L 11 KR 4608/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 2036/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 4608/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 03.11.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch auf eine stationäre Krankenhausbehandlung.

Die 1983 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Im September 2014 fand eine Schlauchmagen-OP statt (Bl 7 Verwaltungsakte), die von der Beklagten genehmigt worden war.

Am 12.08.2015 beantragte die Klägerin die Übernahme der Kosten für eine stationäre Krankenhausbehandlung zum Zwecke einer operativen Bauchdecken- und Oberschenkelstraffung. Zur Begründung führte sie aus, seit November 2013 habe sie infolge einer konsequenten Umstellung ihrer Ernährungs- und Lebensgewohnheiten sowie einer operativen Magenverkleinerung ca. 50 kg an Körpergewicht verloren, von 125 kg auf nun 75 kg (BMI 24,8). Nach Einschätzung ihrer behandelnden Ärzte K. und Dr. W. sei mit keiner weiteren Gewichtsverringerung zu rechnen, da das meiste Fett in einer Bauchdeckenschürze sitze, die nach der extremen Abnahme verblieben sei. Das erschlaffte Hautgewebe hänge vor allem am Bauch, aber auch an den Oberschenkeln. Trotz sportlicher Aktivitäten (ua Schwimmen, Radfahren, Crosstrainer) mehrmals pro Woche habe sich hieran nichts geändert. Ihrem Antrag fügte sie Atteste der behandelnden Ärzte Dr. W. (vom 20.07.2015, Bl 3 Verwaltungsakte) und K. (vom 11.08.2015) bei; beide befürworteten eine operative Bauchdecken- und Oberschenkelstraffung.

Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Medizinischen Diensts (MDK) ein und unterrichtete die Klägerin mit Schreiben vom 17.08.2015 (Bl 8 Verwaltungsakte) hierüber und über die maßgeblichen Entscheidungsfristen. Dr. W. führte im Gutachten vom 03.09.2015 (Bl 11 Verwaltungsakte) aus, es liege eine mäßig ausgeprägte Fettschürze ohne Hautveränderungen und ohne Bewegungseinschränkungen der Oberschenkel vor. An den Oberschenkeln der Klägerin ließen sich keine Hautfalten erkennen. Die medizinischen Voraussetzungen für die beantragte Leistung seien nicht erfüllt.

Mit Bescheid vom 07.09.2015 lehnte die Beklagte den Antrag unter Bezugnahme auf das MDK-Gutachten ab.

Hiergegen legte die Klägerin am 02.10.2015 Widerspruch ein. Sie machte ergänzend geltend, durch die Hautmantelüberschüsse werde sie funktionell beeinträchtigt; denn dadurch sei ihre Bewegungsfähigkeit in alle Richtungen eingeschränkt. Weiterhin träten unter der Bauchdeckenschürze wiederholt Hautreizungen, Ekzeme und Mykosen auf; dies gehe mit Geruchsbildung einher. Durch konservative dermatologische Maßnahmen ließen sich die Hautirritationen nicht nachhaltig behandeln. Darüber hinaus führe die muskuläre Schwäche der vorderen Bauchwand zu einer permanenten Fehlbelastung des Achsenorgans, die wiederum vorzeitige Verschleißschäden begünstige. Eine adäquate konservative Therapie stehe insoweit nicht zur Verfügung. Das Tragen von Orthesen oder Bandagen sei kontraproduktiv; denn die Muskelkraft würde dadurch weiter abnehmen. Durch die Hautmantelüberschüsse sei sie außerdem entstellt. Sie stehe unter hohem Leidensdruck. Angesichts dessen seien die beantragte Krankenhausbehandlung dringend indiziert. Sie habe einen Anspruch auf Heilung, nicht nur auf Linderung. Ihrem Widerspruch fügte die Klägerin erneut Atteste behandelnder Ärzte ein, diesmal von Dr. D. (vom 08.10.2015, Bl 18 Verwaltungsakte) und Dr. F. (vom 16.11.2015).

Die Beklagte holte eine weitere Stellungnahme des MDK ein. Dr. A. führte unter dem 21.12.2015 (Bl 24 Verwaltungsakte) aus, es liege nur eine leicht überhängende Fettschürze vor (ca. 1,5-2cm). Die Beweglichkeit der Hüfte werde dadurch nicht eingeschränkt; die Klägerin könne die Hüfte problemlos bis zu 90 Grad beugen. Die von der Klägerin beschriebene Bildung von Körpergeruch in der Falte sei nicht festzustellen. Sie sei in gutem Trainingszustand, insbesondere sei die Bauchdeckenmuskulatur sehr gut trainiert. Die Beweglichkeit der unteren Extremität sei nicht eingeschränkt. Die Fettschürze bedecke nicht die Leisten.

Mit Schriftsatz vom 02.03.2016 legitimierte sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin und begründete den Widerspruch ausführlich.

Ergänzend führte Dr. A. sodann unter dem 31.03.2016 (Bl 43 Verwaltungsakte) aus, Einschränkungen der Hüftbeugung seien nicht nachvollziehbar, die unteren Extremitäten hätten problemlos bis 90 Grad in der Hüfte gebeugt werden können. Durch das Tragen geeigneter Funktionskleidung mit Stützfunktion erscheine eine normale Lebensführung möglich. Ein regelwidriger Körperzustand der Haut bzw des Unterhautfettgewebes liege nicht vor. Die von der Klägerin beschriebenen Reizungen der Haut mit rezidivierenden Entzündungen an Problemstellen hätten sich nicht erkennen lassen, insbesondere keine Entzündungen in der Unterbauchfalte. Bei der persönlichen Begutachtung sei die Unterbauchfalte völlig unauffällig gewesen. Die vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin allgemein beschriebenen rezidivierenden Ulzerationen und schweren Ekzeme und Hautnekrosen seien im Fall der Klägerin zu keinem Zeitpunkt beschrieben worden und hätten auch während der Untersuchung am 21.12.2015 nicht festgestellt werden können. Schließlich sei die Aussage des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, es habe sich zweifelsfrei eine Faltenbildung im Bereich des Unterbauches mit einem erheblichen Fettschürzenüberhang ergeben, nicht nachvollziehbar, da sich lediglich eine Hauptduplikatur im Sinne einer leichten Fettschürze mit einer Auflagefläche von 1,5 bis 2 cm eingestellt habe. Auch die vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin thematisierte muskuläre Schwäche bzw Insuffizienz der vorderen Bauchwand und hieraus resultierend eine permanente Fehlbelastung des Achsenorgans sei nicht nachvollziehbar. Eine muskuläre Schwäche oder Insuffizienz der Bauchwand habe bei der Versicherten nicht vorgelegen. Die muskuläre Bauchdecke sei stabil gewesen. Muskuläre Schwächen oder Insuffizienzerscheinungen der Bauchdeckenmuskulatur könnten durch körperliches Training gut verbessert werden. Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin darauf abstelle, dass eine adäquate konservative Therapie nicht zur Verfügung stehe und die Versorgung mit Hilfsmitteln (zB Orthese oder Bandage) wegen einer zu erwartenden Abnahme der Muskelkraft kontraproduktiv sei, so sei dies unzutreffend, da eine Rückenschulungsmaßnahme und Rückentraining sowie Aufbau der Bauchdeckenmuskulatur durch konservative Therapie (körperliches Training) erzielt werden könne. Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auf das Risikopotential in Extremfällen hinweise, habe dies mit dem hier vorliegenden Sachverhalt einer nur leichten Hautduplikatur nichts gemein. Die Haut im Bereich der Oberschenkel habe keine Hautfaltenbildung mit Auflagefläche gezeigt, auch keine Rötung. Bei hüftbreitem Beinabstand habe sich nur eine leichte kurzstreckige Berührung der Oberschenkelinnenseite im körpernahen Bereich gefunden, keine Hautfalten im Bereich des Gesäßes. Schließlich sei auch die vom Klägervertreter behauptete Entstellung nicht nachvollziehbar. Im bekleideten Zustand seien keine Auffälligkeiten für den flüchtigen Beobachter erkennbar. Die Versicherte selbst beklagte, dass ihr Bauch nicht schön aussehen würde. Die Oberschenkel seien normal geformt, Auffälligkeiten seien nicht erkennbar. Im Vordergrund stehe das eigene Befinden und der kosmetische Aspekt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18.05.2016 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend aus, am Bauch der Klägerin bestehe nur eine gering überhängende Fettschürze. Auch die von der Klägerin im Widerspruch angegebenen schweren Hautbeschwerden habe der MDK nicht feststellen können. Zudem müssten diese in erster Linie dermatologisch behandelt werden. Eine etwaige Schwäche der Bauchdeckenmuskulatur lasse sich gut durch gezieltes Training beheben. Auch hierfür stünden also konservative Maßnahmen zur Verfügung. Die Hautmantelüberschüsse wirkten auch nicht entstellend: Für einen flüchtigen Betrachter der Klägerin im bekleideten Zustand ließen sich keine Auffälligkeiten feststellen; insbesondere die Form ihrer Oberschenkel sei normal. Sofern die Klägerin dennoch einen psychischen Leidensdruck verspüre, könne und müsse sie dem mit Mitteln der Psychotherapie begegnen.

Hiergegen hat die Klägerin am 20.6.2016 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und zur Begründung vollumfänglich auf ihren Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren Bezug genommen.

Das SG hat Beweis erhoben durch die Einholung sachverständiger Zeugenauskünfte der behandelnden Ärzte. Der Allgemeinmediziner Dr. D. hat mit Schreiben vom 11.08.2016 (Blatt 24 SG-Akte) mitgeteilt, die Klägerin habe im Sommer 2015 Rückenbeschwerden gehabt, die im Herbst 2015 sich wieder gebessert hätten. Er habe wegen Beschwerden im Bereich der hängenden Bauchfalte mit Rötungen, Schmerzen und Entzündungen im Oktober 2015 Leukichtan Gel verschrieben. Die Fachärztin für Innere Medizin K. hat mit Schreiben vom 19.09.2016 (Blatt 27 SG-Akte) mitgeteilt, seit März 2016 bestünden psychische Probleme. Sie habe eine Ernährungsberatung und die Verweisung an den Ehetherapeuten und an das Adipositas-Zentrum im Klinikum K. veranlasst. Der Internist Dr. F. hat im Schreiben vom 28.09.2016 mitgeteilt, im Sommer 2015 habe der Verdacht auf Bandscheibenvorfall bei Fußheberschwäche bestanden. Eine Überweisung zum Orthopäden sei erfolgt. Infolge der Ablehnung der operativen Bauchdeckenstraffung durch die Beklagte sei eine depressive Reaktion erfolgt. Die Operation im September 2014 habe ein hervorragendes Ergebnis gezeigt.

Mit Gerichtsbescheid vom 03.11.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie habe keinen Anspruch auf eine vollstationäre Krankenhausbehandlung zum Zwecke einer operativen Bauchdecken- und Oberschenkelstraffung. Die Fettschürze am Bauch der Klägerin stelle für sich genommen keine Krankheit dar. Die Fettschürze führe zu keiner wesentlichen Beeinträchtigung von Körperfunktionen. So sei die Klägerin bei der Untersuchung durch den MDK problemlos in der Lage gewesen, die Hüfte im Stehen bis zu 90 Grad zu beugen. Im Übrigen habe die Klägerin selbst angegeben, auf verschiedene Weise sportlich aktiv zu sein (ua Radfahren und Crosstrainer). Bei relevanten funktionellen Beeinträchtigungen wäre dies kaum möglich. Ebenso wenig wirke die Fettschürze am Bauch der Klägerin entstellend. Eine Entstellung liege nur bei einer körperlichen Auffälligkeit vor, die derart ausgeprägt sei, dass sie schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen, also quasi "im Vorbeigehen", ins Auge springe und das Interesse und die Neugier anderer Menschen auf sich ziehe. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Im Alltag - also im bekleideten Zustand - sei die Hautfalte der Klägerin praktisch nicht zu erkennen, schon gar nicht bei bloß flüchtiger Betrachtung. Soweit die behandelnden Ärzte teilweise das Vorliegen von entzündlichen und schmerzhaften Rötungen der Haut bestätigt hätten, liege zwar eine Krankheit vor, begründe aber nicht die Notwendigkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung. Die Klägerin befindet sich nicht in dermatologischer Behandlung. Vor diesem Hintergrund habe sie noch nicht alle in Betracht kommenden Möglichkeiten einer ambulanten fachärztlichen Behandlung ausgeschöpft. Die Behandlung bei einem Dermatologen erscheine jedenfalls nicht von vornherein aussichtslos. Wegen des Nachrangs stationärer gegenüber ambulanter Maßnahmen bestehe daher zum jetzigen Zeitpunkt kein Anspruch auf Krankenhausbehandlung, sondern vorrangig sei der Beginn einer ambulanten dermatologischen Behandlung.

Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 07.11.2016 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheid des SG hat die Klägerin am 06.12.2016 Berufung beim SG eingelegt, welche dem Landessozialgericht am 12.12.2016 vorgelegt worden ist. Zur Begründung hat die Klägerin einen Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht geltend gemacht. Es hätte in erster Instanz der Einholung eines unabhängigen Sachverständigengutachtens bedurft. Zur postbariatrischen Wiederherstellungschirurgie gebe es bereits eine Fülle von sozialgerichtlichen Entscheidungen. Die betroffenen Hautareale der Klägerin seien nicht gesund. Laut aktueller Veröffentlichungen in international renommierten Fachzeitschriften sei die Haut eines postbariatrischen Patienten aufgrund verschiedener interagierender Faktoren durch eine ausgeprägte Qualitätsverschlechterung charakterisiert, wobei aufgrund eines signifikanten Kollagenverlustes und extrazellulären Matrixschadens ein konsekutiver Elastizitätsverlust ausschlaggebend sei. Evidenzbasierte Veröffentlichungen würden hervorheben, dass es sich bei dem rekonstruktiven Verfahren nach erheblichem Gewichtsverlust grundsätzlich um "funktionelle und nicht kosmetische" Wiederherstellungen bei "pathologischen Individuen" handle.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 03.11.2016 und den Bescheid der Beklagten vom 07.09.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Bauchdeckenstraffung mit Nabelneuimplantation und Rektusfaszienplikatur und eine Oberschenkelstraffung beidseits als Sachleistung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt auf die Begründung des Widerspruchsbescheids und die Ausführungen des SG Bezug.

Auf Antrag und Kostenrisiko der Klägerin hat der Senat gemäß § 109 SGG Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens bei dem Facharzt für Allgemein- und spezielle Viszeralchirurgie Dr. G., Adipositas-Zentrum Klinikum K ... Im Gutachten vom 24.05.2017 (Bl 33 ff Senatsakte) stellte der Sachverständige folgende Diagnosen: - ausgeprägte abdominelle Fettschürze mit - intermittierender Intertrigo (ICD10 E65 und L30.4). Die Klägerin habe jahrelang an einer Adipositas Grad III gelitten und nach der im Jahr 2014 im Adipositas-Zentrum K. durchgeführten Operation ihr Körpergewicht um insgesamt 50 kg reduziert. Nach der Stabilisierung des Gewichts habe sie sich zur Beratung bezüglich einer plastisch rekonstruktiven Operation vorgestellt, da es vor allem im Bereich der Bauchdecke zu einem massiven Hautüberschuss gekommen sei. Die Klägerin sei ohne Hilfsmittel gehfähig. Ihr Gangbild zeige sich sicher und flüssig, ohne Zeichen für ein Schonhinken. Das Aus- und Ankleiden erfolge offensichtlich ohne Einschränkung, zügig und selbständig. Die Körperhaltung insbesondere des Oberkörpers erscheine regelrecht. Der Einbeinstand sei beidseits unauffällig. Die Hockstellung könne ohne Einschränkung eingenommen werden. Beide Hüften seien frei beweglich, ebenso beide Arme. Am Bauch zeige sich eine lange querverlaufende Hautfalte, die über ca 43 cm Länge in beide Flanken auslaufe und eine Faltentiefe von bis zu 10 cm zeige. Im Bereich der unteren Hautfalte liege eine minimale Rötung vor und die Haut sei im Bereich des Haut-Hautkontaktes deutlich feucht. Die Hautflächen der Oberschenkelinnenseiten berührten sich beim Geradstand kaum. Es liege eine leicht überschüssige Haut vor, die bei überdurchschnittlich gut trainierter Muskulatur wenig ausgeprägt sei. Eine psychiatrische Therapie sei aktuell und in der Vergangenheit nicht notwendig. Eine Vorstellung beim Dermatologen sei bislang nicht erfolgt. Diesbezüglich sei die Therapie bislang durch den Hausarzt und durch den Ernährungsmediziner Dr. D. erfolgt. Eine erfolgreiche Behandlung überschüssiger Haut in der vorliegenden Ausprägung könne konservativ nicht erreicht werden. Daher sei eine operative Therapie als Bestandteil der multidisziplinären Therapie der Adipositas Grad III medizinisch erforderlich. Da keine alternative konservative Therapiemöglichkeit bestehe, sei die operative Behandlung wirtschaftlich. Die beschränke sich auf das medizinische notwendige Maß. Der plastisch-rekonstruktive Eingriff stelle eine funktionelle und nicht eine kosmetische Wiederherstellung dar und sei daher von plastisch-ästhetischen Eingriffen klar abzugrenzen. Soweit der MDK die Fettschürze nur als mäßig ausgeprägt bezeichne, sei dem zu widersprechen. Es handle sich um eine ausgeprägte abdominelle Fettschürze. Zwar seien keine Hautveränderungen zu erkennen, ebenso auch keine ausgeprägten Hautfalten im Bereich der Oberschenkel, jedoch würden Bewegungseinschränkungen verursacht. Es liege zwar keine direkte mechanische Einschränkung der Beweglichkeit vor, jedoch bestünden funktionelle Beeinträchtigungen in der Folge von Fehlhaltung, zur Vermeidung von Pendelbewegungen und Reibung der Hautfalten. Das Pendeln der Hautfalte und damit auch die Reibung der Hautkontaktfläche sei bei beruflichen Tätigkeiten der Klägerin im Arbeitsalltag im Kindergarten nicht zu vermeiden. Aktuell könne die Klägerin zwar diese Einschränkungen kompensieren, angesichts des noch jungen Alters der Klägerin sei dies jedoch nicht auf Dauer gewährleistet. Daher könne zwar der Befundbeschreibung des Dr. A. vom MDK weitestgehend zugestimmt werden, jedoch nicht der Interpretation der Befunde und den Schlussfolgerungen. Ein plastisch korrigierender Eingriff an der Bauchdecke sei zu befürworten, der Krankheitswert des vorliegenden Befundes sei zu bejahen, wenngleich es zwar keine Entstellung sei, jedoch ein regelwidriger Befund mit der Entwicklung eines hohen Leidensdruckes bei der Klägerin. Die Klägerin sei einer Stigmatisierung ausgesetzt, die zu einer ausgeprägten Einschränkung der Lebensqualität führe. Wenngleich die Klägerin beruflich zurechtkomme, habe sie angegeben, durch die sichtbare abdominelle Fettschürze eingeschränkt zu sei. Hauptproblem der Stellungnahme des Dr. A. sei die falsche Einschätzung bzw Nichtakzeptanz des Krankheitswertes der Befunde auf der Grundlage einer falschen Auffassung des Begriffes Krankheit allgemein. Zwar könne durch überdurchschnittlich gute Hygiene und Körperpflege Probleme wie vermehrtes Schwitzen, Geruchsbildung und Hautmazerationen bei der Klägerin einigermaßen kontrolliert werden, jedoch sei insgesamt bei der Klägerin im Sinne einer multidisziplinären Therapie der Adipositas auch die plastische Korrektur nach sehr ausgeprägter Gewichtsreduktion eine wichtige medizinisch notwendige Maßnahme im Sinne einer plastisch-funktionellen Korrektur.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG), in der Sache jedoch nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 07.09.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte stationäre Krankenhausbehandlung zur Bauchdeckenstraffung mit Nabelneuimplantation und Rektusfaszienplikatur und Oberschenkelstraffung beidseits.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach §§ 27, 39 SGB V. Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst ua Krankenhausbehandlung (§ 27 Abs 1 S 1 und 2 Nr 5 SGB V). Eine vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus kommt nur in Betracht, wenn die Aufnahme erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann (§ 39 Abs 1 S 2 SGB V).

Der Senat teilt in allen Punkten die Auffassung des SG und weist die Berufung der Klägerin aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück (§ 153 Abs 2 SGG). Insbesondere hat das SG zutreffend darauf abgestellt, dass nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit "automatisch" Krankheitswert zukommt. Erforderlich ist vielmehr, dass der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder dass er an einer Abweichung vom Regelfall leidet, die entstellend wirkt (BSG 08.03.2016, B 1 KR 35/15 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 28 Rn 9 f). Der MDK hat bei der körperlichen Untersuchung festgestellt, dass keine wesentliche Beeinträchtigung von Körperfunktionen vorliegt; so konnte die Klägerin, die nach eigenen Angaben regelmäßig Sport treibt – auch die Ärzte haben ihren guten Trainingszustand herausgestellt – beim MDK die Hüfte im Stehen bis zu 90 Grad beugen. Auch eine Entstellung (dazu BSG 08.03.2016, B 1 KR 35/15 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 28 Rn 13 ff) liegt nicht vor. Soweit es unter der Hautfalte bzw an den Oberschenkelinnenseiten zu entzündlichen Vorgängen bzw schmerzhaften Rötungen der Haut kommt, ergibt sich wegen des Vorrangs einer ambulanten dermatologischen Behandlung (§ 39 Abs 1 S 2 SGB V) keine Erforderlichkeit der begehrten Sachleistungen.

Ergänzend zu den Ausführungen des SG ist darauf hinzuweisen, dass der Sachverständige Dr. G. im Gutachten vom 24.05.2017 (Bl 33 Senatsakte) darauf hingewiesen hat, dass keine Hautveränderungen zu erkennen seien, ebenso auch keine ausgeprägten Hautfalten im Bereich der Oberschenkel. Dr. G. hat ausdrücklich der Befundbeschreibung des Dr. A. vom MDK "weitestgehend" zugestimmt, hat aber eine andere Interpretation bzw Schlussfolgerungen gezogen, indem er den Rechtsbegriff der "Krankheit" iS der BSG-Rechtsprechung kritisiert hat, was nicht Bestandteil des Gutachtensauftrags gewesen ist und nicht der Beurteilung durch den Sachverständigen unterlegen hat.

Die Schlussfolgerungen Dr. G. (Befürwortung einer plastisch-funktionellen Korrektur zu Lasten der GKV) sind für den Senat nicht nachvollziehbar und passen auch nicht schlüssig zu den medizinischen Feststellungen des Sachverständigen: Die Klägerin ist nach den Feststellungen Dr. G. ohne Hilfsmittel gehfähig; das Gangbild hat sich sicher und flüssig gezeigt; Aus- und Ankleiden erfolgten ohne Einschränkung zügig und selbständig; die Körperhaltung insbesondere des Oberkörpers ist regelrecht gewesen. Die Hockstellung hat ohne Einschränkung eingenommen werden können. Beide Hüften sind frei beweglich gewesen, ebenso beide Arme. Die Hautflächen der Oberschenkelinnenseiten haben sich beim Geradstand kaum berührt. Der Sachverständige hat zwar die Fettschürze als ausgeprägt beschrieben aber auch ausgeführt, es liege keine Entstellung vor und die Klägerin komme beruflich zurecht. Der Sachverständige hat dargelegt, dass keine direkte mechanische Einschränkung der Beweglichkeit vorliegt, sondern funktionelle Beeinträchtigungen in der Folge von Fehlhaltung, zur Vermeidung von Pendelbewegungen und Reibung der Hautfalten. Der Sachverständige hat aber darauf hingewiesen, dass die Klägerin diese Einschränkungen kompensieren kann. Schließlich hat Dr. G. lediglich eine minimale Rötung im Bereich der unteren Hautfalte festgestellt, zusätzlich ist die Haut im Bereich des Haut-Hautkontaktes deutlich feucht gewesen. Dr. G. hat diesbezüglich darauf hingewiesen, dass durch überdurchschnittlich gute Hygiene und Körperpflege Probleme wie vermehrtes Schwitzen, Geruchsbildung und Hautmazerationen bei der Klägerin "einigermaßen kontrolliert" werden kann. Die Hautflächen der Oberschenkelinnenseiten haben sich nach den Darlegungen des Sachverständigen beim Geradstand kaum berührt. Hier hat der Sachverständige nur eine bei überdurchschnittlich gut trainierter Muskulatur wenig ausgeprägt, nur leicht überschüssige Haut beschrieben. Auch insoweit liegt keine Störung mit Krankheitswert vor. Der Sachverständige hat auch darauf hingewiesen, dass bislang keine Vorstellung beim Dermatologen erfolgt ist. Diesbezüglich hat das SG bereits auf den Nachrang einer stationären Krankenhausbehandlung hingewiesen (§ 39 Abs 1 S 2 SGB V); Vorrang hat die ambulante dermatologische Behandlung bzw überhaupt deren Beginn.

Die Fristen und Mitteilungspflichten des § 13 Abs 3a SGB V hat die Beklagte eingehalten, weshalb der Eintritt einer Genehmigungsfiktion nicht in Betracht kommt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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