L 3 U 189/14

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 U 259/12
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 189/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. In der gesetzlichen Unfallversicherung versicherte Verrichtungen eines selbständig tätigen, kraft Satzung pflichtversicherten Unternehmers.
2. Hier: Versicherungsschutz eines Gleitschirm- und Drachenfluglehrers bei einem Flug mit einem Speedrider zu Demonstrations- bzw. Werbezwecken.
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 18. März 2014 sowie der Bescheid der Beklagten vom 19. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2012 aufgehoben und festgestellt, dass es sich bei dem Unfall des Klägers vom 23. November 2008 um einen Arbeitsunfall handelt.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten in vollem Umfang zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger und Berufungskläger begehrt die Feststellung, dass es sich bei dem Ereignis vom 23. November 2008 um einen Arbeitsunfall im Sinne von § 8 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) handelt.

Der 1962 geborene Kläger war seit Juni 2006 als selbständiger Gleitschirm- und Drachenfluglehrer sowie Ski- und Snowboardlehrer tätig. Ab 18. November 2008 befand er sich gemeinsam mit mehreren Bekannten, bei denen es sich um langjährige Flugschüler sowie ausgebildete Piloten handelte, auf einer für die Dauer von zehn Tagen geplanten Reise in H. (Spanien); der Rückflug war für den 29. November 2008 vorgesehen. Während der Reise verunglückte der Kläger am 23. November 2008, als er versuchte, mit einem "Speedrider" von einem Startplatz in Richtung Strand zu fliegen. Dabei erlitt er schwere Verletzungen im Bereich des Kopfes (Schädel-Hirn-Trauma mit Frakturen und Kontusionsblutungen), weswegen er bis Ende Januar 2009 in verschiedenen Einrichtungen stationär behandelt wurde.

Ende März 2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten und Berufungsbeklagten eine Unternehmerpflichtversicherung für seine Tätigkeit als Luftfrachtführer und Fluglehrer (Gleitschirm- und Drachenfluglehrer). Die Frage, ob sich im Unternehmen bereits Unfälle ereignet hätten, hatte der Kläger damals verneint. Die Beklagte stellte mit Zuständigkeits- und Veranlagungsbescheid vom 13. April 2010 einen Beginn der Versicherung rückwirkend ab 1. Juni 2006 fest; es handelt sich um eine Pflichtversicherung kraft Satzung. Versichert sind gewerbliche Passagierflüge sowie die Tätigkeit als Gleitschirm- und Drachenfluglehrer; nicht mitumfasst ist die Tätigkeit als Snowboard- und Skilehrer.

Mit Unfallanzeige vom 17. Juni 2010 zeigte der Kläger den Unfall vom 23. November 2008 bei der Beklagten an. Da er im Winter 2009 Speedriding habe anbieten wollen, habe er seinen Speedrider nach Spanien mitgenommen, um das zukünftige Training und die Möglichkeiten der Schulung auf diesem Gerät zu erproben sowie das notwendige Ausbildungskonzept auszuarbeiten. Dieses Angebot sollte als Ergänzung für seine Flugschule dienen, um Umsatzeinbußen im Winter auszugleichen und die unternehmerische Tätigkeit auf diesen Bereich auszudehnen. Eigentlich sei ein Speedrider dazu gedacht, mit Skiern die Piste hinabzufahren und kleine Sprünge durchzuführen. Auf Nachfrage der Beklagten ergänzte der Kläger weiter, er habe zum Saisonabschluss eine u.a. von ihm organisierte und betreute Reise nach H. durchgeführt. Diese sei nicht offiziell ausgeschrieben worden, um den Rahmen klein zu halten. Die Teilnehmer hätten die Reise über ihn gebucht; die Buchungen seien mündlich erfolgt. Auf der Reise habe er die Teilnehmer im Tandemflug und im Streckenfliegen aus- und fortbilden wollen. Die Kosten seien von den Teilnehmern selbst getragen worden. Vor der Reise nach Spanien habe er bereits erste Erfahrungen mit dem Speedrider gesammelt. Vor dem Unfall habe er den Speedrider an der Steilküste ausprobiert, sei dann aber ca. 4 m vor dem Strand ins Wasser gefallen, da er den Gleitwinkel überschätzt habe. Am Unfalltag habe er versucht, vom Startplatz in H. zum Strand runter zu riden. Da er sich bereits sehr früh im Rahmen der Reise verletzt habe, habe er darauf verzichtet, Rechnungen zu schreiben. Er sei froh, dass die Teilnehmer keine Schadensersatzansprüche geltend gemacht hätten.

Mit Bescheid vom 19. Juli 2012 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 23. November 2008 als Arbeitsunfall ab. Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung könnten nicht gewährt werden. Es habe nicht belegt werden können, dass es sich bei der Reise um eine Betriebsreise gehandelt habe. Zum konkreten Unfallzeitpunkt habe der Kläger außerdem keinen Flug mit dem Gleitschirm unternommen und Freunde oder Kollegen begleitet oder betreut, sondern einen Speedrider getestet. Es sei nicht zu erkennen, inwieweit der Speedridingversuch eine dem Unternehmen dienende Tätigkeit gewesen sei. Nach den Ermittlungen sei das Gelände für den Wintersport Speedriding nicht geeignet. Es sei von Übermut als Handlungsursache auszugehen, so dass letztlich von einem eigenwirtschaftlichen Handeln auszugehen sei.

Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und wies darauf hin, dass Speedriding inzwischen von verschiedenen Veranstaltern als Sommersportart angeboten werde. Diese Zielsetzung habe er damals ebenfalls verfolgt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ergänzend führte sie aus, dass der unfallbringende Flugversuch mit dem Speedrider keinen engen sachlichen Zusammenhang bzw. keinen aktuellen Bezug zu den versicherten betrieblichen Tätigkeiten erkennen lasse. Der Kläger sei zum Unfallzeitpunkt nicht als Ausbilder/ Fluglehrer in dieser Sportart, die überdies regelmäßig nicht am Strand betrieben werde, tätig gewesen. Nicht ausreichend sei, dass der Kläger Speedriding im Winter 2009 habe anbieten wollen. Der Einwand, Speedriding werde mittlerweile von verschiedenen Veranstaltern als Sommersportart angeboten, rechtfertige keine andere Beurteilung.

Dagegen erhob die damalige Bevollmächtigte des Klägers Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) und trug ergänzend vor, dass der Versicherungsschutz bereits mit vorbereitenden Tätigkeiten für ein Unternehmen beginne (vgl. § 136 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Vorgelegt wurden eine grobe Beschreibung des Reiseablaufs ("ein paar Vorab-Infos zur Saisonabschlussreise nach H. vom 18.-28.11.2008" mit Hinweis auf mögliche "Demorides mit Speedy vom Villenstartplatz zum Beach"), ein detaillierter Reiseplan (in dem für den 23. November 2008 eine "Speedy-Präsentation" genannt ist) sowie schriftliche Bestätigungen der Reiseteilnehmer D. und C. dahingehend, dass diese darüber informiert gewesen seien, dass der Kläger seinen Speedrider mitnehme, um die neue Sportart zu demonstrieren.

In einem Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 28. November 2013 erklärte der Kläger u.a. dass er alle Teilnehmer bereits seit mehreren Jahren kenne. Alle würden Ski fahren und Gleitschirm fliegen. Den Aus- und Fortbildungsplan habe er für sich erstellt, aber nicht an die Reiseteilnehmer ausgehändigt. Die Teilnehmer seien jedoch über spezielle Ausbildungsinhalte informiert gewesen. Ob er die "Vorab-Infos" ausgeteilt habe, wisse er nicht mehr. Den Speedrider habe er mitgenommen, um ihn den Teilnehmern vorzuführen. Eine spezielle Lizenz als Ausbilder habe er damals nicht gehabt. Nach der noch unklaren damaligen Rechtslage sei dies aber auch nicht unbedingt erforderlich gewesen. In der Schweiz hätten konkretere Regelungen gegolten, nach denen er zur Ausbildung befugt gewesen sei. Das Gelände, auf dem er den Test durchgeführt habe, schien ihm hierfür gut geeignet zu sein.

Anschließend vernahm das SG die Reiseteilnehmer M.D., K.B., B.B., B.W., G.N. und G.M. als Zeugen. Diese gaben zusammenfassend an, dass der Kläger individuelle Ausbildungspunkte mit ihnen habe absolvieren wollen, dass keiner den Unfall des Klägers beobachtet habe und dass bekannt gewesen sei, dass der Kläger den Speedrider mitnehmen und vorführen wollte. Lediglich die Zeugin B. sagte aus, sie habe vorher nicht gewusst, dass der Kläger den Speedrider dabei haben werde. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift des Termins zur Erörterung der Sach- und Rechtslage verwiesen

Die Beklagte trug hierzu vor, dass die Reise wohl tatsächlich aus einer Mischung aus privatem und unternehmerischem Interesse initiiert worden sei. Entscheidend sei jedoch, ob der zum Unfall führende Sprung mit dem Speedrider der unternehmerischen Tätigkeit des Klägers zuzurechnen sei. Zum Unfallzeitpunkt sei keine Vorführung für die Reisegruppe geplant gewesen. Keiner der Zeugen habe davon gewusst. Stattdessen habe der Kläger den Speedrider für sich testen wollen. Ein solcher Test könne nur dann unter Versicherungsschutz stehen, wenn eine reelle Möglichkeit bestehe, den neuen Schirm in einer Flugschule gewinnbringend einzusetzen. Anderenfalls fehle es an der Unternehmensbezogenheit. Diesen Nachweis habe die Zeugenbefragung jedoch nicht erbracht. Die meisten Befragten hätten im Gegenteil geäußert, kein Interesse an dem Speedrider zu haben.

Die Bevollmächtigte des Klägers verwies auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), wonach es maßgeblich darauf ankomme, ob der Beschäftigte eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Handlung ausüben wolle und ob diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt werde (BSG, Urteil vom 10. Oktober 2006 - B 2 U 20/05 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 19 und juris). Hieraus folge dass die Zielrichtung des Handelns betriebsdienlich sein müsse. Ob dieses Ziel tatsächlich auch erreicht werden könne oder warum nicht, spiele dagegen keine Rolle (siehe Becker/ Franke/ Molkentin, SGB VII, Kommentar, 3. Auflage 2010, § 8 Rn. 45). Dieser Zusammenhang sei aufgrund der Zeugenaussagen gegeben. Allerdings seien die Aussagen - so hätten es die Zeugen in der mündlichen Verhandlung erklärt - von dem Erleben des Unfalls geprägt gewesen, der die Gefährlichkeit verdeutlicht habe.

In der mündlichen Verhandlung am 18. März 2014 erläuterte der Kläger, dass am Unfalltag von den Reiseteilnehmern zwar niemand seinen Start beobachtet habe, allerdings hätten die Teilnehmer ihn mit dem Speedrider fliegen sehen sollen. Die Flugschule, in der er tätig gewesen sei, habe ab 2010 Schnupperkurse in dieser Sportart angeboten.

Mit Urteil vom 18. März 2014 (S 8 U 259/12) wies das SG die Klage ab. Der Kläger habe bei seiner zum Unfall führenden Verrichtung am 23. November 2008, dem Flugversuch mit dem Speedrider, nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden. Es sei insbesondere nicht nachgewiesen, dass zumindest einigen Teilnehmern bekannt gewesen sei, dass der Kläger den Speedrider am 23. November 2008 habe testen und vorführen wollen. Versicherungsschutz habe lediglich für die Tätigkeit als Gleitschirm- und Drachenfluglehrer bestanden. Zwar sei einem Unternehmer in der Position des Klägers zuzubilligen, dass er neue Sportgeräte bzw. Sportarten hinsichtlich möglicher Geschäftschancen ins Auge fasse. Hier sei die Verbindung zur versicherten Tätigkeit bei normativer Betrachtung jedoch noch zu vage gewesen, als dass bereits Versicherungsschutz angenommen werden könnte. Bei dem unfallbringenden Flugversuch am 23. November 2008 habe es sich nicht um eine unversicherte Vorbereitungshandlung gehandelt. Der Test habe überdies nicht unter den Bedingungen stattgefunden, unter denen der Speedrider aus damaliger Sicht geschäftlich ganz überwiegend hätte genutzt werden können. Denn Speedriding habe damals als Wintersportart gegolten, bei der mit Skiern geflogen werde.

Gegen das der damaligen Bevollmächtigten am 27. März 2014 zugestellte Urteil hat der jetzige Bevollmächtigte des Klägers am 25. April 2014 Berufung eingelegt. Das SG habe die Zeugenaussagen zu Unrecht dahingehend gewertet, dass die Reiseteilnehmer von der Flugvorführung nichts gewusst hätten. Tatsächlich sei es so gewesen, dass der Kläger zum Ende des Ausbildungstages am 23. November 2008 mit dem Zeugen B. zum Strand hinunterfliegen wollte, wo sich die übrigen Teilnehmer befunden hätten. Der Kläger seinerseits habe ausgeführt, dass die Demonstrationen mit dem Speedrider dazu hätten dienen sollen, dessen Anwendungsbereich als Sommersportgerät zu beweisen. Die Reiseteilnehmer seien potentielle Kunden und ggf. Multiplikatoren gewesen. Als selbständiger Fluglehrer müsse der Kläger darauf bedacht sein, sein Angebot aktuell zu halten und auch neue Entwicklungen anzubieten.

In einem Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 17. November 2016 ist der Kläger erneut angehört worden. Außerdem sind die Zeugen D., K.B. und N. vernommen worden. Diese haben übereinstimmend angegeben, dass es ihnen wichtig gewesen sei, dass ein erfahrener Fluglehrer bei der Reise dabei sei, der sich mit den Start- und Landeplätzen auskenne, die Wetterverhältnisse einschätzen könne und individuelle Anleitungen geben könne. Auf der Reise habe der Kläger immer wieder Werbung für den Speedrider gemacht. Der Kläger habe das Angebot seiner Flugschule insoweit erweitern wollen. Den fraglichen Flug am Unfalltag mit dem Speedrider habe er der Gruppe vorher angekündigt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift des Termins zur Erörterung der Sach- und Rechtslage verwiesen.

Die Beklagte hat nun Bedenken dagegen geltend gemacht, dass der Kläger die Reise in seiner Eigenschaft als Fluglehrer angetreten habe. Der Charakter einer Urlaubsreise unter sport-/gleitschirmbegeisterten Bekannten könne nicht hinweggedacht werden. Jedenfalls aber habe im Unfallzeitpunkt kein Unfallversicherungsschutz bestanden. Der sachliche Zusammenhang mit dem Unternehmen sei nur zu bejahen, wenn die in Frage stehende Tätigkeit für das Unternehmen unmittelbare konkrete Bedeutung habe. Allgemeine Überlegungen, ein Handeln könne geschäftsnützlich sein, würden nicht genügen. Dies gelte auch für die Kundenwerbung, der man eine gewisse Erfolgsaussicht beimessen müsse. Ein strenger Beurteilungsmaßstab sei insbesondere dann anzunehmen, wenn werbeartige Tätigkeiten mit Verhaltensweisen zusammenfallen würden, die ihrer Art nach auch im privaten Leben anfallen würden (BSG, Urteil vom 30. Juli 1981 - 8/8a RU 58/80 -). Allein die Anwesenheit eines Geschäftspartners oder eines möglichen Kunden sei nicht ausreichend. Die alsbaldige Durchführung von Speedriding-Kursen durch den Kläger sei damals noch nicht zu erwarten gewesen. Letztlich habe ein unversicherter Flugversuch im Sinne einer privaten Übung an einem neuen Sportgerät vorgelegen. Da das Speedriding schließlich häufiger mit dem Skisport in Verbindung gebracht werde, könnte es auch der unversicherten Tätigkeit als Ski- und Snowboardlehrer zugeordnet werden.

In der mündlichen Verhandlung vom 4. Juli 2017 hat der Senat außerdem die Zeugen B.B. und W. vernommen sowie den Kläger angehört. Der Kläger hat erklärt, seine Einkünfte im Wesentlichen durch die Flugschule zu erzielen. Seine Tätigkeit als Skilehrer sei allenfalls kostendeckend. Bei der Reise habe er einen Tagessatz von 200,00 Euro erzielen wollen. Bei der rückwirkenden Anmeldung zur Versicherung sei er sich nicht bewusst gewesen, dass es sich bei dem fraglichen Ereignis um einen versicherten Unfall gehandelt haben könnte. Hierauf habe ihn erst später die Zeugin B. hingewiesen. Bezüglich seiner Absichten das Speedriding betreffend hat der Kläger ausgeführt, dass er über seine Flugschule bereits in der Saison 2008/2009 an der A. bei N-Stadt Schnupperkurse zum Speedriding habe anbieten wollen. Hierzu habe er Gespräche mit dem damaligen Vorsitzenden des A.-Fliegervereins geführt. Die Schnupperkurse hätten angeboten werden sollen, wenn die Nachfrage nach Snowboardkursen nachlasse. Im Winter 2009/2010 habe er außerdem Speedridingkurse in Spanien anbieten wollen. Die Gegend um M. sei in der Gleitschirmszene sehr bekannt und er habe sich dadurch von den anderen Flugschulen abgrenzen wollen. Diesbezüglich habe er erste Vorgespräche mit einem befreundeten Paar geführt, welches ebenfalls Fluglehrer sei und in Spanien verschiedene Pensionen betreibe.

Die Zeugin B. hat angegeben, dass es sich um eine Art Urlaub mit Freunden, aber gleichzeitig mit Fortbildungscharakter gehandelt habe. Der Kläger habe die Teilnehmer außerdem für den Speedrider begeistern wollen. Sie meine heute, dass sie gewusst habe, dass der Kläger den Speedrider mitnehmen wollte. Weshalb sie vor dem SG eine andere Aussage gemacht habe, könne sie nicht mehr sagen. An die schriftliche Bestätigung vom 27. März 2013 könne sie sich gar nicht mehr erinnern. Die Teilnehmer hätten am Strand darauf gewartet, dass der Kläger endlich starte. Der Zeuge W. hat erläutert, dass die Reise Teil seiner Tandemausbildung habe sein sollen. Er habe gewusst, dass der Kläger die Teilnehmer für den Speedrider habe begeistern wollen. Er habe auch gewusst, dass der Kläger den Speedrider damals vorführen wollte. Sie hätten den Start des Klägers sehen können und hätten bemerkt, dass der Kläger irgendwie verunglückt sei. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Der Zeuge G.M. konnte aufgrund einer sehr schweren Erkrankung im Berufungsverfahren nicht erneut vernommen werden.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt, 1. das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 18. März 2014, Az.: S 8 U 259/12, wird aufgehoben. 2. Unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 19. Juli 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Oktober 2012 wird festgestellt, dass der Unfall des Klägers vom 23. November 2008 ein Arbeitsunfall war.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge, die beigezogene Akte der Beklagten sowie die Niederschriften über die Termine am 28. November 2013, am 18. März 2014, am 17. November 2016 und am 4. Juli 2017 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG) und bedarf gemäß § 144 SGG keiner Zulassung.

Die Berufung des Klägers ist auch begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klage auf Feststellung, dass es sich bei dem Ereignis vom 23. November 2008 um einen Arbeitsunfall handelt, ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungklage zulässig (vgl. BSG, Urteil vom 15. Mai 2012 - B 2 U 8/11 R -, BSGE 111, 37 und juris Rn. 13 m.w.N.) und begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 19. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2012 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Denn das Ereignis vom 23. November 2008 stellt einen Arbeitsunfall des Klägers dar.

Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb "Versicherter" ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis) und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Bedingung für die Feststellung eines Arbeitsunfalls (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 17. Februar 2009 - B 2 U 18/07 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 31 und juris Rn. 9 m.w.N.; BSG, Urteil vom 4. Dezember 2014 - B 2 U 18/13 R -, BSGE 118, 18 und juris Rn. 16 m.w.N.), kann aber Voraussetzung sein für einen etwaigen Leistungsanspruch.

Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist daher in der Regel erforderlich, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, einerseits der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, und dass diese Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat. Zunächst muss also eine Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der innere bzw. sachliche Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht. Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Nachweis erforderlich (BSG, Urteil vom 18. März 2008 - B 2 U 2/07 R -, SozR 4-2700 § 6 Nr. 1 und juris Rn. 16 m.w.N.).

Dabei müssen das Vorliegen einer versicherten Verrichtung zur Zeit des Unfalls, das Unfallereignis selbst sowie der Gesundheitserstschaden und die Unfallfolgen im Überzeugungsgrad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen sein. Für die Nachweise der Ursachenzusammenhänge zwischen Verrichtung und Unfallereignis sowie zwischen Unfallereignis und Gesundheitserstschaden bzw. Unfallfolgen gilt der Beweismaßstab der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit; die bloße Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 2. April 2009 - B 2 U 29/07 R - juris Rn. 16; BSG, Urteil vom 17. Februar 2009 - B 2 U 18/07 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 31 und juris Rn. 12 m.w.N.). Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden (BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 - B 2 U 5/10 R -, SozR 4-2700 § 200 Nr. 3 und juris Rn. 20).

Bezogen auf den vorliegenden Fall ergibt sich danach folgendes:

Unmittelbar vor dem fraglichen Unfallereignis vom 23. November 2008 ist der Kläger mit seinem Speedrider gestartet. Er hatte die Absicht, zum Strand hinunterzufliegen. Aufgrund von Problemen beim Start oder unmittelbar nach dem Start ist es dem Kläger jedoch nicht gelungen, rechtzeitig an Höhe zu gewinnen. Er ist vielmehr an einem Gebüsch hängengeblieben und abgestürzt. Dabei handelt es sich zweifellos um ein Unfallereignis im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII. Als Gesundheitserstschaden hat der Kläger dabei jedenfalls ein schweres Schädel-Hirn-Trauma mit Frakturen und Einblutungen erlitten. Der Kläger war zur Zeit des Unfalls außerdem grundsätzlich bei der Beklagten mit seiner selbständigen Tätigkeit als Gleitschirm- und Drachenfluglehrer einschließlich gewerblicher Passagierflüge kraft Satzung pflichtversichert (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII i.V.m. der Satzung der Beklagten); die Beklagte hatte diese Versicherung mit Bescheid vom 13. April 2010 rückwirkend ab 1. Juni 2006 festgestellt. Unschädlich ist vorliegend, dass sich der Unfall im Ausland ereignet hat, denn es liegt ein Fall einer Ausstrahlung vor (vgl. § 3 Nr. 1, § 4 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - SGB IV - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung)

Der Kläger hat im Zeitpunkt des Unfallereignisses schließlich auch eine versicherte Tätigkeit ausgeübt und damit alle Tatbestandmerkmale eines Arbeitsunfalls erfüllt. Unter Zugrundelegung der maßgeblichen Grundsätze der Rechtsprechung des BSG erfüllt der zum Unfall führende Flug mit dem Speedrider hier den Tatbestand der Unternehmerversicherung; der Flug stand in einem inneren (bzw. sachlichen) Zusammenhang zu der versicherten Tätigkeit als Gleitschirm- und Drachenfluglehrer einschließlich gewerblicher Passagierflüge.

Insoweit ist zur Rechtsprechung des BSG zunächst zu erläutern, dass der Begriff der "Erfüllung des Versicherungstatbestandes" dem (früheren) Begriff des "inneren oder sachlichen Zusammenhanges zwischen der Verrichtung und der versicherten Tätigkeit" entspricht (BSG, Urteil vom 26. Juni 2014 - B 2 U 4/13 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 52 und juris Rn. 18). Es kann daher auf die Ausführungen des BSG zu beiden Begrifflichkeiten zurückgegriffen werden. Danach gilt folgendes:

Versicherter im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ist jemand nur, wenn, solange und soweit er den Tatbestand einer versicherten Tätigkeit durch eigene Verrichtungen erfüllt. Eine Verrichtung ist jedes konkrete Handeln eines Verletzten, das (objektiv) seiner Art nach von Dritten beobachtbar und (subjektiv) - zumindest auch - auf die Erfüllung des Tatbestands der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet ist. Diese innere Tatsache der subjektiven Ausrichtung des objektiven konkreten Handelns des Verletzten wird als "Handlungstendenz" bezeichnet. Wenn das beobachtbare objektive Verhalten allein noch keine abschließende Subsumtion unter den jeweiligen Tatbestand der versicherten Tätigkeit erlaubt, diese aber auch nicht ausschließt, kann die finale Ausrichtung des Handelns auf die Erfüllung des jeweiligen Tatbestands, soweit die Intention objektiviert ist (sog. objektivierte Handlungstendenz), die Subsumtion tragen. Die bloße Absicht einer Tatbestandserfüllung reicht hingegen nicht (BSG, Urteil vom 5. Juli 2016 - B 2 U 5/15 R -, zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen, SozR 4-2700 § 2 Nr. 35 und juris Rn. 15 m.w.N.). Für die Beurteilung der Versicherteneigenschaft maßgebender Ausgangspunkt ist die unmittelbar vor Eintritt des Unfallereignisses jeweils ausgeübte Verrichtung. Sie ist möglichst konkret zu beschreiben (BSG, Urteil vom 26. Juni 2014 - B 2 U 4/13 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 52 und juris Rn. 21 m.w.N.).

Im Bereich der Unternehmerversicherung sind alle Tätigkeiten versichert, die im inneren Zusammenhang mit dem Unternehmen stehen, auch alle Nebentätigkeiten. Die zum Unfall führende Verrichtung muss sowohl objektiv als auch subjektiv auf die Erfüllung des Tatbestands der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet sein (BSG, Urteil vom 3. April 2014 - B 2 U 25/12 R -, BSGE 115, 256 und juris Rn. 29). Der innere Zusammenhang setzt stets voraus, dass der Versicherte - ob abhängig beschäftigt oder selbständig tätig - eine Tätigkeit ausübt, die dem Betrieb zu dienen bestimmt ist. Sie muss von der Handlungstendenz des Versicherten getragen sein (BSG, Urteil vom 19. Dezember 2000 - B 2 U 37/99 R -, BSGE 87, 224 und juris Rn. 16). Bei selbständig Tätigen ist zu beachten, ob sich die jeweilige Tätigkeit im Rahmen des Unternehmens hält und die zum Unfall führende Verrichtung als solche im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit liegt. Dabei helfen allgemeine Überlegungen zu einer "Unternehmensdienlichkeit" des Verhaltens des Versicherten zur Zeit des Unfalls nicht weiter. Gerade bei versicherten Unternehmern ist der Kreis der Verrichtungen, die als "unternehmensdienlich" angesehen werden können, mit weiten Teilen des Privatlebens verwoben; maßgebliches Kriterium für die wertende Entscheidung über den sachlichen Zusammenhang zwischen der grundsätzlich versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls ist hier die durch die objektiven Umstände gestützte Handlungstendenz des Versicherten, ob er eine seinem Unternehmen dienende Verrichtung ausüben wollte (BSG, Urteil vom 18. März 2008 - B 2 U 2/07 R -, SozR 4-2700 § 6 Nr. 1 und juris Rn. 18 f. m.w.N.). Zum Schutzzweck der freiwilligen Unternehmerversicherung des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII hat das BSG präzisiert, dass versichert sein soll, was objektiv zur Erfüllung der Aufgaben der angezeigten Unternehmertätigkeit getan wird, ob also durch die Verrichtung eigene Unternehmeraufgaben erfüllt werden (BSG, Urteil vom 18. September 2012 - B 2 U 20/11 R -, SozR 4-2700 § 6 Nr. 3 und juris Rn. 26).

Zur versicherten Tätigkeit als Unternehmer zählen auch die mit diesem Unternehmen zusammenhängenden verwaltenden und werbenden Tätigkeiten, also alle Verrichtungen, die dem kaufmännischen und verwaltenden Teil des Unternehmens zu dienen bestimmt sind. Für die Zuordnung einer bestimmten Tätigkeit zu einem Unternehmen ist entscheidend nicht auf die subjektiven Vorstellungen des Unternehmers abzustellen, weil anderenfalls eine nicht mehr abgrenzbare Ausuferung des Versicherungsschutzes von versicherten Unternehmern einsetzen würde. Maßgeblich ist vielmehr eine objektive Betrachtungsweise dahin, ob ein anhand objektiver Kriterien nachvollziehbarer Zusammenhang mit dem Unternehmen anzunehmen ist (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juni 2002 - B 2 U 24/01 R -, juris Rn. 15).

Vorliegend ist der Senat aufgrund der Angaben der Zeugen sowie des Klägers davon überzeugt, dass es sich bei der Reise nach Spanien für den Kläger um eine zwar teilweise privat motovierte, teilweise aber auch betrieblich veranlasste Tätigkeit gehandelt hat, die seiner versicherten unternehmerischen Tätigkeit als Gleitschirm- und Drachenfluglehrer zuzurechnen ist.

Die Angaben der Zeugen sind für den Senat grundsätzlich glaubwürdig. Dabei verkennt der Senat nicht, dass zwischen dem Kläger und jeder vernommenen Zeugin bzw. jedem vernommenen Zeugen eine mehr oder minder enge freundschaftliche bzw. bekanntschaftliche Beziehung besteht. Dies allein macht die Aussagen der Zeugen jedoch nicht unglaubwürdig. Demgegenüber haben sich für den Senat keine Anhaltspunkte dahingehend ergeben, dass die Aussagen zwischen den Zeugen und/ oder mit dem Kläger abgestimmt worden sein könnten. Vielmehr ergab sich sowohl im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 17. November 2016 als auch in der mündlichen Verhandlung am 4. Juli 2017 der Eindruck, dass alle Zeugen offen und nach bestem Wissen und Gewissen ihre Angaben getätigt haben. Gegen ein abgestimmtes, zweckgerichtetes Aussageverhalten sprechen außerdem die in Details abweichenden Angaben der Zeugen, die sich wiederum nicht immer vollständig mit den Angaben des Klägers gedeckt haben. Andererseits erschüttern diese Abweichungen nicht die Glaubwürdigkeit der Zeugen, sondern erklären sich natürlicherweise durch den nicht unerheblichen Zeitablauf seit dem Unfall.

Auch die Angaben des Klägers sind für den Senat glaubwürdig. Der Kläger hat sehr offen über die Geschehnisse und seine geschäftlichen Planungen gesprochen. Der Eindruck zielgerichteter Angaben hat sich nicht eingestellt.

Die Reise war danach insoweit privat motiviert, als sich der Teilnehmerkreis aus dem Umfeld des Gleitschirmfliegens heraus bereits seit mehreren Jahren kennt und freundschaftlich bzw. bekanntschaftlich miteinander verbunden ist. Bereits im Jahr zuvor hatte eine ähnliche Reise stattgefunden. Die Organisation der Reise war gemeinsam durch den Kläger sowie die Zeugin B. erfolgt. Die Reise war jedoch für den Kläger auch Teil seiner versicherten Tätigkeit als Gleitschirm- und Drachenfluglehrer. Alle Reiseteilnehmer haben übereinstimmend angegeben, dass es für sie entscheidend gewesen ist, dass der Kläger als erfahrener Lehrer an der Reise teilnimmt. Für seine Hilfestellungen im Rahmen der Gleitschirmflüge (insbesondere Durchführung von individuellen Aus- bzw. Fortbildungseinheiten - mit dem Zeugen C. sollten z.B. Tandemflüge trainiert werden -, Tipps zu den Start- und Landeplätzen, Wetterbriefing, Durchführen bestimmter Übungen, Flugbetreuung über Funk, Hilfe bei Start und Landung) sollte der Kläger nach der Reise eine seinem konkreten Aufwand entsprechende Bezahlung erhalten. Der Kläger hat mit Einnahmen von insgesamt 200 Euro am Tag gerechnet. Dies erscheint dem Senat plausibel und realistisch.

Auch die hier konkret zum Unfall führende Tätigkeit, der Start bzw. der Beginn des Fluges mit dem Speedrider am 23. November 2008 vom Startplatz nahe des von der Gruppe gemieteten Ferienhauses (häufig als "Villa" bezeichnet) hinunter zum Strand war Teil der unternehmerischen Tätigkeit des Klägers als Gleitschirm- und Drachenfluglehrer.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Speedriding nach Auffassung des Senats zum Berufsbild eines Fluglehrers für Gleitschirm- und Drachenflug zählt. Dies ergibt sich aus den für den Senat glaubwürdigen Angaben des Klägers. Denn die Sportart kann nur von Personen ausgeübt werden, die bereits Flugerfahrung haben. Bei dem Sportgerät des Speedriders handelt es sich um einen speziellen Gleitschirm, der gegenüber einem "normalen" Gleitschirm im Wesentlichen über abweichende Flugeigenschaften verfügt. So ermöglicht der Speedrider z.B. sowohl das Fliegen in niedriger als auch in größerer Höhe; außerdem ist ein Speedrider zur Verwendung bei größeren Windstärken geeignet. Auch wenn das Speedriding häufig im Zusammenhang mit Ski- und Snowboardfahren ausgeübt wird, besteht mit diesen Sportarten kein notwendiger oder enger Zusammenhang dergestalt, dass aus dem Speedriding ein Teilbereich oder eine Sonderform des Skifahrens würde. Denn das Speedriding erfordert nicht die Kenntnisse eines Ski- oder Snowboardfahrers, sondern diejenigen eines Gleitschirmfliegers.

Der zum Unfall führende Start des Klägers mit dem Speedrider am 23. November 2008 diente - im Sinne der oben dargelegten Grundsätze der Rechtsprechung des BSG - objektiv und subjektiv der Erfüllung der Aufgaben, die zur Unternehmertätigkeit des Klägers als Gleitschirm- und Drachenfluglehrer gehören. Diese konkrete Verrichtung lag im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit des Klägers. Es handelte sich nicht um eine bloße, in der Regel unversicherte Vorbereitungshandlung (vgl. zum Versicherungsschutz bei Vorbereitungshandlungen insbesondere BSG, Urteil vom 28. April 2004 - B 2 U 26/03 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 5 und juris Rn. 16 mit zahlreichen Beispielen; vgl. außerdem: BSG, Urteil vom 13. November 2012 - B 2 U 27/11 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 45 und juris Rn. 19 f.).

Der Senat ist sich bei seiner Bewertung der Problematik der Abgrenzung solcher Tätigkeiten, die dem Betrieb zu dienen bestimmt sind, von solchen Tätigkeiten, die dem privaten, unversicherten Bereich zuzuordnen sind, durchaus bewusst. Diese Abgrenzung ist insbesondere bei selbständig Tätigen oft nicht ganz einfach, weil es hier häufig zu Überschneidungen zwischen betriebsdienlichen Verrichtungen und dem Privatleben kommen kann. Es kann daher z.B. nicht angenommen werden, dass jeder Flug mit einem Gleitschirm oder auch (wie hier) mit einem Speedrider sich im Rahmen des Unternehmens hält, nur weil er von einem Gleitschirmfluglehrer durchgeführt wird. Andererseits ist nicht jeder Flug, der nicht bereits unmittelbar mit einer entsprechenden Lehrtätigkeit und/ oder der Erzielung von Einnahmen verbunden ist, automatisch dem privaten und damit unversicherten Bereich zuzuordnen.

Vorliegend stand der zum Unfall führende Start mit dem Speedrider objektiv und subjektiv in einem engen sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit des Klägers als Gleitschirm- und Fluglehrer, weil es sich vorliegend um einen angekündigten Demonstrationsflug vor den Reiseteilnehmern, die auf der Reise auch Kunden des Klägers gewesen sind, gehandelt hat. Dass alle Teilnehmer von dem beabsichtigten Demonstrationsflug wussten und den Flug des Klägers beobachten wollten, steht für den Senat fest aufgrund der glaubhaften und im Ergebnis übereinstimmenden Angaben der Zeugen. Danach hielten sich - abgesehen von dem Zeugen B., dem es an diesem Tag nicht so gut ging - alle übrigen Reiseteilnehmer im Bereich des Landeplatzes am Strand auf. Sie wussten, dass der Kläger mit dem Speedrider von Startplatz in der Nähe der "Villa" an den Strand fliegen wollte und warteten darauf, ihn fliegen zu sehen. Dass sie den Start selbst nicht beobachten konnten, ändert hieran nichts. Denn es wird sich bei einer Tätigkeit wie dem Fliegen mit einem Speedrider, bei dem gewisse Höhenunterschiede und Entfernungen überwunden werden, nicht immer realisieren lassen, dass Zuschauer den gesamten Flug einschließlich Start und Landung beobachten können. Der Senat ist außerdem davon überzeugt, dass der Kläger den Speedrider mit auf die Reise genommen hat, um für diesen bei den Reiseteilnehmern zu werben. Dies ergibt sich aus den ebenfalls übereinstimmenden Angaben der Zeugen, wonach der Kläger ihnen auf der Reise immer wieder die Vorzüge des Speedriders geschildert hat. Die Frage, ob den Reiseteilnehmern bekannt gewesen ist, dass bzw. aus welchen Gründen der Kläger seinen Speedrider mit auf die Reise nehmen würde, ist aus Sicht des Senats nicht relevant.

Es handelte sich mithin vorliegend nicht (mehr) um einen Probeflug des Klägers, der sich mit einem neuen Sportgerät vertraut machen wollte (ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen eine derartige Tätigkeit versichert wäre, kann der Senat dahinstehen lassen), sondern um eine nach außen dokumentierte Werbemaßnahme. Werbung stellt eine dem Unternehmen dienende Tätigkeit dar. Der Kläger erwartete sich von den Reiseteilnehmern eine gewisse Mundpropaganda innerhalb der Gleitschirmfliegerszene für sich und sein neues Angebot. Realistischer Weise konnte er sich eine besondere Multiplikatorenfunktion insbesondere von dem Zeugen W. versprechen, der Inhaber eines Hotelbetriebes in C-Stadt ist. Insoweit ist der Senat außerdem davon überzeugt, dass der Kläger das Speedriding alsbald als neue Leistung in das Angebot seines Unternehmens aufnehmen wollte. Wie der Kläger selbst glaubhaft angegeben hat, wollte er bereits konkret im Winterhalbjahr 2008/2009 auf der A. Schnupperkurse anbieten. Darüber hinaus wollte er in Kooperation mit einem befreundeten Paar, welches einen Pensionsbetrieb bei M. hat, ab dem Winterhalbjahr 2009/2010 Gleitschirm-Reisen nach Spanien anbieten und sich in dem stark umkämpften Markt durch ein Zusatz-Angebot mit Speedriding-Kursen abheben. In diesem Zusammenhang hat der Kläger nachvollziehbar dargelegt, dass Reisen nach Spanien wetterbedingt insbesondere in den Wintermonaten interessant sind und durchgeführt werden. Dies erklärt den notwendigen zeitlichen Vorlauf. Der Zeuge B. hat bei seiner Vernehmung vor dem SG bestätigt, dass es sich bei ihrer Reise um eine Probereise gehandelt hat. Auch die Zeugin D. hat angegeben, dass der Kläger die Eignung des Gebietes für Flugschüler testen wollte.

Anders als das SG sieht der Senat in dem Umstand, dass ein Speedrider häufig als Winterportgerät zum Einsatz kommt bzw. damals gekommen ist, keinen wesentlichen Gesichtspunkt, der hier gegen das Vorliegen einer versicherten Verrichtung spricht. Denn es entsprach gerade der Absicht des Klägers, sich in einer (damals) erst relativ neu aufkommenden Sportart als einer der ersten im Markt zu positionieren und mit einem besonderen Angebot von Konkurrenten abzuheben, um sich dadurch Wettbewerbsvorteile zu verschaffen.

Die konkrete, zum Unfall führende Verrichtung des Klägers ist vorliegend auch nach Sinn und Zweck der Unternehmerversicherung in den Versicherungsschutz einzubeziehen. Denn es gehört wesentlich mit zu einer unternehmerischen Tätigkeit, dass sich der Unternehmer neue Geschäftsfelder erschließt, um die Wettbewerbsfähigkeit seines Unternehmens auf Dauer zu erhalten. Hierzu gehört es, neue Tätigkeitsfelder zu erkunden und das Interesse des Marktes bzw. etwaiger Kundschaft zu prüfen. Vorliegend hat der Kläger ein neues Sportgerät bzw. eine neue Sportart auf mögliche Geschäftschancen geprüft. Tätigkeiten, die wie hier diesem Zweck dienen, sind versichert, wenn sich die subjektive Absicht auch objektiv nach außen verfestigt und konkretisiert. Dies ist hier dadurch geschehen, dass Dritte an der Verrichtung (hier der Demonstration des Speedriders) beteiligt gewesen sind. Zudem war den Reiseteilnehmern bekannt, dass der Kläger eine Ausweitung seines Angebotes beabsichtigt hatte. Darüber hinaus gab es die oben dargestellten konkreten Planungen des Klägers, das Angebot seiner Flugschule entsprechend zu erweitern. Es wäre zu kurz gegriffen, nur solche Tätigkeiten in den Versicherungsschutz einzubeziehen, die bereits unmittelbar der Erzielung von Einnahmen dienen. Zu berücksichtigen ist auch, dass es grundsätzlich dem Unternehmer obliegt zu entscheiden, wie er seine betrieblichen Tätigkeiten verrichtet. Grundsätzlich mitumfasst sind dabei auch Tätigkeiten, die sich ggf. im Nachhinein als nicht erfolgreich oder unwirtschaftlich herausstellen.

Ergänzend kann der Gedanke des § 136 Abs. 1 Satz 2 SGB VII herangezogen werden. Nach dieser Vorschrift beginnt ein Unternehmen bereits mit den vorbereitenden Arbeiten für das Unternehmen. Diese Regelung gilt zwar unmittelbar nur für den Beginn eines völlig neuen Unternehmens, was auf den hiesigen Sachverhalt nicht zutrifft. Allerdings kann für das Erschließen neuer Geschäftsfelder jedenfalls keine restriktivere Regelung gelten. Die sowohl von der Rechtsprechung des BSG als auch von der Kommentarliteratur im Interesse der Rechtssicherheit und Beweisbarkeit geforderte ausreichende Konkretisierung des neuen Geschäftsfeldes durch nach außen gerichtete Tätigkeiten (vgl. BSG, Urteil vom 20. März 1981 - 8/8a RU 8/80 -, BSGE 51, 253 und juris Rn. 21 ff.; Ricke, in: Kasseler Kommentar, § 136 SGB VII, Rn. 12; Quabach, in: Schlegel/ Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Auflage 2014, § 136 SGB VII, Rn. 34; Schlaeger, in: BeckOK SozR, Rolfs/ Giesen/ Kreikebohm/ Udsching, Stand 03/2017, § 136 SGB VII Rn. 3; ähnlich wohl auch Diel, in: Hauck/ Noftz, SGB, Kommentar, Stand 02/2017, § 136 SGB VII, Rn. 11) ist zur Überzeugung des Senats aus den oben dargelegten Gründen erfüllt. Das BSG hat in seinem (bereits älteren) Urteil ausgeführt, dass die Abgrenzung am Zweck der Unfallversicherung ausgerichtet sein muss. Dabei darf einerseits die freie unternehmerische Tätigkeit nicht behindert werden; andererseits muss aber auch eine wirksame Kontrolle des versicherten Risikos durch die Unfallversicherungsträger gewährleistet sein (BSG, Urteil vom 20. März 1981 - 8/8a RU 8/80 -, BSGE 51, 253 und juris Rn. 21). Genau diesen beiden Aspekten trägt der Senat hier Rechnung, wenn er einerseits das Erschließen neuer Geschäftsfelder grundsätzlich in den Unfallversicherungsschutz einbezieht, andererseits jedoch eine ausreichende Konkretisierung fordert, die hier in einem Tätigwerden nach außen gegenüber Dritten liegt. Es liegt somit nicht allein in der Hand des Klägers, durch entsprechende Behauptungen bezüglich des Zweckes seines Handeln den Umfang seines Versicherungsschutzes zu bestimmen. Die Beurteilung durch den Senat führt mithin nicht dazu, dass eine wirksame Kontrolle des versicherten Risikos bzw. der Grenzen des Versicherungsschutzes praktisch nicht mehr möglich wäre (vgl. BSG, Urteil vom 20. März 1981 - 8/8a RU 8/80 -, BSGE 51, 253 und juris Rn. 22 f.). Überdies befand sich der Kläger vorliegend gerade nicht mehr im Stadium der Vorbereitung seines Unternehmens. Die hier streitgegenständliche Verrichtung konnte dem Betrieb seines bereits existierenden Unternehmens zugeordnet werden. Ein konkreter Anknüpfungspunkt, die Tätigkeit des Klägers zu bewerten, ist somit vorliegend bereits vorhanden gewesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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