L 3 AS 201/17 B PKH

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Schleswig (SHS)
Aktenzeichen
S 25 AS 136/17 ER
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 201/17 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsteller gegen die mit Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 24. August 2017 erfolgte Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt wird hinsichtlich des Antragstellers zu 2. als unzulässig verworfen und im Hinblick auf die übrigen Antragsteller als unbegründet zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragsteller wenden sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe (PKH) für einen erstinstanzlichen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Die geborene Antragstellerin zu 1. ist die Mutter der Antragsteller zu 2. bis 6 ... Der Antragsteller zu 2. ist nach Angaben der Antragstellerin zu 1. am 28. Februar 2017 aus dem gemeinsamen Haushalt ausgezogen. Bis Ende April 2017 haben die Antragsteller von dem Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bezogen. Ihr Fortzahlungsantrag wurde zunächst nicht beschieden, weil bei dem Antragsgegner Zweifel entstanden waren, ob die Antragstellerin zu 1. mit einem neuen Lebensgefährten zusammenleben würde, dessen Einkommen und Vermögen auf den Bedarf nach dem SGB II anzurechnen sein könnte.

Am 24.08.2017 haben die Antragsteller bei dem Sozialgericht Schleswig einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der Gewährung vorläufiger Leistungen ab September 2017 gestellt (Az. S 25 AS 136/17 ER). Gleichzeitig haben sie für das Verfahren PKH unter Beiordnung von Rechtsanwalt beantragt. Zu dem PKH-Antrag haben sie darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin zu 1. Mitglied im Sozialverband Deutschland (SoVD) sei. Sie könne allerdings nicht den satzungsmäßigen Eigenanteil leisten. Im Übrigen bestünden aktuelle Beitragsrückstände, aufgrund derer gegenwärtig keine Vertretungen durch den SoVD erbracht werden könnten. Hierzu haben die Antragsteller zwei Schreiben des SoVD vom 24.08.2017 zur Akte gereicht, in denen es zum einen heißt, die Summe der offenen Beiträge für die Familienmitgliedschaft der Antragstellerin zu 1. im SoVD belaufe sich für die Zeit von Dezember 2016 bis August 2017 auf insgesamt 90,00 EUR. Zum anderen wird ausgeführt, dass der SoVD aufgrund der rückständigen Beiträge in Höhe von 90,00 EUR derzeit keine Leistungen erbringen könne (Bl. 14 und 15 der Gerichtsakte S 25 AS 136/17 ER).

Mit Beschluss vom 24.08.2017 hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit der Begründung abgelehnt, dass ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht sei. Gleichzeitig hat das Sozialgericht die für das Verfahren beantragte PKH unter Beiordnung von Rechtsanwalt versagt und diese Entscheidung damit begründet, dass dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung von Anfang an hinreichende Erfolgsaussichten gefehlt hätten (§§ 73a Sozialgerichtsgesetz [SGG], 114ff. Zivilprozessordnung [ZPO]. Im Rubrum des Beschlusses ist der Antragsteller zu 2. nicht mit aufgeführt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe des Beschlusses vom 24.08.2017 Bezug genommen.

Der Senat hat den Beschluss des Sozialgerichts vom 24.08.2017 in Bezug auf den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 21.09. 2017 (L 3 AS 149/17 B ER) im Beschwerdeverfahren geändert und den Antragsgegner zur vorläufigen Erbringung von Leistungen nach dem SGB II vom 01.09. bis 31.12.2017 verpflichtet; auf den Beschluss vom 21.09.2017 wird insoweit wegen der Einzelheiten verwiesen.

Gegen die Versagung von PKH für das erstinstanzliche Verfahren haben die Antragsteller mit einem am 28. August 2017 eingegangenen Schriftsatz gesondert Beschwerde eingelegt. Zur Begründung führen sie aus, dass entgegen der vom Sozialgericht vertretenen Auffassung ein Anordnungsgrund vorgelegen habe. Im Übrigen sei die Ablehnung des PKH-Antrags verfassungswidrig; Gerichte hätten sich schützend vor die Rechte des Einzelnen zu stellen.

Der Antragsgegner tritt der PKH-Beschwerde mit Hinweis auf die Mitgliedschaft der Antragstellerin zu 1. im SoVD entgegen. Ihre Behauptung, dass eine Vertretung durch den SoVD aus finanziellen Gründen nicht möglich gewesen sei, halte er – der Antragsgegner – für fernliegend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

Der Senat geht davon aus, dass die Beschwerde von den Antragstellern zu 1. bis 6. erhoben worden ist. Zwar enthält die Beschwerdeschrift nur ein Kurzrubrum (" u.a .../. Kreis Nordfriesland, Der Landrat"); in dem das Ausgangsverfahren einleitenden Schriftsatz vom 24.08.2017 waren aber alle sechs Antragsteller aufgeführt. Vor diesem Hintergrund unterstellt der Senat, dass im Aktivrubrum aus Sicht der Antragsteller insoweit keine Änderungen erfolgen sollten.

Die Beschwerde des Antragstellers zu 2. ist allerdings unzulässig, weil der angefochtene Beschluss vom 24.08.2017 ihm gegenüber gar nicht ergangen ist. Das Sozialgericht hat das Aktivrubrum insoweit geändert, als der Antragsteller zu 2. nicht als Verfahrensbeteiligter aufgeführt wurde. Ob in Bezug auf den Antragsteller zu 2. überhaupt von einer wirksamen Bevollmächtigung des Prozessbevollmächtigten der Antragsteller ausgegangen werden kann, bedarf insoweit keiner Vertiefung.

Im Übrigen ist die Beschwerde der Antragsteller zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat den PKH-Antrag im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Dabei bedarf es hier keiner Vertiefung, ob – wie das Sozialgericht gemeint hat – im erstinstanzlichen Verfahren hinreichende Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung gefehlt haben. Denn die Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH unter Beiordnung von Rechtsanwalt haben bereits wegen der Familienmitgliedschaft der Antragsteller im SoVD nicht vorgelegen; insoweit haben die Antragsteller ihre Bedürftigkeit im Sinne der PKH-Bestimmungen nicht hinreichend glaubhaft gemacht.

Nach § 73a SGG i.V.m. § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO hat der um PKH nachsuchende Beteiligte für die Prozessführung vorrangig sein Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. Der mit der Mitgliedschaft in einem zur Prozessvertretung im sozialgerichtlichen Verfahren befugten Sozialverband (§ 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 und 8 SGG) verbundene Anspruch auf Rechtsschutz in sozialrechtlichen Angelegenheiten stellt ein vermögenswertes Recht im Sinne von § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO dar (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 07.01.2016, B 13 R 260/13 B, juris). Zwar gilt dies im Regelfall nicht, wenn der Sozialverband die Gewährung von Rechtsschutz konkret abgelehnt hat (BSG a.a.O.). Zur Überzeugung des Senats ist hiervon allerdings in Fällen wie dem vorliegenden wiederum eine Ausnahme zu machen, wenn die Vereitelung der Rechtsschutzgewährung allein dem Mitglied des Sozialverbandes anzulasten ist. So kann sich die Beantragung von PKH im Einzelfall als rechtsmissbräuchlich erweisen, wenn der Antragsteller seine Vermögenslosigkeit durch eigenes Verhalten herbeigeführt hat (Leopold in Roos/Wahrendorf, SGG, § 73a Rz 26). PKH ist eine besondere Art der Sozialhilfe auf dem Gebiet gerichtlichen Rechtsschutzes, so dass ein Antragsteller wegen des für Sozialhilfe (§ 2 Abs. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch) und PKH (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 115 ZPO) gleichermaßen geltenden Subsidiaritätsprinzips verpflichtet ist, die dem Justizfiskus durch PKH entstehenden Ausgaben gering zu halten. Er darf sich deshalb nicht gezielt unvermögend machen (Landessozialgericht [LSG] Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 16.02.2005, L 6 U 236/04, juris). Aus demselben Grund muss der Antragsteller vor Inanspruchnahme der Allgemeinheit versuchen, eine Änderung der Entscheidung auf Versagung des Rechtsschutzes zu erreichen, soweit dies möglich und zumutbar ist (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31.05.2016, L 1 R 369/13, juris, für den Fall einer nicht hinreichend begründeten Rechtsschutzverweigerung).

Dass die Antragstellerin zu 1. für sich und ihre Familie hier einen satzungsmäßigen Anspruch auf Prozessvertretung durch den SoVD hat, ist unstreitig und bedarf insoweit keiner Vertiefung. Vorliegend hat der SoVD Rechtsschutz im Hinblick auf aufgelaufene Beitragsrückstände abgelehnt. Dass seit Dezember 2016 solche Beitragsrückstände aufgelaufen sind, ist allein der Antragstellerin zu 1. anzulasten, wobei der Senat insbesondere für die Nichtzahlung der relativ geringen Monatsbeiträge (Familienbeitrag nach der Beitragsordnung des SoVD in der Fassung von 2015 10,00 EUR monatlich) in der Zeit bis einschließlich April 2017 kein Verständnis hat. Denn bis einschließlich April 2017 haben die Antragsteller von dem Antragsgegner ungekürzte Leistungen nach dem SGB II erhalten. Aufgrund einer vergleichsweisen Vereinbarung hat der Antragsgegner den Antragstellern auch für die Zeit vom 10. Juni bis 31. August 2017 Leistungen gewährt. Dass die Antragstellerin zu 1. insbesondere in der Zeit bis April 2017 die Beiträge nicht zumutbar hätte erbringen können, ist in keiner Weise nachvollziehbar.

Es kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass der SoVD nach seiner Satzung "berechtigt" ist, seine Leistungen zurückzuhalten, wenn Mitglieder beitragssäumig sind (§ 5 Nr. 3 der ab Oktober 2015 geltenden und im Internet veröffentlichten Satzung der SoVD-Landesverbände). Die Leistungsversagung ist demnach in der Satzung nicht als zwingende Folge von Beitragsrückständen formuliert. Vor diesem Hintergrund ist es nach Auffassung des Senats naheliegend, dass die Antragstellerin zu 1. bei ausdrücklicher Erläuterung der Gründe der Nichtzahlung jedenfalls für die Zeit bis Mai 2017 auf Verständnis des SoVD hätte stoßen können mit der Folge, dass der Verband in Ausübung des ihm eröffneten Ermessens trotz dieser Rückstände Rechtsschutz gewährt hätte.

Einer vorrangigen Verweisung der Antragsteller auf Wahrnehmung ihrer satzungsgemäßen Ansprüche gegenüber dem SoVD bzw. Schaffung der Voraussetzungen dafür kann auch nicht entgegen gehalten werden, dass der Verband Rechtsschutz nur gegen Zahlung einer Eigenbeteiligung gewährt hätte. Hierzu bestimmt die Satzung, dass aufgrund der durch die Vertretung in allen Antrags- und Rechtsbehelfsverfahren entstehenden Kosten von den Mitgliedern ein pauschaler Kostenbeitrag zu entrichten ist, dessen Höhe in einer Leistungsordnung geregelt ist. Gleichwohl wäre damit jedoch eine kostengünstigere Rechtsschutzmöglichkeit verbunden, die von anspruchsberechtigten Verbandsmitgliedern einzusetzen ist. Im Übrigen könnte für einen solchen Kostenbeitrag möglicherweise PKH gewährt werden (vgl. dazu allg. B.Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ Schmidt, SGG, 12. Aufl. § 73a Rz 4a; Straßfeld in Jansen (Hrsg.), SGG, 4. Aufl. § 73a Rz 5).

Nach allem haben die Antragsteller ihre Bedürftigkeit im Sinne einer Bewilligung von PKH nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Für die Anwaltsbeiordnung war ohne Bewilligung von PKH kein Raum (§ 121 ZPO). Ob die PKH-Bewilligung hier auch wegen Mutwilligkeit der Prozessführung mit anwaltlicher Vertretung bei Vereitelung einer Vertretung durch den SoVD ausgeschlossen ist (§ 73a SGG i.V.m. § 114 ZPO), bedarf nach Vorstehendem keiner Vertiefung.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind – unabhängig vom Ausgang des Verfahrens – nicht zu erstatten (§ 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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