Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 3 R 821/10
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 96/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zu den Voraussetzungen einer Erwerbsminderungsrente.
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 02.01.2013 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Die 1959 geborene Klägerin erlernte von 1977 bis 1979 den Beruf einer Bürokauffrau und machte von November 1980 bis Mai 1982 eine Qualifizierung zur Wirtschaftsfachwirtin. Zuletzt war die Klägerin als Personalsachbearbeiterin bei der S. AG versicherungspflichtig beschäftigt und wurde nach dem Metalltarif in Bayern in der Lohngruppe T5 entlohnt. Im Versicherungsverlauf der Klägerin sind im Anschluss an Kindererziehungszeiten bis zum Jahr 2002 Zeiten einer versicherungspflichtigen Beschäftigung von Februar 2003 bis Februar 2004 mit kurzzeitigen Lücken sowie ansonsten Zeiten der Arbeitslosigkeit ausgewiesen.
Am 28.01.2010 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Sie sei bereits seit 1992 wegen chronischer Schmerzen im Rücken sowie Depressionen erwerbsgemindert. Derzeit seien ihr noch für drei Stunden täglich Büroarbeiten möglich. Seit Jahren sei bei ihr ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 anerkannt.
Die Beklagte holte ein Gutachten beim Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. N. ein, der die Klägerin am 12.03.2010 untersuchte. Er stellte bei der Klägerin eine somatoforme Schmerzstörung fest und kam zum Ergebnis, dass sie gleichwohl auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und auch als Bürokauffrau täglich sechs Stunden und mehr erwerbstätig sein könne. Tätigkeiten, die körperlich schwer seien, Überkopfarbeiten, Bücken sowie Zwangshaltungen seien der Klägerin nicht möglich.
Am 17.03.2010 wurde die Klägerin ergänzend durch den Orthopäden Dr. K. untersucht, von dem neben der Übernahme der psychiatrischen Diagnose folgende Gesundheitsstörungen angegeben wurden: 1. Ausgeprägte rechtskonvexe Thorakalskoliose mit Facettensyndrom der Brustwirbelsäule. 2. Linkskonvexe Lumbalskoliose ebenfalls mit Facettensyndrom. 3. Periarthropathia humero scapularis chronica links, Z. n. arthroskopischer Gelenk-operation linke Schulter mit Funktionseinschränkung, rechts ohne Funktionseinschränkung. 4. Epicondylopathia humero radialis links. 5. Femuropatellares Schmerzsyndrom links. 6. Spreizfüße, initialer Hallux valgus beidseits. Die Klägerin sei als Sachbearbeiterin täglich drei bis unter sechs Stunden einsatzfähig. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne sie sechs Stunden und mehr tätig werden und dabei leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Überkopfarbeiten, ohne Zwangshaltungen, ohne häufiges Bücken sowie ohne häufiges Treppensteigen oder Knien ausüben. Zur Tätigkeit der Personalsachbearbeiterin wurde ausgeführt, dass es sich um eine Tätigkeit im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen gehandelt habe. Eine nähere Begründung für die zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens wurde nicht abgegeben.
Der beratende Arzt der Beklagten, Dr. W., kam am 29.03.2010 zum Ergebnis, dass die Klägerin sowohl auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt als auch in der zuletzt ausgeübten beruflichen Tätigkeit sechs Stunden und mehr einsatzfähig sei. Es müsse sich um Tätigkeiten im Wechsel von Stehen, Gehen und Sitzen, ohne Nachtschicht, ohne schwere Arbeiten, ohne Überkopfarbeiten, ohne häufiges Bücken und ohne Zwangshaltungen handeln.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 15.04.2010 den Rentenantrag ab, weil die Gesundheitsstörungen einen weiteren Einsatz im Beruf als Personalsachbearbeiterin zulassen würden.
Mit Schreiben vom 03.05.2010 legte die Klägerin hiergegen Widerspruch ein. Die Beklagte forderte Befundberichte bei den behandelnden Ärzten Dr. D. und Dr. S. an, wobei von Letzterem das Vorliegen eines Fibromyalgiesyndroms angenommen wurde. Das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit wurde jeweils verneint. Am 25.06.2010 kam der beratende Arzt der Beklagten H. R. zu dem Ergebnis, dass sich aus den Facharztberichten keine neuen Funktionsdefizite ergeben würden und die bestehenden bereits im Leistungsbild berücksichtigt gewesen seien.
Daraufhin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01.09.2010 den Widerspruch zurück. Die Klägerin könne auch nach den aktuellen Feststellungen im zuletzt ausgeübten Beruf mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein.
Hiergegen hat die Klägerin mit Schreiben vom 22.09.2010 am 27.09.2010 Klage zum Sozialgericht Bayreuth erhoben. Das Sozialgericht hat Befundberichte von Dr. W., Dr. S. und Dr. D. sowie vom Interdisziplinären Schmerzzentrum der Universitätsklinik C-Stadt beigezogen. Anschließend hat es ein Gutachten bei dem Orthopäden Dr. M. in Auftrag gegeben. Dieser hat die Klägerin am 21.09.2011 untersucht und in seinem Gutachten vom selben Tag als Gesundheitsstörungen bei der Klägerin angegeben: 1. Thorakolumbale Skoliose. 2. Impingement-Syndrom der Schulter links. 3. Zervikozephalgie. 4. Osteochondrose der Wirbelsäule. 5. Gonarthrose links. 6. Chronische Schmerzen. Gegenüber den Vorgutachten habe sich keine wesentliche Änderung ergeben. Die Klägerin könne leichte körperliche Tätigkeiten vorzugsweise im Wechselrhythmus verrichten, wobei bei Tätigkeiten mit überwiegendem Sitzen gelegentlich selbstbestimmte Haltungswechsel möglich sein sollten. Tätigkeiten mit den Händen in kühlem und feuchtem Milieu sollten nicht mehr verlangt werden. Schwere Lasten könnten nicht mehr angehoben, fortbewegt oder getragen werden. Häufige Überkopfarbeiten mit den Armen seien nicht mehr möglich. Arbeiten in monotonen Zwangshaltungen seien nicht zumutbar. Die Klägerin sei täglich sechs Stunden und mehr einsatzfähig und sei auch in der Lage, entsprechende Arbeitsplätze zu erreichen.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist ein Gutachten durch den Chefarzt des Orthopädischen Klinik des Krankenhauses R., Prof. Dr. S., erstellt worden. Dieser hat die Klägerin am 28.02.2012 untersucht und in seinem Gutachten vom 25.04.2012 die Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet folgendermaßen beschrieben: 1. Linkskonvexe thorakale und rechtskonvexe lumbale Skoliose der Wirbelsäule und mäßig degenerative Veränderungen der unteren Halswirbelsäule mit Osteochondrose und Spondylose C4 bis C6. 2. Z. n. arthoskopischer subacromialer Dekompression der linken Schulter im Juni 2009 mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung. 3. Beginnende Akromioklavikulargelenksarthrose rechts. 4. Diskrete Osteochondrose des linken Sacroiliacalgelenkes kaudal. 5. Dysplasie der medialen Femurkondylen beidseits. 6. Mäßiggradiger Spreizfuß mit Hallux valgus beidseits. 7. Leichte Bouchard-Arthrose an den Langfingern beider Hände. 8. Verdacht auf Kiefergelenksarthrose rechts. 9. Ausgeprägte Verspannung der Trapeziusmuskulatur beidseits. Hinzu kämen die Diagnosen auf nicht-orthopädischem Fachgebiet, insbesondere eine somatoforme Schmerzstörung. Rezidivierende Sinubronchitiden und eine kardiale Arrhythmie seien bei den eigenen Untersuchungen nicht verifizierbar gewesen. Die erhobenen Befunde würden im Wesentlichen denen von Dr. M. und von Dr. K. entsprechen. Die Klägerin könne nur noch leichte Arbeiten verrichten, wobei Einschränkungen beim Heben und Tragen von Lasten über 5 kg, bei Zwangshaltungen, beim Bücken, in der Hocke und bei Überkopfarbeiten vorliegen würden. Akkord-, Schicht- und Nachtarbeit sowie Arbeiten im Freien bei feuchter und kühler Witterung seien nicht zumutbar. Die Klägerin sei in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich mit den betriebsüblichen Arbeitspausen tätig zu sein.
Auf die Anhörung der Beteiligten vom 08.11.2012 hat die Klägerseite mit Schreiben am 22.11.2012 erklärt, mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht einverstanden zu sein. Am 02.01.2013 hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG entschieden und die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit seien nach den ärztlichen Feststellungen nicht gegeben und die Klägerin sei auch in dem zuletzt ausgeübten Beruf weiterhin einsatzfähig. Das Gericht gelange zu diesen Feststellungen auf der Grundlage des von Dr. M. erstatteten Sachverständigengutachtens, wobei hervorzuheben sei, dass auch der nach § 109 SGG beauftragte Prof. Dr. S. zu einem identischen Ergebnis gelangt sei.
Hiergegen hat die Klägerin mit Schreiben vom 15.01.2013 am 22.01.2013 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und geltend gemacht, dass ihre Multimorbidität nicht hinreichend berücksichtigt worden sei. Es sei auch zu beanstanden, dass das Sozialgericht durch Gerichtsbescheid entschieden habe, obwohl dieser Vorgehensweise ausdrücklich widersprochen worden sei. Der Klägerin sei hierdurch die Möglichkeit abgeschnitten worden, weitere Beweisanträge zu stellen. Es sei vom Sozialgericht auch nicht berücksichtigt worden, dass im kaufmännischen Bereich die Tätigkeit am Computer Standard sei und damit monotone Zwangshaltungen einhergehen würden. Zudem habe sich die gesundheitliche Situation der Klägerin verschlimmert. Nach Vorlage aktueller ärztlicher Unterlagen durch die Klägerin hat auch die Beklagte eine orthopädische und neurologisch-psychiatrische Begutachtung angeregt.
Der Senat hat eine Auskunft der S. AG zur Tätigkeit der Klägerin eingeholt: Danach sei die Klägerin ab November 1981 als Personalsachbearbeiterin im Zentralbereich Vertrieb der Zentralverwaltung Ausland eingesetzt gewesen und für diese Tätigkeit sei in der Regel eine 2 1/2-jährige kaufmännische Ausbildung erforderlich gewesen. Zuletzt habe die Klägerin seit Dezember 1992 bis Juli 2002 eine Teilzeitbeschäftigung an vier Arbeitstagen in der Woche (insgesamt 30 Stunden) ausgeübt.
Befundberichte beim Hausarzt Dr. F. und beim Allgemeinmediziner Dr. G. sind durch den Senat eingeholt worden und die Klägerin hat selbst umfangreiche ärztliche Unterlagen vorgelegt. Die Beklagte hat darin - mit Ausnahme einer Intensivierung der Schulterbehandlung - keine weitergehenden neuen medizinischen Erkenntnisse erblickt.
Der Senat hat zunächst ein Gutachten auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet bei Dr. I. eingeholt, der die Klägerin am 11.08.2014 untersucht hat. In seinem Gutachten vom 02.09.2014 hat er folgende Diagnosen aufgeführt: 1. Anhaltende depressive Störung (Dysthymia). 2. V. a. anhaltende somatoforme Schmerzstörung. 3. Kombinierter Kopfschmerz. 4. Degeneratives Wirbelsäulensyndrom ohne radikuläre Symptomatik. 5. Schulter-Arm-Syndrom links. Bei der Klägerin würden keine wesentlichen Änderungen im Vergleich zu den bisherigen Gutachten festzustellen sein. Die bisherige Therapie spreche für eine allenfalls leichtgradige depressive Symptomatik. Die psychopharmakologische Behandlung sei noch nicht ausgereizt. Stationäre Behandlungen auf psychischem Gebiet hätten bisher nicht stattgefunden. Die Tagesabläufe würden einen umfassenden sozialen Rückzug nicht bestätigen und es gebe Hinweise auf Aggravation. Er komme zu folgendem Leistungsbild: Die Klägerin sei weiterhin in der Lage, noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sie könne leichte körperliche Arbeiten überwiegend im Sitzen sowie in wechselnder Stellung in geschlossenen Räumen ausüben. Es sollte die Möglichkeit zum selbstbestimmten Haltungswechsel gegeben sein. Nicht mehr zugemutet werden könnten besondere nervliche Belastungen, insbesondere Nachtschicht, erheblicher Zeitdruck, Akkordarbeit, Fließbandarbeit, Arbeit in Gefahrenbereichen. Auch nicht ausgeübt werden könnten Tätigkeiten mit besonderer Belastung des Bewegungs- und Stützsystems, beispielsweise überwiegendes Stehen oder Gehen, häufiges Heben oder Tragen von Lasten, häufiges Bücken oder Überkopfarbeit sowie Arbeiten in Zwangshaltung und häufiges Steigen. Einflüsse von Kälte oder Zugluft sowie starke Temperaturschwankungen und Nässe sollten vermieden werden.
Die Klägerin hat hierzu Stellung genommen und u.a. vorgetragen, dass sie keine normalen Außenkontakte habe, da sie Veranstaltungen vorzeitig verlassen müsse, weil sie nicht mehr sitzen könne. Medikamente habe sie nur wegen der Anfahrt zum Gutachter am Vortag nicht genommen. Die Behandlungsintervalle seien nur wegen Ärztemangel vor Ort so lang und eine stationäre Rehabilitations-Maßnahme sei ihr von der Beklagten verwehrt worden. Die Klägerin hat außerdem eine Post-Zoster-Neuralgie geltend gemacht, die entgegen der Behauptung der Beklagten auch nicht heilbar sei.
Der Senat hat Befundberichte bei der der Universitätsklinik C-Stadt und beim Orthopäden Dr. D. eingeholt. Am 02.04.2015 hat der Senat eine ergänzende Stellungnahme durch Dr. I. erstellen lassen, der ausgeführt hat, dass sich durch die neu festgestellten Diagnosen kein anderes Ergebnis ergeben hätte. Auch die Einwände der Klägerin würden nichts ändern: Es sei darauf hinzuweisen, dass Medikamente wie Mirtazapin eine längere Halbwertszeit hätten; das einmalige Auslassen des Medikaments habe bei regelmäßiger Einnahme üblicherweise keine sofortige Auswirkung auf den Medikamentenspiegel. Wenn die Klägerin Medikamente aber nur vor längerer Zeit eingenommen gehabt habe, hätte sie dies in der Anamnese auch deutlich machen müssen. Das bisherige Fehlen einer stationären psychosomatischen oder psychiatrischen Behandlung werde der Klägerin keinesfalls zum Vorwurf gemacht. Allerdings sei dadurch der Rückschluss zulässig, dass bislang eine schwer ausgeprägte psychiatrische Störung, insbesondere eine schwere depressive Störung nicht aufgetreten gewesen sei, weil ansonsten eine solche Behandlung erfolgt wäre.
Der Senat hat ein weiteres Gutachten - nun beim Facharzt für Orthopädie Dr. J. - erstellen lassen, der die Klägerin am 17.06.2015 untersucht hat. In seinem Gutachten vom 01.08.2015 hat er auf orthopädischem Fachgebiet das Vorliegen folgender Gesundheitsstörungen angegeben: 1. Belastungsminderung und deutliche Funktionseinschränkung der teilfixierten Brustwirbelsäule mit mittelgradiger Kyphoskoliose und mäßigen Verschleißerscheinungen ohne Anhalt für Nervenwurzelirritation. 2. Leichte bis mäßige Einschränkung der Lendenwirbelsäulenentfaltbarkeit bei Fehlstatik sowie beginnenden bis mäßigen Verschleißerscheinungen mit Betonung L5/S1 ohne Anhalt für Nervenwurzelirritation. 3. Muskuläre Verspannungen im Nacken mit einer geringgradigen Funktionsbehinderung der Halswirbelsäule bei leichten bis mäßigen Verschleißerscheinungen ohne Anhalt für Nervenwurzelirritation. 4. Fersenspornbeschwerden links. 5. Bursitis trochanterica rechts. 6. Restbeschwerden nach Gürtelrose links ohne Hautveränderungen. 7. Leichte Verschleißerscheinungen in beiden Kniegelenken bei stabilen Bandverhältnissen und fehlenden entzündlichen Veränderungen sowie freier Funktion. 8. Wiederkehrende Reizzustände der linken Schulter nach Dekompressionsoperation. 9. Fußbeschwerden beidseits. Die Klägerin könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt täglich noch mindestens sechs Stunden erwerbstätig sein. Eine zeitliche Begrenzung der Erwerbstätigkeit lasse sich aus den Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet nicht herleiten. Zu vermeiden seien länger anhaltende statische Wirbelsäulenzwangshaltungen, längere Tätigkeiten in gebückter, gehockter oder kniender Stellungen, häufige Überkopfarbeiten sowie Kälte, Nässe und Zugluftexposition ohne entsprechenden Bekleidungsschutz. Entgegen den Angaben der Klägerin sei auch die Wegefähigkeit zu bejahen.
Die Klägerin hat moniert, dass die Gesundheitsstörungen von Dr. J. nicht vollständig erfasst worden seien und zudem die erforderlichen Pausenbedarfe nicht bestätigt worden seien.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG ist ein Gutachten durch den Facharzt für Orthopädie Dr. H. eingeholt worden, der die Klägerin am 15.01.2016 untersucht hat. In seinem Gutachten vom 20.01.2016 hat er Folgendes beschrieben: - Einschränkungen der Belastbarkeit und Beweglichkeit der Brust- und Lendenwirbelsäule in geringem Umfang auch der Halswirbelsäule mit deutlichen Verschleißerscheinungen im Bereich der Brustwirbelsäule sowie - ein Facettensyndrom im Bereich der Lendenwirbelsäule und - deutliche hypertone Muskelverspannungen im gesamten Rumpfbereich mit - Hypermobilität des rechten Kreuz-Darmbein-Gelenkes und - reaktiven Verspannungen der Gesäßmuskulatur rechts; - Ausbildung einer chronischen Bursitis trochanterica mit Belastungsschmerzhaftigkeit des rechten Beines beim Gehen, - Restbeschwerden nach Gürtelrose links und - deutliche Funktionseinschränkung der linken Schulter mit schmerzhafter Belastungseinschränkung sowie - eine chronische Schmerzkrankheit nach Gerbershagen im Stadium III. In den Vorgutachten sei die Schmerzkrankheit nur unzulänglich beachtet worden. Sie müsse aber bei der Beurteilung der Erwerbsfähigkeit erheblich berücksichtigt werden. Die Klägerin könne aus diesem Grund nur unter drei Stunden erwerbstätig sein. Durch die Schmerzerkrankung, die dadurch erforderliche erhebliche ständige medikamentöse Beeinflussung mit massiven Schmerzmitteln sei die Reaktionsfähigkeit, Merkfähigkeit sowie Konzentrationsfähigkeit herabgesetzt und dies erlaube keine regelmäßige Erwerbstätigkeit. Diese Einschränkungen des Leistungsvermögens bestünden aufgrund der festgestellten Funktionsstörungen in den Akten bereits seit der Antragstellung. Weiter bestünden qualitative Einschränkungen, insbesondere im Hinblick auf die nervliche Belastbarkeit und das Bewegungs- und Stützsystem. Die Wegefähigkeit sei zwar gegeben; allerdings sei die Benutzung eines Pkws wegen der erforderlichen Medikation nicht möglich. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation seien nicht erfolgversprechend. Es sei zwar unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit in einem Zeitraum von drei Jahren gebessert werden könne. Der jetzige Status solle in drei Jahren neu beurteilt werden.
Zu dem ärztlichen Gutachten hat die Beklagte unter Berufung auf Dr. S. von ihrem Ärztlichen Dienst Stellung genommen: Die Einschätzung des Leistungsvermögens sei mit psychischen Einschränkungen begründet worden, wobei dies auf die subjektiv mitgeteilte Schmerzintensität gestützt sei. Im Gutachten gebe es keinen psychiatrischen Befund und keine psychometrischen Testverfahren zur Objektivierung von Schmerzauswirkungen. Es handele sich bei den Angaben des Sachverständigen um reine Vermutungen.
Auf Antrag der Klägerin ist eine ergänzende Stellungnahme durch Dr. H. eingeholt worden, die dieser am 13.04.2016 abgegeben hat. Es sei nicht zutreffend, dass die Klägerin faktisch einer nicht ausschließlich sitzendenden Tätigkeit (dynamisches Sitzen) nachgehen könne, wie der Bevollmächtigte der Klägerin für den bestehenden Computerarbeitsplatz dargestellt habe. Die Auswertung des Mainzer Stadienmodells werde zu Unrecht als unzureichend bewertet, denn es sei so, dass keines der Schmerzpatienten-Modelle als validiertes Testverfahren zur Verfügung stehe. Die Beklagte kenne die Besonderheiten einer chronischen Schmerzkrankheit offenbar nicht aus eigener Untersuchungserfahrung ausreichend.
Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 02.01.2013 und den Bescheid der Beklagten vom 15.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab Antragstellung Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 02.01.2013 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der Akte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 SGG) ist zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die erstinstanzliche Entscheidung hat nicht das rechtliche Gehör der Klägerin verletzt, da für einen Gerichtsbescheid - anders als bei einem Urteil ohne mündliche Verhandlung - keine Zustimmung der Beteiligten erforderlich ist. Die anwaltlich vertretene Klägerin hat trotz der durch die Anhörung im Rahmen des § 105 SGG ersichtliche Tatsache, dass das Sozialgericht von einer Entscheidungsreife der Streitsache ausging, keine weiteren inhaltlichen Aspekte ergänzend vorgetragen und auch nicht konkrete weitere Ermittlungen beantragt. Der Gerichtsbescheid ist unter Verfahrensgesichtspunkten nicht zu beanstanden gewesen.
Die Klägerin hat die Erfüllung der Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente nicht hinreichend belegen können.
Gemäß § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersrente Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie 1. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Tätigkeit oder Beschäftigung haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, die in gleicher Weise für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gelten, hat die Klägerin nach dem bisherigen Versicherungsverlauf nur bis August 2011 direkt erfüllt gehabt, da nach der Kinderberücksichtigungszeit bis Juli 2009 keine weiteren rentenrechtlich relevanten Zeiten mehr verzeichnet sind. Jedoch ist die Ausnahmevorschrift des § 241 Abs. 2 SGB VI erfüllt: Die Klägerin hatte zum 01.01.1984 bereits die allgemeine Wartezeit zurückgelegt und seither bis Juli 2009 alle Monate mit rentenrechtlich relevanten Zeiten belegt. Da sie bei einer Rentenantragstellung im Januar 2010 auch für das Jahr 2009 noch freiwillige Beiträge hätte entrichten können (§ 197 Abs. 2 SGB VI) und die Frist seither gehemmt ist (§ 198 SGB VI) sind für die Zeit im Anschluss an die Kinderberücksichtigungszeit derzeit keine Anwartschaftserhaltungszeiten erforderlich (§ 241 Abs. 2 Satz 2 SGB VI) - was sich nach Abschluss des laufenden Verfahrens ändert.
Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die medizinischen Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 SGB VI erfordern, dass ein Versicherter nicht mindestens 6 Stunden täglich einsatzfähig ist. Ergänzend führt § 43 Abs. 3 SGB VI aus, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Die Klägerin ist zur Überzeugung des Senats dagegen noch in der Lage, wenigstens 6 Stunden täglich Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten, wobei es sich um leichte körperliche Arbeiten in geschlossenen Räumen überwiegend im Sitzen oder in wechselnder Stellung handeln muss. Ausgeschlossen sind besondere nervliche Belastungen, insbesondere Nachtschicht, erheblicher Zeitdruck, Akkordarbeit, Fließbandarbeit und Arbeit in Gefahrenbereichen. Auch nicht ausgeübt werden können Tätigkeiten mit besonderer Belastung des Bewegungs- und Stützsystems, beispielsweise überwiegendes Stehen oder Gehen, häufiges Heben oder Tragen von Lasten, häufiges Bücken oder Überkopfarbeit sowie Arbeiten in Zwangshaltung und häufiges Steigen. Einfluss von Kälte oder Zugluft sowie starke Temperaturschwankungen und Nässe sollten vermieden werden.
Der Senat stützt sich wesentlich auf die Feststellungen der gerichtsärztlichen Sachverständigen Dr. I. und Dr. J ... Bis zur Erstellung des Gutachtens durch Dr. H. waren sich sämtliche ärztliche Sachverständige - also auch Dr. N., Dr. K., Dr. M. und Prof. Dr. S. darin einig, dass die Klägerin über ein ausreichendes Restleistungsvermögen für den allgemeinen Arbeitsmarkt verfügt.
Die Feststellungen des Dr. H. zu einem zeitlich eingeschränkten Leistungsvermögen der Klägerin überzeugen den Senat nicht. Zunächst bleibt festzuhalten, dass Dr. H. im Wesentlichen die bereits bekannten Diagnosen wiederholt. Er nimmt auch keine aktuelle Verschlechterung der gesundheitlichen Situation bei der Klägerin an, sondern behauptet, dass die Einschränkungen schon seit Rentenantragstellung, d.h. Januar 2010, vorliegen würden. Die Begründung, warum er sozialmedizinisch zu einem anderen Ergebnis als alle anderen Ärzte gelangt, überzeugt nicht. Das Schmerzgeschehen sei dort nicht hinreichend berücksichtigt worden. Es wird aber beispielsweise nicht darauf eingegangen, dass im Frühjahr 2010 sowohl der damals behandelnde Orthopäde als auch der Neurologe mitgeteilt hatten, dass bei der Klägerin Arbeitsunfähigkeit aktuell nicht vorliege. Dr. H. kann auch aktuell nicht verdeutlichen, dass die Klägerin tatsächlich nur noch derart stark reduziert tätig werden könne. Dabei übernimmt er einfach ohne kritische Validierung die Angaben der Klägerin. Aus allgemeinen Zusammenhängen leitet er ab, dass auch bei der Klägerin Einschränkungen vorliegen müssten. Eine einzelfallbezogene psychometrische Testung ist nicht erfolgt. Auch bleibt bei den angestellten Vermutungen über Medikamentenfolgewirkungen unberücksichtigt, dass zuvor festgestellt worden war, dass die Klägerin ihre Medikamente nicht leitliniengerecht einnimmt, und insofern auch nur geringere Nebenwirkungen entstanden sein können. Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wäre im Übrigen aber auch bei Einschränkungen der Konzentration, der Merkfähigkeit und der Reaktion möglich, wenn die Arbeitsbedingungen erhöhte Anforderungen in diese Richtung ausschließen. Soweit Dr. H. darauf rekurriert, dass es kein besseres Verfahren zur Schmerzerkennung gebe, räumt er indirekt geradezu ein, dass auch bei dem von ihm genutzten Verfahren Schwächen bestehen. Da die Klägerin die Nachweispflicht hat, würden verbleibende Unsicherheiten bei der Ermittlung der anspruchsbegründenden Voraussetzungen aber ohnehin zu ihren Lasten gehen. Im vorliegenden Fall ist durch andere Fachgutachter aber eine objektivierbare Grundlage für ein alles überlagerndes und untherapierbares Schmerzgeschehen bisher nicht bestätigt worden.
Für die Frage der Rentengewährung ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts psychische Erkrankungen erst dann rentenrechtlich relevant werden, wenn trotz adäquater Behandlung (medikamentös, therapeutisch, ambulant und stationär) davon auszugehen ist, dass ein Versicherter die psychischen Einschränkungen dauerhaft nicht überwinden kann - weder aus eigener Kraft, noch mit ärztlicher oder therapeutischer Hilfe (BSG Urteil vom 12.09.1990 - 5 RJ 88/89; BSG Urteil vom 29.02.2006 - B 13 RJ 31/05 R - jeweils zitiert nach juris; BayLSG Urteil vom 21.03.2012 - L 19 R 35/08). Für den Senat ergibt sich aus den Feststellungen des Dr. I., dass eine leitliniengerechte medikamentöse Behandlung der Klägerin nicht erfolgt ist und weiter nicht erfolgt. Allein dies steht schon einer Rentengewährung, die auf Leiden des psychiatrischen Fachgebiets gestützt wird, entgegen.
Zwar kann in bestimmten Ausnahmefällen eine Rentengewährung wegen voller Erwerbsminderung auch dann erfolgen, wenn bei der Klägerin keine quantitative Einschränkung besteht; dazu müssten jedoch die Voraussetzungen für einen von der Rechtsprechung des BSG entwickelten sog. Katalogfall erfüllt sein, was aus Sicht des Senates nicht der Fall ist. Für die Prüfung ist nach dem BSG (Urt. v. 09.05.2012, B 5 R 68/11 R - zitiert nach juris) mehrschrittig vorzugehen. Zunächst ist festzustellen, ob mit dem Restleistungsvermögen Verrichtungen erfolgen können, die bei ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden, wie Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Maschinenbedienung, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen. Wenn sich solche abstrakten Handlungsfelder nicht oder nur unzureichend beschreiben lassen und ernste Zweifel an der tatsächlichen Einsatzfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen kommen, stellt sich im zweiten Schritt die Frage nach der besonderen spezifischen Leistungsbehinderung oder der Summierung ungewöhnlicher Einschränkungen und, falls eine solche Kategorie als vorliegend angesehen wird, wäre im dritten Schritt von der Beklagten eine Verweisungstätigkeit konkret zu benennen und die Einsatzfähigkeit dann hinsichtlich dieser Tätigkeit abzuklären (vgl. Gürtner in: Kasseler Kommentar, Stand August 2012, § 43 SGB VI Rn 37 mwN).
Für den Senat ergeben sich bereits keine ernsthaften Zweifel an der Einsatzfähigkeit der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, da fast alle Arbeitsfelder als grundsätzlich geeignet anzuführen wären. Aber selbst wenn man zur Annahme der ernstlichen Zweifel gelangen würde, so stellen jedenfalls die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen sich nicht als schwere spezifische Behinderung wie etwa eine - ggf. funktionale - Einarmigkeit und auch nicht als Summierung von ungewöhnlichen Einschränkungen dar. Eine solche Summierung würde voraussetzen, dass zu den Einschränkungen der Belastbarkeit, wie sie üblicherweise bei physisch und teilweise psychisch geschwächten Erwerbsfähigen zu beobachten sind, besondere weiter reichende Einschränkungen hinzutreten. Die bei der Klägerin festgestellten Einschränkungen sind dagegen gerade nicht so weitgehend.
Nachdem aus Sicht des Senats bei der Klägerin ein Restleistungsvermögen von täglich mindestens 6 Stunden vorliegt, hat sich bei der Klägerin weder volle, noch teilweise Erwerbsminderung nachweisen lassen. Dementsprechend sind weder der Hauptantrag, noch der erste Hilfsantrag der Klägerin begründet.
Auch der weiter hilfsweise gestellte Antrag auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) hat ebenfalls keinen Erfolg.
Zwar gehört die Klägerin von ihrem Geburtsjahrgang her zu den Altersgruppen, für die diese Übergangsvorschrift überhaupt in Betracht kommt.
Die Klägerin ist jedoch nicht berufsunfähig im Sinne dieser Vorschrift. Nach § 240 Abs. 2 SGB VI sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als 6 Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können.
Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hat für die Einstufung der verschiedenen beruflichen Tätigkeiten ein Mehrstufenschema entwickelt, das ursprünglich von vier Gruppen ausging (vgl. etwa schon BSG, Urt. vom 09.09.1986, Az. 5b RJ 82/85- zitiert nach juris). Jede Stufe wurde dabei durch Leitberufe klassifiziert. Der ersten Stufe gehörten Vorarbeiter mit Vorgesetztenfunktion und besonders hoch qualifizierte Facharbeiter an, der zweiten Stufe Facharbeiter in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von mehr als zwei Jahren und ihnen Gleichgestellte. Der dritten Stufe gehörten angelernte Arbeiter an, die eine erforderliche Ausbildungszeit von längstens zwei Jahren Dauer, aber mindestens drei Monaten absolviert hatten. Der Gruppe der Ungelernten waren schließlich die Versicherten zuzuordnen, deren Tätigkeit nicht zu einer höherwertigen Einstufung führte. An der bestehenden Einteilung haben sich auch nach der ergänzenden Einbeziehung der früheren Angestelltenberufe in ein neues Sechsstufenschema nur Äußerlichkeiten geändert (vgl. Gürtner in: Kasseler Kommentar, Stand August 2012, § 240 SGB VI, Rn. 24 mwN aus der Rechtsprechung).
Die Klägerin hat eine Fachtätigkeit erlernt und ausgeübt gehabt. Dabei zeigt die Klägerin zwar Argumente dafür auf, dass sie sich von einer einfachen Fachangestellten abgehoben haben könnte. Nach der vorliegenden Arbeitgeberauskunft und den weiteren Unterlagen ist die tarifvertragliche Einstufung aber die einer Bürokauffrau gewesen. Ausgehend von dieser Tätigkeit würde die Klägerin dann berufsunfähig sein, wenn sie weder diesen Beruf, noch eine andere Fachtätigkeit (gleiche Stufe) noch eine angelernte Tätigkeit (nächstniedrigere Stufe) ausüben könnte. Eine Verweisung auf ungelernte Tätigkeiten wäre unter dieser Prämisse ausgeschlossen.
Der Senat sieht nach den von ihm eingeholten Gutachten ein ausreichendes Restleistungsvermögen der Klägerin für die Tätigkeit einer Bürokauffrau. Soweit die Klägerseite und der Sachverständige Dr. H. auf Besonderheiten am zuletzt ausgeübten Arbeitsplatz abstellen - nahezu ausschließliche Computertätigkeit und besondere Stressbelastung - ist dies nicht der richtige Maßstab. Anders als bei der Feststellung von Arbeitsunfähigkeit kommt es nur auf das allgemeine abstrakte Berufsbild und nicht auf den konkreten Arbeitsplatz an. Arbeitsplätze als Bürokauffrau sind jedoch nicht zwingend mit nahezu ausschließlicher Computertätigkeit und besonderer Stressbelastung verbunden. Für den Senat ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen der Sachverständige Dr. K. bei der Klägerin für die Tätigkeit einer Bürokauffrau von einem Leistungsvermögen von unter 6 Stunden ausgegangen war, zumal er selbst dafür die Möglichkeit eines Einsatzes im Wechselrhythmus angeführt hatte. Die vom Senat als nachgewiesen angesehenen Einschränkungen der Arbeitsbedingungen (s.o.) könnten sowohl im Beruf der Bürokauffrau, als auch in einfacheren angelernten Bürotätigkeiten, auf die sich die Klägerin hilfsweise verweisen lassen müsste, beachtet werden. Damit ist auch Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Vorschrift bei der Klägerin nicht belegt.
Nach alledem war die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid Sozialgerichts Bayreuth vom 02.01.2013 als unbegründet zurückzuweisen. Die mit der Klage angefochtenen Bescheide der Beklagten waren zu Recht im Ergebnis nicht beanstandet worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Die 1959 geborene Klägerin erlernte von 1977 bis 1979 den Beruf einer Bürokauffrau und machte von November 1980 bis Mai 1982 eine Qualifizierung zur Wirtschaftsfachwirtin. Zuletzt war die Klägerin als Personalsachbearbeiterin bei der S. AG versicherungspflichtig beschäftigt und wurde nach dem Metalltarif in Bayern in der Lohngruppe T5 entlohnt. Im Versicherungsverlauf der Klägerin sind im Anschluss an Kindererziehungszeiten bis zum Jahr 2002 Zeiten einer versicherungspflichtigen Beschäftigung von Februar 2003 bis Februar 2004 mit kurzzeitigen Lücken sowie ansonsten Zeiten der Arbeitslosigkeit ausgewiesen.
Am 28.01.2010 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Sie sei bereits seit 1992 wegen chronischer Schmerzen im Rücken sowie Depressionen erwerbsgemindert. Derzeit seien ihr noch für drei Stunden täglich Büroarbeiten möglich. Seit Jahren sei bei ihr ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 anerkannt.
Die Beklagte holte ein Gutachten beim Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. N. ein, der die Klägerin am 12.03.2010 untersuchte. Er stellte bei der Klägerin eine somatoforme Schmerzstörung fest und kam zum Ergebnis, dass sie gleichwohl auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und auch als Bürokauffrau täglich sechs Stunden und mehr erwerbstätig sein könne. Tätigkeiten, die körperlich schwer seien, Überkopfarbeiten, Bücken sowie Zwangshaltungen seien der Klägerin nicht möglich.
Am 17.03.2010 wurde die Klägerin ergänzend durch den Orthopäden Dr. K. untersucht, von dem neben der Übernahme der psychiatrischen Diagnose folgende Gesundheitsstörungen angegeben wurden: 1. Ausgeprägte rechtskonvexe Thorakalskoliose mit Facettensyndrom der Brustwirbelsäule. 2. Linkskonvexe Lumbalskoliose ebenfalls mit Facettensyndrom. 3. Periarthropathia humero scapularis chronica links, Z. n. arthroskopischer Gelenk-operation linke Schulter mit Funktionseinschränkung, rechts ohne Funktionseinschränkung. 4. Epicondylopathia humero radialis links. 5. Femuropatellares Schmerzsyndrom links. 6. Spreizfüße, initialer Hallux valgus beidseits. Die Klägerin sei als Sachbearbeiterin täglich drei bis unter sechs Stunden einsatzfähig. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne sie sechs Stunden und mehr tätig werden und dabei leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Überkopfarbeiten, ohne Zwangshaltungen, ohne häufiges Bücken sowie ohne häufiges Treppensteigen oder Knien ausüben. Zur Tätigkeit der Personalsachbearbeiterin wurde ausgeführt, dass es sich um eine Tätigkeit im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen gehandelt habe. Eine nähere Begründung für die zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens wurde nicht abgegeben.
Der beratende Arzt der Beklagten, Dr. W., kam am 29.03.2010 zum Ergebnis, dass die Klägerin sowohl auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt als auch in der zuletzt ausgeübten beruflichen Tätigkeit sechs Stunden und mehr einsatzfähig sei. Es müsse sich um Tätigkeiten im Wechsel von Stehen, Gehen und Sitzen, ohne Nachtschicht, ohne schwere Arbeiten, ohne Überkopfarbeiten, ohne häufiges Bücken und ohne Zwangshaltungen handeln.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 15.04.2010 den Rentenantrag ab, weil die Gesundheitsstörungen einen weiteren Einsatz im Beruf als Personalsachbearbeiterin zulassen würden.
Mit Schreiben vom 03.05.2010 legte die Klägerin hiergegen Widerspruch ein. Die Beklagte forderte Befundberichte bei den behandelnden Ärzten Dr. D. und Dr. S. an, wobei von Letzterem das Vorliegen eines Fibromyalgiesyndroms angenommen wurde. Das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit wurde jeweils verneint. Am 25.06.2010 kam der beratende Arzt der Beklagten H. R. zu dem Ergebnis, dass sich aus den Facharztberichten keine neuen Funktionsdefizite ergeben würden und die bestehenden bereits im Leistungsbild berücksichtigt gewesen seien.
Daraufhin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01.09.2010 den Widerspruch zurück. Die Klägerin könne auch nach den aktuellen Feststellungen im zuletzt ausgeübten Beruf mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein.
Hiergegen hat die Klägerin mit Schreiben vom 22.09.2010 am 27.09.2010 Klage zum Sozialgericht Bayreuth erhoben. Das Sozialgericht hat Befundberichte von Dr. W., Dr. S. und Dr. D. sowie vom Interdisziplinären Schmerzzentrum der Universitätsklinik C-Stadt beigezogen. Anschließend hat es ein Gutachten bei dem Orthopäden Dr. M. in Auftrag gegeben. Dieser hat die Klägerin am 21.09.2011 untersucht und in seinem Gutachten vom selben Tag als Gesundheitsstörungen bei der Klägerin angegeben: 1. Thorakolumbale Skoliose. 2. Impingement-Syndrom der Schulter links. 3. Zervikozephalgie. 4. Osteochondrose der Wirbelsäule. 5. Gonarthrose links. 6. Chronische Schmerzen. Gegenüber den Vorgutachten habe sich keine wesentliche Änderung ergeben. Die Klägerin könne leichte körperliche Tätigkeiten vorzugsweise im Wechselrhythmus verrichten, wobei bei Tätigkeiten mit überwiegendem Sitzen gelegentlich selbstbestimmte Haltungswechsel möglich sein sollten. Tätigkeiten mit den Händen in kühlem und feuchtem Milieu sollten nicht mehr verlangt werden. Schwere Lasten könnten nicht mehr angehoben, fortbewegt oder getragen werden. Häufige Überkopfarbeiten mit den Armen seien nicht mehr möglich. Arbeiten in monotonen Zwangshaltungen seien nicht zumutbar. Die Klägerin sei täglich sechs Stunden und mehr einsatzfähig und sei auch in der Lage, entsprechende Arbeitsplätze zu erreichen.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist ein Gutachten durch den Chefarzt des Orthopädischen Klinik des Krankenhauses R., Prof. Dr. S., erstellt worden. Dieser hat die Klägerin am 28.02.2012 untersucht und in seinem Gutachten vom 25.04.2012 die Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet folgendermaßen beschrieben: 1. Linkskonvexe thorakale und rechtskonvexe lumbale Skoliose der Wirbelsäule und mäßig degenerative Veränderungen der unteren Halswirbelsäule mit Osteochondrose und Spondylose C4 bis C6. 2. Z. n. arthoskopischer subacromialer Dekompression der linken Schulter im Juni 2009 mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung. 3. Beginnende Akromioklavikulargelenksarthrose rechts. 4. Diskrete Osteochondrose des linken Sacroiliacalgelenkes kaudal. 5. Dysplasie der medialen Femurkondylen beidseits. 6. Mäßiggradiger Spreizfuß mit Hallux valgus beidseits. 7. Leichte Bouchard-Arthrose an den Langfingern beider Hände. 8. Verdacht auf Kiefergelenksarthrose rechts. 9. Ausgeprägte Verspannung der Trapeziusmuskulatur beidseits. Hinzu kämen die Diagnosen auf nicht-orthopädischem Fachgebiet, insbesondere eine somatoforme Schmerzstörung. Rezidivierende Sinubronchitiden und eine kardiale Arrhythmie seien bei den eigenen Untersuchungen nicht verifizierbar gewesen. Die erhobenen Befunde würden im Wesentlichen denen von Dr. M. und von Dr. K. entsprechen. Die Klägerin könne nur noch leichte Arbeiten verrichten, wobei Einschränkungen beim Heben und Tragen von Lasten über 5 kg, bei Zwangshaltungen, beim Bücken, in der Hocke und bei Überkopfarbeiten vorliegen würden. Akkord-, Schicht- und Nachtarbeit sowie Arbeiten im Freien bei feuchter und kühler Witterung seien nicht zumutbar. Die Klägerin sei in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich mit den betriebsüblichen Arbeitspausen tätig zu sein.
Auf die Anhörung der Beteiligten vom 08.11.2012 hat die Klägerseite mit Schreiben am 22.11.2012 erklärt, mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht einverstanden zu sein. Am 02.01.2013 hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG entschieden und die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit seien nach den ärztlichen Feststellungen nicht gegeben und die Klägerin sei auch in dem zuletzt ausgeübten Beruf weiterhin einsatzfähig. Das Gericht gelange zu diesen Feststellungen auf der Grundlage des von Dr. M. erstatteten Sachverständigengutachtens, wobei hervorzuheben sei, dass auch der nach § 109 SGG beauftragte Prof. Dr. S. zu einem identischen Ergebnis gelangt sei.
Hiergegen hat die Klägerin mit Schreiben vom 15.01.2013 am 22.01.2013 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und geltend gemacht, dass ihre Multimorbidität nicht hinreichend berücksichtigt worden sei. Es sei auch zu beanstanden, dass das Sozialgericht durch Gerichtsbescheid entschieden habe, obwohl dieser Vorgehensweise ausdrücklich widersprochen worden sei. Der Klägerin sei hierdurch die Möglichkeit abgeschnitten worden, weitere Beweisanträge zu stellen. Es sei vom Sozialgericht auch nicht berücksichtigt worden, dass im kaufmännischen Bereich die Tätigkeit am Computer Standard sei und damit monotone Zwangshaltungen einhergehen würden. Zudem habe sich die gesundheitliche Situation der Klägerin verschlimmert. Nach Vorlage aktueller ärztlicher Unterlagen durch die Klägerin hat auch die Beklagte eine orthopädische und neurologisch-psychiatrische Begutachtung angeregt.
Der Senat hat eine Auskunft der S. AG zur Tätigkeit der Klägerin eingeholt: Danach sei die Klägerin ab November 1981 als Personalsachbearbeiterin im Zentralbereich Vertrieb der Zentralverwaltung Ausland eingesetzt gewesen und für diese Tätigkeit sei in der Regel eine 2 1/2-jährige kaufmännische Ausbildung erforderlich gewesen. Zuletzt habe die Klägerin seit Dezember 1992 bis Juli 2002 eine Teilzeitbeschäftigung an vier Arbeitstagen in der Woche (insgesamt 30 Stunden) ausgeübt.
Befundberichte beim Hausarzt Dr. F. und beim Allgemeinmediziner Dr. G. sind durch den Senat eingeholt worden und die Klägerin hat selbst umfangreiche ärztliche Unterlagen vorgelegt. Die Beklagte hat darin - mit Ausnahme einer Intensivierung der Schulterbehandlung - keine weitergehenden neuen medizinischen Erkenntnisse erblickt.
Der Senat hat zunächst ein Gutachten auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet bei Dr. I. eingeholt, der die Klägerin am 11.08.2014 untersucht hat. In seinem Gutachten vom 02.09.2014 hat er folgende Diagnosen aufgeführt: 1. Anhaltende depressive Störung (Dysthymia). 2. V. a. anhaltende somatoforme Schmerzstörung. 3. Kombinierter Kopfschmerz. 4. Degeneratives Wirbelsäulensyndrom ohne radikuläre Symptomatik. 5. Schulter-Arm-Syndrom links. Bei der Klägerin würden keine wesentlichen Änderungen im Vergleich zu den bisherigen Gutachten festzustellen sein. Die bisherige Therapie spreche für eine allenfalls leichtgradige depressive Symptomatik. Die psychopharmakologische Behandlung sei noch nicht ausgereizt. Stationäre Behandlungen auf psychischem Gebiet hätten bisher nicht stattgefunden. Die Tagesabläufe würden einen umfassenden sozialen Rückzug nicht bestätigen und es gebe Hinweise auf Aggravation. Er komme zu folgendem Leistungsbild: Die Klägerin sei weiterhin in der Lage, noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sie könne leichte körperliche Arbeiten überwiegend im Sitzen sowie in wechselnder Stellung in geschlossenen Räumen ausüben. Es sollte die Möglichkeit zum selbstbestimmten Haltungswechsel gegeben sein. Nicht mehr zugemutet werden könnten besondere nervliche Belastungen, insbesondere Nachtschicht, erheblicher Zeitdruck, Akkordarbeit, Fließbandarbeit, Arbeit in Gefahrenbereichen. Auch nicht ausgeübt werden könnten Tätigkeiten mit besonderer Belastung des Bewegungs- und Stützsystems, beispielsweise überwiegendes Stehen oder Gehen, häufiges Heben oder Tragen von Lasten, häufiges Bücken oder Überkopfarbeit sowie Arbeiten in Zwangshaltung und häufiges Steigen. Einflüsse von Kälte oder Zugluft sowie starke Temperaturschwankungen und Nässe sollten vermieden werden.
Die Klägerin hat hierzu Stellung genommen und u.a. vorgetragen, dass sie keine normalen Außenkontakte habe, da sie Veranstaltungen vorzeitig verlassen müsse, weil sie nicht mehr sitzen könne. Medikamente habe sie nur wegen der Anfahrt zum Gutachter am Vortag nicht genommen. Die Behandlungsintervalle seien nur wegen Ärztemangel vor Ort so lang und eine stationäre Rehabilitations-Maßnahme sei ihr von der Beklagten verwehrt worden. Die Klägerin hat außerdem eine Post-Zoster-Neuralgie geltend gemacht, die entgegen der Behauptung der Beklagten auch nicht heilbar sei.
Der Senat hat Befundberichte bei der der Universitätsklinik C-Stadt und beim Orthopäden Dr. D. eingeholt. Am 02.04.2015 hat der Senat eine ergänzende Stellungnahme durch Dr. I. erstellen lassen, der ausgeführt hat, dass sich durch die neu festgestellten Diagnosen kein anderes Ergebnis ergeben hätte. Auch die Einwände der Klägerin würden nichts ändern: Es sei darauf hinzuweisen, dass Medikamente wie Mirtazapin eine längere Halbwertszeit hätten; das einmalige Auslassen des Medikaments habe bei regelmäßiger Einnahme üblicherweise keine sofortige Auswirkung auf den Medikamentenspiegel. Wenn die Klägerin Medikamente aber nur vor längerer Zeit eingenommen gehabt habe, hätte sie dies in der Anamnese auch deutlich machen müssen. Das bisherige Fehlen einer stationären psychosomatischen oder psychiatrischen Behandlung werde der Klägerin keinesfalls zum Vorwurf gemacht. Allerdings sei dadurch der Rückschluss zulässig, dass bislang eine schwer ausgeprägte psychiatrische Störung, insbesondere eine schwere depressive Störung nicht aufgetreten gewesen sei, weil ansonsten eine solche Behandlung erfolgt wäre.
Der Senat hat ein weiteres Gutachten - nun beim Facharzt für Orthopädie Dr. J. - erstellen lassen, der die Klägerin am 17.06.2015 untersucht hat. In seinem Gutachten vom 01.08.2015 hat er auf orthopädischem Fachgebiet das Vorliegen folgender Gesundheitsstörungen angegeben: 1. Belastungsminderung und deutliche Funktionseinschränkung der teilfixierten Brustwirbelsäule mit mittelgradiger Kyphoskoliose und mäßigen Verschleißerscheinungen ohne Anhalt für Nervenwurzelirritation. 2. Leichte bis mäßige Einschränkung der Lendenwirbelsäulenentfaltbarkeit bei Fehlstatik sowie beginnenden bis mäßigen Verschleißerscheinungen mit Betonung L5/S1 ohne Anhalt für Nervenwurzelirritation. 3. Muskuläre Verspannungen im Nacken mit einer geringgradigen Funktionsbehinderung der Halswirbelsäule bei leichten bis mäßigen Verschleißerscheinungen ohne Anhalt für Nervenwurzelirritation. 4. Fersenspornbeschwerden links. 5. Bursitis trochanterica rechts. 6. Restbeschwerden nach Gürtelrose links ohne Hautveränderungen. 7. Leichte Verschleißerscheinungen in beiden Kniegelenken bei stabilen Bandverhältnissen und fehlenden entzündlichen Veränderungen sowie freier Funktion. 8. Wiederkehrende Reizzustände der linken Schulter nach Dekompressionsoperation. 9. Fußbeschwerden beidseits. Die Klägerin könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt täglich noch mindestens sechs Stunden erwerbstätig sein. Eine zeitliche Begrenzung der Erwerbstätigkeit lasse sich aus den Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet nicht herleiten. Zu vermeiden seien länger anhaltende statische Wirbelsäulenzwangshaltungen, längere Tätigkeiten in gebückter, gehockter oder kniender Stellungen, häufige Überkopfarbeiten sowie Kälte, Nässe und Zugluftexposition ohne entsprechenden Bekleidungsschutz. Entgegen den Angaben der Klägerin sei auch die Wegefähigkeit zu bejahen.
Die Klägerin hat moniert, dass die Gesundheitsstörungen von Dr. J. nicht vollständig erfasst worden seien und zudem die erforderlichen Pausenbedarfe nicht bestätigt worden seien.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG ist ein Gutachten durch den Facharzt für Orthopädie Dr. H. eingeholt worden, der die Klägerin am 15.01.2016 untersucht hat. In seinem Gutachten vom 20.01.2016 hat er Folgendes beschrieben: - Einschränkungen der Belastbarkeit und Beweglichkeit der Brust- und Lendenwirbelsäule in geringem Umfang auch der Halswirbelsäule mit deutlichen Verschleißerscheinungen im Bereich der Brustwirbelsäule sowie - ein Facettensyndrom im Bereich der Lendenwirbelsäule und - deutliche hypertone Muskelverspannungen im gesamten Rumpfbereich mit - Hypermobilität des rechten Kreuz-Darmbein-Gelenkes und - reaktiven Verspannungen der Gesäßmuskulatur rechts; - Ausbildung einer chronischen Bursitis trochanterica mit Belastungsschmerzhaftigkeit des rechten Beines beim Gehen, - Restbeschwerden nach Gürtelrose links und - deutliche Funktionseinschränkung der linken Schulter mit schmerzhafter Belastungseinschränkung sowie - eine chronische Schmerzkrankheit nach Gerbershagen im Stadium III. In den Vorgutachten sei die Schmerzkrankheit nur unzulänglich beachtet worden. Sie müsse aber bei der Beurteilung der Erwerbsfähigkeit erheblich berücksichtigt werden. Die Klägerin könne aus diesem Grund nur unter drei Stunden erwerbstätig sein. Durch die Schmerzerkrankung, die dadurch erforderliche erhebliche ständige medikamentöse Beeinflussung mit massiven Schmerzmitteln sei die Reaktionsfähigkeit, Merkfähigkeit sowie Konzentrationsfähigkeit herabgesetzt und dies erlaube keine regelmäßige Erwerbstätigkeit. Diese Einschränkungen des Leistungsvermögens bestünden aufgrund der festgestellten Funktionsstörungen in den Akten bereits seit der Antragstellung. Weiter bestünden qualitative Einschränkungen, insbesondere im Hinblick auf die nervliche Belastbarkeit und das Bewegungs- und Stützsystem. Die Wegefähigkeit sei zwar gegeben; allerdings sei die Benutzung eines Pkws wegen der erforderlichen Medikation nicht möglich. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation seien nicht erfolgversprechend. Es sei zwar unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit in einem Zeitraum von drei Jahren gebessert werden könne. Der jetzige Status solle in drei Jahren neu beurteilt werden.
Zu dem ärztlichen Gutachten hat die Beklagte unter Berufung auf Dr. S. von ihrem Ärztlichen Dienst Stellung genommen: Die Einschätzung des Leistungsvermögens sei mit psychischen Einschränkungen begründet worden, wobei dies auf die subjektiv mitgeteilte Schmerzintensität gestützt sei. Im Gutachten gebe es keinen psychiatrischen Befund und keine psychometrischen Testverfahren zur Objektivierung von Schmerzauswirkungen. Es handele sich bei den Angaben des Sachverständigen um reine Vermutungen.
Auf Antrag der Klägerin ist eine ergänzende Stellungnahme durch Dr. H. eingeholt worden, die dieser am 13.04.2016 abgegeben hat. Es sei nicht zutreffend, dass die Klägerin faktisch einer nicht ausschließlich sitzendenden Tätigkeit (dynamisches Sitzen) nachgehen könne, wie der Bevollmächtigte der Klägerin für den bestehenden Computerarbeitsplatz dargestellt habe. Die Auswertung des Mainzer Stadienmodells werde zu Unrecht als unzureichend bewertet, denn es sei so, dass keines der Schmerzpatienten-Modelle als validiertes Testverfahren zur Verfügung stehe. Die Beklagte kenne die Besonderheiten einer chronischen Schmerzkrankheit offenbar nicht aus eigener Untersuchungserfahrung ausreichend.
Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 02.01.2013 und den Bescheid der Beklagten vom 15.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab Antragstellung Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 02.01.2013 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der Akte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 SGG) ist zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die erstinstanzliche Entscheidung hat nicht das rechtliche Gehör der Klägerin verletzt, da für einen Gerichtsbescheid - anders als bei einem Urteil ohne mündliche Verhandlung - keine Zustimmung der Beteiligten erforderlich ist. Die anwaltlich vertretene Klägerin hat trotz der durch die Anhörung im Rahmen des § 105 SGG ersichtliche Tatsache, dass das Sozialgericht von einer Entscheidungsreife der Streitsache ausging, keine weiteren inhaltlichen Aspekte ergänzend vorgetragen und auch nicht konkrete weitere Ermittlungen beantragt. Der Gerichtsbescheid ist unter Verfahrensgesichtspunkten nicht zu beanstanden gewesen.
Die Klägerin hat die Erfüllung der Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente nicht hinreichend belegen können.
Gemäß § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersrente Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie 1. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Tätigkeit oder Beschäftigung haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, die in gleicher Weise für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gelten, hat die Klägerin nach dem bisherigen Versicherungsverlauf nur bis August 2011 direkt erfüllt gehabt, da nach der Kinderberücksichtigungszeit bis Juli 2009 keine weiteren rentenrechtlich relevanten Zeiten mehr verzeichnet sind. Jedoch ist die Ausnahmevorschrift des § 241 Abs. 2 SGB VI erfüllt: Die Klägerin hatte zum 01.01.1984 bereits die allgemeine Wartezeit zurückgelegt und seither bis Juli 2009 alle Monate mit rentenrechtlich relevanten Zeiten belegt. Da sie bei einer Rentenantragstellung im Januar 2010 auch für das Jahr 2009 noch freiwillige Beiträge hätte entrichten können (§ 197 Abs. 2 SGB VI) und die Frist seither gehemmt ist (§ 198 SGB VI) sind für die Zeit im Anschluss an die Kinderberücksichtigungszeit derzeit keine Anwartschaftserhaltungszeiten erforderlich (§ 241 Abs. 2 Satz 2 SGB VI) - was sich nach Abschluss des laufenden Verfahrens ändert.
Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die medizinischen Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 SGB VI erfordern, dass ein Versicherter nicht mindestens 6 Stunden täglich einsatzfähig ist. Ergänzend führt § 43 Abs. 3 SGB VI aus, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Die Klägerin ist zur Überzeugung des Senats dagegen noch in der Lage, wenigstens 6 Stunden täglich Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten, wobei es sich um leichte körperliche Arbeiten in geschlossenen Räumen überwiegend im Sitzen oder in wechselnder Stellung handeln muss. Ausgeschlossen sind besondere nervliche Belastungen, insbesondere Nachtschicht, erheblicher Zeitdruck, Akkordarbeit, Fließbandarbeit und Arbeit in Gefahrenbereichen. Auch nicht ausgeübt werden können Tätigkeiten mit besonderer Belastung des Bewegungs- und Stützsystems, beispielsweise überwiegendes Stehen oder Gehen, häufiges Heben oder Tragen von Lasten, häufiges Bücken oder Überkopfarbeit sowie Arbeiten in Zwangshaltung und häufiges Steigen. Einfluss von Kälte oder Zugluft sowie starke Temperaturschwankungen und Nässe sollten vermieden werden.
Der Senat stützt sich wesentlich auf die Feststellungen der gerichtsärztlichen Sachverständigen Dr. I. und Dr. J ... Bis zur Erstellung des Gutachtens durch Dr. H. waren sich sämtliche ärztliche Sachverständige - also auch Dr. N., Dr. K., Dr. M. und Prof. Dr. S. darin einig, dass die Klägerin über ein ausreichendes Restleistungsvermögen für den allgemeinen Arbeitsmarkt verfügt.
Die Feststellungen des Dr. H. zu einem zeitlich eingeschränkten Leistungsvermögen der Klägerin überzeugen den Senat nicht. Zunächst bleibt festzuhalten, dass Dr. H. im Wesentlichen die bereits bekannten Diagnosen wiederholt. Er nimmt auch keine aktuelle Verschlechterung der gesundheitlichen Situation bei der Klägerin an, sondern behauptet, dass die Einschränkungen schon seit Rentenantragstellung, d.h. Januar 2010, vorliegen würden. Die Begründung, warum er sozialmedizinisch zu einem anderen Ergebnis als alle anderen Ärzte gelangt, überzeugt nicht. Das Schmerzgeschehen sei dort nicht hinreichend berücksichtigt worden. Es wird aber beispielsweise nicht darauf eingegangen, dass im Frühjahr 2010 sowohl der damals behandelnde Orthopäde als auch der Neurologe mitgeteilt hatten, dass bei der Klägerin Arbeitsunfähigkeit aktuell nicht vorliege. Dr. H. kann auch aktuell nicht verdeutlichen, dass die Klägerin tatsächlich nur noch derart stark reduziert tätig werden könne. Dabei übernimmt er einfach ohne kritische Validierung die Angaben der Klägerin. Aus allgemeinen Zusammenhängen leitet er ab, dass auch bei der Klägerin Einschränkungen vorliegen müssten. Eine einzelfallbezogene psychometrische Testung ist nicht erfolgt. Auch bleibt bei den angestellten Vermutungen über Medikamentenfolgewirkungen unberücksichtigt, dass zuvor festgestellt worden war, dass die Klägerin ihre Medikamente nicht leitliniengerecht einnimmt, und insofern auch nur geringere Nebenwirkungen entstanden sein können. Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wäre im Übrigen aber auch bei Einschränkungen der Konzentration, der Merkfähigkeit und der Reaktion möglich, wenn die Arbeitsbedingungen erhöhte Anforderungen in diese Richtung ausschließen. Soweit Dr. H. darauf rekurriert, dass es kein besseres Verfahren zur Schmerzerkennung gebe, räumt er indirekt geradezu ein, dass auch bei dem von ihm genutzten Verfahren Schwächen bestehen. Da die Klägerin die Nachweispflicht hat, würden verbleibende Unsicherheiten bei der Ermittlung der anspruchsbegründenden Voraussetzungen aber ohnehin zu ihren Lasten gehen. Im vorliegenden Fall ist durch andere Fachgutachter aber eine objektivierbare Grundlage für ein alles überlagerndes und untherapierbares Schmerzgeschehen bisher nicht bestätigt worden.
Für die Frage der Rentengewährung ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts psychische Erkrankungen erst dann rentenrechtlich relevant werden, wenn trotz adäquater Behandlung (medikamentös, therapeutisch, ambulant und stationär) davon auszugehen ist, dass ein Versicherter die psychischen Einschränkungen dauerhaft nicht überwinden kann - weder aus eigener Kraft, noch mit ärztlicher oder therapeutischer Hilfe (BSG Urteil vom 12.09.1990 - 5 RJ 88/89; BSG Urteil vom 29.02.2006 - B 13 RJ 31/05 R - jeweils zitiert nach juris; BayLSG Urteil vom 21.03.2012 - L 19 R 35/08). Für den Senat ergibt sich aus den Feststellungen des Dr. I., dass eine leitliniengerechte medikamentöse Behandlung der Klägerin nicht erfolgt ist und weiter nicht erfolgt. Allein dies steht schon einer Rentengewährung, die auf Leiden des psychiatrischen Fachgebiets gestützt wird, entgegen.
Zwar kann in bestimmten Ausnahmefällen eine Rentengewährung wegen voller Erwerbsminderung auch dann erfolgen, wenn bei der Klägerin keine quantitative Einschränkung besteht; dazu müssten jedoch die Voraussetzungen für einen von der Rechtsprechung des BSG entwickelten sog. Katalogfall erfüllt sein, was aus Sicht des Senates nicht der Fall ist. Für die Prüfung ist nach dem BSG (Urt. v. 09.05.2012, B 5 R 68/11 R - zitiert nach juris) mehrschrittig vorzugehen. Zunächst ist festzustellen, ob mit dem Restleistungsvermögen Verrichtungen erfolgen können, die bei ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden, wie Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Maschinenbedienung, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen. Wenn sich solche abstrakten Handlungsfelder nicht oder nur unzureichend beschreiben lassen und ernste Zweifel an der tatsächlichen Einsatzfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen kommen, stellt sich im zweiten Schritt die Frage nach der besonderen spezifischen Leistungsbehinderung oder der Summierung ungewöhnlicher Einschränkungen und, falls eine solche Kategorie als vorliegend angesehen wird, wäre im dritten Schritt von der Beklagten eine Verweisungstätigkeit konkret zu benennen und die Einsatzfähigkeit dann hinsichtlich dieser Tätigkeit abzuklären (vgl. Gürtner in: Kasseler Kommentar, Stand August 2012, § 43 SGB VI Rn 37 mwN).
Für den Senat ergeben sich bereits keine ernsthaften Zweifel an der Einsatzfähigkeit der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, da fast alle Arbeitsfelder als grundsätzlich geeignet anzuführen wären. Aber selbst wenn man zur Annahme der ernstlichen Zweifel gelangen würde, so stellen jedenfalls die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen sich nicht als schwere spezifische Behinderung wie etwa eine - ggf. funktionale - Einarmigkeit und auch nicht als Summierung von ungewöhnlichen Einschränkungen dar. Eine solche Summierung würde voraussetzen, dass zu den Einschränkungen der Belastbarkeit, wie sie üblicherweise bei physisch und teilweise psychisch geschwächten Erwerbsfähigen zu beobachten sind, besondere weiter reichende Einschränkungen hinzutreten. Die bei der Klägerin festgestellten Einschränkungen sind dagegen gerade nicht so weitgehend.
Nachdem aus Sicht des Senats bei der Klägerin ein Restleistungsvermögen von täglich mindestens 6 Stunden vorliegt, hat sich bei der Klägerin weder volle, noch teilweise Erwerbsminderung nachweisen lassen. Dementsprechend sind weder der Hauptantrag, noch der erste Hilfsantrag der Klägerin begründet.
Auch der weiter hilfsweise gestellte Antrag auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) hat ebenfalls keinen Erfolg.
Zwar gehört die Klägerin von ihrem Geburtsjahrgang her zu den Altersgruppen, für die diese Übergangsvorschrift überhaupt in Betracht kommt.
Die Klägerin ist jedoch nicht berufsunfähig im Sinne dieser Vorschrift. Nach § 240 Abs. 2 SGB VI sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als 6 Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können.
Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hat für die Einstufung der verschiedenen beruflichen Tätigkeiten ein Mehrstufenschema entwickelt, das ursprünglich von vier Gruppen ausging (vgl. etwa schon BSG, Urt. vom 09.09.1986, Az. 5b RJ 82/85- zitiert nach juris). Jede Stufe wurde dabei durch Leitberufe klassifiziert. Der ersten Stufe gehörten Vorarbeiter mit Vorgesetztenfunktion und besonders hoch qualifizierte Facharbeiter an, der zweiten Stufe Facharbeiter in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von mehr als zwei Jahren und ihnen Gleichgestellte. Der dritten Stufe gehörten angelernte Arbeiter an, die eine erforderliche Ausbildungszeit von längstens zwei Jahren Dauer, aber mindestens drei Monaten absolviert hatten. Der Gruppe der Ungelernten waren schließlich die Versicherten zuzuordnen, deren Tätigkeit nicht zu einer höherwertigen Einstufung führte. An der bestehenden Einteilung haben sich auch nach der ergänzenden Einbeziehung der früheren Angestelltenberufe in ein neues Sechsstufenschema nur Äußerlichkeiten geändert (vgl. Gürtner in: Kasseler Kommentar, Stand August 2012, § 240 SGB VI, Rn. 24 mwN aus der Rechtsprechung).
Die Klägerin hat eine Fachtätigkeit erlernt und ausgeübt gehabt. Dabei zeigt die Klägerin zwar Argumente dafür auf, dass sie sich von einer einfachen Fachangestellten abgehoben haben könnte. Nach der vorliegenden Arbeitgeberauskunft und den weiteren Unterlagen ist die tarifvertragliche Einstufung aber die einer Bürokauffrau gewesen. Ausgehend von dieser Tätigkeit würde die Klägerin dann berufsunfähig sein, wenn sie weder diesen Beruf, noch eine andere Fachtätigkeit (gleiche Stufe) noch eine angelernte Tätigkeit (nächstniedrigere Stufe) ausüben könnte. Eine Verweisung auf ungelernte Tätigkeiten wäre unter dieser Prämisse ausgeschlossen.
Der Senat sieht nach den von ihm eingeholten Gutachten ein ausreichendes Restleistungsvermögen der Klägerin für die Tätigkeit einer Bürokauffrau. Soweit die Klägerseite und der Sachverständige Dr. H. auf Besonderheiten am zuletzt ausgeübten Arbeitsplatz abstellen - nahezu ausschließliche Computertätigkeit und besondere Stressbelastung - ist dies nicht der richtige Maßstab. Anders als bei der Feststellung von Arbeitsunfähigkeit kommt es nur auf das allgemeine abstrakte Berufsbild und nicht auf den konkreten Arbeitsplatz an. Arbeitsplätze als Bürokauffrau sind jedoch nicht zwingend mit nahezu ausschließlicher Computertätigkeit und besonderer Stressbelastung verbunden. Für den Senat ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen der Sachverständige Dr. K. bei der Klägerin für die Tätigkeit einer Bürokauffrau von einem Leistungsvermögen von unter 6 Stunden ausgegangen war, zumal er selbst dafür die Möglichkeit eines Einsatzes im Wechselrhythmus angeführt hatte. Die vom Senat als nachgewiesen angesehenen Einschränkungen der Arbeitsbedingungen (s.o.) könnten sowohl im Beruf der Bürokauffrau, als auch in einfacheren angelernten Bürotätigkeiten, auf die sich die Klägerin hilfsweise verweisen lassen müsste, beachtet werden. Damit ist auch Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Vorschrift bei der Klägerin nicht belegt.
Nach alledem war die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid Sozialgerichts Bayreuth vom 02.01.2013 als unbegründet zurückzuweisen. Die mit der Klage angefochtenen Bescheide der Beklagten waren zu Recht im Ergebnis nicht beanstandet worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
Saved