L 9 R 2481/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 1170/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 2481/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 21. Juni 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.

Der am 1979 geborene Kläger hat den Beruf des Industriemechanikers erlernt und war in diesem Beruf bis Dezember 2008 bei den H.-Druckmaschinen als Servicetechniker versicherungspflichtig beschäftigt. Danach lebte der Kläger in Spanien (M.) und war dort im Gastronomiebereich tätig. Nach seiner Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland im Sommer 2013 war er arbeitslos bzw. arbeitsunfähig krank. Es wurde ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 anerkannt.

Der Kläger beantragte am 13.12.2013 bei der Beklagten die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.

Er wurde daraufhin im Auftrag der Beklagten am 24.04.2014 von der Ärztin für Innere Medizin Dr. D. untersucht. Diese stellte in ihrem Gutachten vom 13.05.2014 folgende Diagnosen: 1. HIV-Infektion Kategorie C3 nach CDC-Klassifikation, ED 3/13, mit laufender antiretroviraler Medikation seit 2013 2. leichte Restbeschwerden bei aufgetretener inkompletter Hemiparese rechts 3/13 bei zerebraler Toxoplasmose, ED 3/13 DD HIV Enzephalopathie 3. symptomatische Epilepsie, ED 3/13, mit regelmäßiger Antiepileptikamedikation anfallsfrei 4. belastungsabhängig Gonalgien beidseits, erfolgte operative Versorgung einer habituellen Patellaluxation links 1995 5. Übergewicht 6. vorbenannte auftretende Lungenembolie 3/13 ohne relevante Folgen 7. leichte Restbeschwerden bei aufgetretenem Herpes Zoster linker Arm/linke obere Brustkorbseite. Das Leistungsvermögen des Klägers sei aufgrund der gestellten Diagnosen auf dem qualitativen Sektor beeinträchtigt. Es sollten Tätigkeiten ohne erhöhte Stressbelastung, Zeitdruck, ohne anhaltende Wirbelsäulenzwangshaltungen, ohne Leiter- und Gerüstarbeiten, ohne gehäuftes Bücken, Treppensteigen, Überkopfarbeiten, ohne besondere Beanspruchung der rechten Hand, ohne erhöhte Infektionsgefährdung und ohne erhöhte Unfallgefährdung erfolgen. Es bestehe aber ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte bis zum Teil mittelschwere Arbeiten unter Berücksichtigung der aufgelisteten qualitativen Einschränkungen. Eine relevante Gehstreckeneinschränkung liege nicht vor.

Die Beklagte lehnte daraufhin den Rentenantrag mit Bescheid vom 30.06.2014 ab. Die Einschränkungen, die sich aus den Krankheiten oder Behinderungen des Klägers ergäben, führten nicht zu einem Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung. Der Kläger könne nach der medizinischen Beurteilung der Beklagten noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein. Ein Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung bestehe daher nicht.

Nachdem der Kläger hiergegen am 07.07.2014 Widerspruch erhob und einen aktuellen Befundbericht der Neurologischen Klinik am Universitätsklinikum H. vorlegte, ließ die Beklagte ihn erneut begutachten. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie sowie Psychotherapeutische Medizin M. hat den Kläger daraufhin am 17.12.2014 untersucht und stellte in seinem Gutachten vom 17.12.2014 folgende Diagnosen: 1. Symptomatische Epilepsie bei Verdacht auf zerebrale Toxoplasmose, unter Medikation seit 2013 anfallsfrei 2. leichte Restbeschwerden bei Hemiparese rechts seit März 2013 3. leichte ängstlich-depressive Symptomatik bei Problemen mit der Krankheitsbewältigung. Dem Kläger sollten aufgrund der Erkrankung keine Tätigkeiten auf Leitern oder Gerüsten, kein berufsmäßiges Lenken eines Kraftfahrzeuges, keine Tätigkeit an gefährdenden Maschinen, keine Tätigkeiten mit sehr hohen Anforderungen an das Konzentrationsvermögen oder unter sehr hohem Zeitdruck zugemutet werden. Eine Tätigkeit als Gastronom sowie leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes seien aber noch sechs Stunden und mehr täglich möglich. Zu seinem Tagesablauf und Freizeitverhalten befragt, gab der Kläger an, dass er mit seinem Ehemann in einer Mietwohnung lebe. Er habe einen Führerschein, fahre aber nur noch selten. Es gebe einen Freundeskreis, viele davon über die AIDS-Hilfe in Karlsruhe, wo er regelmäßig hingehe. Man treffe sich auch privat, gehe gemeinsam essen oder ins Dampfbad. Er stehe in der Regel um 07.00 Uhr auf und mache morgens Musik. Den Haushalt versorge er und er habe viele Arzttermine. Er gehe zu Fuß einkaufen, Großeinkäufe mache er mit seinem Partner gemeinsam. Im Sommer gehe er regelmäßig schwimmen oder mache Spaziergänge mit seiner Mutter, die in der Nähe wohne. Er telefoniere auch täglich mit seiner Mutter. Er lese viel, am liebsten Science-Fiction-Romane und chatte in Foren, auch wegen seiner Krankheit. Wenn sein Partner zu Hause sei, unterhalte man sich abends oder schaue fern.

Die Beklagte wies daraufhin den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24.03.2015 zurück. Nach den medizinischen Feststellungen liege keine teilweise oder volle Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGBVI) vor, weil der Kläger unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch sechs Stunden und mehr einsatzfähig sei. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI komme nicht in Betracht, da der Kläger nach dem 01.01.1961 geboren sei.

Hiergegen hat der Kläger am 21.04.2015 Klage beim Sozialgericht (SG) Mannheim erhoben und sein Begehren nach Gewährung einer Erwerbsminderungsrente weiterverfolgt. Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt. Die Fachärztin für Orthopädie Dr. M. hat erklärt, dass sie den Kläger nur einmalig gesehen und behandelt habe. Orthopädischerseits sei der Kläger noch in der Lage, einer leichten körperlichen Tätigkeit in einem Zeitumfang von wenigstens sechs Stunden pro Tag nachzugehen. Bei leichter Tätigkeit sehe sie keine qualitativen Leistungseinschränkungen. Prof. Dr. E., Ärztlicher Direktor der Immunologischen Ambulanz der Hautklinik des Universitätsklinikums H., hat mitgeteilt, dass aufgrund der Vorerkrankungen sowie der HIV-Infektion und deren Folgen eine Tätigkeit im Umfang von drei bis vier Stunden möglich sei. Vermieden werden solle zudem Schichtarbeit und körperlich belastende Arbeit. Regelmäßige Ruhepausen sollten gewährleistet und eingehalten werden. Prof. Dr. W., Ärztlicher Direktor der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums H. hat erklärt, dass sich der Kläger bislang dreimal bei ihm vorgestellt habe. Zuletzt habe er den Kläger im August 2014 gesehen. Damals habe eine Hirnschädigung mit geringer bis mittelschwerer Leistungsbeeinträchtigung bestanden. Man empfehle eine aktuelle neuropsychologische Leistungsdiagnostik. Die Hausärztin Dr. B.-S. hat mitgeteilt, nach ihrer Einschätzung könne der Kläger nicht mehr am allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein, da die psychische und körperliche Belastbarkeit nicht gegeben sei. Das SG hat daraufhin von Amts wegen ein internistisches Sachverständigengutachten bei dem Internisten Dr. R. eingeholt. Dieser hat den Kläger am 25.11.2015 untersucht und in seinem Gutachten vom 11.12.2015 folgende Diagnosen gestellt: 1. HIV-Infektion Kategorie C 3 nach der CDC-Klassifikation Erstdiagnose 03/2013 mit fortlaufender antiretroviraler Medikation HAART 2. zerebrale Toxoplasmose 3. leichte Restbeschwerden bei Zustand nach inkompletter Hemiparese rechts. Der Kläger sei im März 2013 an einer HIV-Infektion Stadium C3 und einer AIDS-Indikatorkrankheit oder AIDS-definierenden Krankheit der zerebralen Toxoplasmose erkrankt. Unter der HIV-Therapie und der konsequenten Fortführung der Toxoplasmosetherapie sowie der antiepileptischen Medikation habe sich der Zustand des Klägers erfreulicherweise gebessert. Die T4-Helferzellen seien inzwischen mehrmals auf über 200 µl angestiegen. Die MRT-Befunde scheinen sich zu bessern. Die Viruslast sei seit Juni 2014 negativ, das HIV-Virus im Blut sei also nicht mehr nachzuweisen. Darüber hinaus bestehe eine Dysthymia und eine leichte ängstlich-depressive Symptomatik. Für eine depressive Episode ergebe sich kein Anhalt. Die Stimmung sei teilweise herabgestimmt, der Antrieb und die Freudefähigkeit jedoch erhalten. Die geklagten Konzentrationsstörungen hätten sich erst nach dreistündiger Anwesenheit in der Praxis gezeigt. Die geklagten Einschlaf- und Durchschlafstörungen führten nicht zu einem erhöhten Schlafbedürfnis während des Tages. Der Appetit sei normal. Der Kläger habe von täglichem Kontakt mit der Mutter berichtet, er gehe bei akzeptablem Wetter spazieren und verrichte auch zu Hause Krankengymnastik. Der Kontakt zu Freunden sei regelmäßig gegeben. Es bestehe zudem ein Übergewicht, Hyperlipidämie, eine Fettleber und Hyperbilirunämie. Darüber hinaus eine Periarthropathie am rechten Schultergelenk sowie ein myofasziales Halswirbelsäulensyndrom mit Zephalgien sowie Überlastungsschmerzen rechtes Handgelenk und eine beginnende Radiocarpalgelenksarthrose rechts sowie statische Beschwerden des rechten Fußes bei Spreizfuß und Hallux valgus. Unter Berücksichtigung aller Erkrankungen könne der Kläger keine schweren und regelmäßig auch keine mittelschweren Arbeiten mehr leisten sowie keine Gewichte über zehn Kilogramm mehr heben. Wegen der antikonvulsiven Dauertherapie bei Zustand nach dreimaligen epileptischen Anfällen sollten keine Tätigkeiten auf Leitern oder Gerüsten mehr durchgeführt werden. Auch das berufsmäßige Lenken eines Kraftfahrzeuges und das Fahren von Kraftfahrzeugen mit Personentransport seien nicht durchführbar. Die Arbeitshaltung sollte ohne anhaltende Wirbelsäulenzwangsbelastungen sein und es sollte keine dauernde besondere Beanspruchung der rechten Hand sowie Arbeiten in dauerndem Stehen verlangt werden. Arbeiten mit sehr hoher Anforderung an das Konzentrationsvermögen und unter sehr hohem Zeitdruck sollten nicht mehr durchgeführt werden. Ebenso seien Akkord- und Schichtarbeiten nicht mehr möglich. Ebenso sollten Arbeiten mit erhöhter Infektionsgefährdung vermieden werden. Solche Tätigkeiten seien dem Kläger noch sechs Stunden möglich. Die Konzentrationsfähigkeit sei während der Begutachtung erhalten geblieben, auch im spontanen Gespräch hätten sich keine Hinweise auf formale oder inhaltliche Denkstörungen ergeben. Der Tagesablauf des Klägers spreche für diese quantitative Einschätzung. Der Kläger stehe um 08.30 Uhr auf, dusche dann, höre Musik und gehe zweimal die Woche zur Krankengymnastik. Auf dem Rückweg verrichte er kleinere Einkäufe jeweils zu Fuß. Er verrichte regelmäßige Hausarbeiten, gehe bei akzeptablem Wetter täglich allein oder mit der Mutter spazieren, auch über längere Strecken. Der Kläger sei täglich mindestens anderthalb Stunden im Internet, lese dort auch Zeitung und ihn interessierende Passagen, schaue etwa eine Stunde fern und mache keinen Mittagsschlaf und keine weiteren Schlafpausen während des Tages. Er höre regelmäßig Musik, auch über einen längeren Zeitraum. Nach dem Mittagessen um 13.00 Uhr, welches entweder der Lebenspartner alleine oder mit ihm zusammen zubereite, gehe er meist noch einmal spazieren. Er führe regelmäßig etwa 20 Minuten pro Tag eine eigenständige Krankengymnastik durch, gehe wöchentlich zweimal schwimmen und regelmäßig in die Sauna. Er gehe dann gegen 01.00 Uhr schlafen. Dr. R. empfahl trotz der von ihm getroffenen Leistungseinschätzung aber eine aktuelle neuropsychiatrische Befundung.

Das SG hat daraufhin Dr. A., Psychologischer Psychotherapeut und klinischer Neuropsychologe, mit der Erstellung eines neuropsychologischen und psychologischen Gutachtens beauftragt. Dieser hat den Kläger am 04.02.2016 untersucht und eine umfangreiche neuropsychologische und psychologische Testung durchgeführt. In seinem Gutachten vom 24.02.2016 hat er ausgeführt, der Kläger habe während der Exploration weitschweifig und umständlich sowie leicht bedrückt gewirkt. Der Kläger sei emotional schwingungsfähig und auslenkbar, sein subjektiver Leidensdruck sei allerdings spürbar. Die Begutachtung habe insgesamt von 10.00 bis 14.00 Uhr gedauert, wobei die mehrstündige Testung über eine Gesamtdauer von etwa drei Stunden erfolgt sei. Hier habe der Kläger motiviert und kooperativ gewirkt. Nach etwa der Hälfte der Zeit (also nach der Mittagspause) habe er jedoch müde und erschöpft gewirkt und dies auch geäußert. Hinweise auf eine Aggravation oder Simulation der Beschwerden hätten sich nicht gezeigt. In psychopathologischer Hinsicht sei der Kläger ohne Einschränkung orientiert, Hinweise auf eine wesentliche Störung der Aufmerksamkeit oder des Gedächtnisses hätten sich im Rahmen des Gesprächs nicht, wohl aber im Rahmen der testpsychologischen Untersuchung ergeben. Insgesamt spreche das Testergebnis für eine leichte kognitive Störung sowie eine Anpassungsstörung. Zusammenfassend könnten die Testergebnisse wie folgt in einer Übersicht dargestellt werden:

Fähigkeit Beeinträchtigung Anpassung an Regeln und Routinen 1 Planung und Strukturierung von Aufgaben 2 Flexibilität und Umstellungsfähigkeit 1 Anwendung fachlicher Kompetenzen 1 Entscheidung-und Urteilsfähigkeit 0 Durchhaltefähigkeit 2 Selbstbehauptungsfähigkeit 1 Kontaktfähigkeit zu Dritten 1 Gruppenfähigkeit 1 Familiäre bzw. intime Beziehungen 0 Spontan Aktivitäten 2 Selbstpflege 0 Verkehrsfähigkeit 2

Legende zu der Spalte Beeinträchtigung: 0 = keine Beeinträchtigung 1 = leichte Beeinträchtigung 2 = mittelgradige Beeinträchtigung 3 = schwere Beeinträchtigung 4 = vollständige Beeinträchtigung

Zwar könne davon ausgegangen werden, dass der Kläger in der Lage sei, seine Defizite in den Bereichen Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Exekutivfunktion selbstständig zu kompensieren. Allerdings müsse das Kompensationsvermögen des Klägers wegen seiner körperlichen Einschränkungen, der HIV-Infektion und der dazugehörigen Dauermedikation als begrenzt angesehen werden. Deshalb seien deutliche Einschränkungen im Alltag und im Beruf anzunehmen. Dies stehe auch im Einklang mit den subjektiven Angaben des Klägers (Überforderung bei hoher Reiz- und Informationsdichte, Verlangsamung durch mehr oder minder ausgeprägte Müdigkeit/Erschöpfung, generelle Verunsicherung bezüglich der eigenen Leistungsfähigkeit). Insgesamt schätze er aufgrund der kognitiven Störung und der psychischen Symptome die Leistungsfähigkeit des Klägers auf drei bis unter sechs Stunden pro Tag ein, was vor dem Hintergrund der AIDS-Erkrankung als dauerhafte Einschränkung bezüglich der beruflichen Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu werten sei. Es sei durchaus plausibel, dass sich die kognitiven Störungen durch die erst im fortgeschrittenen Stadium erstdiagnostizierte AIDS-Erkrankung (2013) und die schweren epileptischen Anfälle (ebenfalls 2013) zusätzlich verstärkt hätten bzw. erst seit diesem Zeitpunkt im jetzigen Ausmaß vorlägen. In Abweichung von den aktenkundigen Befundunterlagen sehe er weder die diagnostischen Kriterien für die Annahme einer Panikstörung, einer posttraumatischen Belastungsstörung oder einer Depression. Gleichwohl liege aus den dargestellten Gründen eine deutliche Verminderung der beruflichen Leistungsfähigkeit vor. In einer eingeholten ergänzenden Stellungnahme vom 19.04.2016 hat Dr. A weiter ausgeführt, dass er entgegen der Ausführungen der Beklagten als Psychologischer Psychotherapeut und klinischer Neuropsychologe dazu in der Lage sei, das sozialmedizinische Leistungsvermögen nach erworbenen Hirnschädigungen bzw. bei körperlichen oder psychischen Störungen zu beurteilen. Die Annahme einer unter sechsstündigen Leistungsfähigkeit begründe sich aus der für die notwendige Kompensation der dargestellten Leistungsbeeinträchtigung erhöhten mentalen Anspannung (Effort). Es bestehe das Risiko einer psychomentalen Überforderung und der Gefährdung des seelischen Gleichgewichts und der Entwicklung von schweren psychischen Gesundheitsstörungen wie Erschöpfungsdepressionen. Der Kläger sei bereits durch die HIV-Erkrankung psychisch belastet, sodass auch ein hohes Risiko für die Entwicklung weiterer Gesundheitsstörungen wie Schlafstörungen und Panikattacken bestehe.

Das SG hat nach mündlicher Verhandlung am 21.06.2016 die Klage mit Urteil vom selben Tag abgewiesen. Die näher dargelegten Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente lägen nicht vor. Nach Überzeugung der Kammer sei das Leistungsvermögen des Klägers nicht auf unter sechs Stunden herabgesunken. Das Gericht verkenne hierbei nicht die bestehende schwere Erkrankung des Klägers und die deshalb einzunehmenden vielfältigen Medikamente. Die sich hieraus ergebenden Einschränkungen seien jedoch nicht so gravierend, als dass der Kläger keine leichten körperlichen Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von mindestens sechs Stunden täglich mehr verrichten könne. Die Schlussfolgerungen des Dr. A. seien für das Gericht nicht schlüssig. Soweit dieser Einschränkungen in der Fähigkeit Spontanaktivität beschreibe, bezögen sich diese lediglich auf außerberufliche Bereiche bzw. den Freizeitbereich. Es verblieben daher nur noch mittelgradige Beeinträchtigungen für die Fähigkeiten Planung und Strukturierung von Aufgaben, Durchhaltefähigkeit und Verkehrsfähigkeit. Die letzte Einschränkung beziehe sich lediglich auf die Fähigkeit des Klägers, selbst aktiv im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug zu steuern. Anhaltspunkte dafür, dass die Fähigkeit des Klägers, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen sowie Fußwege zurückzulegen, in relevanter Weise eingeschränkt seien, seien nicht vorgetragen. Es blieben daher nur noch Einschränkungen im Bereich Planung und Strukturierung von Aufgaben sowie Durchhaltefähigkeiten, die ansonsten aufgelisteten Fähigkeiten seien entweder gar nicht oder nur leicht beeinträchtigt. Vor diesem Hintergrund erschließe es sich dem Gericht nicht, weshalb Dr. A. bei diesem Befund die Verrichtung von leichten körperlichen Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich generell ausschließe. Denn die beschriebenen Leistungseinbußen könnten ohne Weiteres dadurch berücksichtigt werden, dass diese im Bereich der qualitativen Arbeitsmerkmale beachtet werden. So sollten nach Überzeugung des Gerichts Arbeiten unter hoher Lärmbelastung oder unter Einwirkung durch zu viele Sinnesreize, die Vermeidung von Publikumsverkehr oder der Ausschluss von kognitiv fordernder Arbeit berücksichtigt werden. Weshalb der Kläger nicht mehr in der Lage sein solle, beispielsweise einfache Arbeiten mit repetitiven bzw. wiederholenden Verrichtungen zu verrichten, erschließe sich dem Gericht nicht. Das Gericht verkenne hierbei nicht, dass der Kläger von besonders schwerwiegender Erkrankung betroffen sei und seine Chancen auf eine dauerhafte berufliche Wiedereingliederung schwierig sein dürften. Dies allein genüge jedoch nicht, um einen Rentenanspruch zu begründen.

Gegen das ihm am 24.06.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 04.07.2016 Berufung eingelegt. Zur Begründung wird im Wesentlichen darauf verwiesen, dass man entgegen den Ausführungen des SG davon ausgehe, dass die Leistungseinschätzung des Dr. A. plausibel sei. Insbesondere die Durchhaltefähigkeit, aber auch die Fähigkeiten zur Planung und Strukturierung von Aufgaben seien im beruflichen Bereich von größter Bedeutung.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 21. Juni 2016 und den Bescheid der Beklagten vom 30. Juni 2014 sowie den Widerspruchsbescheid vom 24. März 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, auf Zeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat zunächst Beweis erhoben durch die Befragung der behandelnden Hausärztin als sachverständige Zeugin. Dr. B.-S. hat mitgeteilt, der Zustand des Patienten verschlechtere sich progredient. Der Kläger sei nicht mehr in der Lage, einer körperlich leichten und wenig belastenden Tätigkeit im Rahmen einer Fünftagewoche mindestens sechs Stunden täglich nachzugehen. Dies sei nur noch unter drei Stunden möglich. Sie begründe dies im Wesentlichen mit Konzentrationsstörungen und Müdigkeit. Die Einschränkungen bestünden seit Beginn der Erkrankung. Der Kläger hat zudem weitere medizinische Befundberichte vorgelegt. Im Befundbericht der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums H. vom 14.09.2014, bei der sich der Kläger zu regelmäßigen Kontrollen in Behandlung befindet, ist u.a. ausgeführt worden, dass sich der Kläger anamnestisch und klinisch neurologisch stabil zeige. Im Rahmen der Untersuchung habe sich der Kläger in gutem Allgemein- und Ernährungszustand, wach, voll orientiert und im spontanen Gespräch ohne Hinweise auf formale oder inhaltliche Denkstörungen gezeigt. Das durchgeführte Schädel-MRT habe keinen Nachweis akuter entzündlicher Veränderungen gegeben, insbesondere keinen Nachweis einer aktiven Toxoplasmose oder einer Enzephalitis. Man empfehle die Fortsetzung der bisherigen Medikation und die Fortsetzung der Krankengymnastik sowie eine Wiedervorstellung in einem Jahr.

Der Senat hat zudem ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten bei dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. eingeholt. Dieser hat den Kläger am 28.08.2017 ambulant untersucht und in seinem Gutachten vom 12.09.2017 folgende Diagnosen gestellt: 1. Zustand nach innerhalb eines Tages stattgehabten drei symptomatischen epileptischen Anfällen mit angegebener, damals anschließend aufgetretener Halbseitensymptomatik rechts 2013; seither anfallsfrei, auch kein Anhalt für überdauerndes, zentrales fokalneurologisches Defizit bzw. überdauernde Halbseitenproblematik. 2. Alter, in den Verlaufskontrollen nicht aktiver Toxoplasmoseherd links zerebral, kein Anhalt für eine Enzephalitis, auch keine Liquorzirkulationsstörung. 3. HIV-Infektion mit Erstdiagnose 2013 unter spezifischer Medikation, keine nachweisbare Viruslast (siehe Bericht der Immunologischen Ambulanz vom 11.05.2017). 4. Berichtete rezidivierende Schmerzen im ulnaren Unterarmbereich links nach Herpes Zoster (Gürtelrose 2012). 5. Ganz umschrieben angegebene (nicht sicher zu erklärende) schmerzfreie Gefühlsminderung der Zehenkuppen 2 bis 4 rechts. 6. Beklagte HWS- und Nackenschmerzen, beklagte Schultergelenksbeschwerden, beklagte Ellenbogenbeschwerden sowie beklagte Handgelenksbeschwerden. Klinisch wie elektrophysiologisch ohne Anhalt für assoziierte neurologische Symptomatik. Eine richtungsweisende Bewegungseinschränkung sei nicht erkennbar. 7. Angegebene Sprunggelenksbeschwerden rechts. 8. Lediglich Verdacht auf latenten diskreten essenziellen Tremor; dieser werde situationsbedingt beschrieben, sei hier jedoch nicht objektivierbar. Auch erfolge bis dato keine entsprechende Behandlung. Diese sei auch subjektiv nicht erforderlich, der Kläger habe angegeben, er habe sich daran gewöhnt. 9. Funktionelle Schlafstörung im Kontext mit Belastungen im psychosozialen Hintergrund. 10. Anklingende Agoraphobie; bei angeblich seit 2014 vorhandenen Beschwerden fand und finde keine ambulante Psychotherapie statt, auch keine psychiatrische Behandlung. Dies sei aber auch aus subjektiver Sicht des Klägers nicht erforderlich, er fühlte sich im Alltag nicht gehandicapt. 11. Deutlicher Hinweis für nicht authentische Beschwerdeschilderung bzw. simulative Tendenzen. Aus nervenärztlicher Sicht seien Tätigkeiten auf Leitern oder Gerüsten, Tätigkeiten an unmittelbar gefährdenden Maschinen, auch Tätigkeiten mit regelmäßigem Zeitdruck, überdurchschnittlichen Anforderungen an die Konfliktfähigkeit sowie Stressfaktoren wie Nacht- oder Wechselschicht nicht möglich. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten seien aber möglich. Mit den beschriebenen qualitativen Leistungseinschränkungen könne der Kläger aus nervenärztlicher Sicht vollschichtig arbeiten. Die Wegefähigkeit des Klägers sei nicht beeinträchtigt. Auch zusätzliche betriebsunübliche Pausen seien nicht zu begründen. Im psychischen Befund beschreibt der Gutachter den Kläger als bewusstseinsklar, sicher orientiert, im Denken formal geordnet. Auffassung, Konzentration, Merkfähigkeit, Gedächtnis und Aufmerksamkeit seien in der dichten gutachterlichen Untersuchungsprozedur (von 07.25 Uhr bis 12.10 Uhr) bis zuletzt völlig ungestört gewesen. Insgesamt habe es keinerlei Hinweise für eine irgendwie richtungsweisende hirnorganische Leistungsstörung gegeben. Auch gebe es keinen Anhalt für eine anders begründete kognitive Störung. Eine leichtgradige agoraphobische Problematik klinge an, gehe aber nicht mit richtungsweisendem Vermeidungsverhalten einher und stelle auch subjektiv ausdrücklich in der Teilhabe keine wirklich relevante Beeinträchtigung dar und begründe auch subjektiv keine Notwendigkeit einer Psychotherapie. Der Kläger sei durchaus humorvoll zu erleben, auch lachend und mit munteren Anmerkungen zu Nebenthemen sowie inhaltlich wirklich sehr gut und lebendig auslenkbar mit flottem Redefluss. Je nach angesprochenem Thema sei er auch ausgesprochen engagiert gewesen, auch gerne ausführlich, dann auch nachhaltig. Der Kläger sei allerdings spürbar verärgert, was den Umgang mit Versorgungsamt, Rentenversicherung und damals auch dem Jobcenter betreffe. Bis zuletzt habe es eine lebendige Antriebslage gegeben. Der Gutachter habe keine Erschöpfungs- oder Ermüdungsanzeichen beobachtet, wobei eine dichte gutachterliche mehrstündige Untersuchung hier ohne erforderlich werdende Pause doch zwangsläufig für jeden Probanden eine überdurchschnittliche Anstrengung darstelle. Auch habe er keine Schmerzbeeinträchtigung erkennen können. Eine depressive Symptomatik sei sicherlich nicht zu beschreiben, weder im psychopathologischen Querschnitt noch in den Angaben zur außerberuflichen Teilhabe bei durchaus erhaltenen Interessen und auch erhaltener Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit. Hier verweise er insbesondere auch auf die ausführlich gemachten Angaben zur außerberuflichen Teilhabe. Der Kläger habe eine gute Partnerschaft mit seinem Lebenspartner beschrieben. Er gehe mit diesem gemeinsam ins Theater, ins Kino, auch ins Lokal. Man habe Freunde. Diese treffe man auch, man besuche gerne gemeinsam das Schwimmbad einschließlich der Sauna, Restaurants oder gehe gemeinsam ins Kino. Er koche gemeinsam mit seinem Lebenspartner, höre mit diesem Musik. Man habe gemeinsame TV-Vorlieben, die der Kläger auch ausführlich beschrieben habe. Der Kläger habe zudem von einem sehr guten Verhältnis zu seiner Mutter, die in der Nähe wohne, berichtet. Mit dieser mache er ausgiebige Spaziergänge. Er habe auch berichtet, seine Mutter hin und wieder mit dem PKW zum Arzt zu fahren. Der Kläger habe dem Gutachter gegenüber berichtet, dass er gerne lese, vor allem Science-Fiction- und Fantasyromane. Es komme vor, dass er in solchen Büchern richtig abtauche, dann lese er auch schon mal zwei Stunden am Stück. Der Kläger habe zudem erklärt, dass er den Haushalt im Wesentlichen allein versorge. Größere Einkäufe erledige dagegen der Partner mit dem Auto. Er habe auch viele Zimmerpflanzen, um die er sich intensiv kümmere. Er nutze regelmäßig öffentliche Verkehrsmittel, hin und wieder fahre er auch kleinere Strecken mit dem PKW. Der Kläger habe dem Gutachter auch von einem Urlaub im August 2017 in den Niederlanden erzählt. Dort habe man die Familie seines Lebenspartners besucht. Er nutze auch den PC und habe letztlich berichtet, keine Langeweile am Tag zu haben. Auf die Frage, was er denn alles unternehmen würde, wenn er finanziell bessere Möglichkeiten dazu hätte, habe der Kläger spontan einen Mallorca-Urlaub genannt, um dort Freunde zu treffen, er würde öfter in die Sauna gehen und sich im Fitnessstudio anmelden. Außerdem würde er gerne eine Las Vegas-Reise oder auch eine Australienreise mit der Mutter unternehmen. Auch wenn zunächst ein richtungsweisend tendenziöses oder gar demonstratives Verhalten nicht aufgefallen sei, so hätten sich doch Diskrepanzen zwischen den rentenrelevant reklamierten Beschwerden und den über die beschreibende Ebene nicht korrespondierend erkennbaren Funktionsstörungen ergeben. Zum anderen habe sich in der weiteren Testpsychologie dann doch ein erheblicher und deutlicher Hinweis auf nicht authentisches Verhalten bzw. auch simulative Tendenzen gezeigt. Hierbei müsse, bei natürlich nicht in Frage zu stellender Problematik der Grunderkrankung, doch auf ein deutlich von Versorgungswünschen bestimmtes Verhalten geschlossen werden. Letztlich habe der Kläger bei näherer Befragung auch eine Qualifizierungsmaßnahme ebenso wenig ausgeschlossen wie etwa Überlegungen, als Krankenpfleger, als Koch oder auch als Hotlinemitarbeiter im technischen Bereich zu arbeiten. Dr. B. hat weiter ausgeführt, dass er mit den Ausführungen im Gutachten von Dr. A. letztlich nicht übereinstimme. Insbesondere sei die Teilhabe des Klägers im dortigen Gutachten nicht so ausführlich wie heute beschrieben worden. Im psychopathologischen Befund werde zwar von deutlichen testpsychologischen Auffälligkeiten gesprochen, in den Diagnosen dann aber nur von einer leichten kognitiven Störung. Insbesondere ergebe sich im Gutachten des Dr. A. doch ein erhebliches Missverhältnis aus breiter testpsychologischer Erörterung und unzureichend konkreter beschreibender Abbildung. Auch sei der Einschätzung, die psychischen Symptome seien trotz nicht stattfindender Psychotherapie als dauerhaft einzuschätzen, nicht zu folgen. Die beschriebene kognitive Störung, die eine quantitative Leistungseinschränkung begründen solle, lasse sich nach der heutigen Begutachtung ebenfalls nicht nachvollziehen. Aber selbst wenn man eine leichte kognitive Störung annehmen wolle, könne man hiermit keine quantitative Leistungseinschränkung für etwa geistig wenig anspruchsvolle Tätigkeiten begründen. Die Einschätzung des Dr. A., die HIV-Erkrankung könne im Falle einer beruflichen Tätigkeit rascher voranschreiten, beruhe im Wesentlichen nur auf Spekulationen als auf konkreten Belegen. Dem Gutachten fügte Dr. B. einen aktuellen virologischer Befund der Universitätsklinik Heidelberg vom 14.06.2017 bei. Darin wird ein Nachweis von HIV-RNA im Untersuchungsmaterial verneint. Zudem lagen Dr. B. aktuelle Laborwerte, erhoben in der Universitätsklinik H. am 11.05.2017, vor, wonach die T- Helferzellen auf 348 µl angestiegen waren.

Mit Schreiben vom 19.09.2017 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt ist, die Berufung durch Beschluss nach § 153 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen. Die Beteiligten haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Berufungsausschließungsgründe liegen nicht vor (§ 144 SGG).

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das angefochtene Urteil des SG vom 21.06.2016 und der Bescheid der Beklagten vom 30.06.2014 sowie der Widerspruchsbescheid vom 24.03.2015 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das Landessozialgericht – nach vorheriger Anhörung der Beteiligten – die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zu dem Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hinge-wiesen und ihnen ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier vom Kläger beanspruchte Rente wegen voller und teilweiser Erwerbs-minderung (§ 43 SGB VI) dargelegt und zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nicht besteht, weil der Kläger noch mindestens sechs Stunden täglich für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leistungsfähig ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung uneingeschränkt an, sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.

Zu einem anderen Ergebnis führen auch nicht die im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen. Der Senat kann nach der Gesamtwürdigung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen, ins-besondere unter Berücksichtigung des im Berufungsverfahrens eingeholten Gutachtens des Neurologen und Psychiaters Dr. B. unter Einbeziehung des vom SG eingeholten internistischen Gutachtens von Dr. R., nicht festzustellen, dass das Leistungsvermögen des Klägers auf unter sechs Stunden täglich für körperlich leichte Tätigkeiten herabgesunken ist. Der Schwerpunkt der Erkrankungen liegt auf internistischem und neurologisch- psychiatrischem Fachgebiet. Es besteht eine erstmals 2013 diagnostizierte HIV-Erkrankung, die fortlaufend mit antiretroviraler Medikation therapiert wird. Durch diese Behandlung konnte - wie Dr. R. in seinem Gutachten ausgeführt hat - ein stabiler Zustand erzielt werden. In den vorliegenden aktuellen Laborbefunden konnte zuletzt keine nachweisbare Viruslast mehr festgestellt werden (vgl. Befund des Universitätsklinikums H. vom 14.06.2017). Im Rahmen dieser Erkrankung trat 2013 eine zerebrale Toxoplasmose mit innerhalb eines Tages stattgehabten drei symptomatischen epileptischen Anfällen mit damals anschließend aufgetretener Halbseitensymptomatik rechts auf. Es wird seither präventiv eine Toxoplasmosetherapie sowie antiepileptische Dauermedikation durchgeführt. Im zuletzt durchgeführten Schädel-MRT am 29.08.2016 zeigten sich keine neuen Entzündungen, so dass hinsichtlich der Toxoplasmose ein stabiler neurologischer Zustand beschrieben werden konnte. Anhaltspunkte für hieraus resultierende neurologische und psychopathologische Funktionsstörungen konnte Dr. B. gerade nicht erkennen. Gleiches gilt hinsichtlich der 2013 erlittenen epileptischen Anfälle. Seither ist der Kläger anfallsfrei und Dr. B. konnte kein überdauerndes zentral fokalneurologisches Defizit erkennen. Darüber hinaus beschreibt Dr. R. leichte Restbeschwerden bei Zustand nach inkompletter Hemiparese rechts, die jedoch keine wesentlichen Funktionseinschränkungen mehr nach sich ziehen. Weitere Erkrankungen, die auch zu Funktionsbeeinträchtigungen führen, konnten nicht festgestellt werden. So wurde insbesondere das Vorliegen einer depressiven Symptomatik in allen eingeholten Gutachten verneint. Soweit darüber hinaus ein Tremor, Ein- und Durchschlafstörungen sowie eine Agoraphobie beschrieben werden, führen diese Erkrankungen zumindest nicht zu solchen Funktionseinschränkungen, die den Kläger wesentlich beeinträchtigen. Dies hat er selbst gegenüber Dr. B. so angegeben. Hierfür spricht ferner, dass hinsichtlich dieser Erkrankungen auch keine entsprechende Behandlungsbedürftigkeit gesehen wird.

Die beim Kläger vorliegenden Erkrankungen bedingen qualitative Leistungseinschränkungen. Vermieden werden sollten Tätigkeiten auf Leitern oder Gerüsten, Tätigkeiten an unmittelbar gefährdenden Maschinen sowie Tätigkeiten mit regelmäßigem Zeitdruck, überdurchschnittlichen Anforderungen an das Konzentrationsvermögen und die Konfliktfähigkeit sowie Stressfaktoren wie Nacht- und Wechselschicht sowie Akkordarbeit. Außerdem sollte kein berufsmäßiges Lenken von Kraftfahrzeugen oder Personentransporte erfolgen. Der Kläger kann weiter keine Tätigkeiten mit anhaltenden Wirbelsäulenzwangshaltungen und keine Arbeiten verbunden mit besonderer Beanspruchung der rechten Hand mehr durchführen. Darüber hinaus sollten Arbeiten mit erhöhter Infektgefährdung vermieden werden. Bei Berücksichtigung dieser qualitativen Einschränkungen ergibt sich aber keine auch zeitliche Leistungseinschränkung für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf unter sechs Stunden.

Diese Erkrankungen und die daraus zu folgernden Leistungseinschränkungen entnimmt der Senat im Wesentlichen dem im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten von Dr. B. und dem vom SG eingeholten internistischen Gutachten von Dr. R ... Die Ausführungen der Gutachter sind schlüssig, widerspruchsfrei und nachvollziehbar. Der Senat hat daher keinen Anlass, an der Vollständigkeit der erhobenen Befunde und an der Richtigkeit der daraus gefolgerten Leistungsbeurteilung zu zweifeln, zumal der Kläger zumindest gegen das Gutachten von Dr. B. keine substantiierten Einwände vorgetragen hat. Die Gutachter haben den Krankheitsverlauf ausführlich geschildert, sind den Beschwerden nachgegangen und haben den Kläger sorgfältig und umfassend untersucht. Dr. R. hat darüber hinaus ein Ruhe-EKG, ein Belastungs-EKG, eine Echokardiographie, einen Lungenfunktionstest und eine umfassende Labordiagnostik durchgeführt. Alle Untersuchungen verliefen im Wesentlichen unauffällig, das rote und weiße Blutbild bewegte sich bis auf leicht ansteigende Kreatinin-Werte, die sich aber noch im geringgradigen Bereich bewegten, im Normbereich. Die T-Helferzellen lagen im angestrebten Bereich von über 200 µl. Beim Belastung-EKG konnte der Kläger eine Leistung von 150 Watt erreichen, was einer Leistung im Alltag von z.B. Tennis spielen, Tanzen oder Radfahren am Berg entspricht. Dr. B. hat verschiedene neurologische Untersuchungen (wie Elektronenneuromyographie, Elektromyographie und Visuel Evozierte Potentiale) sowie mehrere psychometrische Tests durchgeführt. Hier zeigten sich Anzeichen für simulative Tendenzen. Darüber hinaus hat Dr. B. den Kläger ausführlich zu seinen Beschwerden und nach seiner Alltagsgestaltung befragt. Hier beschreibt der Kläger vielfältige Interessen und Aktivitäten. Er berichtete, den Haushalt für sich und seinen Lebenspartner bis auf Großeinkäufe allein zu versorgen. Er kocht mit dem Lebenspartner und versorgt seine Zimmerpflanzen. Das Freizeitverhalten wird als ausgefüllt und mit vielen Aktivitäten beschrieben. Der Kläger gab an, keine Langeweile zu haben. Der Kläger hat Freunde, mit denen er z.B. ins Kino oder in ein Restaurant gehe. Auch mit dem Lebenspartner ist der Kläger häufig außer Haus, geht gerne mit diesem ins Theater, ins Kino, auch ins Lokal und ins Schwimmbad sowie in die Sauna. Im Sommer war der Kläger gemeinsam mit seinem Lebenspartner im Urlaub in den Niederlanden. Der Kläger liest gerne Bücher, auch über einen längeren Zeitraum von etwa zwei Stunden am Stück, geht viel und gerne spazieren - alleine oder mit seiner Mutter, die in der Nähe lebt. Weitere Reisen und der Besuch eines Fitnessstudios sind allein aufgrund der finanziellen Situation nicht möglich. Selbst das Autofahren wird nicht verneint, wenn auch nur für kürzere Strecken. Diese Gestaltung des Alltags des Klägers lässt für den Senat keine Anhaltspunkte erkennen, die eine rentenrelevante Einschränkung des quantitativen Belastungsvermögens für leichte Tätigkeiten begründen könnten.

Nicht zu folgen vermag der Senat - wie schon das SG - den Einschätzungen des Neuropsychologischen Gutachters Dr. A ... Wie schon das SG kann der Senat den von Dr. A. aus den erhobenen Befunden gezogenen Schlussfolgerungen für eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens nicht folgen. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, warum die von Dr. A. im Wesentlichen aufgrund der durchgeführten psychologischen Testung gesehenen Einschränkungen dazu führen, dass auch leichte Tätigkeiten, die keine besonderen Anforderungen an das Konzentrationsvermögen stellen und auch Stressfaktoren wie Nacht- und Wechselschicht sowie Akkordarbeit vermeiden, vom Kläger nicht mehr mindestens sechsstündig verrichtet werden können. Darüber hinaus bestehen doch erhebliche Zweifel daran, dass die von Dr. A. festgestellten Einschränkungen in dem von ihm gesehenen Maß auch tatsächlich bestehen. Dr. A. hat beim Kläger zwar umfassende psychologische Testungen durchgeführt und seine Einschätzung im Wesentlichen hierauf und auf die subjektiven Schilderungen des Klägers gestützt. Ein Abgleich dieser geschilderten Beschwerden mit dem Alltagsverhalten erfolgte jedoch nicht. Dahingegen hat Dr. B. das Freizeitverhalten und die Alltagsgestaltung umfassend erhoben. Bei Dr. R. hat der Kläger einen ähnlichen Tagesablauf geschildert. Ein solcher Abgleich ist jedoch im Rahmen der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung unerlässlich, zumal Dr. B. vorliegend simulative Tendenzen des Klägers nicht auszuschließen vermochte. Der vom Kläger geschilderte Tagesablauf spricht doch ganz erheblich gegen eine Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens (s.o.). Auch die von Dr. A. festgestellte Einschränkung des Konzentrationsvermögens konnte von Dr. B. gerade nicht festgestellt werden. Er hat im Rahmen der Begutachtung weder Störungen von Konzentration, Aufmerksamkeit, Durchhaltefähigkeit noch Aufnahmefähigkeit beschrieben. Zu berücksichtigen ist hierbei auch, dass der Kläger im Rahmen der durchaus für jeden Probanden anstrengenden und belastenden Gutachtenssituation über einen sehr langen Zeitraum (über vier Stunden bei Dr. B.) keinerlei Anzeichen für Erschöpfung und Aufmerksamkeitsverlust gezeigt und selbst auf das Angebot des Gutachters nach einer Pause deren Notwendigkeit verneint hat. Dies deckt sich auch mit seinen Angaben bezüglich Erholungs- und Schlafphasen während des Tages. Er hat - trotz geltend gemachter Ein- und Durchschlafstörungen - kein erhöhtes Schlafbedürfnis während des Tages beschrieben.

Wie schon das SG, sieht der Senat auch die teilweise von der Einschätzung eines mindestens sechsstündigen Leistungsvermögens abweichenden Bewertungen der behandelnden Ärzte durch die eingeholten Gutachten von Dr. B. und Dr. R. als widerlegt an. Die behandelnde Orthopädin Dr. M., die den Kläger im Übrigen nur einmalig untersucht hat, ist sogar selbst zu der Einschätzung gelangt, dass die Erkrankungen des Klägers zwar zu qualitativen, nicht aber zu quantitativen Leistungseinschränkungen führen. Soweit die behandelnde Hausärztin Dr. B.-S. in ihrer Aussage als sachverständige Zeugin gegenüber dem Senat ausgeführt hat, dass sie eine progrediente Verschlechterung beobachte, konnte dies insbesondere aus den dem Gutachten von Dr. B. beigefügten aktuellen Laborwerten gerade nicht abgeleitet werden. Die T-Helferzellen waren zum 11.05.2017 auf 348 µl angestiegen (angestrebter Bereich über 200 µl, vgl. Gutachten Dr. R.) und zuletzt konnte unter stattgehabter medikamentöser Therapie kein Nachweis einer HIV-RNA mehr geführt werden. Der neurologische Befund zeigte sich ebenfalls stabil. Soweit Prof. Dr. E. und Prof. Dr. W. eine zeitliche Leistungseinschränkung sehen, kann der Senat dieser Einschätzung unter Berücksichtigung der weiteren Ermittlungsergebnisse nicht folgen. Wie bereits oben ausgeführt, kann bereits bei den qualitativen Einschränkungen berücksichtigt werden, dass dem Kläger keine Tätigkeiten mit erhöhter Stressbelastung oder besonderen Anforderungen an die Konzentrationsfähigkeit abverlangt werden.

Gestützt wird die Leistungseinschätzung von Dr. R. und Dr. B. auch von den im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten von Dr. D. und Dr. M ... Auch diese Gutachter bestätigten ein Leistungsvermögen für eine mindestens sechsstündige leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

Anhaltspunkte dafür, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers aufgrund einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes - beispielsweise wegen eingeschränkter Wegefähigkeit oder dem Erfordernis betriebsunüblicher Pausen - beeinträchtigt ist, liegen nicht vor. Sowohl Dr. B. als auch Dr. R. haben - wie auch die im Verwaltungsverfahren beauftragten Gutachter - die Wegefähigkeit bejaht. Auch wenn (längere) Fahrten mit dem Pkw aufgrund der stattgehabten epileptischen Anfälle ggf. nicht mehr durchgeführt werden sollten - wobei der Kläger auf Nachfrage erklärt hat, dass er zumindest kurze Strecken noch mit dem Auto fährt - sind keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Kläger öffentliche Verkehrsmittel nicht benutzen und die zum Erreichen dieser erforderlichen Wegstrecken nicht mehr zu Fuß zurücklegen kann. Vielmehr hat der Kläger berichtet, dass er regelmäßig öffentliche Verkehrsmittel nutzt und Wegstrecken zu Fuß ohne wesentliche Einschränkungen zurücklegt (z.B. Einkaufen im Ort oder ausgedehnte Spaziergänge mit seiner Mutter). Der Senat kann auch keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass der Kläger betriebsunübliche Pausen benötigt. Wie bereits oben ausgeführt bedurfte der Kläger im Rahmen der durchaus für jeden Probanden anstrengenden und belastenden Gutachtenssituation über einen sehr langen Zeitraum (über vier Stunden bei Dr. B.) keiner besonderen Pause. Auch bei der Schilderung seines Tagesablaufs wird trotz gelegentlicher Ein- und Durchschlafstörungen kein erhöhtes Ruhe- oder Schlafbedürfnis über den Tag berichtet.

Es liegt beim Kläger auch keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor, die die Benennung einer Verweisungstätigkeit erfordern würde. Ob eine Verweisungstätigkeit benannt werden muss, ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nach den Umständen des Einzelfalles festzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 23.05.2006 - B 13 RJ 38/05 R - juris Rn. 23 m.w.N., und zuletzt Urteil vom 19.10.2011 - B 13 R 78/09 R - , dokumentiert in juris und in NZS 2012, 302). Die beim Kläger bestehenden, oben genannten qualitativen Einschränkungen entsprechen im Wesentlichen dem Leistungsbild einer leichten Tätigkeit und sind nicht so vielfältig, als dass sie sämtliche in Betracht kommenden Tätigkeiten ausschließen würden. Auch besteht keine besonders ungewöhnliche oder schwerwiegende Leistungseinschränkung (wie z.B. die Einarmigkeit oder die Nichtbenutzbarkeit der Hände). Der Kläger kann mit dem bei ihm vorliegenden Leistungsbild noch die meisten körperlichen Tätigkeiten, die bei ungelernten Tätigkeiten gefordert werden (wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw.), verrichten.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, denn er ist 1979 und damit nach dem maßgeblichen Stichtag des § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI geboren.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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