Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 27 AS 2361/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AS 991/17 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 10.04.2017 aufgehoben. Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist zulässig. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe:
I.
Streitig ist die Zulässigkeit des vom Kläger beschrittenen Rechtsweges zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit.
Der am 00.00.1992 geborene Kläger bezog von dem Beklagten im streitigen Zeitraum Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Der Beklagte ordnete den Kläger hierbei der Bedarfsgemeinschaft, bestehend aus der Mutter des Klägers und seinen beiden Schwestern zu und führte ihn zunächst mit dem Status "familienversichert" in der Krankenversicherung (s. Bewilligungsbescheid vom 10.06.2015 für die Zeit vom 01.06.2015 bis 30.11.2015). Im August 2015 wies der Kläger - wie er vortrug - den Beklagten zum wiederholten Male darauf hin, dass er nicht Mitglied der Bedarfsgemeinschaft sei und ein eigener Leistungsanspruch bestünde. Hierdurch sei es zu Problemen mit der Krankenkasse gekommen, die mittlerweile Vollstreckungsmaßnahmen androhen würde. Mit Bescheid vom 18.08.2015 änderte der Beklagte den Versicherungsstatus des Klägers für den vorgenannten Bewilligungszeitraum in "pflichtversichert" ab und teilte zugleich mit, dass die Beiträge an die zuständige Krankenkasse abgeführt werden würden. Der Kläger sei jedoch weiterhin der Bedarfsgemeinschaft zuzurechnen, da er das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Auch im nachfolgenden Bewilligungszeitraum (01.12.2015 bis 31.05.2016; Bescheid vom 11.11.2015) führte der Beklagte den Kläger als pflichtversichert in der Krankenversicherung.
Mit Schreiben vom 18.01.2016 wandte sich die Krankenkasse des Klägers (IKK classic) an den Beklagten. Der Kläger habe angegeben, seit dem 16.02.2015 Leistungen nach dem SGB II zu beziehen. Ihr liege jedoch bislang keine entsprechende Meldung durch den Beklagten vor. Laut internem Vermerk erledigte der Beklagte dies am 04.02.2016 telefonisch.
Der Kläger hat am 02.06.2016 Klage vor dem Sozialgericht Duisburg erhoben und die Verurteilung des Beklagten zur Leistung von fälligen Beiträgen zur Kranken-/Pflegeversicherung des Klägers bei der IKK classic in Höhe von 680,02 Euro begehrt. Es habe sich herausgestellt, dass der Beklagte nach Umstellung des Versicherungsstatus des Klägers die Versicherungsleistungen nicht vollständig erbracht habe. Das Versicherungskonto weise einen offenen Betrag in Höhe von 675,02 Euro auf. Auf das Schreiben der IKK classic vom 24.03.2016 verweise er. Offenbar sei allein der Zeitraum in 2015 betroffen, da der Betrag nicht weiter ansteige. Die Klage werde als Leistungsklage erhoben, ein Vorverfahren sei entbehrlich.
Der Beklagte erwiderte hierauf, dass nach einer aktuellen Auskunft der IKK classic vom 22.06.2016 kein Beitragsrückstand bestehe.
Der Kläger legte sodann ein Schreiben der IKK classic vom 23.06.2016 vor, nach dem ein offener Betrag in Höhe von 96,50 Euro bestehe. Dieser setze sich zusammen aus Mahngebühren in Höhe von 16 Euro und Säumniszuschlag in Höhe von 80,50 Euro und betreffe den Zeitraum 17.04.2015 bis 16.06.2016. Der Sachverhalt sei offensichtlich noch nicht erledigt.
Der Beklagte wies anschließend erneut darauf hin, dass er sich den Zahlungsrückstand nicht erklären könne, und regte an, der Kläger möge sich mit seiner Krankenkasse in Verbindung setzen.
Das Sozialgericht hat die Beteiligten dazu angehört, dass es beabsichtige, den Rechtsstreit an das Landgericht Duisburg zu verweisen. Versicherungsbeiträge seien keine offen. Sofern der Kläger die Übernahme des Betrages von 96,50 Euro begehre, könne er dies nur als Schadensersatz und damit im Rahmen eines Amtshaftungsanspruchs nach § 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geltend machen. Für eine derartige Klage sei der Rechtsweg zu den Sozialgerichten nicht eröffnet. Das Landgericht Duisburg sei sachlich und örtlich zuständig.
Nachdem sich die Beteiligten hierzu nicht geäußert haben, hat das Sozialgericht Duisburg den Sozialrechtsweg mit Beschluss vom 10.04.2017 für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit entsprechend der erfolgten Anhörung an das Landgericht Duisburg verwiesen.
Gegen den ihm am 18.04.2017 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 18.05.2017 Beschwerde mit der Begründung eingelegt, die Voraussetzungen für eine Verweisung seien nicht zu bejahen. Der Rechtsstreit sei vor dem Sozialgericht fortzusetzen, da es sich allein um eine sozialrechtliche Streitigkeit handele.
Der Beklagte hat sich nicht zur Beschwerde geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
II.
Die nach § 17a Abs. 4 Satz 3 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) i.V.m. § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist begründet.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist der Sozialrechtsweg nach § 51 Abs. 1 Nr. 4a SGG hier gegeben. Nach dieser Vorschrift entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Um eine solche Angelegenheit handelt es sich hier.
Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlich oder bürgerlich-rechtlich ist, richtet sich, wenn es - wie hier - an einer ausdrücklichen Sonderzuweisung fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Dieser Grundsatz bestimmt die Auslegung sowohl von § 13 GVG (Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten) als auch von § 51 Abs. 1 SGG (Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit). Die Abgrenzung muss von der Sache her getroffen werden. Ausgangspunkt für die Prüfung ist deshalb die Frage, welcher Art das Klagebegehren nach dem zugrundeliegenden Sachverhalt ist (vgl. Bundessozialgericht (BSG) Beschluss vom 30.09.2014, B 8 SF 1/14 R, m.w.N.).
Der Kläger hat Leistungsklage mit dem Begehren erhoben, den Beklagten zur Zahlung von fälligen Versicherungsbeiträgen zu seiner Kranken- und Pflegepflichtversicherung zu verurteilen. Der Kläger, der am 15.02.2015 das 23. Lebensjahr vollendet hat, wird seit dieser Zeit von dem Beklagten als pflichtversichert in der gesetzlichen Krankenversicherung geführt. Mit der Vollendung des 23. Lebensjahres endete nach § 10 Abs. 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) die Berechtigung zur Familienversicherung über seine Mutter und trat für den Kläger als Bezieher von Leistungen nach dem SGB II die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V ein. Damit traf ab diesem Zeitpunkt den Beklagten die Pflicht zur Tragung und zur Zahlung der entsprechenden Versicherungsbeiträge. Dies folgt aus § 251 Abs. 4 S. 1 in Verbindung mit § 252 Abs. 1 SGB V.
Zwischen den Beteiligten steht im Streit, ob der Beklagte seiner vorgenannten Verpflichtung zur Beitragszahlung vollständig nachgekommen ist. Auch wenn der Beklagte von der IKK classic offenbar die Auskunft erhalten hat, es bestünden keine Rückstände, hat der Kläger seine insoweit erhobene Klage ausweislich seiner Stellungnahme im Schriftsatz vom 06.01.2017 und gestützt auf die an ihn gerichteten Mahnschreiben der IKK classic nicht für erledigt erklärt. Nachdem der diesbezügliche Streit offensichtlich dem durch den Leistungsbezug begründeten Rechtsverhältnis zwischen Kläger und Beklagtem zuzuordnen und damit als öffentlich-rechtlich zu bewerten ist, erfolgte schon aus diesem Grund die Verweisung zu Unrecht. Ob sich die diesbezügliche Klage als unzulässig oder unbegründet erweist, ist keine Frage des Rechtsweges.
Doch selbst unter der Annahme, es stünde allein noch die Übernahme von Mahngebühren und Säumniszuschlägen im Streit, ergäbe sich keine andere Bewertung. Auch in diesem Fall wäre von einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit auszugehen. Im Bereich der Sozialhilfe ist durch die Rechtsprechung des BSG geklärt, dass Säumniszuschläge und Mahngebühren für Beiträge zu den übernahmefähigen Kosten der Sozialhilfe gehören, wenn dem Bedürftigen die Leistungen vom Sozialhilfeträger rechtswidrig nicht gewährt wurden (vgl. BSG Urteil vom 15.11.2012, B 8 SO 3/11 R; LSG NRW Urteil vom 12.03.2009, L 16 R 49/08). Allerdings bezieht sich diese Rechtsprechung auf die Regelung des § 32 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) und damit auf eine von den oben dargestellten Regelungen im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende abweichende Systematik. So erfolgt im Rahmen der Sozialhilfe keine Tragung der Beiträge durch den Sozialhilfeträger unmittelbar gegenüber der Krankenkasse, sondern allein eine Übernahme der Beiträge im Verhältnis zum versicherten Sozialhilfeempfänger (vgl. Peters in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 90. EL Juni 2016, § 251 SGB V Rn. 21). Demgegenüber besteht aufgrund der Regelungen der §§ 251 Abs. 4, 252 Abs. 1 SGB V eine im Verhältnis zur Krankenkasse unmittelbare Zahlungspflicht des Beklagten. Sind die Mahngebühren und Säumniszuschläge aus einer verspäteten Erfüllung der gesetzlich bestehenden Zahlungspflicht entstanden, so liegt es nahe, dass den Beklagten auch die Tragung dieser Beträge trifft. Es ist sogar zu fragen, ob diese nicht unmittelbar ihm gegenüber hätten geltend gemacht werden müssen. Denn § 24 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) stellt zur Erhebung des Säumniszuschlages auf den Zahlungspflichtigen ab. Das dürfte im Verhältnis zur Krankenkasse und auch zum Kläger der Beklagte sein. Insofern wird das Sozialgericht den Sachverhalt zu Ursache und Rechtsgrundlage der Mahngebühren und Säumniszuschläge zu ermitteln haben. Daran wird sich je nach Ergebnis der Ermittlungen ggf. die Frage anschließen, ob sich der Kläger gegen den richtigen Beklagten wendet oder ob er gegenüber dem Beklagten ggf. einen Freistellungsanspruch gegenüber der Krankenkasse erstreiten kann. Auch dies wäre aber im Rahmen der Zulässigkeit bzw. Begründetheit der Klage zu klären und berührt daher den Rechtsweg nicht.
Nach derzeitiger Sach- und Rechtslage ist somit nicht die Annahme gerechtfertigt, der Kläger stütze seinen mit der Klage geltend gemachten Anspruch allein auf einen Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 Grundgesetz (oder könne ihn allein darauf stützen). Rein vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass - soweit ggf. teilweise auch ein Amtshaftungsanspruch in Betracht käme - nach der Rechtsprechung des BSG eine Teilverweisung an das Zivilgericht nicht zulässig wäre. Eine solche dürfe nicht erfolgen, wenn das angerufene Gericht zumindest für einen Teil der einschlägigen materiellen Ansprüche zuständig sei (vgl. BSG Beschluss vom 30.07.2014, B 14 AS 8/14 B).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. In Verfahren über eine Rechtswegbeschwerde hat grundsätzlich eine Kostenentscheidung zu ergehen. Die Regelung des § 17b Abs. 2 GVG, wonach im Falle der Verweisung des Rechtstreits an ein anderes Gericht die im Verfahren vor dem angegangenen Gericht entstandenen Kosten als Teil der Kosten im Verfahren vor dem aufnehmenden Gericht behandelt werden und deshalb in dem Verweisungsbeschluss keine eigenständige Kostenentscheidung zu treffen ist, beschränkt sich auf die Kosten des ersten Rechtszugs. Sie findet - unabhängig vom Inhalt der Entscheidung - keine Anwendung auf das Beschwerdeverfahren bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs (vgl. BSG Beschluss vom 01.04.2009, B 14 SF 1/08 R).
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der weiteren Beschwerde an das BSG liegen nicht vor (§ 17a Abs. 4 GVG).
Gründe:
I.
Streitig ist die Zulässigkeit des vom Kläger beschrittenen Rechtsweges zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit.
Der am 00.00.1992 geborene Kläger bezog von dem Beklagten im streitigen Zeitraum Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Der Beklagte ordnete den Kläger hierbei der Bedarfsgemeinschaft, bestehend aus der Mutter des Klägers und seinen beiden Schwestern zu und führte ihn zunächst mit dem Status "familienversichert" in der Krankenversicherung (s. Bewilligungsbescheid vom 10.06.2015 für die Zeit vom 01.06.2015 bis 30.11.2015). Im August 2015 wies der Kläger - wie er vortrug - den Beklagten zum wiederholten Male darauf hin, dass er nicht Mitglied der Bedarfsgemeinschaft sei und ein eigener Leistungsanspruch bestünde. Hierdurch sei es zu Problemen mit der Krankenkasse gekommen, die mittlerweile Vollstreckungsmaßnahmen androhen würde. Mit Bescheid vom 18.08.2015 änderte der Beklagte den Versicherungsstatus des Klägers für den vorgenannten Bewilligungszeitraum in "pflichtversichert" ab und teilte zugleich mit, dass die Beiträge an die zuständige Krankenkasse abgeführt werden würden. Der Kläger sei jedoch weiterhin der Bedarfsgemeinschaft zuzurechnen, da er das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Auch im nachfolgenden Bewilligungszeitraum (01.12.2015 bis 31.05.2016; Bescheid vom 11.11.2015) führte der Beklagte den Kläger als pflichtversichert in der Krankenversicherung.
Mit Schreiben vom 18.01.2016 wandte sich die Krankenkasse des Klägers (IKK classic) an den Beklagten. Der Kläger habe angegeben, seit dem 16.02.2015 Leistungen nach dem SGB II zu beziehen. Ihr liege jedoch bislang keine entsprechende Meldung durch den Beklagten vor. Laut internem Vermerk erledigte der Beklagte dies am 04.02.2016 telefonisch.
Der Kläger hat am 02.06.2016 Klage vor dem Sozialgericht Duisburg erhoben und die Verurteilung des Beklagten zur Leistung von fälligen Beiträgen zur Kranken-/Pflegeversicherung des Klägers bei der IKK classic in Höhe von 680,02 Euro begehrt. Es habe sich herausgestellt, dass der Beklagte nach Umstellung des Versicherungsstatus des Klägers die Versicherungsleistungen nicht vollständig erbracht habe. Das Versicherungskonto weise einen offenen Betrag in Höhe von 675,02 Euro auf. Auf das Schreiben der IKK classic vom 24.03.2016 verweise er. Offenbar sei allein der Zeitraum in 2015 betroffen, da der Betrag nicht weiter ansteige. Die Klage werde als Leistungsklage erhoben, ein Vorverfahren sei entbehrlich.
Der Beklagte erwiderte hierauf, dass nach einer aktuellen Auskunft der IKK classic vom 22.06.2016 kein Beitragsrückstand bestehe.
Der Kläger legte sodann ein Schreiben der IKK classic vom 23.06.2016 vor, nach dem ein offener Betrag in Höhe von 96,50 Euro bestehe. Dieser setze sich zusammen aus Mahngebühren in Höhe von 16 Euro und Säumniszuschlag in Höhe von 80,50 Euro und betreffe den Zeitraum 17.04.2015 bis 16.06.2016. Der Sachverhalt sei offensichtlich noch nicht erledigt.
Der Beklagte wies anschließend erneut darauf hin, dass er sich den Zahlungsrückstand nicht erklären könne, und regte an, der Kläger möge sich mit seiner Krankenkasse in Verbindung setzen.
Das Sozialgericht hat die Beteiligten dazu angehört, dass es beabsichtige, den Rechtsstreit an das Landgericht Duisburg zu verweisen. Versicherungsbeiträge seien keine offen. Sofern der Kläger die Übernahme des Betrages von 96,50 Euro begehre, könne er dies nur als Schadensersatz und damit im Rahmen eines Amtshaftungsanspruchs nach § 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geltend machen. Für eine derartige Klage sei der Rechtsweg zu den Sozialgerichten nicht eröffnet. Das Landgericht Duisburg sei sachlich und örtlich zuständig.
Nachdem sich die Beteiligten hierzu nicht geäußert haben, hat das Sozialgericht Duisburg den Sozialrechtsweg mit Beschluss vom 10.04.2017 für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit entsprechend der erfolgten Anhörung an das Landgericht Duisburg verwiesen.
Gegen den ihm am 18.04.2017 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 18.05.2017 Beschwerde mit der Begründung eingelegt, die Voraussetzungen für eine Verweisung seien nicht zu bejahen. Der Rechtsstreit sei vor dem Sozialgericht fortzusetzen, da es sich allein um eine sozialrechtliche Streitigkeit handele.
Der Beklagte hat sich nicht zur Beschwerde geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
II.
Die nach § 17a Abs. 4 Satz 3 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) i.V.m. § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist begründet.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist der Sozialrechtsweg nach § 51 Abs. 1 Nr. 4a SGG hier gegeben. Nach dieser Vorschrift entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Um eine solche Angelegenheit handelt es sich hier.
Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlich oder bürgerlich-rechtlich ist, richtet sich, wenn es - wie hier - an einer ausdrücklichen Sonderzuweisung fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Dieser Grundsatz bestimmt die Auslegung sowohl von § 13 GVG (Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten) als auch von § 51 Abs. 1 SGG (Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit). Die Abgrenzung muss von der Sache her getroffen werden. Ausgangspunkt für die Prüfung ist deshalb die Frage, welcher Art das Klagebegehren nach dem zugrundeliegenden Sachverhalt ist (vgl. Bundessozialgericht (BSG) Beschluss vom 30.09.2014, B 8 SF 1/14 R, m.w.N.).
Der Kläger hat Leistungsklage mit dem Begehren erhoben, den Beklagten zur Zahlung von fälligen Versicherungsbeiträgen zu seiner Kranken- und Pflegepflichtversicherung zu verurteilen. Der Kläger, der am 15.02.2015 das 23. Lebensjahr vollendet hat, wird seit dieser Zeit von dem Beklagten als pflichtversichert in der gesetzlichen Krankenversicherung geführt. Mit der Vollendung des 23. Lebensjahres endete nach § 10 Abs. 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) die Berechtigung zur Familienversicherung über seine Mutter und trat für den Kläger als Bezieher von Leistungen nach dem SGB II die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V ein. Damit traf ab diesem Zeitpunkt den Beklagten die Pflicht zur Tragung und zur Zahlung der entsprechenden Versicherungsbeiträge. Dies folgt aus § 251 Abs. 4 S. 1 in Verbindung mit § 252 Abs. 1 SGB V.
Zwischen den Beteiligten steht im Streit, ob der Beklagte seiner vorgenannten Verpflichtung zur Beitragszahlung vollständig nachgekommen ist. Auch wenn der Beklagte von der IKK classic offenbar die Auskunft erhalten hat, es bestünden keine Rückstände, hat der Kläger seine insoweit erhobene Klage ausweislich seiner Stellungnahme im Schriftsatz vom 06.01.2017 und gestützt auf die an ihn gerichteten Mahnschreiben der IKK classic nicht für erledigt erklärt. Nachdem der diesbezügliche Streit offensichtlich dem durch den Leistungsbezug begründeten Rechtsverhältnis zwischen Kläger und Beklagtem zuzuordnen und damit als öffentlich-rechtlich zu bewerten ist, erfolgte schon aus diesem Grund die Verweisung zu Unrecht. Ob sich die diesbezügliche Klage als unzulässig oder unbegründet erweist, ist keine Frage des Rechtsweges.
Doch selbst unter der Annahme, es stünde allein noch die Übernahme von Mahngebühren und Säumniszuschlägen im Streit, ergäbe sich keine andere Bewertung. Auch in diesem Fall wäre von einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit auszugehen. Im Bereich der Sozialhilfe ist durch die Rechtsprechung des BSG geklärt, dass Säumniszuschläge und Mahngebühren für Beiträge zu den übernahmefähigen Kosten der Sozialhilfe gehören, wenn dem Bedürftigen die Leistungen vom Sozialhilfeträger rechtswidrig nicht gewährt wurden (vgl. BSG Urteil vom 15.11.2012, B 8 SO 3/11 R; LSG NRW Urteil vom 12.03.2009, L 16 R 49/08). Allerdings bezieht sich diese Rechtsprechung auf die Regelung des § 32 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) und damit auf eine von den oben dargestellten Regelungen im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende abweichende Systematik. So erfolgt im Rahmen der Sozialhilfe keine Tragung der Beiträge durch den Sozialhilfeträger unmittelbar gegenüber der Krankenkasse, sondern allein eine Übernahme der Beiträge im Verhältnis zum versicherten Sozialhilfeempfänger (vgl. Peters in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 90. EL Juni 2016, § 251 SGB V Rn. 21). Demgegenüber besteht aufgrund der Regelungen der §§ 251 Abs. 4, 252 Abs. 1 SGB V eine im Verhältnis zur Krankenkasse unmittelbare Zahlungspflicht des Beklagten. Sind die Mahngebühren und Säumniszuschläge aus einer verspäteten Erfüllung der gesetzlich bestehenden Zahlungspflicht entstanden, so liegt es nahe, dass den Beklagten auch die Tragung dieser Beträge trifft. Es ist sogar zu fragen, ob diese nicht unmittelbar ihm gegenüber hätten geltend gemacht werden müssen. Denn § 24 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) stellt zur Erhebung des Säumniszuschlages auf den Zahlungspflichtigen ab. Das dürfte im Verhältnis zur Krankenkasse und auch zum Kläger der Beklagte sein. Insofern wird das Sozialgericht den Sachverhalt zu Ursache und Rechtsgrundlage der Mahngebühren und Säumniszuschläge zu ermitteln haben. Daran wird sich je nach Ergebnis der Ermittlungen ggf. die Frage anschließen, ob sich der Kläger gegen den richtigen Beklagten wendet oder ob er gegenüber dem Beklagten ggf. einen Freistellungsanspruch gegenüber der Krankenkasse erstreiten kann. Auch dies wäre aber im Rahmen der Zulässigkeit bzw. Begründetheit der Klage zu klären und berührt daher den Rechtsweg nicht.
Nach derzeitiger Sach- und Rechtslage ist somit nicht die Annahme gerechtfertigt, der Kläger stütze seinen mit der Klage geltend gemachten Anspruch allein auf einen Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 Grundgesetz (oder könne ihn allein darauf stützen). Rein vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass - soweit ggf. teilweise auch ein Amtshaftungsanspruch in Betracht käme - nach der Rechtsprechung des BSG eine Teilverweisung an das Zivilgericht nicht zulässig wäre. Eine solche dürfe nicht erfolgen, wenn das angerufene Gericht zumindest für einen Teil der einschlägigen materiellen Ansprüche zuständig sei (vgl. BSG Beschluss vom 30.07.2014, B 14 AS 8/14 B).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. In Verfahren über eine Rechtswegbeschwerde hat grundsätzlich eine Kostenentscheidung zu ergehen. Die Regelung des § 17b Abs. 2 GVG, wonach im Falle der Verweisung des Rechtstreits an ein anderes Gericht die im Verfahren vor dem angegangenen Gericht entstandenen Kosten als Teil der Kosten im Verfahren vor dem aufnehmenden Gericht behandelt werden und deshalb in dem Verweisungsbeschluss keine eigenständige Kostenentscheidung zu treffen ist, beschränkt sich auf die Kosten des ersten Rechtszugs. Sie findet - unabhängig vom Inhalt der Entscheidung - keine Anwendung auf das Beschwerdeverfahren bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs (vgl. BSG Beschluss vom 01.04.2009, B 14 SF 1/08 R).
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der weiteren Beschwerde an das BSG liegen nicht vor (§ 17a Abs. 4 GVG).
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