Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
4
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 14 SO 71/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 SO 162/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 8 SO 70/17 B
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Anhörungsrüge, B 8 SO 23/17 C
BSG-Beschluss v. 07.11.2017
BSG-Beschluss v. 07.11.2017
Die Berufungen des Klägers gegen die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Wiesbaden vom 20. Juni 2016 werden zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch für die Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen mehrere Versagungsbescheide des Beklagten.
Der 1966 geborene Kläger bezog von dem Beklagten bis Ende Juni 2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Damals kam ein von dem Beklagten veranlasstes amtsärztliches Gutachten zu dem Ergebnis, bei dem Kläger bestehe wegen einer unbehandelten floriden chronischen Erkrankung aus dem psychiatrischen Formenkreis mit fehlender Krankheitseinsicht Leistungsunfähigkeit auf nicht absehbare Zeit. Daraufhin gewährte der Beklagte dem Kläger ab dem 1. Juli 2009 Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe (SGB XII). Unter dem 28. Februar 2012 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass das vorliegende amtsärztliche Gutachten zur Weitergewährung der Leistungen nicht mehr ausreiche und er zur Überprüfung der Erwerbsfähigkeit des Klägers verpflichtet sei, den Rentenversicherungsträger einzuschalten. Dafür müsse der Kläger bis zum 16. März 2012 seine Ärzte von der Schweigepflicht entbinden und einen Befundbericht seines behandelnden Arztes vorlegen. Der Kläger werde darauf aufmerksam gemacht, dass er nach §§ 60 ff. Erstes Buch Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (SGB I) zu einer entsprechenden Mitwirkung verpflichtet sei. Außerdem werde der Kläger darauf hingewiesen, dass der Beklagte seine bisher gewährten Leistungen zum 1. April 2012 wegen fehlender Mitwirkung einstellen werde, wenn der Kläger die angeforderten Unterlagen nicht rechtzeitig vorlege. Der Kläger reichte weder den erbetenen Befundbericht ein noch gab er eine Schweigepflichtentbindungserklärung ab. Daraufhin stellte der Beklagte mit Bescheid vom 21. März 2012 die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII zum 1. April 2012 ein und ordnete die sofortige Vollziehung dieses Bescheids an. Nach Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch Senatsbeschluss vom 26. September 2012 (Aktenzeichen: L 4 SO 191/12 B ER) hob der Beklagte diesen Bescheid auf und gewährte dem Kläger Sozialhilfe in bisheriger Höhe weiter.
Zugleich forderte der Beklagte den Kläger erneut auf, eine Erklärung über die Entbindung von der Schweigepflicht und einen ärztlichen Befundbericht vorzulegen. Dabei wies der Beklagte wiederum darauf hin, dass Voraussetzung für die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII sei, dass eine befristete Erwerbsunfähigkeit und somit kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II oder der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bestehe. Die Feststellung, ob eine befristete oder eine dauerhafte Erwerbsminderung bestehe, sei nur bindend, wenn sie durch den Rentenversicherungsträger getroffen werde. Das vorliegende Gutachten des amtsärztlichen Dienstes des Beklagten könne für eine weitere Leistungsgewährung nach dem SGB XII nicht mehr zugrunde gelegt werden. Derjenige, der Sozialleistungen erhalte, solle sich gemäß § 62 SGB I auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers ärztlichen und psychologischen Untersuchungen unterziehen, soweit diese für die Entscheidung über die Leistungen erforderlich seien. Da die Feststellung der Erwerbsfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit für die Entscheidung, welche Hilfeart dem Widerspruchsführer zustehe, notwendig sei, sei die Vorlage des ärztlichen Befundberichts und der Schweigepflichtentbindungserklärung unabdingbar, da diese Unterlagen Grundlage für die anstehende Beurteilung durch die Deutsche Rentenversicherung seien. Nur so könne diese sich ein umfassendes Bild über den Gesundheitszustand des Klägers machen. Gemäß § 60 SGB I habe derjenige, der Sozialleistungen beantragt, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind. Komme derjenige, der eine Sozialleistung wegen Arbeitsunfähigkeit, wegen Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit erhalte, seinen Mitwirkungspflichten nach §§ 62 bis 65 SGB I nicht nach und sei unter Würdigung aller Umstände mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass deshalb die Fähigkeit zur selbstständigen Lebensführung, die Arbeits-, Erwerbs- oder Vermittlungsfähigkeit beeinträchtigt oder nicht verbessert werde, könne der Leistungsträger nach § 66 Abs. 2 SGB I ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung teilweise oder ganz versagen. Sollte der Kläger dem Beklagten die Entbindung von der Schweigepflicht und den ärztlichen Befundbericht nicht bis zum 7. November 2012 ausgefüllt und unterschrieben zurückgesandt haben, sei beabsichtigt, ab 1. Dezember 2012 den aktuellen Regelbedarf um 20 % zu kürzen und den Leistungsanspruch teilweise zu versagen. Außerdem werde darauf hingewiesen, dass weiter stufenweise Leistungskürzungen folgen werden, wenn der Kläger auch nach dem 7. November 2012 die Vorlage der genannten Unterlagen verweigere. Der Kläger legte dem Beklagten keine Unterlagen vor.
Daraufhin gewährte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 28. November 2012 Hilfe zum Lebensunterhalt ab 1. Dezember 2012 nur noch unter Zugrundelegung eines um 20 % gekürzten Regelsatzes und ordnete die sofortige Vollziehung dieses Bescheids an. Zur Begründung verwies der Beklagte darauf, dass der Kläger mit Schreiben vom 15. Oktober 2012 gebeten worden sei, eine Entbindung von der Schweigepflicht und einen ärztlichen Befundbericht vorzulegen. Diese Unterlagen seien nicht eingegangen. Voraussetzung für die Gewährung von Sozialhilfe sei jedoch, dass der Kläger erwerbsunfähig sei. Dies könne jedoch wegen der fehlenden Mitwirkung des Klägers nicht festgestellt werden. Die informationelle Selbstbestimmung finde bei der Inanspruchnahme von Sozialleistungen insofern eine Grenze, da Sozialleistungen nur unter gesetzlich festgelegten Voraussetzungen gewährt würden. In § 45 SGB XII und § 44a Abs. 2 SGB II sei gesetzlich festgehalten, dass nur die Deutsche Rentenversicherung eine bindende Feststellung der Erwerbsminderung treffen könne. Somit sei diese Feststellung auch für die Entscheidung über den Anspruch auf Sozialhilfe bindend, da diese nur gewährt werden könne, wenn kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II oder dem Vierten Kapitel des SGB XII bestehe. Der Beklagte habe keine Möglichkeit, diese Informationen anderweitig einzuholen und sei daher auf die Mitwirkung des Klägers, die diesem auch zumutbar sei, angewiesen. Da die Sozialhilfe im ersten Schritt nur um 20 % des Regelbedarfs gekürzt werde, sei gewährleistet, dass dem Kläger die materielle Existenzgrundlage nicht sofort vollständig entzogen werde. Der Kläger habe somit die Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt weiterhin, wenn auch eingeschränkt, sicherzustellen. Da die Kürzung nach Vorlage der rechtmäßig angeforderten Unterlagen aufgehoben werde, bedürfe es auch keines langwierigen Rechtsstreits, sondern lediglich der Einsicht des Klägers. Gleichzeitig forderte der Beklagte den Kläger auf, die angeforderten Unterlagen bis 11. Januar 2013 vorzulegen, andernfalls werde die Sozialhilfe um weitere 20 % gekürzt. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 30. Dezember 2012 Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 2. April 2013 als unbegründet zurückwies. Da der Kläger weiterhin keine Unterlagen einreichte, kürzte der Beklagte mit Bescheid vom 15. Januar 2013 die Regelleistungen ab 1. Februar 2013 um weitere 20 % und ordnete mit der gleichen Begründung wie in dem Bescheid vom 28. Dezember 2012 auch hier den Sofortvollzug an. In dem Bescheid forderte der Beklagte den Kläger erneut auf, die angeforderten Unterlagen vorzulegen und setzte dafür eine Frist bis 11. Februar 2013, andernfalls werde die Sozialhilfe um weitere 20 % gekürzt. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 29. Januar 2013 Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. April 2013 als unbegründet zurückwies. Die erbetenen Unterlagen reichte er bei dem Beklagten weiterhin nicht ein. Daraufhin kürzte der Beklagte mit Bescheid vom 20. Februar 2013 die Regelleistungen ab 1. Februar 2013 um weitere 20 % und ordnete mit der gleichen Begründung wie in dem Bescheid vom 28. Dezember 2012 auch den Sofortvollzug an. In diesem Bescheid forderte der Beklagte den Kläger erneut auf, die angeforderten Unterlagen vorzulegen und setzte dafür eine Frist bis zum 11. März 2013, andernfalls werde die Sozialhilfe um weitere 20 % gekürzt. Nachdem der Kläger weiterhin keine Unterlagen einreichte, kürzte der Beklagte mit Bescheid vom 19. März 2013 die Regelleistungen ab 1. April 2013 um weitere 20 % und ordnete mit der gleichen Begründung wie in seinem Bescheid vom 28. Dezember 2012 auch den Sofortvollzug an. In diesem Bescheid forderte der Beklagte den Kläger erneut auf, die angeforderten Unterlagen vorzulegen und setzte dafür eine Frist bis zum 12. April 2013, andernfalls werde die Sozialhilfe um weitere 20 % gekürzt.
Der Kläger hat am 18. April 2013 gegen den Bescheid vom 28. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. April 2013, gegen den Bescheid vom 15. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. April 2013 sowie gegen die Bescheide vom 20. Februar 2013 und 19. März 2013 Klage zum Sozialgericht Wiesbaden erhoben (Aktenzeichen: S 26 SO 71/13). Nach Erlass des auf die klägerischen Widersprüche gegen die beiden letztgenannten Verwaltungsakte ergangenen Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 13. September 2013 hat der Kläger auch insoweit Klage zum Sozialgericht Wiesbaden erhoben (Aktenzeichen: S 14 SO 189/13). Dabei hat er auch den Ausgangsbescheid des Beklagten vom 11. September 2013 zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Mit diesem hat der Beklagte wegen der weiterhin unterlassenen Übersendung der erbetenen Unterlagen eine neuerliche Kürzung der Regelleistungen um 20 % mit Wirkung ab Oktober 2013 verfügt und den Sofortvollzug angeordnet. Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 11. September 2013 hat der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. Dezember 2013 zurückgewiesen. Daraufhin hat der Kläger seine Klage entsprechend erweitert.
Zur Klagebegründung hat der Kläger die Auffassung vertreten, dass der Beklagte nicht berechtigt sei, von ihm eine umfassende Entbindung von der Schweigepflicht und die Vorlage von Befundberichten zu verlangen. Daher habe er auch nicht gegen Mitwirkungspflichten verstoßen, so dass die Kürzung der Leistung zu Unrecht erfolgt sei. Dem ist der Beklagte entgegengetreten.
Auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung dieser Klagen gerichtete Eilanträge sind erfolglos geblieben (Senatsbeschlüsse vom 26. August 2013 - L 4 SO 153/13 B ER und vom 15. August 2014 - L 4 SO 4/14 B ER).
Mit zwei Gerichtsbescheiden vom 20. Juni 2016 hat das Sozialgericht die Klagen abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide des Beklagten seien gestützt auf § 66 Abs. 1 S. 1 SGB I rechtmäßig und beschwerten den Kläger nicht. Danach könne der Leistungsträger, wenn derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 SGB I nicht nachkommt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert wird, ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind. Der Kläger erhalte seit 1. Juli 2009 Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII. Er habe auch seine Mitwirkungspflichten verletzt, indem er die von ihm geforderte Erklärung zur Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht sowie den von ihm geforderten ärztlichen Befundbericht nicht vorgelegt habe. Hierdurch sei die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert. Nach § 62 SGB I solle, wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, sich auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers ärztlichen und psychologischen Untersuchungsmaßnahmen unterziehen, soweit diese für die Entscheidung über die Leistung erforderlich sind. Der Kläger sei von dem Beklagten mehrfach schriftlich aufgefordert worden, zur Vorbereitung einer ärztlichen Untersuchung seine Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden und einen Befundbericht seines behandelnden Arztes vorlegen. Diese Unterlagen habe er nicht eingereicht. Da die Leistungen nach dem SGB XII im Gegensatz zu den Leistungen nach dem SGB II nur gewährt würden, wenn Erwerbsunfähigkeit vorliegt (s. § 21 SGB XII), sei, nachdem das letzte amtsärztliche Gutachten, das die Erwerbsunfähigkeit bestätigt habe, bereits mehr als drei Jahre zurückliege, eine neue ärztliche Untersuchung notwendig, um überprüfen zu können, ob der Kläger weiterhin erwerbsunfähig ist. Zu dieser Untersuchung zählten auch die Auswertung bestehender ärztlicher Unterlagen und eines Befundberichts eines den Antragsteller aktuell behandelnden Arztes. Deshalb seien die vom Antragsgegner geforderten Unterlagen und Erklärungen für die Weitergewährung der Leistungen nach dem SGB XII erforderlich gewesen; unabhängig davon, ob die ärztliche Untersuchung letztlich von dem Antragsgegner durch einen Amtsarzt oder von der Bundesagentur für Arbeit unter Beteiligung der Deutschen Rentenversicherung durchgeführt worden wäre. Weil der Kläger diese Unterlagen nicht vorgelegt habe, seien die Voraussetzungen für die Weitergewährung der Leistungen nach dem SGB XII nicht nachgewiesen. Auch wenn das amtsärztliche Gutachten vom 27. Mai 2009 zu dem Ergebnis gekommen sei, dass Leistungsunfähigkeit auf nicht absehbare Zeit bestehe, seien die medizinischen Voraussetzungen nach Ablauf von mehr als drei Jahren neu zu überprüfen, da sich aus dem Gutachten gerade nicht ergebe, dass der Kläger auf Dauer nicht erwerbsfähig sei. Auch die Voraussetzungen des § 66 Abs. 3 SGB I seien erfüllt, denn der Kläger sei auf die drohende Versagung oder Entziehung seiner Sozialleistungen jeweils schriftlich hingewiesen worden und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen. Der Beklagte sei daher berechtigt gewesen, ohne weitere Ermittlungen eine Ermessensentscheidung zu treffen, ob er die Leistung ganz oder teilweise versage oder entziehe. Ein Ermessensfehler sei dabei nicht erkennbar.
Gegen den ihm am 22. Juni 2016 zugestellten Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Wiesbaden vom 20. Juni 2016 zum Aktenzeichen S 14 SO 189/13 und gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Wiesbaden vom selben Tag zum Aktenzeichen S 14 SO 71/13, dessen Zustellung an den Kläger anhand der Gerichtsakte nicht nachweisbar ist, hat der Kläger am 22. Juli 2016 jeweils Berufung eingelegt. Die Berufungsverfahren sind zunächst unter den Aktenzeichen L 4 SO 162/16 und L 4 SO 163/16 geführt und mit Beschluss des Senats vom 16. Mai 2017 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden.
Der Kläger ist der Ansicht, die kumulierten Kürzungen seiner Hilfe zum Lebensunterhalt, die seit Oktober 2013 100 % seiner monatlichen Regelleistung ausmachten, machten ihm eine Sicherung seines Existenzminimums unmöglich. Darin liege eine Verletzung der Menschenwürde.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Wiesbaden vom 20. Juni 2016 sowie den Bescheid des Beklagten vom 28. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. April 2013, den Bescheid des Beklagten vom 15. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. April 2013, den Bescheid des Beklagten vom 20. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. September 2013, den Bescheid des Beklagten vom 19. März 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. September 2013 und den Bescheid des Beklagten vom 11. September 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Dezember 2013 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen.
Er hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten des Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat war berechtigt, seine Entscheidung aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 5. Juli 2017 zu treffen, obwohl der Kläger in diesem Termin nicht vertreten war. Denn der Kläger war ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung geladen und dabei gemäß § 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) darauf hingewiesen worden, dass auch im Fall seines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann.
Der Senat durfte auch in der planmäßigen Besetzung mit der Richterin am Landessozialgericht Vogl als Beisitzerin und dem Richter am Sozialgericht Dr. Schmidt als Beisitzer entscheiden, obgleich der Kläger diese Gerichtspersonen mit Schriftsatz vom 3. Juli 2017 wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hat. Gemäß § 60 Abs. 1 SGG i.V.m. § 47 Abs. 1 Zivilprozessordnung darf ein abgelehnter Richter vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vornehmen, die keinen Aufschub gestatten. Im vorliegenden Fall ist das Ablehnungsgesuch des Klägers indes schon vor Beginn der mündlichen Verhandlung erledigt gewesen. Der ablehnende Senatsbeschluss vom 4. Juli 2017 - L 4 SF 36/17 AB - ist zumindest mit der Zustellung an den Beklagten am 5. Juli 2017 wirksam geworden. Das Empfangsbekenntnis des Beklagten lag dem Senat ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 5. Juli 2017 bereits vor Eröffnung der mündlichen Verhandlung vor.
Die Berufungen des Klägers gegen die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Wiesbaden vom 20. Juni 2016 sind zulässig, aber unbegründet.
Streitgegenstände der mit Senatsbeschluss vom 16. Mai 2017 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Berufungsverfahren sind der Bescheid des Beklagten vom 28. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. April 2013, der Bescheid des Beklagten vom 15. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. April 2013, der Bescheid des Beklagten vom 20. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. September 2013, der Bescheid des Beklagten vom 19. März 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. September 2013 und der Bescheid des Beklagten vom 11. September 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Dezember 2013. Dabei handelt es sich durchweg um den Kläger belastende Verwaltungsakte des Beklagten nach § 66 SGB I, die der Kläger in statthafter Weise mit reinen Anfechtungsklagen angreift.
Das Sozialgericht hat die Klagen im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Denn sie sind zulässig, aber unbegründet.
Unschädlich ist, dass das Sozialgericht – wie der Senat in seinem Verbindungsbeschluss vom 16. Mai 2017 bereits ausgeführt hat – in dem älteren Ausgangsverfahren (Aktenzeichen: S 14 SO 71/13) die Klage gegen die Bescheide des Beklagten vom 20. Februar 2013 und vom 19. März 2013 zu Unrecht als unzulässig angesehen, die insoweit nach Erlass des diesbezüglichen Widerspruchsbescheids vom 13. September 2013 erneut erhobene Klage (Aktenzeichen: S 14 SO 189/13) unter Verkennung der anderweitigen Rechtshängigkeit zu Unrecht als zulässig angesehen hat. Zumindest liegt für jeden der streitgegenständlichen Verwaltungsakte eine (klageabweisende) erstinstanzliche Entscheidung vor.
Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Beklagte stützt seine Versagungsentscheidungen zu Recht auf § 66 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 SGB I. Danach kann ein Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind, weil der Antragsteller oder Bezieher einer Sozialleistung seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 SGB I nicht nachkommt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert wird, wenn der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden und seiner Mitwirkungspflicht gleichwohl nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist.
Diese Voraussetzungen sind zur Überzeugung des Senats erfüllt. Der Senat hält an seiner bereits mehrfach geäußerten Einschätzung (siehe die oben zitierten Beschlüsse in den Eilverfahren) fest, dass der Kläger mit der Nichtvorlage eines Befundberichts und einer Schweigepflichtentbindungserklärung ihm obliegende Mitwirkungspflichten verletzt. Diese beruhen auf § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 3 SGB I. Danach hat ein Empfänger von Sozialleistungen (wie der Kläger, dem der Beklagte nach wie vor Sozialhilfeleistungen zur Deckung der Kosten der Unterkunft gewährt) alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen sowie Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen. Die von dem Beklagten erbetene Schweigepflichtentbindungserklärung dient der Befragung der den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen, der erbetene Befundbericht stellt eine Beweisurkunde dar. Die Tatsachen, die der Beklagte auf diese Weise aufzuklären beabsichtigt, sind für das Verwaltungsverfahren erheblich, weil die (weitere) Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII von (dem Umfang) der Erwerbsfähigkeit des Klägers abhängt. Der Beklagte sieht sich zu Recht als befugt an, aufzuklären, ob der Kläger vorrangige Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II bzw. der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII beanspruchen kann. Dafür ist die Ermittlung des aktuellen Gesundheitszustands des Klägers im Rahmen der Amtsermittlung nach § 20 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) erforderlich. Die Mitwirkungspflicht ist auch nicht gemäß § 65 Abs. 1 SGB I ausgeschlossen. Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Offenbarung seines Gesundheitszustands gegenüber dem Beklagten weder unangemessen noch unzumutbar. Sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist hier schon deshalb nicht verletzt, weil die Daten, die der Beklagte erheben möchte, dem besonderen Schutz des Sozialgeheimnisses nach § 35 SGB I unterfallen. Schließlich kann sich der Beklagte die erforderlichen Kenntnisse ohne die Mitwirkung des Klägers auch nicht leichter selbst beschaffen (§ 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB I). Dem steht die Schweigepflicht der den Kläger behandelnden Ärzte entgegen. Der Beklagte kann auch nicht darauf verwiesen werden, den Kläger gemäß § 62 SGB I untersuchen zu lassen, denn eine solche Begutachtung führt nicht zu einem geringeren Aufwand als die Einholung von Befundberichten.
Auch den Anforderungen des § 66 Abs. 3 SGB I ist Genüge getan. Vor jedem einzelnen Versagungsbescheid hat der Beklagte den Kläger schriftlich auf die drohende Folge einer (weiteren) Verletzung der Mitwirkungspflicht hingewiesen und dabei stets eine angemessene Frist für die Vorlage der erbetenen Unterlagen gesetzt. Gleichwohl ist der Kläger seinen Obliegenheiten nicht nachgekommen. Hierdurch ist die Aufklärung des Sachverhalts nicht nur erheblich erschwert worden (wie es § 66 Abs. 1 S. 1 SGB I verlangt), sondern vollständig verhindert. Denn der Beklagte kann ohne die Mitwirkung des Klägers keine medizinischen Ermittlungen über diesen anstellen. Dadurch sind die Voraussetzungen der Leistung (hier: Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII) nach wie vor nicht nachgewiesen. Daher war der Beklagte berechtigt, ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise zu versagen oder zu entziehen. Dies setzt eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Vorgehensweise voraus. Der Beklagte hat sich hier für eine nur teilweise Versagung der Sozialhilfe entschieden und diese Sanktion noch zeitlich gestaffelt mit zunehmender Höhe umgesetzt. Dadurch hat er die Interessen des Klägers berücksichtigt und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt. Hinzu kommt, dass der Kläger weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren geäußert hat, warum er nicht zur Mitwirkung bereit ist. Er hat sich stets auf die Ansicht zurückgezogen, er sei hierzu nicht verpflichtet. Dass dieser Rechtsirrtum (etwa krankheitsbedingt) unvermeidbar war, kann der Senat nicht erkennen. Spätestens nach dem rechtskräftigen Abschluss des Eilverfahrens musste dem Kläger klar sein, dass er die Mitwirkungshandlung zu Unrecht verweigert.
Die danach am Maßstab des einfachen Gesetzesrechts rechtmäßigen Bescheide des Beklagten verstoßen entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht gegen höherrangiges Recht. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass die Regelungen der §§ 60 ff. SGB I im Allgemeinen verfassungswidrig sind (dazu schon BSG, Urteil vom 22. Februar 1995 4 RA 44/94, BSGE 76, 16 ff. = SozR 3-1200 § 66 Nr. 3) oder ihre Anwendung im konkreten Fall das Grundrecht des Klägers auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG verletzt. Es handelt sich insgesamt um einen ausgewogenen Regelungskomplex mit mehreren Stellschrauben, die eine verhältnismäßige und damit verfassungskonforme Rechtsanwendung im Einzelfall ermöglichen. So handelt es sich bei den in §§ 60 bis 64 SGB I angeordneten Mitwirkungspflichten, die durch die Regelung des § 65 SGB I bereits in mehrfacher Hinsicht beschränkt werden, rechtlich lediglich um Obliegenheiten, die von dem zuständigen Sozialleistungsträger nicht zwangsweise durchgesetzt werden können. Um ihnen gleichwohl zu einer gewissen Durchsetzungskraft zu verhelfen, bedarf es daher zwingend einer Regelung wie § 66 SGB I, die nachteilige Folgen für den Fall fehlender Mitwirkung ermöglicht. Auch die Möglichkeit, Sozialleistungen zu versagen oder zu entziehen, hat der Gesetzgeber indes eingeschränkt, indem er eine erhebliche Erschwerung der Sachverhaltsaufklärung und einen fehlenden anderweitigen Nachweis der materiellen Tatbestandsvoraussetzungen fordert. Obgleich nach § 65 Abs. 1 SGB I ohnehin keine unangemessenen oder unzumutbaren Mitwirkungshandlungen verlangt werden dürfen, hat der Gesetzgeber eine Sanktionierung gemäß § 66 Abs. 1 SGB I zusätzlich von einer Ermessensausübung des Leistungsträgers abhängig gemacht, so dass die besonderen Umstände des Einzelfalls zwingend zu berücksichtigen sind. Schließlich ermöglicht die Regelung des § 67 SGB I die nachträgliche Leistungserbringung für den Fall der Nachholung der Mitwirkung. Daher hat es der Kläger (auch für die Vergangenheit) letztlich selbst in der Hand, wieder in den Genuss ungekürzter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu kommen. Insofern besteht eine Parallele zu den Fällen des § 1a Asylbewerberleistungsgesetz, dessen Verfassungskonformität das BSG jüngst bestätigt hat (Pressemitteilung des BSG vom 12. Mai 2017 zum Aktenzeichen B 7 AY 1/16 R).
In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist bereits geklärt, dass der Gesetzgeber auch im Bereich existenzsichernder Leistungen nicht daran gehindert ist, Zahlungen an Bedürftige von bestimmten (Verfahrens-)Handlungen abhängig zu machen. Das Grundgesetz verlangt keine bedingungslose Versorgung aller Menschen. So knüpfen § 37 SGB II und § 44 SGB XII die Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung der jeweiligen Leistungsberechtigten an eine Antragstellung. Auch ist in beiden Rechtsgebieten allgemein anerkannt, dass die Prüfung der Anspruchsberechtigung mitunter die Erfüllung von Mitwirkungspflichten voraussetzt (siehe nur BSG, Urteil vom 28. März 2013 – B 4 AS 42/12 R, BSGE 113, 177 ff. = SozR 4-1200 § 60 Nr. 3, wonach ein selbstständig tätiger Antragsteller bei der Beantragung von Leistungen nach dem SGB II im Rahmen seiner Mitwirkungsobliegenheiten gehalten ist, Angaben zum voraussichtlichen Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit, Gewerbebetrieb oder Landwirtschaft im Bewilligungszeitraum zu machen; die Verfassungsbeschwerde gegen dieses Urteil wurde nicht zur Entscheidung angenommen, siehe BVerfG, Beschluss vom 25. August 2015 – 1 BvR 2709/13).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die in § 160 Abs. 2 SGG abschließend aufgeführten Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.
Die Beteiligten haben einander auch für die Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen mehrere Versagungsbescheide des Beklagten.
Der 1966 geborene Kläger bezog von dem Beklagten bis Ende Juni 2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Damals kam ein von dem Beklagten veranlasstes amtsärztliches Gutachten zu dem Ergebnis, bei dem Kläger bestehe wegen einer unbehandelten floriden chronischen Erkrankung aus dem psychiatrischen Formenkreis mit fehlender Krankheitseinsicht Leistungsunfähigkeit auf nicht absehbare Zeit. Daraufhin gewährte der Beklagte dem Kläger ab dem 1. Juli 2009 Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe (SGB XII). Unter dem 28. Februar 2012 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass das vorliegende amtsärztliche Gutachten zur Weitergewährung der Leistungen nicht mehr ausreiche und er zur Überprüfung der Erwerbsfähigkeit des Klägers verpflichtet sei, den Rentenversicherungsträger einzuschalten. Dafür müsse der Kläger bis zum 16. März 2012 seine Ärzte von der Schweigepflicht entbinden und einen Befundbericht seines behandelnden Arztes vorlegen. Der Kläger werde darauf aufmerksam gemacht, dass er nach §§ 60 ff. Erstes Buch Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (SGB I) zu einer entsprechenden Mitwirkung verpflichtet sei. Außerdem werde der Kläger darauf hingewiesen, dass der Beklagte seine bisher gewährten Leistungen zum 1. April 2012 wegen fehlender Mitwirkung einstellen werde, wenn der Kläger die angeforderten Unterlagen nicht rechtzeitig vorlege. Der Kläger reichte weder den erbetenen Befundbericht ein noch gab er eine Schweigepflichtentbindungserklärung ab. Daraufhin stellte der Beklagte mit Bescheid vom 21. März 2012 die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII zum 1. April 2012 ein und ordnete die sofortige Vollziehung dieses Bescheids an. Nach Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch Senatsbeschluss vom 26. September 2012 (Aktenzeichen: L 4 SO 191/12 B ER) hob der Beklagte diesen Bescheid auf und gewährte dem Kläger Sozialhilfe in bisheriger Höhe weiter.
Zugleich forderte der Beklagte den Kläger erneut auf, eine Erklärung über die Entbindung von der Schweigepflicht und einen ärztlichen Befundbericht vorzulegen. Dabei wies der Beklagte wiederum darauf hin, dass Voraussetzung für die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII sei, dass eine befristete Erwerbsunfähigkeit und somit kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II oder der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bestehe. Die Feststellung, ob eine befristete oder eine dauerhafte Erwerbsminderung bestehe, sei nur bindend, wenn sie durch den Rentenversicherungsträger getroffen werde. Das vorliegende Gutachten des amtsärztlichen Dienstes des Beklagten könne für eine weitere Leistungsgewährung nach dem SGB XII nicht mehr zugrunde gelegt werden. Derjenige, der Sozialleistungen erhalte, solle sich gemäß § 62 SGB I auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers ärztlichen und psychologischen Untersuchungen unterziehen, soweit diese für die Entscheidung über die Leistungen erforderlich seien. Da die Feststellung der Erwerbsfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit für die Entscheidung, welche Hilfeart dem Widerspruchsführer zustehe, notwendig sei, sei die Vorlage des ärztlichen Befundberichts und der Schweigepflichtentbindungserklärung unabdingbar, da diese Unterlagen Grundlage für die anstehende Beurteilung durch die Deutsche Rentenversicherung seien. Nur so könne diese sich ein umfassendes Bild über den Gesundheitszustand des Klägers machen. Gemäß § 60 SGB I habe derjenige, der Sozialleistungen beantragt, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind. Komme derjenige, der eine Sozialleistung wegen Arbeitsunfähigkeit, wegen Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit erhalte, seinen Mitwirkungspflichten nach §§ 62 bis 65 SGB I nicht nach und sei unter Würdigung aller Umstände mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass deshalb die Fähigkeit zur selbstständigen Lebensführung, die Arbeits-, Erwerbs- oder Vermittlungsfähigkeit beeinträchtigt oder nicht verbessert werde, könne der Leistungsträger nach § 66 Abs. 2 SGB I ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung teilweise oder ganz versagen. Sollte der Kläger dem Beklagten die Entbindung von der Schweigepflicht und den ärztlichen Befundbericht nicht bis zum 7. November 2012 ausgefüllt und unterschrieben zurückgesandt haben, sei beabsichtigt, ab 1. Dezember 2012 den aktuellen Regelbedarf um 20 % zu kürzen und den Leistungsanspruch teilweise zu versagen. Außerdem werde darauf hingewiesen, dass weiter stufenweise Leistungskürzungen folgen werden, wenn der Kläger auch nach dem 7. November 2012 die Vorlage der genannten Unterlagen verweigere. Der Kläger legte dem Beklagten keine Unterlagen vor.
Daraufhin gewährte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 28. November 2012 Hilfe zum Lebensunterhalt ab 1. Dezember 2012 nur noch unter Zugrundelegung eines um 20 % gekürzten Regelsatzes und ordnete die sofortige Vollziehung dieses Bescheids an. Zur Begründung verwies der Beklagte darauf, dass der Kläger mit Schreiben vom 15. Oktober 2012 gebeten worden sei, eine Entbindung von der Schweigepflicht und einen ärztlichen Befundbericht vorzulegen. Diese Unterlagen seien nicht eingegangen. Voraussetzung für die Gewährung von Sozialhilfe sei jedoch, dass der Kläger erwerbsunfähig sei. Dies könne jedoch wegen der fehlenden Mitwirkung des Klägers nicht festgestellt werden. Die informationelle Selbstbestimmung finde bei der Inanspruchnahme von Sozialleistungen insofern eine Grenze, da Sozialleistungen nur unter gesetzlich festgelegten Voraussetzungen gewährt würden. In § 45 SGB XII und § 44a Abs. 2 SGB II sei gesetzlich festgehalten, dass nur die Deutsche Rentenversicherung eine bindende Feststellung der Erwerbsminderung treffen könne. Somit sei diese Feststellung auch für die Entscheidung über den Anspruch auf Sozialhilfe bindend, da diese nur gewährt werden könne, wenn kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II oder dem Vierten Kapitel des SGB XII bestehe. Der Beklagte habe keine Möglichkeit, diese Informationen anderweitig einzuholen und sei daher auf die Mitwirkung des Klägers, die diesem auch zumutbar sei, angewiesen. Da die Sozialhilfe im ersten Schritt nur um 20 % des Regelbedarfs gekürzt werde, sei gewährleistet, dass dem Kläger die materielle Existenzgrundlage nicht sofort vollständig entzogen werde. Der Kläger habe somit die Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt weiterhin, wenn auch eingeschränkt, sicherzustellen. Da die Kürzung nach Vorlage der rechtmäßig angeforderten Unterlagen aufgehoben werde, bedürfe es auch keines langwierigen Rechtsstreits, sondern lediglich der Einsicht des Klägers. Gleichzeitig forderte der Beklagte den Kläger auf, die angeforderten Unterlagen bis 11. Januar 2013 vorzulegen, andernfalls werde die Sozialhilfe um weitere 20 % gekürzt. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 30. Dezember 2012 Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 2. April 2013 als unbegründet zurückwies. Da der Kläger weiterhin keine Unterlagen einreichte, kürzte der Beklagte mit Bescheid vom 15. Januar 2013 die Regelleistungen ab 1. Februar 2013 um weitere 20 % und ordnete mit der gleichen Begründung wie in dem Bescheid vom 28. Dezember 2012 auch hier den Sofortvollzug an. In dem Bescheid forderte der Beklagte den Kläger erneut auf, die angeforderten Unterlagen vorzulegen und setzte dafür eine Frist bis 11. Februar 2013, andernfalls werde die Sozialhilfe um weitere 20 % gekürzt. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 29. Januar 2013 Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. April 2013 als unbegründet zurückwies. Die erbetenen Unterlagen reichte er bei dem Beklagten weiterhin nicht ein. Daraufhin kürzte der Beklagte mit Bescheid vom 20. Februar 2013 die Regelleistungen ab 1. Februar 2013 um weitere 20 % und ordnete mit der gleichen Begründung wie in dem Bescheid vom 28. Dezember 2012 auch den Sofortvollzug an. In diesem Bescheid forderte der Beklagte den Kläger erneut auf, die angeforderten Unterlagen vorzulegen und setzte dafür eine Frist bis zum 11. März 2013, andernfalls werde die Sozialhilfe um weitere 20 % gekürzt. Nachdem der Kläger weiterhin keine Unterlagen einreichte, kürzte der Beklagte mit Bescheid vom 19. März 2013 die Regelleistungen ab 1. April 2013 um weitere 20 % und ordnete mit der gleichen Begründung wie in seinem Bescheid vom 28. Dezember 2012 auch den Sofortvollzug an. In diesem Bescheid forderte der Beklagte den Kläger erneut auf, die angeforderten Unterlagen vorzulegen und setzte dafür eine Frist bis zum 12. April 2013, andernfalls werde die Sozialhilfe um weitere 20 % gekürzt.
Der Kläger hat am 18. April 2013 gegen den Bescheid vom 28. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. April 2013, gegen den Bescheid vom 15. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. April 2013 sowie gegen die Bescheide vom 20. Februar 2013 und 19. März 2013 Klage zum Sozialgericht Wiesbaden erhoben (Aktenzeichen: S 26 SO 71/13). Nach Erlass des auf die klägerischen Widersprüche gegen die beiden letztgenannten Verwaltungsakte ergangenen Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 13. September 2013 hat der Kläger auch insoweit Klage zum Sozialgericht Wiesbaden erhoben (Aktenzeichen: S 14 SO 189/13). Dabei hat er auch den Ausgangsbescheid des Beklagten vom 11. September 2013 zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Mit diesem hat der Beklagte wegen der weiterhin unterlassenen Übersendung der erbetenen Unterlagen eine neuerliche Kürzung der Regelleistungen um 20 % mit Wirkung ab Oktober 2013 verfügt und den Sofortvollzug angeordnet. Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 11. September 2013 hat der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. Dezember 2013 zurückgewiesen. Daraufhin hat der Kläger seine Klage entsprechend erweitert.
Zur Klagebegründung hat der Kläger die Auffassung vertreten, dass der Beklagte nicht berechtigt sei, von ihm eine umfassende Entbindung von der Schweigepflicht und die Vorlage von Befundberichten zu verlangen. Daher habe er auch nicht gegen Mitwirkungspflichten verstoßen, so dass die Kürzung der Leistung zu Unrecht erfolgt sei. Dem ist der Beklagte entgegengetreten.
Auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung dieser Klagen gerichtete Eilanträge sind erfolglos geblieben (Senatsbeschlüsse vom 26. August 2013 - L 4 SO 153/13 B ER und vom 15. August 2014 - L 4 SO 4/14 B ER).
Mit zwei Gerichtsbescheiden vom 20. Juni 2016 hat das Sozialgericht die Klagen abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide des Beklagten seien gestützt auf § 66 Abs. 1 S. 1 SGB I rechtmäßig und beschwerten den Kläger nicht. Danach könne der Leistungsträger, wenn derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 SGB I nicht nachkommt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert wird, ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind. Der Kläger erhalte seit 1. Juli 2009 Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII. Er habe auch seine Mitwirkungspflichten verletzt, indem er die von ihm geforderte Erklärung zur Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht sowie den von ihm geforderten ärztlichen Befundbericht nicht vorgelegt habe. Hierdurch sei die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert. Nach § 62 SGB I solle, wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, sich auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers ärztlichen und psychologischen Untersuchungsmaßnahmen unterziehen, soweit diese für die Entscheidung über die Leistung erforderlich sind. Der Kläger sei von dem Beklagten mehrfach schriftlich aufgefordert worden, zur Vorbereitung einer ärztlichen Untersuchung seine Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden und einen Befundbericht seines behandelnden Arztes vorlegen. Diese Unterlagen habe er nicht eingereicht. Da die Leistungen nach dem SGB XII im Gegensatz zu den Leistungen nach dem SGB II nur gewährt würden, wenn Erwerbsunfähigkeit vorliegt (s. § 21 SGB XII), sei, nachdem das letzte amtsärztliche Gutachten, das die Erwerbsunfähigkeit bestätigt habe, bereits mehr als drei Jahre zurückliege, eine neue ärztliche Untersuchung notwendig, um überprüfen zu können, ob der Kläger weiterhin erwerbsunfähig ist. Zu dieser Untersuchung zählten auch die Auswertung bestehender ärztlicher Unterlagen und eines Befundberichts eines den Antragsteller aktuell behandelnden Arztes. Deshalb seien die vom Antragsgegner geforderten Unterlagen und Erklärungen für die Weitergewährung der Leistungen nach dem SGB XII erforderlich gewesen; unabhängig davon, ob die ärztliche Untersuchung letztlich von dem Antragsgegner durch einen Amtsarzt oder von der Bundesagentur für Arbeit unter Beteiligung der Deutschen Rentenversicherung durchgeführt worden wäre. Weil der Kläger diese Unterlagen nicht vorgelegt habe, seien die Voraussetzungen für die Weitergewährung der Leistungen nach dem SGB XII nicht nachgewiesen. Auch wenn das amtsärztliche Gutachten vom 27. Mai 2009 zu dem Ergebnis gekommen sei, dass Leistungsunfähigkeit auf nicht absehbare Zeit bestehe, seien die medizinischen Voraussetzungen nach Ablauf von mehr als drei Jahren neu zu überprüfen, da sich aus dem Gutachten gerade nicht ergebe, dass der Kläger auf Dauer nicht erwerbsfähig sei. Auch die Voraussetzungen des § 66 Abs. 3 SGB I seien erfüllt, denn der Kläger sei auf die drohende Versagung oder Entziehung seiner Sozialleistungen jeweils schriftlich hingewiesen worden und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen. Der Beklagte sei daher berechtigt gewesen, ohne weitere Ermittlungen eine Ermessensentscheidung zu treffen, ob er die Leistung ganz oder teilweise versage oder entziehe. Ein Ermessensfehler sei dabei nicht erkennbar.
Gegen den ihm am 22. Juni 2016 zugestellten Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Wiesbaden vom 20. Juni 2016 zum Aktenzeichen S 14 SO 189/13 und gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Wiesbaden vom selben Tag zum Aktenzeichen S 14 SO 71/13, dessen Zustellung an den Kläger anhand der Gerichtsakte nicht nachweisbar ist, hat der Kläger am 22. Juli 2016 jeweils Berufung eingelegt. Die Berufungsverfahren sind zunächst unter den Aktenzeichen L 4 SO 162/16 und L 4 SO 163/16 geführt und mit Beschluss des Senats vom 16. Mai 2017 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden.
Der Kläger ist der Ansicht, die kumulierten Kürzungen seiner Hilfe zum Lebensunterhalt, die seit Oktober 2013 100 % seiner monatlichen Regelleistung ausmachten, machten ihm eine Sicherung seines Existenzminimums unmöglich. Darin liege eine Verletzung der Menschenwürde.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Wiesbaden vom 20. Juni 2016 sowie den Bescheid des Beklagten vom 28. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. April 2013, den Bescheid des Beklagten vom 15. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. April 2013, den Bescheid des Beklagten vom 20. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. September 2013, den Bescheid des Beklagten vom 19. März 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. September 2013 und den Bescheid des Beklagten vom 11. September 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Dezember 2013 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen.
Er hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten des Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat war berechtigt, seine Entscheidung aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 5. Juli 2017 zu treffen, obwohl der Kläger in diesem Termin nicht vertreten war. Denn der Kläger war ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung geladen und dabei gemäß § 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) darauf hingewiesen worden, dass auch im Fall seines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann.
Der Senat durfte auch in der planmäßigen Besetzung mit der Richterin am Landessozialgericht Vogl als Beisitzerin und dem Richter am Sozialgericht Dr. Schmidt als Beisitzer entscheiden, obgleich der Kläger diese Gerichtspersonen mit Schriftsatz vom 3. Juli 2017 wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hat. Gemäß § 60 Abs. 1 SGG i.V.m. § 47 Abs. 1 Zivilprozessordnung darf ein abgelehnter Richter vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vornehmen, die keinen Aufschub gestatten. Im vorliegenden Fall ist das Ablehnungsgesuch des Klägers indes schon vor Beginn der mündlichen Verhandlung erledigt gewesen. Der ablehnende Senatsbeschluss vom 4. Juli 2017 - L 4 SF 36/17 AB - ist zumindest mit der Zustellung an den Beklagten am 5. Juli 2017 wirksam geworden. Das Empfangsbekenntnis des Beklagten lag dem Senat ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 5. Juli 2017 bereits vor Eröffnung der mündlichen Verhandlung vor.
Die Berufungen des Klägers gegen die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Wiesbaden vom 20. Juni 2016 sind zulässig, aber unbegründet.
Streitgegenstände der mit Senatsbeschluss vom 16. Mai 2017 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Berufungsverfahren sind der Bescheid des Beklagten vom 28. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. April 2013, der Bescheid des Beklagten vom 15. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. April 2013, der Bescheid des Beklagten vom 20. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. September 2013, der Bescheid des Beklagten vom 19. März 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. September 2013 und der Bescheid des Beklagten vom 11. September 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Dezember 2013. Dabei handelt es sich durchweg um den Kläger belastende Verwaltungsakte des Beklagten nach § 66 SGB I, die der Kläger in statthafter Weise mit reinen Anfechtungsklagen angreift.
Das Sozialgericht hat die Klagen im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Denn sie sind zulässig, aber unbegründet.
Unschädlich ist, dass das Sozialgericht – wie der Senat in seinem Verbindungsbeschluss vom 16. Mai 2017 bereits ausgeführt hat – in dem älteren Ausgangsverfahren (Aktenzeichen: S 14 SO 71/13) die Klage gegen die Bescheide des Beklagten vom 20. Februar 2013 und vom 19. März 2013 zu Unrecht als unzulässig angesehen, die insoweit nach Erlass des diesbezüglichen Widerspruchsbescheids vom 13. September 2013 erneut erhobene Klage (Aktenzeichen: S 14 SO 189/13) unter Verkennung der anderweitigen Rechtshängigkeit zu Unrecht als zulässig angesehen hat. Zumindest liegt für jeden der streitgegenständlichen Verwaltungsakte eine (klageabweisende) erstinstanzliche Entscheidung vor.
Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Beklagte stützt seine Versagungsentscheidungen zu Recht auf § 66 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 SGB I. Danach kann ein Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind, weil der Antragsteller oder Bezieher einer Sozialleistung seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 SGB I nicht nachkommt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert wird, wenn der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden und seiner Mitwirkungspflicht gleichwohl nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist.
Diese Voraussetzungen sind zur Überzeugung des Senats erfüllt. Der Senat hält an seiner bereits mehrfach geäußerten Einschätzung (siehe die oben zitierten Beschlüsse in den Eilverfahren) fest, dass der Kläger mit der Nichtvorlage eines Befundberichts und einer Schweigepflichtentbindungserklärung ihm obliegende Mitwirkungspflichten verletzt. Diese beruhen auf § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 3 SGB I. Danach hat ein Empfänger von Sozialleistungen (wie der Kläger, dem der Beklagte nach wie vor Sozialhilfeleistungen zur Deckung der Kosten der Unterkunft gewährt) alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen sowie Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen. Die von dem Beklagten erbetene Schweigepflichtentbindungserklärung dient der Befragung der den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen, der erbetene Befundbericht stellt eine Beweisurkunde dar. Die Tatsachen, die der Beklagte auf diese Weise aufzuklären beabsichtigt, sind für das Verwaltungsverfahren erheblich, weil die (weitere) Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII von (dem Umfang) der Erwerbsfähigkeit des Klägers abhängt. Der Beklagte sieht sich zu Recht als befugt an, aufzuklären, ob der Kläger vorrangige Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II bzw. der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII beanspruchen kann. Dafür ist die Ermittlung des aktuellen Gesundheitszustands des Klägers im Rahmen der Amtsermittlung nach § 20 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) erforderlich. Die Mitwirkungspflicht ist auch nicht gemäß § 65 Abs. 1 SGB I ausgeschlossen. Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Offenbarung seines Gesundheitszustands gegenüber dem Beklagten weder unangemessen noch unzumutbar. Sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist hier schon deshalb nicht verletzt, weil die Daten, die der Beklagte erheben möchte, dem besonderen Schutz des Sozialgeheimnisses nach § 35 SGB I unterfallen. Schließlich kann sich der Beklagte die erforderlichen Kenntnisse ohne die Mitwirkung des Klägers auch nicht leichter selbst beschaffen (§ 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB I). Dem steht die Schweigepflicht der den Kläger behandelnden Ärzte entgegen. Der Beklagte kann auch nicht darauf verwiesen werden, den Kläger gemäß § 62 SGB I untersuchen zu lassen, denn eine solche Begutachtung führt nicht zu einem geringeren Aufwand als die Einholung von Befundberichten.
Auch den Anforderungen des § 66 Abs. 3 SGB I ist Genüge getan. Vor jedem einzelnen Versagungsbescheid hat der Beklagte den Kläger schriftlich auf die drohende Folge einer (weiteren) Verletzung der Mitwirkungspflicht hingewiesen und dabei stets eine angemessene Frist für die Vorlage der erbetenen Unterlagen gesetzt. Gleichwohl ist der Kläger seinen Obliegenheiten nicht nachgekommen. Hierdurch ist die Aufklärung des Sachverhalts nicht nur erheblich erschwert worden (wie es § 66 Abs. 1 S. 1 SGB I verlangt), sondern vollständig verhindert. Denn der Beklagte kann ohne die Mitwirkung des Klägers keine medizinischen Ermittlungen über diesen anstellen. Dadurch sind die Voraussetzungen der Leistung (hier: Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII) nach wie vor nicht nachgewiesen. Daher war der Beklagte berechtigt, ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise zu versagen oder zu entziehen. Dies setzt eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Vorgehensweise voraus. Der Beklagte hat sich hier für eine nur teilweise Versagung der Sozialhilfe entschieden und diese Sanktion noch zeitlich gestaffelt mit zunehmender Höhe umgesetzt. Dadurch hat er die Interessen des Klägers berücksichtigt und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt. Hinzu kommt, dass der Kläger weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren geäußert hat, warum er nicht zur Mitwirkung bereit ist. Er hat sich stets auf die Ansicht zurückgezogen, er sei hierzu nicht verpflichtet. Dass dieser Rechtsirrtum (etwa krankheitsbedingt) unvermeidbar war, kann der Senat nicht erkennen. Spätestens nach dem rechtskräftigen Abschluss des Eilverfahrens musste dem Kläger klar sein, dass er die Mitwirkungshandlung zu Unrecht verweigert.
Die danach am Maßstab des einfachen Gesetzesrechts rechtmäßigen Bescheide des Beklagten verstoßen entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht gegen höherrangiges Recht. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass die Regelungen der §§ 60 ff. SGB I im Allgemeinen verfassungswidrig sind (dazu schon BSG, Urteil vom 22. Februar 1995 4 RA 44/94, BSGE 76, 16 ff. = SozR 3-1200 § 66 Nr. 3) oder ihre Anwendung im konkreten Fall das Grundrecht des Klägers auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG verletzt. Es handelt sich insgesamt um einen ausgewogenen Regelungskomplex mit mehreren Stellschrauben, die eine verhältnismäßige und damit verfassungskonforme Rechtsanwendung im Einzelfall ermöglichen. So handelt es sich bei den in §§ 60 bis 64 SGB I angeordneten Mitwirkungspflichten, die durch die Regelung des § 65 SGB I bereits in mehrfacher Hinsicht beschränkt werden, rechtlich lediglich um Obliegenheiten, die von dem zuständigen Sozialleistungsträger nicht zwangsweise durchgesetzt werden können. Um ihnen gleichwohl zu einer gewissen Durchsetzungskraft zu verhelfen, bedarf es daher zwingend einer Regelung wie § 66 SGB I, die nachteilige Folgen für den Fall fehlender Mitwirkung ermöglicht. Auch die Möglichkeit, Sozialleistungen zu versagen oder zu entziehen, hat der Gesetzgeber indes eingeschränkt, indem er eine erhebliche Erschwerung der Sachverhaltsaufklärung und einen fehlenden anderweitigen Nachweis der materiellen Tatbestandsvoraussetzungen fordert. Obgleich nach § 65 Abs. 1 SGB I ohnehin keine unangemessenen oder unzumutbaren Mitwirkungshandlungen verlangt werden dürfen, hat der Gesetzgeber eine Sanktionierung gemäß § 66 Abs. 1 SGB I zusätzlich von einer Ermessensausübung des Leistungsträgers abhängig gemacht, so dass die besonderen Umstände des Einzelfalls zwingend zu berücksichtigen sind. Schließlich ermöglicht die Regelung des § 67 SGB I die nachträgliche Leistungserbringung für den Fall der Nachholung der Mitwirkung. Daher hat es der Kläger (auch für die Vergangenheit) letztlich selbst in der Hand, wieder in den Genuss ungekürzter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu kommen. Insofern besteht eine Parallele zu den Fällen des § 1a Asylbewerberleistungsgesetz, dessen Verfassungskonformität das BSG jüngst bestätigt hat (Pressemitteilung des BSG vom 12. Mai 2017 zum Aktenzeichen B 7 AY 1/16 R).
In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist bereits geklärt, dass der Gesetzgeber auch im Bereich existenzsichernder Leistungen nicht daran gehindert ist, Zahlungen an Bedürftige von bestimmten (Verfahrens-)Handlungen abhängig zu machen. Das Grundgesetz verlangt keine bedingungslose Versorgung aller Menschen. So knüpfen § 37 SGB II und § 44 SGB XII die Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung der jeweiligen Leistungsberechtigten an eine Antragstellung. Auch ist in beiden Rechtsgebieten allgemein anerkannt, dass die Prüfung der Anspruchsberechtigung mitunter die Erfüllung von Mitwirkungspflichten voraussetzt (siehe nur BSG, Urteil vom 28. März 2013 – B 4 AS 42/12 R, BSGE 113, 177 ff. = SozR 4-1200 § 60 Nr. 3, wonach ein selbstständig tätiger Antragsteller bei der Beantragung von Leistungen nach dem SGB II im Rahmen seiner Mitwirkungsobliegenheiten gehalten ist, Angaben zum voraussichtlichen Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit, Gewerbebetrieb oder Landwirtschaft im Bewilligungszeitraum zu machen; die Verfassungsbeschwerde gegen dieses Urteil wurde nicht zur Entscheidung angenommen, siehe BVerfG, Beschluss vom 25. August 2015 – 1 BvR 2709/13).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die in § 160 Abs. 2 SGG abschließend aufgeführten Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.
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