S 3 U 68/14

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 68/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 U 168/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 27/17 R
Datum
Kategorie
Gerichtsbescheid
Der Bescheid der Beklagten vom 17.02.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.06.2014 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin mit Wirkung ab dem 01.07.2013 weiterhin Halbwaisenrente in der ihr zustehenden gesetzlichen Höhe zu gewähren.

Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Weitergewährung einer Waisenrente.

Die Klägerin, geboren 1994, ist Halbwaise. Ihr Vater verstarb bei einem Arbeitsunfall 1998, der als Versicherungsfall anerkannt ist. Die Klägerin erhielt in der Vergangenheit eine Waisenrente von der Beklagten, die diese mit Bescheid vom 24.04.2013 zum Ablauf des Monats Juni entzog, da die Klägerin vom 01.08.2010 bis 19.06.2013 eine Berufsausbildung zur Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten erfolgreich abgeschlossen hatte. Seit dem 19.08.2013 besuchte sie die Fachoberschule, um das Fachabitur zu erlangen. Mit Schreiben vom 11.11.2013 und 06.01.2014 beantragte sie bei der Beklagten die Weitergewährung der Waisenrente ab dem 01.07.2013. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 17.02.2014 ab. Die Waisenrente erfülle den Zweck, nach dem Tod eines Elternteils den Unterhalt für die unversorgt hinterbliebenen Kinder sicherzustellen. Dieser Unterhaltsanspruch bestehe grundsätzlich bis zum 18. Lebensjahr, darüber hinaus nur, wenn sich die Waise in einer Schul- oder Berufsausbildung befinde. Dabei bestehe nur Anspruch auf eine Ausbildung. Mit dem Abschluss der Ausbildung sei daher eine Weitergewährung der Waisenrente nicht mehr möglich. Ihren Widerspruch begründete die Klägerin insbesondere dahingehend, dass sie von vornherein die Absicht gehabt habe, das Fachabitur abzulegen. Dafür hätten zwei Möglichkeiten bestanden. Zunächst bestehe die Möglichkeit, nach dem Realschulabschluss eine sich hieran anschließende weitere zweijährige Schulausbildung zu absolvieren. Diese Schulausbildung sei im ersten Schuljahr dadurch gekennzeichnet, dass pro Woche drei Tage in einem Ausbildungsbetrieb absolviert würden und zwei Tage in der Woche in der Schule verbracht würden. Zum anderen bestehe aber auch die Möglichkeit, dass man den Fachabiturabschluss dergestalt erreiche, dass man anstatt des vorgenannten "Praxisjahres" eine spezifische Ausbildung absolviere und sich diese Ausbildung auf das erste Schuljahr anrechnen lasse. Für den letztgenannten Bildungsweg habe sie sich vor Beginn der Ausbildung zur Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte entschieden. Dementsprechend schließe sich an die Ausbildung zur Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte nunmehr eine Schulausbildung von einem Jahr in der Fachoberschule an, welche sodann mit dem von ihr bereits zu Beginn der Ausbildung angestrebten Fachabiturabschluss abschließe. Es habe von vorneherein aufgrund der beengten Kapazitäten im Ausbildungsbetrieb festgestanden, dass eine Übernahme nach Ausbildungsende nicht möglich sei. Dieser Umstand habe für sie auch kein Problem dargestellt, da es ihr darum gegangen sei, eine Lehre zu absolvieren und auf diese Art und Weise ein Jahr der Ausbildung zum Fachabitur zu "sparen". Hintergrund für die Absicht, das Fachabitur zu absolvieren, sei der Wunsch gewesen, später ein Studium zu beginnen. Sie könne sich selbstverständlich nach Absolvierung des Fachabiturs aber auch vorstellen, einen Beruf zu ergreifen, der ein Studium nicht erforderlich mache. Sie könne und wolle sich jedoch insoweit noch nicht festlegen. Ziel bleibe es nach wie vor, das Fachabitur abzulegen und sodann die verschiedenen Möglichkeiten ihrer weiteren beruflichen Tätigkeit zu sondieren.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16.06.2014 zurück. Nach § 67 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 a SGB VlI würde Waisenrente u.a. dann über die Vollendung des 18. Lebensjahres hinaus bis längstens zur Vollendung des 27. Lebensjahres gezahlt, wenn sich die Waise in Schul- oder Berufsausbildung befinde. Schulausbildung sei die Ausbildung an allgemein bildenden und weiterführenden öffentlichen oder privaten Schulen nach staatlich genehmigten Lehrplänen. Bei einer Berufsausbildung würden hingegen Fachkenntnisse vermittelt. Die Ausbildung an Fachschulen, Universitäten oder ähnlichen Instituten sei demnach zweifelsfrei zur Berufsausbildung zu rechnen. Es bestehe jedoch kein Anspruch auf Gewährung einer Waisenrente wegen Berufsausbildung, wenn es sich bei der Ausbildung um eine sog. "Zweitausbildung" handele, für die nach zivilrechtlichem Unterhaltsrecht (§ 1610 Abs. 2 BGB) keine Unterhaltspflicht der Eltern gegeben sei. Die Waisenrente solle den Ausfall eines in pauschalierter Höhe unterstellten gesetzlichen Unterhaltsanspruch gegen den Versicherten (§§ 1601 ff. BGB) ausgleichen. Hiervon sei stets bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres auszugehen, danach nur noch in den Zeiträumen, in denen das Kind aus Ausbildungsgründen oder im öffentlichen Interesse gehindert sei, sich seinen Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit zu finanzieren. Hierbei sei zu beachten, dass Kinder nach den zivilrechtlichen Vorschriften grundsätzlich nur Anspruch auf eine Ausbildung hätten, nicht dagegen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) auf eine Zweitausbildung. Eine Zweitausbildung sei durch einen Berufswechsel gekennzeichnet. In diesem Fall seien die Eltern nicht mehr unterhaltspflichtig, wenn sie dem Kind mit der Erstausbildung eine optimale begabungsbezogene Berufsausbildung hätten zu Teil werden lassen, da das Kind dann nicht mehr außerstande sei, sich selbst zu unterhalten. Die Klägerin sei nach der erfolgreich abgeschlossenen Berufsausbildung in der Lage, vollumfänglich erwerbstätig zu sein und für ihren Unterhalt selbst aufzukommen. Hierbei sei es unerheblich, ob sie in ihrem bisherigen Ausbildungsbetrieb nach Beendigung der Ausbildung einen Arbeitsplatz angeboten bekommen habe oder sich bei einem anderen Unternehmen um eine Anstellung bewerben müsste.

Es lägen auch keine besonderen Gründe vor, nach denen eine "Zweitausbildung" ausnahmsweise unterhaltspflichtig sein könne. Hiernach bestünde auch für eine Zweitausbildung eine Unterhaltsverpflichtung der Eltern gegenüber ihrem Kind ggf. dann, wenn die weitere Bildungsmaßnahme von vorneherein angestrebt war oder wenn eine besondere Begabung des Kindes erst während der ersten Ausbildung zu Tage getreten sei und eine Weiterbildung erfordere oder der schon erreichte Abschluss ohne die Weiterbildung aus unvorhergesehenen Gründen keine hinreichende Lebensgrundlage bilde. Darüber hinaus würden u.a. die Fähigkeit und Neigung als Grunderfordernis, ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen den verschiedenen Ausbildungen, ein zeitlicher Zusammenhang zur Grundausbildung sowie eine wirtschaftliche Zumutbarkeit für die Eltern (bzw. den verbliebenen Elternteil) vorausgesetzt. Im Fall der Klägerin sei unter Berücksichtigung ihrer eigenen schriftlichen Angaben vorn 06.01.2014 davon auszugehen, dass zunächst einmal schon kein enger Zusammenhang zwischen ihrer Ausbildung als Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte und dem späteren Besuch einer Fachoberschule zur Erlangung eines Fachabiturs bestehe. Die Klägerin habe zudem insbesondere in ihrem Schreiben vom 06.01.2014 den Eindruck erweckt, dass sie sich offensichtlich erst nach Beendigung der Ausbildung und aufgrund des Umstandes, dass sie von Ihrem Ausbildungsbetrieb nach Beendigung der Ausbildung nicht übernommen worden sei, dazu entschlossen habe, ihr Fachabitur zu absolvieren. Zudem spreche gegen einen im Voraus geplanten einheitlichen Schul- bzw. Ausbildungsgang nach Absolvierung des Realschulabschlusses der Umstand, dass es jetzt vom Realschulabschluss bis zum Fachabitur 4 Jahre gedauert habe, während ein sofortiger Besuch der Fachoberschule bereits nach 2 Jahren zum Fachabitur geführt hätte. Der erreichte Abschluss der Ausbildung zu einer Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten bilde auch ohne eine Zweitausbildung bzw. Weiterbildung eine hinreichende Lebensgrundlage, zumal durchaus zweifelhaft erscheine, ob der Besuch der Fachoberschule – selbst unter Voraussetzung eines erfolgreichen Abschlusses – eine wesentlich bessere Lebensgrundlage in der Zukunft erschaffe. Zweifel bestünden auch im Hinblick auf die wirtschaftliche Zumutbarkeit eines weitergehenden Schulbesuchs für die Mutter. Unter Abwägung aller Umstände sei eine zivilrechtliche Unterhaltsverpflichtung für den zweiten Ausbildungsgang (nach Beendigung der ersten Berufsausbildung) nicht mehr zu begründen mit der Folge, dass ein weitergehender Waisenrentenanspruch nicht bestehe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Klage vom 21.07.2014.

Die Klägerin nimmt auf ihren Vortrag im Widerspruchsverfahren Bezug.

Sie beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 17.02.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.06.2014 die Beklagte unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verurteilen, der Klägerin mit Wirkung ab dem 01.07.2014 weiterhin Waisenrente in der ihr zustehenden gesetzlichen Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakten verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden. Die Sache hat keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art, und der Sachverhalt ist geklärt. Die Beteiligten wurden hierzu auch angehört.

Die zulässige Klage ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 17.02.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.06.2014 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Sie hat einen Anspruch auf die Weitergewährung einer Waisenrente über 30.06.2013 hinaus.

Gem. § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, S. 2 SGB VII haben Hinterbliebene Anspruch auf Hinterbliebenenrente, wenn der Tod infolge eines Versicherungsfall eingetreten ist. Dabei erhalten Kinder von verstorbenen Versicherten eine Halbwaisenrente, wenn sie noch ein Elternteil haben (§ 67 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII). Die Klägerin hat das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet. Halb- oder Vollwaisenrente wird gem. § 67 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 lit. a) SGB VII bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres gezahlt, wenn die Waise sich in Schulausbildung oder Berufsausbildung befindet. Eine Schulausbildung oder Berufsausbildung im Sinne des Satzes 1 liegt nur vor, wenn die Ausbildung einen tatsächlichen zeitlichen Aufwand von wöchentlich mehr als 20 Stunden erfordert (S. 2).

Die Klägerin hat erfolgreich eine Ausbildung als Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte abgeschlossen. Diese abgeschlossene Berufsausbildung steht dem Anspruch der Klägerin auf Halbwaisenrente ab Juli 2013 nicht entgegen. Bei dem von der Klägerin im Anschluss an die Berufsausbildung in Angriff genommenen Fachabitur handelt es sich um eine weiterführende Schulausbildung.

§ 67 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 lit. a) SGB VII enthält seinem unmittelbaren Wortsinn nach keine Beschränkung, wonach ein Anspruch auf Waisenrente nur solange besteht, als die Waise noch keine abgeschlossene Berufsausbildung hat. Vielmehr setzt ein solcher Anspruch dem Wortlaut nach lediglich voraus, dass sich die Waise in Schulausbildung oder Berufsausbildung befindet, worunter auch eine Zweitausbildung verstanden werden kann (so auch Keller in Hauck/Noftz SGB VII, Stand 03/12, § 67 Rn. 33; vgl. auch BSG, Urteil vom 07.02.2006, B 2 U 3/05 R zu § 90 SGB VII, wonach Berufsausbildung nicht nur die erste, sondern jede zu einem beruflichen Abschluss führende Bildungsmaßnahme ist). Durch die grammatische Auslegung der Vorschrift lässt sich somit ein Wegfalls des Anspruchs der Klägerin auf Halbwaisenrente nach Beendigung ihrer Berufsausbildung trotz weiterführenden Schulbesuchs nicht begründen (so auch Bayerisches LSG, Urteil vom 13.03.2014 – L 17 U 269/13 – ).

Auch die historische Auslegung der Vorschrift führt zu keinem anderen Ergebnis. Weder der Vorgängernorm § 595 Abs. 2 S. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) noch den Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Drucks. 11/4124, S. 106, 164, 214 zu § 595 Abs. 2 RVO und zur Parallelvorschrift § 48 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 lit. a) SGB VI) können Anhaltspunkte dafür entnommen werden, dass der Gesetzgeber unter dem Begriff "Schulausbildung oder Berufsausbildung" nur eine Erstausbildung verstanden hätte (vgl. Keller a.a.O.). Nach Auffassung des Gerichts (so auch Bayerisches LSG, Urteil vom 13.03.2014 L 17 U 269/13 –) spricht vielmehr einiges dafür, dass eine dem Wortlaut nicht zu entnehmende Beschränkung des Anspruchs auf Waisenrente vom Gesetzgeber nicht gewollt war bzw. der Gesetzgeber hierauf bewusst verzichtet hat. Denn wie sich aus der im Gesetz verankerten Beschränkung des Anspruchs auf den Zeitraum bis zur Vollendung des 27. Lebensjahrs (§ 67 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 lit. a)) einerseits und der Beschränkung auf Ausbildungen mit einem tatsächlichen zeitlichen Aufwand von wöchentlich mehr als 20 Stunden (§ 67 Abs. 3 S. 2 SGB VII) andererseits ergibt, war dem Gesetzgeber die Möglichkeit einer Anspruchsbegrenzung gegenwärtig. Hätte er neben den beiden genannten Einschränkungen eine weitere gewollt, wäre es ihm ohne weiteres möglich gewesen, dies im Wortlaut des § 67 Abs. 3 SGB VII ebenfalls zum Ausdruck zu bringen, zum Beispiel durch Einfügung des Wortes "angemessener" (vgl. § 1610 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -) vor "Schulausbildung oder Berufsausbildung".

Der systematische Kontext, in dem die Regelung steht, liefert ebenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass unter einer Schulausbildung oder Berufsausbildung i.S.d. § 67 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 lit. a) SGB VII einschränkend nur Zeiten einer Erstausbildung zu verstehen wären. Einen Bezug auf die Regelungen der zivilrechtlichen Unterhaltsansprüche, insbesondere auf § 1610 Abs. 2 BGB, findet sich in den Regelungen über den Anspruch auf Waisenrente (§§ 67 f. SGB VII) - anders als in § 66 Abs. 1 SGB VII (Witwen- und Witwerrente an frühere Ehegatten) - nicht. Bei der Regelung des § 67 Abs. 3 SGB VII handelt es sich vielmehr um eine typisierende und pauschalierende, sozialrechtlich eigenständige Regelung des Unterhaltersatzanspruches einer Waisen auf dem Gebiet der Unfallversicherung (vgl. Ziegler in Becker/Franke/Molkentin, Sozialgesetzbuch VII, 4. Aufl., § 67 Rn. 23; BSG, Urt. vom 07.07.1965, 12 RJ 180/62 zu § 1267 Abs. 1 S. 2 RVO). Fast wortgleiche Formulierungen finden sich in § 48 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 lit. a) SGB VI, der den Waisenrentenanspruch auf dem Gebiet der gesetzlichen Rentenversicherung regelt, und in § 45 Abs. 3 S. 1 lit. Bundesversorgungsgesetz (BVG), der den Waisenrentenanspruch im Rahmen der Kriegsopferversorgung regelt. Diese Vorschriften sehen ihrem Wortlaut nach ebenfalls keine weitergehende Beschränkung des Anspruchs auf Waisenrente auf Zeiten einer ersten Berufsausbildung vor, sondern enthalten gleichermaßen eine rein zeitliche Begrenzung auf den Zeitraum einer Berufsausbildung bis zur Vollendung des 27. Lebensjahrs. Dabei liegt es nahe, in § 67 Abs. 3 S. 2 SGB VII eine vom Gesetzgeber getroffene abschließende Regelung zur inhaltlichen Begrenzung der Begriffs "Schulausbildung oder Berufsausbildung" zu sehen, wann eine Erwerbstätigkeit hindernde Ausbildung vorliegt und wann nicht, nämlich je nachdem, ob diese einen zeitlichen Aufwand von wöchentlich mehr als 20 Stunden erfordert oder nicht (so auch Bayerisches LSG, Urteil vom 13.03.2014 – L 17 U 269/13 –).

Schließlich erfordert auch der Zweck der gesetzlichen Regelung der Waisenrente, nach dem Tod des Unfallversicherten den Unterhalt für die hinterbliebenen Kinder sicherzustellen, und somit ihre Funktion als Unterhaltsersatz (so die allgemeine Auffassung, vgl. u.a. Keller a.a.O. Rn. 1 m.w.N.; Rütenik in jurisPK-SGB VII, Stand 01.01.2009, § 67 SGB VII Rn. 1 m.w.N.; Marschner in BeckOK, Stand 01.12.2013, SGB VII § 67 Rn. 2; BSG, Urteil vom 18.06.2003, B 4 RA 37/02 R, zu § 48 SGB VI; BVerfG, Beschluss vom 18.06.1975, 1 BvL 4/74, zur Waisenrente aus der Angestelltenversicherung) kein einschränkendes Verständnis des Begriffs "Schulausbildung oder Berufsausbildung" bzw. eine einschränkende Auslegung des § 67 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 lit. a SGB VII. Denn es handelt sich um eine typisierende und pauschalierende Regelung, mit der der Gesetzgeber den im Allgemeinen anfallenden "typischen" Bedarf decken wollte, der durch den Ausfall väterlicher oder mütterlicher Unterhaltsleistungen entsteht (vgl. BVerfG a.a.O. m.w.N.; siehe auch Ziegler in Becker/Franke/Molkentin, Sozialgesetzbuch VII, 4. Aufl., § 67 Rn. 23: eigenständige sozialrechtliche Regelung, die typisierend regelt, wann Anspruch auf Waisenrente besteht). Die Regelung zielt somit auf einen finanziellen Ausgleich dafür ab, dass der betroffenen Waisen infolge des Todes des Versicherten die Möglichkeit genommen wurde, Unterhalt zu erhalten. Ob im Einzelfall tatsächlich (nach den zivilrechtlichen Bestimmungen) ein individueller Unterhaltsanspruch bestehen würde, ist dagegen ohne Belang (so auch BVerfG a.a.O.). So hat der Gesetzgeber bei der Regelung des Waisenrentenanspruchs bewusst darauf verzichtet, an die Leistungsfähigkeit der überlebenden oder verstorbenen Unterhaltsverpflichteten oder an die Bedürftigkeit des hinterbliebenen Kindes anzuknüpfen (vgl. BT-Drucks. 11/4124, S. 164, 214). Andererseits hat der Gesetzgeber in § 67 Abs. 3 SGB VII auch abstrakt Altersgrenzen gesetzt, zu denen ein Anspruch auf Waisenrente endet, ohne dass es darauf ankommt, ob das hinterbliebene Kind beim Erreichen der Altersgrenze in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten. Dies erscheint insbesondere in den Fällen des § 67 Abs. 3 S. Nr. 2 lit. d) SGB VII fraglich. Dem Charakter der Vorschrift als abstrakter Regelung des Unterhaltsersatzes sowie dem bewussten Verzicht des Gesetzgebers auf eine Anknüpfung an die zivilrechtlichen Unterhaltsvoraussetzungen und der dadurch erfolgten Lösung vom bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsrecht (vgl. BSG, Urt. v. 07.07.1965, 12 RJ 180/62 zu § 1267 Abs. 1 S. 2 RVO) widerspräche es somit, wenn man im Einzelfall darauf abstellen würde, ob nach den zivilrechtlichen Bestimmungen (§§ 1601 ff., 1610 BGB) ein Anspruch auf Unterhalt gegenüber dem verstorbenen Versicherten (noch) bestünde (so auch Keller a.a.O. Rn. 33; BSG, Urt. v. 07.07.1965, 12 RJ 180/62 zu § 1267 Abs. 1 S. 2 RVO; a.A. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.03.2010, L 3 U 208/08, kritisch dazu Ziegler a.a.O. Rn. 22 ff.). Eines zu kompensierenden individuellen ohnehin nur rein fiktiv bestimmbaren Unterhaltsanspruchs bedarf es im Rahmen des Anspruchs auf Waisenrente daher nicht (a.A. wohl BSG, Urteil vom 18.06.2003, B 4 RA 37/02 R zu § 48 SGB VI). Auch kommt es, wie ausgeführt, nach der gesetzlichen Konstruktion grundsätzlich gerade nicht darauf an, ob die Waise in der Lage ist, aufgrund ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Im Übrigen ist in Literatur und Rechtsprechung anerkannt, dass auch eine Zweitausbildung z.B. bei geänderter Berufsplanung oder bei neu gewähltem Berufsziel oder die Wiederholung einer Prüfung zur Notenverbesserung oder die Ausbildung zu einer weiteren Berufsstufe (z.B. Meister) eine waisenrentenberechtigende Berufsausbildung darstellen können (siehe dazu u.a. Keller a.a.O. Rn. 33 u. 36a m.w.N.; Rütenik a.a.O. Rn. 45 u. 48 m.w.N.; Marschner a.a.O. Rn. 17; u.a. BSG, Urteile v. 07.07.1965, 12 RJ 180/62, und vom 30.03.1967, 12 RJ 590/63, zu § 1267 Abs. 1 S. 2 RVO; BSG, Urteile vom 15.07.1992, 9a RV 7/91, und vom 26.11.1975, 10 RV 135/75, zu § 45 BVG; a.A. Ricke in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 80. EL 2013, § 67 SGB VII Rn. 4: grundsätzlich kein Anspruch auf Waisenrente bei Zweitausbildung; a.A. wohl auch BSG, Urteil vom 18.06.2003, B 4 RA 37/02 R, zu § 48 SGB VI). Auch in diesen Fällen ist es ohne Bedeutung, ob die Waise bereits imstande ist, sich ausreichend selbst zu unterhalten. Es wäre daher nicht begründbar, wenn man im vorliegenden Fall einen Anspruch der Klägerin auf Waisenrente wegen der Aufnahme einer sinnvollen, ihrer künftigen Berufsplanung dienenden weitergehenden Schulausbildung verneinen würde (so auch Bayerisches LSG, Urteil vom 13.03.2014 – L 17 U 269/13 –).

Aus diesen Gründen musste die Klage Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
Rechtskraft
Aus
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