Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 8 KR 3/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 128/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 03.06.2002 geändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Ausstattung des Großraum-PKW seiner Eltern mit einer automatischen Rollstuhlbefestigung.
Der am 00.00.1991 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Kläger leidet seit seiner Geburt an einer schweren cerebralen Dysfunktion mit sensomotorischen Wahrnehmungsstörungen und einem cerebralen Anfallsleiden bei daraus resultierenden erheblichen neurologisch bedingten Bewegungsstörungen mit Paraspastik. Ferner liegen erhebliche Einschränkungen der Psyche, der Sinnesorgane sowie der inneren Organe, des zentralen Nervensystems sowie des Stütz- und Bewegungsapparates vor. Der Kläger ist bewegungsunfähig und dauerhaft auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen. Er erhält Leistungen nach der Pflegestufe III i.S.d. Elften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XI).
Mit Schreiben vom 15.02.2001 beantragte der Kläger die Ausstattung des Großraum-PKW seiner Eltern mit einer elektrischen Hebebühne und einer automatischen Rollstuhlbefestigung. Zur Begründung gab er an, seine Eltern seien nicht mehr in der Lage, ihn ohne diese Hilfsmittel zu befördern, insbesondere die verschiedenen zahlreichen Arztbesuche durchzuführen.
Die Beklagte lehnte die Gewährung der elektrischen Hebebühne und der automatischen Rollstuhlbefestigung durch den Bescheid vom 18.04.2001 mit der Begründung ab, dass es sich hierbei nicht um Hilfsmittel i.S.d. § 33 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) handele. Den dagegen am 15.05.2001 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch den Widerspruchsbescheid vom 20.12.2001 zurück.
Der Kläger hat am 16.01.2002 Klage vor dem Sozialgericht Münster erhoben. Zur Begründung hat er vorgebracht, erst die automatische Rollstuhlbefestigung sowie die elektrische Rollstuhlhebebühne ermöglichten ihm im Auto seiner Eltern transportiert zu werden und so in Kontakt mit seiner Außenwelt zu treten. Dies müsse ihm die Beklagte ermöglichen, weil er ansonsten ausschließlich auf den häuslichen Bereich beschränkt sei.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18.04.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.12.2001 zu verurteilen, ihm eine elektrische Hebebühne und eine Rollstuhlbefestigung zu bewilligen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat entgegnet, dass ein Anspruch des Klägers auf Gewährung dieser Gegenstände gemäß § 33 SGB V nicht bestehe.
Durch Urteil vom 03.06.2002 hat das Sozialgericht Münster die Beklagte verurteilt, dem Kläger eine automatische Rollstuhlbefestigung für den Großraum-PKW zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen das ihr am 17.06.2002 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 05.07.2002 Berufung eingelegt.
Zur Begründung bringt sie vor: Das Grundbedürfnis des Klägers auf Fortbewegung sei durch die Versorgung mit dem von ihr gewährten Rollstuhl befriedigt worden. Die Fähigkeit, ein Auto zu benutzen, stelle kein Grundbedürfnis i.S.d. Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu den Hilfsmitteln i.S.d. § 33 SGB V dar. Hier gehe es vielmehr um die soziale Eingliederung Behinderter, für die andere Sozialleistungsträger zuständig seien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 03.06.2002 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des Sozialgerichts Münster hinsichtlich der Gewährung der automatischen Haltevorrichtung für seinen Rollstuhl für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird verwiesen auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet, denn das Sozialgericht hat sie zu Unrecht verurteilt, eine automatische Rollstuhlbefestigung als Hilfsmittel für den Großraum-PKW der Eltern des Klägers zu gewähren.
Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V (in der seit 01.07.2001 geltenden Fassung) haben Versicherte Anspruch u.a. auf Hilfsmittel, die im Einzelfall erforderlich sind, den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Diese genannten Ausschlussgründe liegen nicht vor. Weder ist eine automatische Rollstuhlbefestigung ein in der nach § 34 Abs. 2 SGB V erlassenen Verordnung vom 13.12.1989 (Bundesgesetzblatt [BGBl.] I, 2237) ausgeschlossenes Hilfsmittel noch handelt es sich offenkundig um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens.
Die automatische Rollstuhlbefestigung ist jedoch nicht erforderlich, um eine Behinderung auszugleichen, auch wenn man davon ausgeht, dass der Kläger ohne diese im Großraum-PKW seiner Eltern nicht transportiert werden kann.
Ein Hilfsmittel ist zum Ausgleich einer Behinderung nur dann erforderlich, wenn sein Einsatz der Sicherstellung eines allgemeinen Grundbedürfnisses dient (vgl. zuletzt BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 44). Davon kann grundsätzlich ausgegangen werden, wenn das Hilfsmittel die beeinträchtigte Körperfunktion unmittelbar ermöglicht, ersetzt oder erleichtert. Soweit dagegen - wie hier - das Hilfsmittel die ausgefallene oder beeinträchtigte Organfunktion nur mittelbar ersetzt, muss besonders geprüft werden, in welchen Lebensbereichen sich der Ausgleich auswirkt, ob also das Hilfsmittel zur Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse benötigt wird. Zu diesen Grundbedürfnissen gehören zum einen die körperlichen Grundfunktionen (Gehen, Stehen und Treppensteigen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnahme, Ausscheidung), darüber hinaus die elementare Körperpflege und das selbständige Wohnen sowie die Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums, der auch die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen zur Vermeidung von Vereinsamung sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens (Schulwissens) umfasst (vgl. dazu BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 32 mit Nachweisen zur Rechtsprechung). Eine über die Befriedigung eines solchen Grundbedürfnisses hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist Aufgabe anderer Sozialleistungsträger (vgl. BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 29).
Die automatische Rollstuhlbefestigung ist nicht erforderlich, um das elementare Grundbedürfnis des Klägers im Rahmen der Fortbewegung zu gewährleisten. Das Grundbedürfnis der Erschließung eines gewissen körperlichen Freiraums ist nur i.S. eines Basisausgleichs und nicht als ein vollständiges Gleichziehen mit den letztlich unbegrenzten Mobilitätsmöglichkeiten des Gesunden zu verstehen. Dieser Basisausgleich umfasst lediglich die Fähigkeit, sich in der Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang an die frische Luft zu gelangen (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 32). Der Mobilitätsausgleich ist in diesem Sinne mittels des von der Beklagten zur Verfügung gestellten Rollstuhls sichergestellt.
Die Benutzung eines PKW - sei es als Fahrer oder Mitfahrer - zählt nicht zu dem Grundbedürfnis auf Mobilität. Zwar ist der 8. Senat des BSG in seinem Urteil vom 26.02.1991 (SozR 3-2500 § 33 Nr. 3) davon ausgegangen, dass auch das Mitfahren in einem PKW zur Befriedigung des Grundbedürfnisses auf Fortbewegung benötigt werden kann. In der weiteren Rechtsprechung des BSG ist allerdings das Grundbedürfnis des Erschließens eines gewissen körperlichen Freiraums i.S. eines Basisausgleichs der Behinderung verstanden worden. Das BSG hält es nunmehr für ausreichend, wenn mit den zur Verfügung stehenden Mitteln (wie hier dem Schieberollstuhl) die üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden Stellen erreicht werden können, an denen Alltagsgeschäfte (wie etwa das Einkaufen von Lebensmitteln, Gegenständen des täglichen Bedarfs) erledigt werden (vgl. BSG Urteil vom 21.11.2002, Az.: B 3 KR 8/02 R mit Nachweisen zur Entwicklung der Rechtsprechung). Da es insoweit auf die besonderen Verhältnisse des Wohnortes und Wohngebietes nicht ankommt (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 31), sind der konkrete Wohnort des Klägers und die von ihm konkret zurückzulegenden Wegstrecken unbeachtlich. Da somit die Bewegungsfreiheit als Grundbedürfnis sich nur auf einen begrenzten räumlichen Bereich bezieht, hat das BSG in der Entscheidung vom 06.08.1998 (SozR 3-2500 § 33 Nr. 29) folgerichtig das selbständige Führen eines PKW nicht zu den Grundbedürfnissen gerechnet. Ebensowenig zählt das Mitfahren in einem PKW zu den Grundbedürfnissen (so schon Senat Urteil vom 06.02.2001 - L 5 KR 156/00 -). Wenn der Mobilitätsausgleich auf den Nahbereich begrenzt ist, kann das Mitfahren in einem PKW, dessen Einsatzbereich typischerweise außerhalb des räumlichen Anspruchsbereichs i.S.v. § 33 SGB V liegt, nicht anders beurteilt werden als das selbständige Führen eines PKW.
Da der Kläger immer auf die Hilfe Dritter angewiesen ist, wird seiner Unfähigkeit zum selbständigen Fortbewegen auch durch die automatische Rollstuhlbefestigung nicht abgeholfen; den PKW kann er ebensowenig wie den Rollstuhl selbständig nutzen. Unselbständig kann der Kläger dagegen mit Hilfe Dritter mit dem von der Beklagten zur Verfügung gestellten Rollstuhl die i.S.v. § 33 SGB V maßgeblichen Entfernungen bewältigen.
Unerheblich ist auch, dass der Kläger von seinen Eltern mit dem PKW zu ärztlichen Behandlungen gebracht wird. Das Aufsuchen von Ärzten und Therapeuten ist kein selbständiges Grundbedürfnis, sondern ein konkreter Anwendungsfall des Bedürfnisses nach Mobilität, das, wie dargelegt, von der gesetzlichen Krankenversicherung nur in eingeschränktem Umfang gewährleistet wird. Die automatische Rollstuhlbefestigung ist insoweit auch nicht erforderlich, um i.S.d. § 33 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative SGB V den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern. Die genannte Alternative des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V betrifft nur Gegenstände, die aufgrund ihrer Hilfsmitteleigenschaft spezifisch im Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung eingesetzt werden, um zu ihrem Erfolg beizutragen (Senat Urteil vom 11.09.2003 - L 5 KR 234/02 -). Soweit es um die Ermöglichung des Aufsuchens von Therapeuten geht, wird in § 60 SGB V die Reichweite der Leistungspflicht der Krankenkassen geregelt; insoweit kommen Hilfsmittel, die nur dazu dienen sollen, die Wege zu den Leistungserbringern zurückzulegen, nicht in Betracht.
Der Senat verkennt nicht, dass die automatische Rollstuhlbefestigung für den Kläger und seine Eltern eine große Erleichterung bedeutet und sie es auch dem Kläger ermöglicht, in größerem Umfang gesellschaftliche Kontakte zu pflegen. Der von den Krankenkassen zu gewährende Behinderungsausgleich bedeutet jedoch nicht, dass damit auch sämtliche direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen wären. Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung ist alleine die medizinische Rehabilitation, also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen, um ein selbständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Da, wie dargelegt, im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung das Erschließen eines körperlichen Freiraums i.S. eines Basisausgleichs zu verstehen ist, betrifft die durch die Benutzung eines PKW ermöglichte größere Mobilität Lebensbereiche, die der sozialen Rehabilitation zuzurechnen sind, so dass insoweit eine Leistungspflicht nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht besteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Senat hat dem Rechtsstreit im Hinblick auf die Entscheidung des BSG vom 26.02.1991 (a.a.O.) grundsätzliche Bedeutung beigemessen und daher die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG).
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Ausstattung des Großraum-PKW seiner Eltern mit einer automatischen Rollstuhlbefestigung.
Der am 00.00.1991 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Kläger leidet seit seiner Geburt an einer schweren cerebralen Dysfunktion mit sensomotorischen Wahrnehmungsstörungen und einem cerebralen Anfallsleiden bei daraus resultierenden erheblichen neurologisch bedingten Bewegungsstörungen mit Paraspastik. Ferner liegen erhebliche Einschränkungen der Psyche, der Sinnesorgane sowie der inneren Organe, des zentralen Nervensystems sowie des Stütz- und Bewegungsapparates vor. Der Kläger ist bewegungsunfähig und dauerhaft auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen. Er erhält Leistungen nach der Pflegestufe III i.S.d. Elften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XI).
Mit Schreiben vom 15.02.2001 beantragte der Kläger die Ausstattung des Großraum-PKW seiner Eltern mit einer elektrischen Hebebühne und einer automatischen Rollstuhlbefestigung. Zur Begründung gab er an, seine Eltern seien nicht mehr in der Lage, ihn ohne diese Hilfsmittel zu befördern, insbesondere die verschiedenen zahlreichen Arztbesuche durchzuführen.
Die Beklagte lehnte die Gewährung der elektrischen Hebebühne und der automatischen Rollstuhlbefestigung durch den Bescheid vom 18.04.2001 mit der Begründung ab, dass es sich hierbei nicht um Hilfsmittel i.S.d. § 33 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) handele. Den dagegen am 15.05.2001 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch den Widerspruchsbescheid vom 20.12.2001 zurück.
Der Kläger hat am 16.01.2002 Klage vor dem Sozialgericht Münster erhoben. Zur Begründung hat er vorgebracht, erst die automatische Rollstuhlbefestigung sowie die elektrische Rollstuhlhebebühne ermöglichten ihm im Auto seiner Eltern transportiert zu werden und so in Kontakt mit seiner Außenwelt zu treten. Dies müsse ihm die Beklagte ermöglichen, weil er ansonsten ausschließlich auf den häuslichen Bereich beschränkt sei.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18.04.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.12.2001 zu verurteilen, ihm eine elektrische Hebebühne und eine Rollstuhlbefestigung zu bewilligen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat entgegnet, dass ein Anspruch des Klägers auf Gewährung dieser Gegenstände gemäß § 33 SGB V nicht bestehe.
Durch Urteil vom 03.06.2002 hat das Sozialgericht Münster die Beklagte verurteilt, dem Kläger eine automatische Rollstuhlbefestigung für den Großraum-PKW zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen das ihr am 17.06.2002 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 05.07.2002 Berufung eingelegt.
Zur Begründung bringt sie vor: Das Grundbedürfnis des Klägers auf Fortbewegung sei durch die Versorgung mit dem von ihr gewährten Rollstuhl befriedigt worden. Die Fähigkeit, ein Auto zu benutzen, stelle kein Grundbedürfnis i.S.d. Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu den Hilfsmitteln i.S.d. § 33 SGB V dar. Hier gehe es vielmehr um die soziale Eingliederung Behinderter, für die andere Sozialleistungsträger zuständig seien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 03.06.2002 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des Sozialgerichts Münster hinsichtlich der Gewährung der automatischen Haltevorrichtung für seinen Rollstuhl für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird verwiesen auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet, denn das Sozialgericht hat sie zu Unrecht verurteilt, eine automatische Rollstuhlbefestigung als Hilfsmittel für den Großraum-PKW der Eltern des Klägers zu gewähren.
Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V (in der seit 01.07.2001 geltenden Fassung) haben Versicherte Anspruch u.a. auf Hilfsmittel, die im Einzelfall erforderlich sind, den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Diese genannten Ausschlussgründe liegen nicht vor. Weder ist eine automatische Rollstuhlbefestigung ein in der nach § 34 Abs. 2 SGB V erlassenen Verordnung vom 13.12.1989 (Bundesgesetzblatt [BGBl.] I, 2237) ausgeschlossenes Hilfsmittel noch handelt es sich offenkundig um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens.
Die automatische Rollstuhlbefestigung ist jedoch nicht erforderlich, um eine Behinderung auszugleichen, auch wenn man davon ausgeht, dass der Kläger ohne diese im Großraum-PKW seiner Eltern nicht transportiert werden kann.
Ein Hilfsmittel ist zum Ausgleich einer Behinderung nur dann erforderlich, wenn sein Einsatz der Sicherstellung eines allgemeinen Grundbedürfnisses dient (vgl. zuletzt BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 44). Davon kann grundsätzlich ausgegangen werden, wenn das Hilfsmittel die beeinträchtigte Körperfunktion unmittelbar ermöglicht, ersetzt oder erleichtert. Soweit dagegen - wie hier - das Hilfsmittel die ausgefallene oder beeinträchtigte Organfunktion nur mittelbar ersetzt, muss besonders geprüft werden, in welchen Lebensbereichen sich der Ausgleich auswirkt, ob also das Hilfsmittel zur Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse benötigt wird. Zu diesen Grundbedürfnissen gehören zum einen die körperlichen Grundfunktionen (Gehen, Stehen und Treppensteigen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnahme, Ausscheidung), darüber hinaus die elementare Körperpflege und das selbständige Wohnen sowie die Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums, der auch die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen zur Vermeidung von Vereinsamung sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens (Schulwissens) umfasst (vgl. dazu BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 32 mit Nachweisen zur Rechtsprechung). Eine über die Befriedigung eines solchen Grundbedürfnisses hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist Aufgabe anderer Sozialleistungsträger (vgl. BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 29).
Die automatische Rollstuhlbefestigung ist nicht erforderlich, um das elementare Grundbedürfnis des Klägers im Rahmen der Fortbewegung zu gewährleisten. Das Grundbedürfnis der Erschließung eines gewissen körperlichen Freiraums ist nur i.S. eines Basisausgleichs und nicht als ein vollständiges Gleichziehen mit den letztlich unbegrenzten Mobilitätsmöglichkeiten des Gesunden zu verstehen. Dieser Basisausgleich umfasst lediglich die Fähigkeit, sich in der Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang an die frische Luft zu gelangen (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 32). Der Mobilitätsausgleich ist in diesem Sinne mittels des von der Beklagten zur Verfügung gestellten Rollstuhls sichergestellt.
Die Benutzung eines PKW - sei es als Fahrer oder Mitfahrer - zählt nicht zu dem Grundbedürfnis auf Mobilität. Zwar ist der 8. Senat des BSG in seinem Urteil vom 26.02.1991 (SozR 3-2500 § 33 Nr. 3) davon ausgegangen, dass auch das Mitfahren in einem PKW zur Befriedigung des Grundbedürfnisses auf Fortbewegung benötigt werden kann. In der weiteren Rechtsprechung des BSG ist allerdings das Grundbedürfnis des Erschließens eines gewissen körperlichen Freiraums i.S. eines Basisausgleichs der Behinderung verstanden worden. Das BSG hält es nunmehr für ausreichend, wenn mit den zur Verfügung stehenden Mitteln (wie hier dem Schieberollstuhl) die üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden Stellen erreicht werden können, an denen Alltagsgeschäfte (wie etwa das Einkaufen von Lebensmitteln, Gegenständen des täglichen Bedarfs) erledigt werden (vgl. BSG Urteil vom 21.11.2002, Az.: B 3 KR 8/02 R mit Nachweisen zur Entwicklung der Rechtsprechung). Da es insoweit auf die besonderen Verhältnisse des Wohnortes und Wohngebietes nicht ankommt (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 31), sind der konkrete Wohnort des Klägers und die von ihm konkret zurückzulegenden Wegstrecken unbeachtlich. Da somit die Bewegungsfreiheit als Grundbedürfnis sich nur auf einen begrenzten räumlichen Bereich bezieht, hat das BSG in der Entscheidung vom 06.08.1998 (SozR 3-2500 § 33 Nr. 29) folgerichtig das selbständige Führen eines PKW nicht zu den Grundbedürfnissen gerechnet. Ebensowenig zählt das Mitfahren in einem PKW zu den Grundbedürfnissen (so schon Senat Urteil vom 06.02.2001 - L 5 KR 156/00 -). Wenn der Mobilitätsausgleich auf den Nahbereich begrenzt ist, kann das Mitfahren in einem PKW, dessen Einsatzbereich typischerweise außerhalb des räumlichen Anspruchsbereichs i.S.v. § 33 SGB V liegt, nicht anders beurteilt werden als das selbständige Führen eines PKW.
Da der Kläger immer auf die Hilfe Dritter angewiesen ist, wird seiner Unfähigkeit zum selbständigen Fortbewegen auch durch die automatische Rollstuhlbefestigung nicht abgeholfen; den PKW kann er ebensowenig wie den Rollstuhl selbständig nutzen. Unselbständig kann der Kläger dagegen mit Hilfe Dritter mit dem von der Beklagten zur Verfügung gestellten Rollstuhl die i.S.v. § 33 SGB V maßgeblichen Entfernungen bewältigen.
Unerheblich ist auch, dass der Kläger von seinen Eltern mit dem PKW zu ärztlichen Behandlungen gebracht wird. Das Aufsuchen von Ärzten und Therapeuten ist kein selbständiges Grundbedürfnis, sondern ein konkreter Anwendungsfall des Bedürfnisses nach Mobilität, das, wie dargelegt, von der gesetzlichen Krankenversicherung nur in eingeschränktem Umfang gewährleistet wird. Die automatische Rollstuhlbefestigung ist insoweit auch nicht erforderlich, um i.S.d. § 33 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative SGB V den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern. Die genannte Alternative des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V betrifft nur Gegenstände, die aufgrund ihrer Hilfsmitteleigenschaft spezifisch im Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung eingesetzt werden, um zu ihrem Erfolg beizutragen (Senat Urteil vom 11.09.2003 - L 5 KR 234/02 -). Soweit es um die Ermöglichung des Aufsuchens von Therapeuten geht, wird in § 60 SGB V die Reichweite der Leistungspflicht der Krankenkassen geregelt; insoweit kommen Hilfsmittel, die nur dazu dienen sollen, die Wege zu den Leistungserbringern zurückzulegen, nicht in Betracht.
Der Senat verkennt nicht, dass die automatische Rollstuhlbefestigung für den Kläger und seine Eltern eine große Erleichterung bedeutet und sie es auch dem Kläger ermöglicht, in größerem Umfang gesellschaftliche Kontakte zu pflegen. Der von den Krankenkassen zu gewährende Behinderungsausgleich bedeutet jedoch nicht, dass damit auch sämtliche direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen wären. Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung ist alleine die medizinische Rehabilitation, also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen, um ein selbständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Da, wie dargelegt, im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung das Erschließen eines körperlichen Freiraums i.S. eines Basisausgleichs zu verstehen ist, betrifft die durch die Benutzung eines PKW ermöglichte größere Mobilität Lebensbereiche, die der sozialen Rehabilitation zuzurechnen sind, so dass insoweit eine Leistungspflicht nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht besteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Senat hat dem Rechtsstreit im Hinblick auf die Entscheidung des BSG vom 26.02.1991 (a.a.O.) grundsätzliche Bedeutung beigemessen und daher die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG).
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