996 bis 2001 betreffend (u.a.) Wirbelsäulen-, Gelenk- und Herzbeschwerden vor. Nach Prüfung dieser Unterlagen durch den Sozialärztlichen Dienst (Stellungnahme Dr. D. vom 20. März 2001) wies die Beklagte den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 23. April 2001). Die Klägerin könne noch vollschichtig leichte Arbeiten zu ebener Erde ohne häufiges Bücken, überwiegend einseitige Körperhaltung und besonderen Zeitdruck verrichten und sei aufgrund der zuletzt ausgeübten ungelernten Tätigkeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar.
Mit Schreiben vom 11. Mai 2001, bei der Beklagten eingegangen am 23. Mai 2001, wandte sich die Klägerin gegen die Ablehnung ihres Rentenantrags und bat, die Beklagte solle sie vor einer Klageerhebung in Deutschland ärztlich begutachten lassen. Die Beklagte leitete dieses Schreiben als Klage an das Sozialgericht Landshut( SG) weiter.
Die Klägerin hat dem SG weitere ärztliche Berichte vom 11. Mai 2001 und 21. Januar 2002 vorgelegt. Das SG hat Gutachten der Ärztin für Psychiatrie, Psychotherapie und Sozialmedizin Dr. M. vom 12. Juni 2002 und der Sozial- medizinerin Dr. S. vom 13. Juni 2002 eingeholt.
Dr. M. diagnostizierte nach ambulanter Untersuchung der Klägerin eine Dysthymie, psychovegetative Störungen, Spannungskopfschmerz und einen Verdacht auf Persönlichkeitsstörung mit asthenischen und ängstlichen Zügen. Dadurch werde die nervliche Belastbarkeit der Klägerin mäßiggradig eingeschränkt. Auf Tätigkeiten ohne besondere Qualifikation (z.B. Sortiererin, Ver-packerin) könne sich die Klägerin noch umstellen. Eine wesentliche Beeinträchtigung der Konzentrationsfähigkeit oder des Kurz- und Langzeitgedächtnisses, ein epileptisches Anfallsleiden oder ein hirnorganisches Psychosyndrom lägen nicht vor. Der Gesundheitszustand habe sich gegenüber der Begutachtung in Jugoslawien im Juli 2000 nicht wesentlich verändert.
Dr. S. diagnostizierte unter Berücksichtigung von ihr veranlasster Zusatzuntersuchungen nach eigener Untersuchung:
- Schwindel mit rezidivierenden Synkopen bei Neigung zu niederem Blutdruck und Herzrhythmusstörungen (anamnestisch), Ste- nokardien, Verdacht auf koronare Herzkrankheit
- Lungenventilationsstörung bei Zigarettenkonsum
- Schmerzsyndrom der Wirbelsäule, Schulter-Arm-Syndrom beid- seits
- chronisch-depressive Entwicklung mit Somatisierungstendenz bei Psychasthenie
- nebenbefundlich: Nierensteinleiden (anamnestisch) und Varikosis ohne Komplikationen.
Anzeichen für ein cerebrales Anfallsleiden oder eine cerebrale Durchblutungsstörung bestünden nicht. Während des Belastungs-EKGs (bis 100 Watt) aufgetretene EKG-Veränderungen könnten auf eine koronare Herzkrankheit hinweisen, allerdings lägen weder typische Angina-pectoris-Beschwerden noch echokardiographische Herzveränderungen vor. Der Befund sei kontrollbedürftig. Der physikalische und röntgenologische Lungenbefund sei regelrecht. Bronchitische Beschwerden außerhalb von Erkältungen habe die Klägerin verneint. Die Untersuchung habe keine wesentlichen Funktionsstörungen der Wirbelsäule oder der Extremitäten und keine Hinweise auf ein Fibromyalgiesyndrom oder eine rheumatische Arthritis ergeben.
Beide Sachverständige sind nach eigener ambulanter Untersuchung übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen, die Klägerin könne noch vollschichtig leichte Arbeiten mit einigen qualitativen Leistungseinschränkungen verrichten.
Das SG hat sich dieser Leistungsbeurteilung angeschlossen und die Klage abgewiesen (Urteil vom 14. Juni 2002). Aufgrund der in Deutschland verrichteten ungelernten Tätigkeiten sei die Klägerin auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar. Zwar seien bezüglich der Herzbeschwerden der Klägerin weitere Untersuchungen erforderlich, doch sei sie nach Einschätzung der Sachverständigen Dr. S. unabhängig vom Ergebnis solcher Untersuchungen noch fähig, vollschichtig leichte Arbeiten zu verrichten. Die Umstellungsfähigkeit der Klägerin sei nur für Tätigkeiten eingeschränkt, die eine Umschulung oder besondere Einweisung erforderten. Einfache Arbeiten z.B. als Sortiererin oder Verpackerin würden dadurch nicht ausgeschlossen.
Gegen das am 3. Oktober 2002 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 11. Dezember 2002 (Eingang bei Gericht) beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Da sie in Jugoslawien Invalidenrente beziehe, habe sie auch in Deutschland Anspruch auf Rente. Ihr Gesundheitszustand habe sich besonders im Bereich des Herzens und der Knochen sehr verschlechtert.
Die Klägerin hat Befundberichte vom 18. März 2003 (orthopädisch), 27. März 2003 (rheumatologisch), 11. März 2003 (Dopplersonographie), 25. März 2003 (internistisch), 24. März 2002 (internistisch-sonographisch) sowie 12. März 2003 (internistisch und neuropsychiatrisch) vorgelegt. Dr. S. hat in Ergänzung ihres Gutachtens vom 13. Juni 2002 mitgeteilt, aus den von der Klägerin vorgelegten Befunden ergäbe sich keine Änderung der sozialmedizinischen Beurteilung. Eine erneute ambulante Begutachtung sei nicht erforderlich. Es seien weder neue Gesundheitsstörungen noch Befundverschlechterungen erkennbar.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 14. Juni 2002 und den Bescheid der Beklagten vom 15. Dezember 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2001 auf- zuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Akten der Beklagten und des SG beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten und die Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber nicht begründet.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 15. Dezember 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2001, mit dem die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin vom 5. November 1999 abgelehnt hat. Das SG hat die dagegen erhobene Klage mit Urteil vom 14. Juni 2002 zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Zur Begründung wird auf die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 153 Abs.2 SGG).
Das SG hat die Klägerin in Anwendung der §§ 43, 44 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (a.F.) aufgrund der in Deutschland ausgeübten ungelernten Tätigkeiten als Arbeiterin, Presserin und einwöchig angelernte Mikroskopkontrolleurin innerhalb des vom Bundessozialgericht (BSG) entwickelten Mehrstufenschemas zutreffend der Gruppe mit dem Leitberuf des ungelernten Arbeiters zugeordnet und sie sozial zumutbar (auch) auf ungelernte Tätigkeiten verwiesen.
Die Klägerin war nach den vom SG eingeholten Gutachten der Sachverständigen Dr. M. und Dr. S. (jedenfalls) bis zum 31. Dezember 2000 gesundheitlich noch in der Lage, vollschichtig leichte Arbeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten. Diese von den Sachverständigen unter Berücksichtigung der Vorbefunde aufgrund eigener Untersuchung der Klägerin eingehend, schlüssig und überzeugend begründete Leistungsbeurteilung, der sich das SG angeschlossen hat, begegnet keinen rechtlichen Bedenken und hat auch weiterhin Bestand, wie Dr. S. nach Auswertung der von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegten weiteren Befunde bestätigt hat.
Dass die von der Klägerin geklagten Beschwerden hinsichtlich einer möglichen koronaren Herzkrankheit kontrollbedürftig sind, steht dem nicht entgegen. Dr. S. hat in ihrem Gutachten vom 13. Juni 2002 ausdrücklich festgehalten, dass zwar ein Verdacht auf eine solche Gesundheitsstörung besteht, die aktuellen kardiologischen und pulmologischen Befunde aber keine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens begründen. Eine Kontrolle der Befunde dient somit nicht der Überprüfung des Leistungsvermögens, sondern der Verifizierung einer möglichen koronaren Herzkrankheit mit dem Ziel einer gezielten ärztlichen Behandlung.
Bei vollschichtiger Leistungsfähigkeit für zumindest leichte Arbeiten war die Klägerin ohne Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar. Die von den Sachverständigen genannten qualitativen Leistungseinschränkungen (Arbeiten überwiegend im Sitzen mit der Möglichkeit zum Haltungswechsel, nicht auf Leitern und Gerüsten oder an gefährlichen Maschinen, ohne besondere Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit) beinhalten keine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen, die ausnahmsweise eine Benennung erforderlich machen würden (vgl. BSGE 80, 24). Insbesondere ist die Umstellungsfähigkeit der Klägerin nach den ausdrücklichen Feststellungen der Sachverständigen Dr. M. nicht soweit eingeschränkt, dass sie selbst einfache Tätigkeiten (z.B.) als Sortiererin oder Verpackerin nicht mehr verrichten könnte. Wesentliche Beeinträchtigungen der Konzentrationsfähigkeit oder der Feinmotorik liegen ebenfalls nicht vor, so dass der Klägerin für ungelernte Tätigkeiten typische Verrichtungen wie das Zureichen, Abnehmen, Sortieren, Verpacken und Montieren ohne weiteres möglich sind.
Lag bei der Klägerin bis zum 31. Dezember 2000 keine Berufsunfähigkeit nach § 43 Abs.2 SGB VI (a.F.) vor, so ist auch eine Erwerbsunfähigkeit nach § 44 SGB VI (a.F.) ausgeschlossen (vgl. BSG Urteil vom 5. April 2001 - B 13 RJ 61/00 R -).
Da die Klägerin nach dem Oktober 1997 keine anrechenbaren Versicherungszeiten mehr zurückgelegt hat, erfüllt sie im Übrigen bereits für Versicherungsfälle nach dem 30. November 1999 die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (§§ 43 Abs.1 Nr.2, 44 Abs.1 Nr.2 i.V.m. §§ 240, 241 SGB VI a.F.; für Renten wegen Erwerbsminderung nach den ab 1. Januar 2001 geltenden §§ 43, 240 SGB VI n.F. vgl. §§ 240 Abs. 1, 43 Abs.1 Satz 1 Nr.2 i.V.m. § 241 Abs. 2 SGB VI n.F.) nicht mehr.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die 1950 geborene Klägerin wohnt in der Staatengemeinschaft Serbien und Montenegro, besitzt die dortige Staatsbürgerschaft und bezieht eine Invalidenrente aus der dortigen Invalidenversicherung.
Sie hat im ehemaligen Jugoslawien den Beruf der Verkäuferin erlernt und dort vom 1. November 1977 (ab 16. November 1989 durchgehend) bis 28. Oktober 1997 insgesamt 18 Jahre, 11 Monate und 13 Tage an Versicherungszeiten zurückgelegt.
In Deutschland war die Klägerin in den Jahren 1973 und 1974 mit Unterbrechungen nach eigenen Angaben als Arbeiterin, Presserin und einwöchig angelernte Mikroskopkontrolleurin versicherungspflichtig beschäftigt.
Am 1. Juli 1996 beantragte sie in ihrer Heimat eine Invalidenrente ohne Berücksichtigung deutscher Zeiten (JU 201 vom 26. Oktober 2000).
Am 5. November 1999 beantragte sie bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (JU 202 vom 5. Oktober 1999). Sie legte zur Begründung ein Gutachten der jugoslawischen Invalidenkommission vom 11. Juli 2000 vor. Der dortige Sachverständige Dr. P. (Psychiater und Facharzt für Arbeitsmedizin) war bei der ambulanten Untersuchung am 11. Juli 2000 - ausdrücklich abweichend von der zur Bewilligung der Invalidenrente führenden Vorbegutachtung - zu dem Ergebnis gekommen, die Klägerin könne weiterhin sowohl in ihrer letzten Tätigkeit (in Jugoslawien) als Arbeiterin in der Produktion von Teegebäck als auch im erlernten Beruf und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig tätig sein.
Der Sozialärztliche Dienst der Beklagten schloss sich dieser Leistungseinschätzung an (Stellungnahme Dr. D. vom 7. Dezember 2000). Daraufhin lehnte die Beklagte den Rentenantrag vom 5. November 1999 wegen fehlender Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit ab (Bescheid vom 15. Dezember 2000). Die Klägerin sei trotz neurotischer Störung, Durchblutungsstörung des Gehirns ohne neurologische Ausfälle, Funktionsminderung der Wirbelsäule bei Verschleißerscheinungen ohne Wurzelreizung und asthenischer Konstitution noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeiten vollschichtig auszuüben.
Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch. Zur Begründung legte sie mehrere ärztliche Befunde aus den Jahren 1996 bis 2001 betreffend (u.a.) Wirbelsäulen-, Gelenk- und Herzbeschwerden vor. Nach Prüfung dieser Unterlagen durch den Sozialärztlichen Dienst (Stellungnahme Dr. D. vom 20. März 2001) wies die Beklagte den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 23. April 2001). Die Klägerin könne noch vollschichtig leichte Arbeiten zu ebener Erde ohne häufiges Bücken, überwiegend einseitige Körperhaltung und besonderen Zeitdruck verrichten und sei aufgrund der zuletzt ausgeübten ungelernten Tätigkeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar.
Mit Schreiben vom 11. Mai 2001, bei der Beklagten eingegangen am 23. Mai 2001, wandte sich die Klägerin gegen die Ablehnung ihres Rentenantrags und bat, die Beklagte solle sie vor einer Klageerhebung in Deutschland ärztlich begutachten lassen. Die Beklagte leitete dieses Schreiben als Klage an das Sozialgericht Landshut( SG) weiter.
Die Klägerin hat dem SG weitere ärztliche Berichte vom 11. Mai 2001 und 21. Januar 2002 vorgelegt. Das SG hat Gutachten der Ärztin für Psychiatrie, Psychotherapie und Sozialmedizin Dr. M. vom 12. Juni 2002 und der Sozial- medizinerin Dr. S. vom 13. Juni 2002 eingeholt.
Dr. M. diagnostizierte nach ambulanter Untersuchung der Klägerin eine Dysthymie, psychovegetative Störungen, Spannungskopfschmerz und einen Verdacht auf Persönlichkeitsstörung mit asthenischen und ängstlichen Zügen. Dadurch werde die nervliche Belastbarkeit der Klägerin mäßiggradig eingeschränkt. Auf Tätigkeiten ohne besondere Qualifikation (z.B. Sortiererin, Ver-packerin) könne sich die Klägerin noch umstellen. Eine wesentliche Beeinträchtigung der Konzentrationsfähigkeit oder des Kurz- und Langzeitgedächtnisses, ein epileptisches Anfallsleiden oder ein hirnorganisches Psychosyndrom lägen nicht vor. Der Gesundheitszustand habe sich gegenüber der Begutachtung in Jugoslawien im Juli 2000 nicht wesentlich verändert.
Dr. S. diagnostizierte unter Berücksichtigung von ihr veranlasster Zusatzuntersuchungen nach eigener Untersuchung:
- Schwindel mit rezidivierenden Synkopen bei Neigung zu niederem Blutdruck und Herzrhythmusstörungen (anamnestisch), Ste- nokardien, Verdacht auf koronare Herzkrankheit
- Lungenventilationsstörung bei Zigarettenkonsum
- Schmerzsyndrom der Wirbelsäule, Schulter-Arm-Syndrom beid- seits
- chronisch-depressive Entwicklung mit Somatisierungstendenz bei Psychasthenie
- nebenbefundlich: Nierensteinleiden (anamnestisch) und Varikosis ohne Komplikationen.
Anzeichen für ein cerebrales Anfallsleiden oder eine cerebrale Durchblutungsstörung bestünden nicht. Während des Belastungs-EKGs (bis 100 Watt) aufgetretene EKG-Veränderungen könnten auf eine koronare Herzkrankheit hinweisen, allerdings lägen weder typische Angina-pectoris-Beschwerden noch echokardiographische Herzveränderungen vor. Der Befund sei kontrollbedürftig. Der physikalische und röntgenologische Lungenbefund sei regelrecht. Bronchitische Beschwerden außerhalb von Erkältungen habe die Klägerin verneint. Die Untersuchung habe keine wesentlichen Funktionsstörungen der Wirbelsäule oder der Extremitäten und keine Hinweise auf ein Fibromyalgiesyndrom oder eine rheumatische Arthritis ergeben.
Beide Sachverständige sind nach eigener ambulanter Untersuchung übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen, die Klägerin könne noch vollschichtig leichte Arbeiten mit einigen qualitativen Leistungseinschränkungen verrichten.
Das SG hat sich dieser Leistungsbeurteilung angeschlossen und die Klage abgewiesen (Urteil vom 14. Juni 2002). Aufgrund der in Deutschland verrichteten ungelernten Tätigkeiten sei die Klägerin auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar. Zwar seien bezüglich der Herzbeschwerden der Klägerin weitere Untersuchungen erforderlich, doch sei sie nach Einschätzung der Sachverständigen Dr. S. unabhängig vom Ergebnis solcher Untersuchungen noch fähig, vollschichtig leichte Arbeiten zu verrichten. Die Umstellungsfähigkeit der Klägerin sei nur für Tätigkeiten eingeschränkt, die eine Umschulung oder besondere Einweisung erforderten. Einfache Arbeiten z.B. als Sortiererin oder Verpackerin würden dadurch nicht ausgeschlossen.
Gegen das am 3. Oktober 2002 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 11. Dezember 2002 (Eingang bei Gericht) beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Da sie in Jugoslawien Invalidenrente beziehe, habe sie auch in Deutschland Anspruch auf Rente. Ihr Gesundheitszustand habe sich besonders im Bereich des Herzens und der Knochen sehr verschlechtert.
Die Klägerin hat Befundberichte vom 18. März 2003 (orthopädisch), 27. März 2003 (rheumatologisch), 11. März 2003 (Dopplersonographie), 25. März 2003 (internistisch), 24. März 2002 (internistisch-sonographisch) sowie 12. März 2003 (internistisch und neuropsychiatrisch) vorgelegt. Dr. S. hat in Ergänzung ihres Gutachtens vom 13. Juni 2002 mitgeteilt, aus den von der Klägerin vorgelegten Befunden ergäbe sich keine Änderung der sozialmedizinischen Beurteilung. Eine erneute ambulante Begutachtung sei nicht erforderlich. Es seien weder neue Gesundheitsstörungen noch Befundverschlechterungen erkennbar.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 14. Juni 2002 und den Bescheid der Beklagten vom 15. Dezember 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2001 auf- zuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Akten der Beklagten und des SG beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten und die Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber nicht begründet.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 15. Dezember 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2001, mit dem die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin vom 5. November 1999 abgelehnt hat. Das SG hat die dagegen erhobene Klage mit Urteil vom 14. Juni 2002 zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Zur Begründung wird auf die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 153 Abs.2 SGG).
Das SG hat die Klägerin in Anwendung der §§ 43, 44 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (a.F.) aufgrund der in Deutschland ausgeübten ungelernten Tätigkeiten als Arbeiterin, Presserin und einwöchig angelernte Mikroskopkontrolleurin innerhalb des vom Bundessozialgericht (BSG) entwickelten Mehrstufenschemas zutreffend der Gruppe mit dem Leitberuf des ungelernten Arbeiters zugeordnet und sie sozial zumutbar (auch) auf ungelernte Tätigkeiten verwiesen.
Die Klägerin war nach den vom SG eingeholten Gutachten der Sachverständigen Dr. M. und Dr. S. (jedenfalls) bis zum 31. Dezember 2000 gesundheitlich noch in der Lage, vollschichtig leichte Arbeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten. Diese von den Sachverständigen unter Berücksichtigung der Vorbefunde aufgrund eigener Untersuchung der Klägerin eingehend, schlüssig und überzeugend begründete Leistungsbeurteilung, der sich das SG angeschlossen hat, begegnet keinen rechtlichen Bedenken und hat auch weiterhin Bestand, wie Dr. S. nach Auswertung der von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegten weiteren Befunde bestätigt hat.
Dass die von der Klägerin geklagten Beschwerden hinsichtlich einer möglichen koronaren Herzkrankheit kontrollbedürftig sind, steht dem nicht entgegen. Dr. S. hat in ihrem Gutachten vom 13. Juni 2002 ausdrücklich festgehalten, dass zwar ein Verdacht auf eine solche Gesundheitsstörung besteht, die aktuellen kardiologischen und pulmologischen Befunde aber keine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens begründen. Eine Kontrolle der Befunde dient somit nicht der Überprüfung des Leistungsvermögens, sondern der Verifizierung einer möglichen koronaren Herzkrankheit mit dem Ziel einer gezielten ärztlichen Behandlung.
Bei vollschichtiger Leistungsfähigkeit für zumindest leichte Arbeiten war die Klägerin ohne Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar. Die von den Sachverständigen genannten qualitativen Leistungseinschränkungen (Arbeiten überwiegend im Sitzen mit der Möglichkeit zum Haltungswechsel, nicht auf Leitern und Gerüsten oder an gefährlichen Maschinen, ohne besondere Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit) beinhalten keine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen, die ausnahmsweise eine Benennung erforderlich machen würden (vgl. BSGE 80, 24). Insbesondere ist die Umstellungsfähigkeit der Klägerin nach den ausdrücklichen Feststellungen der Sachverständigen Dr. M. nicht soweit eingeschränkt, dass sie selbst einfache Tätigkeiten (z.B.) als Sortiererin oder Verpackerin nicht mehr verrichten könnte. Wesentliche Beeinträchtigungen der Konzentrationsfähigkeit oder der Feinmotorik liegen ebenfalls nicht vor, so dass der Klägerin für ungelernte Tätigkeiten typische Verrichtungen wie das Zureichen, Abnehmen, Sortieren, Verpacken und Montieren ohne weiteres möglich sind.
Lag bei der Klägerin bis zum 31. Dezember 2000 keine Berufsunfähigkeit nach § 43 Abs.2 SGB VI (a.F.) vor, so ist auch eine Erwerbsunfähigkeit nach § 44 SGB VI (a.F.) ausgeschlossen (vgl. BSG Urteil vom 5. April 2001 - B 13 RJ 61/00 R -).
Da die Klägerin nach dem Oktober 1997 keine anrechenbaren Versicherungszeiten mehr zurückgelegt hat, erfüllt sie im Übrigen bereits für Versicherungsfälle nach dem 30. November 1999 die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (§§ 43 Abs.1 Nr.2, 44 Abs.1 Nr.2 i.V.m. §§ 240, 241 SGB VI a.F.; für Renten wegen Erwerbsminderung nach den ab 1. Januar 2001 geltenden §§ 43, 240 SGB VI n.F. vgl. §§ 240 Abs. 1, 43 Abs.1 Satz 1 Nr.2 i.V.m. § 241 Abs. 2 SGB VI n.F.) nicht mehr.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor.
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