L 8 KR 42/16

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 5 KR 116/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 42/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 21/17 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel vom 19. Januar wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Kosten i.H.v. 11.400 EUR für drei Liposuktionen.

Die 1967 geborene Klägerin beantragte mit Schreiben vom 16. September 2013, bei der Beklagten eingegangen am 19. September 2013, die Kostenübernahme für eine Liposuktion im Bereich der Hüften, des Gesäßes, der Oberschenkel, Knie, Waden, Arme und Beine. Dem Antrag waren verschiedene medizinische Unterlagen beigefügt, u.a. ein fachärztliches Gutachten des Chirurgen/Phlebologen Dr. CK aus der Praxis "Gefäßkrankheiten X." nebst im Einzelnen spezifizierter Kostenvoranschläge nach Maßgabe der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) für Liposuktionen an den genannten Regionen.

Die Beklagte beauftragte noch am 19. September 2013 den Medizinischen der Krankenversicherung (MDK) mit der Erstellung eines Gutachtens zur Notwendigkeit einer Liposuktion. Der MDK holte bei der Klägerin am 23. September 2013 eine Selbstauskunft zu der begehrten Leistung ein und verfasste unter dem 14. Oktober 2013 ein Gutachten nach Aktenlage, in dem die Ärztin im MDK Dr. WT zu dem Ergebnis kam, bei der Klägerin liege ein Liplymphödem sowie eine Lipohypertrophie der Beine bei venöser Abflussstörung der Beine Grad II, Liphypertrophie/Lipödeme der Arme sowie Adipositas vor. Es handele sich um eine Adipositas mit harmonischer Fettverteilung. Maßnahmen der Chirurgie seien nicht geeignet, die geklagten, auch seelischen Beschwerden auf Dauer zum Abklingen zu bringen.

Mit Bescheid vom 18. Oktober 2013 teilte die Beklagte der Klägerin unter Hinweis auf das Gutachten des MDK mit, an den Kosten der Liposuktion könne sie sich nicht beteiligen. Die Klägerin erhob mit Schreiben vom 3. November 2013 Widerspruch, mit der sie unter Hinweis auf eine weitere ärztliche Stellungnahme des Dr. ON aus der Praxis "Gefäßkrankheiten X" vom 30. Oktober 2013 geltend machte, das Gutachten des MDK sei unzutreffend. Es handele sich bei ihr nicht um eine Schönheitsoperation, sondern um eine medizinische Notwendigkeit, die sie von ihren täglichen Schmerzen befreien und ihre Mobilität wiederherstellen solle. Nach der Einholung einer weiteren Stellungnahme des MDK nach Aktenlage vom 20. November 2013 von Dr. BE, mit welcher der MDK an seiner ablehnenden Auffassung festhielt, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17. März 2014 zurück. Die Klägerin hat am 8. April 2014 Klage zum Sozialgericht Kassel erhoben. Im Verlauf des Klageverfahrens hat sie durch Dr. ON aus der Praxis "Gefäßkrankheiten X" am 15. Mai 2014 an den Armen, am 29. Januar 2015 an den Unterschenkeln und am 9. April 2015 an den Oberschenkeln Liposuktionen vornehmen lassen. Für die drei Behandlungen sind jeweils Kosten in Höhe von 3.800 EUR abgerechnet worden.

Das Sozialgericht hat einen Befundbericht bei dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. BR und bei der Praxis "Gefäßkrankheiten X" eingeholt und mit Gerichtsbescheid vom 19. Januar 2016 die Klage abgewiesen. Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) stehe der Klägerin nicht zu. Bei der Liposuktion handele es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, die ambulant nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgerechnet werden könne. Hierfür müsse zunächst der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben haben, wobei diese Empfehlung im Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahme vorliegen müsse. Das sei bei der Liposuktion bis heute nicht der Fall. Ein Fall einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung, in dem diese Voraussetzung nicht gelte, liege nicht vor.

Gegen den am 26. Januar 2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 22. Februar 2016 Berufung eingelegt.

Sie rügt die Entscheidung des Sozialgerichts durch Gerichtsbescheid bei grundsätzlicher Bedeutung der Sache und eine unzureichende Sachaufklärung. Es handele sich bei der Liposuktion um eine genehmigungsfähige, weil medizinisch notwendige und wissenschaftlich durch Studien ausreichend erforschte Behandlung, für deren Anerkennung ein Antrag beim GBA gestellt sei, wenngleich über diesen Antrag bisher - aus jedenfalls medizinisch nicht nachvollziehbaren Gründen - nicht entschieden worden sei. Bei ihr seien die konservativen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft gewesen; in der Vergangenheit durchgeführte ambulante Behandlungen (wöchentliche Lymphdrainage, Tragen von Kompressionsstrümpfen, begleitende Psychotherapie) als auch eine stationäre Maßnahme hätten keine Besserung gebracht. Vor den Operationen habe sie unter ständigen Schmerzen gelitten und nur noch kurze Strecken zu Fuß gehen können. Die Operationen seien an einer Belegklinik der behandelnden Ärzte beim ersten Termin ambulant, an den beiden anderen Terminen verbunden mit einer Übernachtung durchgeführt worden. Die Abrechnungen enthielten zwar keine Auflistung der erbrachten Einzelleistungen, seien aber durch die Bezugnahme auf die bereits im Verwaltungsverfahren vorgelegten Kostenvoranschläge ausreichend spezifiziert. Infolge dieser Operationen sei sie jetzt schmerzfrei und entwickle ein ganz neues Lebensgefühl. Das Sozialgericht habe zudem übersehen, dass die Beklagte die in § 13 Abs. 3a SGB V bestimmte Frist von drei Wochen zur Entscheidung über den Leistungsantrag nicht beachtet habe mit der Folge, dass die begehrte Leistung kraft Gesetzes als genehmigt gelte. Die im Gesetz noch genannte Frist von fünf Wochen gelte nach der Rsprg. des Bundessozialgerichts (BSG) nur, wenn eine gutachterliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, eingeholt werde und die Krankenkasse den Versicherten vorab ausdrücklich auf diese Notwendigkeit hinweise, was hier nicht erfolgt sei. Die abweichende Auffassung des LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 21. Februar 2017, L 11 KR 2090/16) sei nur oberflächlich begründet und berücksichtige auch die Regelung des § 18 SGB IX in der ab 1. Januar 2018 geltenden Fassung nicht, mit der der Gesetzgeber unter Bezugnahme auf § 13 Abs. 3a SGB V klarstelle, dass eine beantragte Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt gelte, wenn keine begründete Mitteilung erfolge. Zudem greife die 5-Wochen-Frist auch deshalb nicht ein, weil Gegenstand des Gutachtens des MDK nur die Kostenübernahme für eine vermeintliche "plastische Operation" gewesen sei, also einer Operation aus ästhetischen Gründen oder zur Reduzierung des Körpergewichts bei Adipositas, während es sich bei ihr tatsächlich um eine behandlungsbedürftige Krankheit in Gestalt eines Lipödems mit einer zunehmenden, psychotherapeutisch bereits behandelten psychischen Belastungssituation mit Krankheitswert gehandelt habe. Ein Untersuchungsauftrag der Beklagten an den MDK zu ihrem konkreten Leiden und den deswegen beantragten Liposuktionen sei nicht erfolgt und nicht erfüllt worden, weshalb die 5-Wochen-Frist schon deshalb nicht anwendbar sei.

Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel vom 19. Januar 2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. März 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten der selbstbeschafften Liposuktionen an Armen, Hüfte, Gesäß, Knien sowie Ober- und Unterschenkeln in Höhe von 11.400 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie meint, die Vorschrift des § 13 Abs. 3a SGB V sei nur auf solche Behandlungen anwendbar, die grundsätzlich als Sachleistung überhaupt zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehörten. Die Liposuktion gehöre nach einer Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen selbst im Rahmen vollstationärer Krankenhausbehandlung nicht zum Leistungskatalog der GKV; das gelte dann erst recht bei der ambulanten Liposuktion. Bei der die Behandlung der Klägerin durchführenden CKClinic des Dr. CK handele es sich zudem um eine private Einrichtung, die nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sei; dieser Arzt besitze auch keine Kassenzulassung. Leistungen bei einem solchen nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer lägen aber offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV und würden daher von der Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a SGB V nicht erfasst.

Hierauf erwidert die Klägerin, dass Dr. CK nach den im Internet abrufbaren Informationen über eine Kassenzulassung verfüge.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der Beratung des Senats war, Bezug genommen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Senat ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber in der Sache nicht begründet.

Der Senat entscheidet in der Sache. Die von der Klägerin beantragte Zurückverweisung an das Sozialgericht nach § 159 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wegen angeblich verfahrensfehlerhafter Behandlung der Sache kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Sache ausermittelt und entscheidungsreif ist.

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts ist zu bestätigen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch steht ihr nicht zu.

Nach 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. SGB V sind dem Versicherten die für eine von ihm selbst beschaffte Leistung entstandenen Kosten von der Krankenkasse zu erstatten, wenn die Krankenkasse diese Leistung zu Unrecht abgelehnt hat, die Leistung notwendig und die Ablehnung für die Entstehung der Kosten ursächlich war. Da der Anspruch auf Kostenerstattung nicht weiterreicht als ein entsprechender Naturalleistungsanspruch, setzt der Kostenerstattungsanspruch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (ständige Rsprg., vgl. BSG SozR 4-2500 § 31 Nr. 9).

Vorliegend sind der Klägerin für die selbst beschaffte Leistung in Form dreier Liposuktionen an Armen, Hüfte, Gesäß, Knien sowie Ober- und Unterschenkeln Kosten in Höhe von jeweils 3.800 EUR entstanden. Der "Entstehung von Kosten" steht dabei nicht entgegen, dass die vorgelegten Rechnungen der Praxis "Gefäßkrankheiten X." keine nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) im Einzelnen spezifizierte Abrechnung enthalten. Zwar muss die Selbstbeschaffung der Leistung zu einer zivilrechtlich wirksamen Kostenlast des Versicherten geführt haben. Vorbehaltlich eines anderslautenden Bundesgesetzes verpflichtet § 1 Abs. 1 GOÄ alle Ärzte, die Vergütungen für ihre beruflichen Leistungen nach der GOÄ zu berechnen. Erst mit der Erteilung einer den Vorschriften der Verordnung entsprechenden Rechnung wird die Vergütung fällig (§ 12 Abs. 1 GOÄ; dazu BSG, Urteil vom 27. März 2007, B 1 KR 25/06 R, SozR 4-2500 § 116b Nr. 1, juris Rn. 20). Entspricht die Rechnung den Erfordernissen der GOÄ nicht, kann der Patient geleistete Zahlungen vom Arzt selbst dann zurückfordern, wenn er sich mit dem Operationsergebnis zufrieden gezeigt hat (vgl. BGH, NJW 2006, 1879 ff.). Vorliegend hat die behandelnde Praxis in den Rechnungen zwar lediglich Diagnose, Behandlungsdatum, Therapie und - unter Hinweis auf die GOÄ - den Rechnungsendbetrag von 3.800 EUR ausgewiesen. Jedoch ist dies ausreichend, weil die Klägerin für alle drei durchgeführten Maßnahmen Kostenvoranschläge mit einer exakten Spezifikation der Einzelleistungen nach Maßgabe der GOÄ erhalten hatte, aus denen sich der Rechnungsbetrag von 3.800 EUR ergab. In einem solchen Fall, in denen die Abrechnung mit dem nach Maßgabe der GOÄ erstellten Kostenvoranschlag übereinstimmt, ist von einer wirksam erteilten Rechnung auszugehen.

Allerdings stimmt – nach dem Vortrag der Klägerin zur Durchführung der Liposuktionen – nur die erste Rechnung der Praxis "Gefäßkrankheiten X" vom 15. Mai 2014 mit der erbrachten Leistung vollständig überein. Denn die Kostenvoranschläge bezogen sich allesamt auf ambulante Liposuktionen. Tatsächlich ist aber, wie die Klägerin vorträgt, nur die Liposuktion der Arme am 15. Mai 2014 in der von den behandelnden Ärzten belegten Klinik ambulant durchgeführt worden. Hingegen erfolgte bei der Liposuktion der Unterschenkel und Oberschenkel am 29. Januar 2015 und 9. April 2015 eine Aufnahme der Klägerin in die Belegklinik über Nacht. Insoweit ist ungeklärt, wie diese zusätzliche Leistung der Klinik abgerechnet worden ist. Dies berührt den im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch jedoch nicht. Die behandelnden Ärzte haben ihre Rechnung gegenüber der Klägerin auf die im Kostenvoranschlag spezifizierten und so auch tatsächlich erbrachten Leistungen beschränkt. Durch die Aufnahme über Nacht hat sich das Wesen der erbrachten Leistung nicht verändert.

Die Beklagte hat die Gewährung von ambulanten Liposuktionen als Sachleistung nach § 27 SGB V aber zu Recht abgelehnt, so dass die Klägerin keinen Anspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V auf Erstattung der ihr entstandenen Kosten hat. Ein Anspruch auf eine ambulante Liposuktion scheitert daran, dass der Gemeinsame Bundesausschuss die neue Methode der Fettabsaugung nicht positiv empfohlen hat. Der Anspruch des Versicherten auf Behandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V unterliegt den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Dies ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V nur dann der Fall, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 i.V.m. § 135 Abs. 1 SGB V wird nämlich nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer (Ärzte, Zahnärzte usw.) neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkasse erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von der Krankenkasse geschuldeten ambulanten Leistung verbindlich festgelegt. Ärztliche Behandlungsmethoden im Sinne der GKV sind medizinische Vorgehensweisen, denen ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, welches sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet und dass ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll. Darum geht es bei den von der Klägerin selbst beschafften Liposuktionen. Neu ist eine Methode, wenn sie – wie hier die Liposuktion – zum Zeitpunkt der Leistungserbringung nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistung (EBM-Ä) enthalten ist (BSG, Urteil vom 27. September 2005, B 1 KR 28/03 R; BSGE 81, 54, 58; BSGE 81, 73, 75 f). Als nicht vom GBA empfohlene neue Methode ist die ambulante Fettabsaugung bei Lipödem mithin grundsätzlich kein Leistungsgegenstand der GKV (BSG, Urteil vom 16. September 2008, B 1 KR 11/08 R, juris). Dieser Rechtsprechung hat sich der Senat bereits mit seinem Urteil vom 28. Oktober 2009 (L 8 KR 281/08) angeschlossen und ständig fortgesetzt, zuletzt mit Urteil vom 7. Juli 2011 (L 8 KR 101/10, juris).

Eine Leistungspflicht der Krankenkasse besteht auch nicht unter dem Gesichtspunkt des sog. "Systemversagens". Davon werden nach der Rsprg. des BSG Fälle erfasst, bei denen die fehlende Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem GBA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen gar nicht, nicht zeitgerecht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde und dies auf eine willkürliche oder sachfremde Untätigkeit oder Verfahrensverzögerung zurückzuführen ist (vgl. BSG, Urteile vom 4. April 2006, B 1 KR 12/05 R; vom 7. November 2006, B 1 KR 24/06 R, und 7. Mai 2013, B 1 KR 44/12 R, jeweils juris). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Bezogen auf das Verfahren der Liposuktion hat das BSG in seinem Urteil vom 16. Dezember 2008 (B 1 KR 11/08 R, juris) und in seinem Beschluss vom 10. Mai 2012 (B 1 KR 78/11 B, juris) keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalles gesehen. Inzwischen hat der GBA mit Beschluss vom 22. Mai 2014 die Einleitung eines entsprechenden Verfahrens zur Bewertung der Liposuktion beschlossen. Die Klägerin hat die erste Liposuktion aber bereits am 15. Mai 2014 und damit zu einem Zeitpunkt vornehmen lassen, als das Überprüfungsverfahren noch nicht einmal begonnen hatte; die beiden anderen Liposuktionen erfolgten am 29. Januar 2015 und am 9. April 2015, also zu Zeitpunkten, zu denen der GBA erst am Anfang der Durchführung des Überprüfungsverfahrens stand. Das schließt die Annahme eines zur Selbstbeschaffung berechtigenden Systemversagens aus (ebenso LSG Thüringen, Beschluss vom 20. April 2015, L 6 KR 1935/12 B, juris; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 13. September 2016, L 4 KR 320/16, juris).

Nach Überzeugung des Senats sind zudem zur Qualität und Wirksamkeit der Liposuktion zurzeit keine dem Wissenschaftlichkeitsgebot des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V entsprechenden zuverlässigen, wissenschaftlich nachprüfbaren Aussagen möglich (vgl. Urteile des Senats vom 29. Januar 2015, L 8 KR 339/11, juris sowie vom 11. Juni 2015, L 8 KR 148/12). Es fehlen wissenschaftlich einwandfrei durchgeführte Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der streitigen Behandlungsmethode. Dies ist dem aktualisierten Gutachten des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenversicherung e.V. – SEG 7 – mit dem Titel "Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen" vom 15. Januar 2015 zu entnehmen. Ausweislich des Gutachtens, das eine umfassende Auswertung der über den Einsatz von Liposuktion als Methode zur Behandlung von Lipödemen veröffentlichten Studien vornimmt, gab es im Mai 2011 nur zwei kontrollierte Studien, deren Aussagewert nicht ausreicht, um einen langfristigen Nutzen der Liposuktion zu belegen. Alle übrigen im Mai 2011 zugänglichen Veröffentlichungen wiesen einen noch geringeren Aussagewert auf. Daraus folgt, dass die Methode der Liposuktion zur Therapie des Lipödems zu diesem Zeitpunkt noch Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion war und weitere randomisierte Studien erforderlich sind, um sie als eine den Kriterien der evidenzbasierten Medizin entsprechende Behandlungsmethode qualifizieren zu können. Daran hat sich nichts geändert. Dem Zwischenbericht der Expertengruppe vom 15. April 2014 ist zu entnehmen, dass keine weiteren kontrollierten Studien identifiziert werden konnten. Zur einzigen relevanten Folgepublikation (Hansson, E., Manjer, J., Svensson, H., Brorson, H. Quality-of-life in patients with Dercum s disease-before and after liposuction. J Plast Surg Hand Surg, 2012; 46 (3-4): 252-256) führt der Bericht aus: "Schwerpunkt der aktuellen Publikation ist die Messung der Lebensqualität mit validierten Messinstrumenten wie dem Psychological General Well-Being Index (PGWB, ein Fragebogen zur Erfassung der psychologischen Komponente der Lebensqualität) und des Nottingham Health Profile (NHP). Das NHP wurde Ende der 70er Jahre in Großbritannien entwickelt und ist seitdem als Instrument zur Patientenselbstbeurteilung der subjektiven Gesundheit im englischen Sprachraum genutzt. Auch in der aktuellen Publikation der Studie wurden die Ergebnisse der Erstpublikation bestätigt, wobei hier jedoch Ergebnisse der Auswertung validierter, jedoch nicht krankheitsspezifische Instrumente (NHP und PGWP) zur Messung der Lebensqualität berichtet wurden. So zeigte sich nach 3 Monaten eine statistisch signifikante Verbesserung der Lebensqualität zugunsten der Liposuktionsbehandlung. Diese Differenz konnte beim PGWP bereits nach 1 Jahr nicht mehr nachgewiesen werden, wohl aber bei einer längeren Nachbeobachtungszeit von 3 bzw. 5 Jahren. Beim NHP-Gesamtscore erwies sich der Unterschied in den ersten beiden Jahren als statistisch signifikant, nach 3 Jahren zeigte sich jedoch kein signifikanter Unterschied mehr. Dieser Effekt ist aber auch nach Ansicht der Autoren so unsicher, dass er die Risiken einer operativen Intervention nicht rechtfertigt. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass in der Kontrolle keine suffiziente spezifische konservative Therapie durchgeführt wurde." Anderes ergibt sich auch nicht aus der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie "Lipödeme der Beine" (Version vom 25. Juni 2009, zurzeit in Überarbeitung). Es handelt sich insoweit um eine Leitlinie "S1". Eine solche "S1-Leitlinie" ist kein Beleg für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Behandlungsmethode im Sinne der Kriterien der evidenzbasierten Medizin. Auf einer Evidenz-Recherche beruhen Leitlinien der Stufe "S2k" oder "S3" (http://www.awmf.org/fileadmin/user upload/Leitlinien/Werkzeuge/ ll-glossar.pdf"Klassifizierung von Leitlinien").

Die Beklagte war zur Erbringung der Liposuktionen auch nicht im Rahmen einer stationären Krankenhausbehandlung verpflichtet, so dass sie keine Pflicht traf, die Klägerin auf eine solche als Leistung der GKV erbringbare Behandlungsalternative hinzuweisen. Krankenhausbehandlung ist nämlich nicht bereits deshalb erforderlich, weil eine bestimmte Leistung nach den Regeln der ärztlichen Kunst zwar ambulant erbracht werden kann, vertragsärztlich aber mangels positiver Empfehlung des GBA oder Aufnahme einer Position in den EBM nicht zu Lasten der GKV geleistet werden darf (BSG, Urteil vom 2. September 2014, B 1 KR 11/13 R, juris Rn. 14). Vielmehr bedarf es der individuellen Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung allein aus medizinischen Gründen (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008, B 1 KR 11/08 R, juris Rn. 17), an der es im Fall der Klägerin im Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten fehlte. In der von der Klägerin mit dem Antrag vorgelegten ärztlichen Bescheinigung des Chirurgen Dr. CK aus der Praxis "Gefäßkrankheiten X" vom 9. September 2013 wurde ausdrücklich die Gewährung der Kostenübernahme für eine ambulante Liposuktion beantragt; aus der Bescheinigung ergeben sich keine Hinweise für die Notwendigkeit einer stationären Behandlung. Insoweit ist es unerheblich, dass nach dem Vortrag der Klägerin sie im Rahmen der zweiten und dritten Behandlung - abweichend von Antrag und Kostenvoranschlag – über Nacht aufgenommen wurde.

Die Klägerin kann den geltend gemachten Anspruch auch nicht auf die Rsprg. des BVerfG (Beschluss vom 6. Dezember 2005, 1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25-51) stützen. Der vom BVerfG entwickelte und mittlerweile durch § 2 Abs. 1a SGB V gesetzlich ausgeformte Anspruch von Versicherten auf ärztliche Behandlung mit nicht allgemein anerkannten Methoden, die durch den zuständigen GBA bisher nicht anerkannt sind, setzt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung voraus (BSG, Urteile vom 4. April 2006, B 1 KR 12/04 R und B 1 KR 7/05 R; vom 16. Dezember 2008, B 1 KR 11/08 R, und vom 7. Mai 2013, B 1 KR 26/12 R – alle in juris). Mit dem Kriterium einer Krankheit, die zumindest mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung in der Bewertung vergleichbar ist, ist eine strengere Voraussetzung umschrieben, als sie etwa mit dem Erfordernis einer "schwerwiegenden" Erkrankung für die Eröffnung des so genannten Off-Label-Use formuliert ist (BSG a.a.O.). Gerechtfertigt ist eine verfassungskonforme Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen damit nur, wenn eine notstandsähnliche Situation im Sinne einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik vorliegt, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. November 2015, 1 BvR 2056/12, juris). Das bedeutet, dass nach den konkreten Umständen des Falles bereits drohen muss, dass sich ein voraussichtlich tödlicher Krankheitsverlauf innerhalb überschaubaren Zeitraums mit Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird; Ähnliches kann für den nicht kompensierbaren Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion gelten. Einen solchen Schweregrad erreicht das Lipödem-Syndrom der Klägerin erkennbar nicht (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008, B 1 KR 11/08 R, juris).

Der Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus einer verspäteten Entscheidung der Beklagten über den Leistungsantrag.

Gemäß § 13 Abs. 3a SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (§ 13 Abs. 3a Satz 2 SGB V). Der MDK nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung (§ 13 Abs. 3a S. 3 SGB V). Eine hiervon abweichende Frist ist nur für den Fall der Durchführung eines im Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z) vorgesehenen Gutachterverfahrens bestimmt (§ 13 Abs. 3a S. 4 SGB V). Kann die Krankenkasse die Fristen nach Satz 1 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (§ 13 Abs. 3a S. 5 SGB V). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (§ 13 Abs. 3a S 6 SGB V). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (§ 13 Abs. 3a S 7 SGB V). Für Leistungen zur medizinischen Reha gelten abweichend die §§ 14, 15 SGB IX zur Zuständigkeitsklärung und Erstattung selbstbeschaffter Leistungen (§ 13 Abs. 3a S 9 SGB V).

Insoweit bestehen zunächst keine Zweifel, dass es sich bei dem Antrag der Klägerin vom 16. September 2013 um einen "fiktionsfähigen", hinreichend bestimmten Antrag handelt. Aus der Bezugnahme auf das beigefügte Gutachten der Praxis "Gefäßkrankheiten X" ergab sich das Begehren der Klägerin auf Genehmigung der ambulanten Liposuktionen in den beschriebenen Bereichen.

Zwar setzt auch der Kostenerstattungsanspruch aufgrund Genehmigungsfiktion voraus, dass sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine "erforderliche" Leistung selbst beschaffen. Diese Begrenzung auf erforderliche Leistungen bewirkt nach der Rsprg. des BSG, der sich der Senat anschließt, allerdings lediglich eine Beschränkung auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung liegen (BSG, Urteil vom 8. März 2016, B 1 KR 25/15 R, juris Rn. 25 f.). Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass aus der Sicht der Klägerin ihr Antrag auf eine Liposuktion auf eine in keinem Fall genehmigungsfähige Leistung gerichtet war. Die Liposuktion als solche steht bereits nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV, was schon daran deutlich wird, dass es sich um eine verbreitete medizinische Leistung handelt, die Beklagte die Einholung eines begründeten medizinischen Gutachtens des MDK für erforderlich hielt und sich mit dem Anliegen der Klägerin in den angefochtenen Bescheiden ausführlich auseinandersetzte.

Ein Anspruch offensichtlich außerhalb des gesetzlichen Rahmens lag auch nicht deshalb vor, weil die Klägerin die Leistungserbringung durch einen nicht zugelassenen Leistungserbringer beantragte. Hierbei kann es dahinstehen, ob die behandelnden Ärzte der Praxis "Gefäßkrankheiten X" über eine vertragsärztliche Zulassung verfügen. Allein die Vorlage eines privatärztlichen Kostenvoranschlags führt jedenfalls nicht dazu, dass von einem offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs stehenden Begehren auszugehen ist (so aber LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15. November 2016, L 11 KR 5297/15, juris Rn. 31). Der Antrag der Klägerin vom 16. September 2013 richtete sich ohne ausdrückliche Einschränkung hinsichtlich des möglichen Leistungserbringers auf die Durchführung dreier ambulanter Liposuktionen. Zwar war der beigefügte Kostenvoranschlag der Praxis "Gefäßkrankheiten X" auf eine privatärztliche Leistungserbringung ausgerichtet. Daraus ergibt sich aber nicht, dass die Klägerin auf eine Leistungserbringung außerhalb der Systemgrenzen der GKV festgelegt war. Bei Leistungen wie der Liposuktion ist die Besonderheit zu beachten, dass diese von den gesetzlichen Krankenkassen nur im Ausnahmefall bewilligt werden und die Versicherten, die um eine solche Leistung nachsuchen, von den befragten Ärzten typischerweise darauf hingewiesen werden, dass sie diese Kosten vorbehaltlich einer positiven Einzelfallentscheidung der Krankenkasse selbst zu tragen haben. Insoweit bedeutet die Vorlage eines privatärztlichen Kostenvoranschlags nach Maßgabe der GOÄ nicht automatisch, dass der Versicherte sich damit bereits abschließend für eine privatärztliche Versorgung entschieden hat. Vielmehr muss im Regelfall davon ausgegangen werden, dass ein Versicherter, wenn er durch die Krankenkasse über die gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten der Leistungserbringung im Rahmen des vertragsärztlichen Leistungssystems aufgeklärt wird, diesen für ihn kostenfreien Versorgungsweg wählen wird. Etwas anderes wird nur dann anzunehmen sein, wenn aus den Äußerungen und dem Verhalten des Versicherten deutlich wird, dass er auf eine Behandlung gerade durch einen ganz bestimmten, nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Arzt festgelegt ist. Eine solche Festlegung auf eine privatärztliche Behandlung durch die Praxis "Gefäßkrankheiten X" ist aber keiner Äußerung der Klägerin zu entnehmen. Die Durchführung der privatärztlichen Behandlung erfolgte auch erst nach der endgültigen Leistungsablehnung durch die Beklagte.

Damit ist vorliegend der Anwendungsbereich des § 13 Abs. 3a SGB V mit den dort genannten Fristen eröffnet. Vorliegend hat die Beklagte die Klägerin außerhalb der Drei-Wochen-Frist, aber innerhalb der Fünf-Wochen-Frist beschieden. Der Antrag der Klägerin ging am 19. September 2013 bei der Beklagten ein und wurde von ihr noch am selben Tag an den MDK weitergeleitet. Der MDK fragte am 23. September 2013 bei der Klägerin nach weiteren Befunden und Unterlagen an und bat um Übermittlung eines Fragebogens. Am 14. Oktober 2013 erstellte der MDK sodann das sozialmedizinische Gutachten, über welches die Klägerin am 18. Oktober 2013 von der Beklagten telefonisch und schriftlich unterrichtet wurde.

Damit hat die Beklagte die hier maßgebliche Frist von fünf Wochen gewahrt. Denn die Beklagte hielt die Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme des MDK für erforderlich und hat diese unverzüglich nach Antragseingang in Auftrag gegeben. Die Auffassung der Klägerin, für den Lauf der Fünf-Wochen-Frist sei erforderlich, dass die Krankenkasse einen "sachlich richtigen" Gutachtensauftrag erteile und das Gutachten des MDK sich zu den "richtigen" Fragen äußere, findet im Gesetz keine Stütze; zudem hat sich vorliegend der MDK zu den "richtigen" Fragen – nämlich der Frage einer medizinisch indizierten Liposuktion – geäußert.

Allerdings hat die Beklagte die Klägerin entgegen ihrer in § 13 Abs. 3a Satz 2 SGB V normierten Verpflichtung über die Einholung des MDK-Gutachtens nicht unverzüglich unterrichtet, sondern von einer Unterrichtung abgesehen. Gleichwohl führt dies nicht dazu, dass die Drei-Wochen-Frist anzuwenden wäre. Der Senat schließt sich insoweit der von der Rsprg. des BSG abweichenden Auffassung des LSG Baden-Württemberg im Urteil vom 21. Februar 2017 (L 11 KR 2090/16, Revision anhängig) an: Die alternativen Fristen in § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V sind nach dem Wortlaut allein daran geknüpft, ob eine gutachtliche Stellungnahme eingeholt wird oder nicht. § 13 Abs. 3a Satz 2 SGB V wird bei der Regelung der Rechtsfolgen in § 13 Abs. 3a Sätze 5 und 6 SGB V nicht erwähnt, so dass auch systematische Gründe dafürsprechen, an die Verletzung der Mitteilungspflicht nach Satz 2 keine Rechtsfolgen zu knüpfen (so zutreffend LSG Baden-Württemberg aaO). Zwar soll nach der Vorstellung des Gesetzgebers durch die Mitteilung nach Satz 2 dem Versicherten Klarheit verschafft werden, ob die Drei-Wochen-Frist oder die Fünf-Wochen-Frist gilt (BT-Drs 17/10488 S. 32). Dieses Ziel wird durch die gesetzlich vorgesehene Mitteilung der Krankenkasse aber ohnehin nicht erreicht. Denn das Gesetz verlangt keine Information des Versicherten über eine damit einhergehende längere Entscheidungsfrist oder gar über daran anknüpfende mögliche leistungsrechtliche Konsequenzen eines Fristversäumnisses. Allein das Unterbleiben einer solchen Zwischeninformation innerhalb des ohnehin engen zeitlichen Rahmens von fünf Wochen, welche dem Versicherten letztlich nur sagt, dass die Entscheidung der Kasse voraussichtlich etwas länger dauern wird, rechtfertigt es aber nicht, deswegen ohne inhaltliche Prüfung die beantragte Leistung als genehmigt zu fingieren. In verwaltungspraktischer Hinsicht ist dabei auch zu bedenken, dass die Krankenkassen bei einem derart strikten Verständnis der Vorschrift im Grunde gezwungen wären, im Massengeschäft der Leistungsbearbeitung solche Informationsschreiben förmlich zuzustellen, weil ihnen anderenfalls der Nachweis der erteilten Information nicht möglich ist. Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass die Klägerin durch die Anfrage des MDK vom 23. September 2013 über das eingeleitete Begutachtungsverfahren in Kenntnis gesetzt war. Zwar ersetzt dies bei förmlicher Betrachtung die Mitteilung der Krankenkasse nicht, weil das Gesetz ein Tätigwerden der Krankenkasse und nicht des MDK verlangt. Sachlich war aber der Zweck der Vorschrift erfüllt: die Klägerin wusste, dass die Sache zur Prüfung beim MDK lag, und konnte sich auf eine dadurch bedingte etwas längere Verfahrensdauer einstellen.

Der Senat hält eine derart einschränkende Auslegung der Vorschrift auch im Hinblick auf die mit der Genehmigungsfiktion verbundenen Wirkungen für geboten. Die Genehmigungsfiktion führt dazu, dass Leistungen, die nach materiellem Recht – etwa wegen fehlender Behandlungsbedürftigkeit, dem Vorrang anderer oder günstigerer Behandlungsalternativen – nicht genehmigungsfähig sind, allein wegen dem Fristversäumnis durch die Krankenkassen zu erbringen sind. Das muss im Hinblick auf die damit verbundenen Konsequenzen restriktiv gehandhabt werden. Denn ansonsten ergibt sich die Verpflichtung der gesetzlichen Krankenkassen, im sensiblen Bereich der Gesundheitsleistungen wegen einem vergleichsweise geringfügigem Verfahrensfehler Leistungen erbringen zu müssen, die nicht nur nicht indiziert, sondern unter Umständen für den Patienten gefährlich oder schädlich sind. In besonderem Maße gilt dies bei Leistungen, bei denen die Krankenkassen "im Hinblick auf Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf" verpflichtet sind, eine gutachtliche Stellungnahme des MDK einzuholen (§ 275 Abs. 1 SGB V). In der gerichtlichen Praxis hat sich gezeigt, dass es sich häufig um schwerwiegende operative Eingriffe handelt wie die hier streitige Liposuktion, aber auch Magenband- und Magenbypass-Operationen sowie Brustvergrößerungs- und Verkleinerungsoperationen. Nach den Erfahrungen des Senats sind solche Eingriffe in vielen Fällen nicht medizinisch indiziert, sondern entsprechen dem Wunsch der Patienten nach ästhetischen Verbesserungen, bei denen weder die Risiken noch die nachoperativen Konsequenzen ausreichend bedacht werden; nicht selten sind solche Behandlungswünsche auch im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen der Patienten zu sehen. In solchen Fällen bewegt sich die Vorschrift des § 13 Abs. 3a SGB V, soweit sie eine weitgehend voraussetzungslose Genehmigungsfiktion auch für wissenschaftlich nicht anerkannte, experimentelle und in ihren Folgewirkungen unabsehbare Therapien anordnet, aber an der Grenze der verfassungsrechtlichen Schutzpflichten des Gesetzgebers. Die Gestaltung des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung hat sich an der objektiv-rechtlichen Pflicht des Staates zu orientieren, sich schützend und fördernd vor die Rechtsgüter des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu stellen (BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2005, 1 BvR 347/98, juris Rn. 55). Diese die gesetzlichen Krankenkassen als Körperschaften des Öffentlichen Rechts treffende Schutzpflicht kann aber nicht nur durch ein "zu wenig", sondern in gleicher Weise durch ein "zu viel" an Leistungen ohne ausreichende Kontrolle gefährdet sein, wenn Patienten hierdurch Behandlungen erhalten, die objektiv zweifelhaft, möglicherweise sogar schädlich sind. Vor diesem Hintergrund ist es aus Sicht des Senats geboten, gerade in den Fällen, in denen wegen der Notwendigkeit medizinischer Begutachtung der beantragten Leistung eine Stellungnahme des MDK eingeholt werden muss, die Fünf-Wochen-Frist auch dann anzuwenden, wenn die Krankenkasse die Unterrichtung des Versicherten versäumt.

Vorliegend hat die Beklagte innerhalb der danach maßgeblichen Fünf-Wochen-Frist den Antrag der Klägerin beschieden, so dass die Genehmigungsfiktion nicht eingetreten ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird wegen Divergenz zugelassen (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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