S 9 KR 197/13

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 9 KR 197/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob für die Bemessung der Beiträge der Klägerin zur freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung monatliche Rentenzahlungen aus zwei privaten "Sofort-Rentenversicherungen" in vollem Umfang zu berücksichtigen sind. Streitig ist der Beitragszeitraum 01.03.2012 bis 31.12.2013.

Die am 00.00.1980 geborene Klägerin war in der Zeit vom 01.07. bis 04.10.2009 und vom 01.03.2012 bis 31.12.2013 bei der Beklagten freiwillig krankenversichert. Aus Unternehmensverkäufen erzielte sie im Jahr 2006 Einnahmen in Höhe von mehr als 850.000,00 EUR. Teile dieses Betrages investierte sie u.a. in folgende "Sofort-Rentenversicherungen":

Bei der B Lebensversicherungs AG schloss die Klägerin am 02.02.2007 eine Rentenversicherung ab. Sie zahlte eine Kapitalzahlung von 445.000,00 EUR ein. Ab dem 01.02.2007 war ihr eine lebenslange Rente von 1.137,59 EUR monatlich garantiert. Im streitigen Beitragszeitraum wurden ihr tatsächlich monatlich 1.541,00 EUR seitens der B Lebensversicherungs AG ausgezahlt.

Am 26.01.2007 schloss die Klägerin bei der TM ebenfalls eine Rentenversicherung ab. Sie leistete eine einmalige Kapitalzahlung in Höhe von 419.996,53 EUR. Ihr wurde eine lebenslange monatliche Rente in Höhe von 1.050,79 EUR ab 01.01.2007 garantiert. Tatsächlich zahlte die TM im streitigen Beitragszeitraum monatlich einen Betrag von 1.310,00 EUR an die Klägerin aus.

Im Rahmen einer Einkommensanfrage gab die Klägerin im März 2010 gegenüber der Beklagten an, dass sie keine eigenen Einnahmen habe und der Vater sie bei ihrem Lebensunterhalt mit einem Betrag von 400,00 EUR monatlich unterstütze. Mit Bescheid vom 30.03.2010 setzte die Beklagte auf Basis der Mindestbemessungsgrundlage in Höhe von 851,67 EUR einen Beitrag von monatlich 148,53 EUR fest.

Im Januar 2012 gab die Klägerin bei einer Einkommensanfrage an, dass sie seit dem 01.02.2007 monatliche Einnahmen aus Versicherungen beziehe. Von der B Lebensversicherungs AG erhalte sie monatlich einen Betrag von 1.541,00 EUR seit dem 01.02.2007 und von der TM erhalte sie monatlich einen Betrag von 1.310,00 EUR. Zudem erhalte sie aus einer geringfügigen Beschäftigung, die sie seit September 2010 ausübe, einen Betrag in Höhe von 400,00 EUR.

Mit Anhörungsschreiben vom 23.02.2012 teilte die Beklagte mit, dass beabsichtigt sei, die Beitragseinstufung vom 01.07. bis 04.10.2009 und ab 01.03.2010 zu ändern. Hintergrund seien die Zahlungen der B Lebensversicherungs AG und der TM. Über ihren Steuerberater teilte die Klägerin mit, dass sie bisher davon ausgegangen sei, dass die Versicherungen keinen Einfluss auf die Höhe der Beiträge hätten.

Mit Bescheiden vom 10.04.2012 setzte die Beklagte die Beiträge ab 01.03.2010 neu fest. Als Bemessungsgrundlage legte sie ein Einnahmen in Höhe von 2.188,38 EUR zugrunde. Die Beiträge wurden ab 01.03.2010, ab 01.09.2010 und ab 01.01.2011 jeweils mit eigenen Bescheiden festgesetzt. Zu den Einzelheiten wird auf die Ausführungen der Bescheide Bezug genommen. Im Anschluss forderte die Beklagte von der Klägerin einen rückständigen Betrag in Höhe von 6.486,38 EUR zurück, der in monatlichen Raten von Klägerin zurückgezahlt wurde. Die künftigen Beiträge sind in der neu festgesetzten Höhe abgebucht worden.

Die Klägerin hat gegen die Beitragsbescheide vom 10.04.2012 am 10.05.2012 Widerspruch eingelegt. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, den vollen Zahlbetrag der Rentenzahlungen zu berücksichtigen. Vielmehr dürfte allein nur der Ertragsanteil in Ansatz gebracht werden.

Mit Beitragsbescheid vom 30.07.2012 setzte die Beklagte Beiträge für den Zeitraum 01.07. bis 04.10.2009 auf Basis von Einnahmen in Höhe von 2.188,38 EUR fest.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.02.2013 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass der Bescheid vom 30.07.2012 Gegenstand des Verfahrens geworden sei. Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Beitragsbescheide sei § 45 SGB X. Die ursprünglichen Beiträge, seien mit Bescheid vom 30.03.2010 zu Unrecht lediglich auf Basis der Mindestbemessungsgrundlage festgesetzt worden. Vielmehr sei auch der Zahlbetrag aus den beiden Rentenversicherungen zu berücksichtigen. Dies ergebe sich aus § 240 SGB V und den dazu erlassenen Beitragsbemessungsgrundlagen. Die Rente stehe der Klägerin zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes zur Verfügung. Durch sie werde ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit geprägt. Damit gehöre sie unstreitig zu den beitragspflichtigen Einnahmen. Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen des Widerspruchsbescheides Bezug genommen.

Die Klägerin hat am 21.02.2013 Klage erhoben. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, dass bei der Beitragsbemessung lediglich der Ertragsanteil aus den Rentenversicherungen zugrunde gelegt werden dürfe. Eine andere Betrachtungsweise sei nicht gerechtfertigt, da sonst der beitragsfreie Vermögensstamm angegriffen werde. Denn hätte die Klägerin die Geldbeträge nicht in den beiden Versicherungsverträgen angelegt, sondern auf der Bank belassen, und hätte sie monatlich diese Beträge abschmelzen lassen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, wären diese Abhebung beitragsfrei gewesen. Allenfalls für die möglichen Zinsgewinne wäre eine Beitragspflicht entstanden. Bei Immobilien würden auch lediglich auf die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung Beiträge erhoben. Höchstrichterliche Rechtsprechung zu dieser Problematik liege bisher nicht vor. Soweit das Bundessozialgericht entschieden habe, dass der gesamte Zahlbetrag einer Rentenversicherung der Beitragspflicht unterliege und nicht nur auf den Ertragsanteil abzustellen sei, könne diese Rechtsprechung nicht übertragen werden. Denn in diesen Fällen ging es darum, dass der Auszahlung aus der Rentenversicherung eine lange Ansparphase vorausgegangen sei. Hier habe die Klägerin das Kapital aber sofort eingezahlt.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung der Bescheide vom 10.04.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.02.2013 wird festgestellt, dass die monatlich an die Klägerin geleisteten Zahlungen aus Lebensversicherung der B Lebensversicherung AG sowie T Lebensversicherungs- und Rentenanstalt Niederlassung für Deutschland nur in Höhe eines Gesamtbetrages von 662,62 EUR der Beitragspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung unterliegen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wiederholt und vertieft sie im Wesentlichen ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Bescheide der Beklagten vom 10.04.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.02.2013 sind rechtmäßig. Die Beklagte hat den Bescheid vom 30.03.2010 zu Recht zurückgenommen und im Beitragszeitraum 01.03.2010 bis 31.12.2013 nicht nur den Ertragsanteil aus den der Klägerin ausgezahlten Rentenversicherungen bei der Beitragsfestsetzung berücksichtigt. Die Beitragsfestsetzungen für die Pflegeversicherung und den Zeitraum 01.07. bis 04.10.2009 sind nicht streitgegenständlich. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Rechtsgrundlage für den Erlass der Rücknahmebescheide ist § 45 SGB X. Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er gemäß § 45 Abs. 1 SGB X, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf gemäß § 45 Abs. 2 SGB X nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

Die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Beitragsbescheides vom 30.03.2010 liegen vor. Der ursprünglich von der Beklagten erlassene Beitragsbescheid vom 30.03.2010 ist insoweit ein begünstigender Verwaltungsakt, als dass er die Beiträge lediglich auf Basis der Mindestbemessungsgrundlage festgesetzt hat. Nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist ist dieser auch bestandskräftig geworden.

Der Beitragsbescheid vom 30.03.2010 war ursprünglich rechtswidrig. Denn dieser Beitragsbescheid legte lediglich die Mindestbemessungsgrundlage von 851,67 EUR der Beitragsbemessung zugrunde. Dies war rechtsfehlerhaft. Tatsächlich hätte die Beklagte die Kapitalzahlungen aus den Sofort-Rentenversicherungen berücksichtigen müssen.

Die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder richtet sich seit Inkrafttreten des Gesundheits-Reformgesetzes (vom 20.12.1988, BGBl I. 2477) ab 01.01.1989 nach § 240 SGB V. Nach § 240 Abs. 1 und 2 SGB V wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt. Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt. Bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sind mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind.

Nach § 3 Abs. 1 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler sind als beitragspflichtige Einnahmen das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen, der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung zugrundezulegen.

Bei den von der Beklagten zur Beitragsbemessung herangezogenen Kapitalbeträgen aus den "Sofort-Rentenversicherungen" handelt es sich um Einnahmen im Sinne von § 3 Abs. 1 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler, die zum Lebensunterhalt verbraucht werden konnten.

Das BSG hat in seiner Entscheidung zur Vorgängerregelung des § 240 SGB V vom 27.01.2010 unter Randnummer 15 folgendes ausgeführt:

"15 § 240 Abs 1 Satz 2 SGB V beschränkte die Beitragsbemessung nicht auf bestimmte Einkunftsarten und deren Zweckbestimmung (vgl Urteil des Senats vom 19.12.2000, B 12 KR 1/00 R, BSGE 87, 228 = SozR 3-2500 § 240 Nr 34). Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit iS des § 240 Abs 1 Satz 2 SGB V wurde von den Einnahmen und nicht von der Bedarfssituation des Mitglieds bestimmt (vgl Urteil des Senats vom 6.9.2001, B 12 KR 14/00 R, SozR 3-2500 § 240 Nr 41). Für die Bestimmung der beitragspflichtigen Einnahmen der freiwilligen Mitglieder durch die Satzung der Krankenkasse reicht eine Generalklausel aus, um neben den im Gesetz genannten beitragspflichtigen Einnahmen der versicherungspflichtig Beschäftigten auch andere Einnahmen der freiwillig Versicherten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen, die bereits in der ständigen Rechtsprechung des BSG als Einnahmen zum Lebensunterhalt anerkannt worden waren (vgl Urteile des Senats vom 23.2.1995, 12 RK 66/93, BSGE 76, 34 = SozR 3-2500 § 240 Nr 19, vom 23.9.1999, B 12 KR 12/98 R, SozR 3-2500 § 240 Nr 31, vom 6.9.2001, B 12 KR 14/00 R, SozR 3-2500 § 240 Nr 41, sowie, B 12 KR 5/01 R, SozR 3-2500 § 240 Nr 40, und vom 22.3.2006, B 12 KR 8/05 R, SozR 4-2500 § 240 Nr 6). Lediglich wenn die Feststellung der beitragspflichtigen Einnahmen auf erhebliche Schwierigkeiten stieß oder verschiedene Berechnungsweisen zur Verfügung standen und sich dem Gesetz keine eindeutigen Bewertungsmaßstäbe entnehmen ließen, setzte die Berücksichtigung der Einnahmen eine konkretisierende Satzungsregelung voraus (vgl BSG SozR 4-2500 § 240 Nr 6, mwN). Für Renten aus privaten Versicherungsverträgen hat es der Senat ausreichen lassen, sie aufgrund einer entsprechenden Generalklausel der Beitragsbemessung zu unterwerfen, ohne dass es der ausdrücklichen Bezeichnung dieser Rentenarten in der Satzung bedurfte (vgl BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 41 zu einer Unfallrente aus einem Versicherungsvertrag unter Hinweis auf BSG SozR 2200 § 180 Nr 32 zu einer privaten Berufsunfähigkeitsrente als Einnahme iS von § 180 Abs 4 RVO und BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 40 zur Altersrente aus einem Rentenversicherungsvertrag)."

Das BSG hat sich zwar bisher nicht ausdrücklich mit dem Versicherungsprodukt "Sofortrente nach einmaliger Kapitaleinzahlung" befasst. Nach der Rechtsprechung des BSG, welcher sich das Gericht aus eigener Überzeugung anschließt, reicht aber eine allgemeine, generalklauselartige Regelung aus, um eine Altersrente oder eine Unfallrente aus einem privatrechtlichen Versicherungsvertrag zu erfassen (BSG SozR 3-2500 § 240 Nr. 40, 41).

Nach Auffassung des Gerichts sind die an die Klägerin ausgezahlten Sofortrenten für den Empfänger eine Einnahme und fallen somit unter den Wortlaut der Vorschrift (vgl. BSG Urteil vom 06.09.2001, Az.: B 12 KR 5/01R). Die an die Klägerin ausgezahlten Renten sind auch mit einer privaten Altersrente vergleichbar. Denn nach Auffassung des Gerichts kann es nicht darauf ankommen, ob der Versicherungsnehmer über einen Zeitraum von Jahren oder sogar mehreren Jahrzehnten monatlich Beiträge in eine kapitalbildende Lebensversicherung auf Rentenbasis einzahlt oder ob er sich mit einer einmaligen Einzahlung seines (angesparten) Vermögens eine lebenslange Rentenzahlung "erkauft". Denn eine solche Differenzierung würde die freiwillig Versicherten benachteiligen, die einen Teil ihres Vermögens über Jahre bzw. Jahrzehnte für eine private Altersvorsorge binden und u.U. auf Zinsgewinne verzichten und dennoch auf den vollen Zahlbetrag der privaten Rente Beiträge zahlen müssen.

Nach Auffassung des Gerichts ist für die Beitragsbemessung der Zahlbetrag und nicht nur der Ertragsanteil der Rentenzahlung zu berücksichtigen. Es gibt keinen Grund, den Wortlaut der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler bei einer Rente aus einem privaten Versicherungsvertrag, wie sie hier an die Klägerin gezahlt wurden, einschränkend auszulegen und diese Renten nur mit einem Teil zu Beiträgen heranzuziehen. Der Zahlbetrag der Rente ist die Einnahme, welche die jeweilige gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Mitgliedes bestimmt.

Gegen die Beitragspflicht der Rente mit dem Zahlbetrag kann auch nicht mit Erfolg eingewandt werden, in der gesetzlichen Krankenversicherung seien nur Einnahmen beitragspflichtig, nicht aber der Kapitalverzehr. Dies trifft für eine Rentenzahlung nicht zu, weil schon bei Versicherungspflichtigen die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung und Versorgungsbezüge im Sinne des § 229 SGB V mit dem Zahlbetrag beitragspflichtig sind. Sozialversicherungsrenten sind Leibrenten, d.h. Renten, die auf die unbekannte Lebenszeit eines Menschen abgeschlossen sind (zur Definition: Schmitt-Heinecke Einkommensteuergesetz, 20. Auflage 2001, § 22 RdNr. 41). Gleichfalls Leibrenten sind aber auch Versorgungsbezüge soweit sie als Renten aus privaten Lebensversicherungsverträgen gezahlt werden, wie etwa Renten der berufständischen Versicherung- oder Versorgungseinrichtungen im Sinne des § 229 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB V oder Renten der betrieblichen Altersversorgung (§ 229 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB V ), die von Pensionskassen oder privaten Versicherungsunternehmen gezahlt werden. Im Einkommensteuerrecht wird davon ausgegangen, dass Leibrenten nur mit einem Teil des Zahlbetrages, dem Ertragsanteil, eine steuerbare Einnahme sind, ein Teil der jeweiligen Rentenzahlung jedoch nicht steuerbarer Kapitalverzehr ist (vgl. § 22 Nr. 1 S. 3 Einkommensteuergesetz).

Die Beitragspflicht der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung und der Versorgungsbezüge besteht jedoch bei versicherungspflichtigen und freiwilligen Mitgliedern nach §§ 226, 228, 229 und 240 Abs. 2 SGB V mit dem Zahlbetrag, d.h. auch mit dem Teil, der im Einkommensteuergesetz als Kapitalverzehr gewertet wird. Wenn bei diesen Renten das Mitglied in Höhe des Zahlbetrages als wirtschaftlich leistungsfähig angesehen wird, kann dies bei sonstigen Renten aus privaten Lebensversicherungsverträgen nicht anders sein (vgl. BSG Urteil vom 06.09.2001, Az.: B 12 KR 5/01 R). Unerheblich ist dabei auch, dass Renten - wie die der Klägerin - in der Regel aus eigenen Mitteln des Versicherten finanziert werden. Auch die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung und Renten, die als Versorgungsbezüge gezahlt werden, sind mit dem Zahlbetrag beitragspflichtig, unabhängig davon, ob diese Renten vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam oder aber ob sie allein vom Versicherten finanziert wurden (BSG Urteil vom 06.09.2001, Az.: B 12 KR 5/01 R).

Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht aus der von der Klägerin gezogenen Vergleich zu Anlage des Geldbetrages im Rahmen eines Sparkontos. Zwar ist es zutreffend, dass Barabhebungen von Sparkonten nicht der Beitragspflicht unterliegen und insoweit lediglich Zinseinkünfte verbeitragt werden. Vorliegend hat die Klägerin sich aber nicht für ein Sparkonto entschieden. Vielmehr hat sie eine Anlageform gewählt, die ihr jeweils eine lebenslange Rente garantiert. Hätte die Klägerin die Beträge auf ein Sparkonto angelegt und dieselben monatlichen Beträge, die ihr jetzt aus den Rentenversicherungen zustehen, monatlich abgehoben, so wären die Beträge binnen ca. 34 Jahren aufgebraucht gewesen. Bei Abschluss der Sofort-Rentenversicherungen war die Klägerin 27 Jahre alt, im Alter von 61 Jahren hätten ihr die Beträge auf dem Sparkonto daher nicht mehr zur Verfügung gestanden. Dies ist bei Abschluss der Sofort-Rentenversicherung anders, da der Klägerin die Renten ein Leben lang gezahlt werden.

So wie der die Beitragspflicht dieser Renten mit dem Zahlbetrag gerechtfertigt ist, weil dieser die aktuelle wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bestimmt, so trägt vorliegend auch der Zahlbetrag der Rentenzahlungen zur aktuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der freiwillig versicherten Klägerin bei.

Die Rücknahme des Verwaltungsaktes über die Beitragsfestsetzung hat die Beklagte gem. § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X zu Recht mit Wirkung für die Vergangenheit vorgenommen. Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X liegen vor, da die Klägerin zumindest grob fahrlässig Angaben unvollständig gemacht hat. Grobe Fahrlässigkeit liegt nach der Legaldefinition des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 2. Halbsatz SGB X vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Maßgebend dafür ist ein subjektiver Maßstab (st. Rspr.: BSGE 35, 108; BSGE 44, 264, 273 = SozR 5870 § 13 Nr. 20; Schütze in: v. Wulffen, SGB X, § 2 Rn. 14 m.w.N.). Die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt danach, wer schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (st. Rspr.: BSG SozR 4100 § 152 Nr. 3; BSG SozR 4100 § 71 Nr. 2; ) Schütze a.a.O. m.w.N.).

Die Kläger hat Angaben, zu denen sie gem. § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I verpflichtet war, unvollständig gemacht. Sie hat in den Einkommensanfragen 2010 und 2011 jeweils nicht angegeben, dass sie "Sofort-Renten" bezieht. Diese Angaben waren jedoch für die Beitragserhebung erheblich.

Die Unvollständigkeit der Angaben beruht auf einer groben Fahrlässigkeit der Klägerin, da ihr ohne weiteres bei einfachsten Überlegungen klar sein musste, dass die Beklagte Auskünfte über sämtliche Einnahmen haben wollte. So finden sich auf den Einkommensfragebögen Hinweis und Fragestellungen, die dies umfangreich und verständlich erläutern. Die Klägerin verfügte nach dem vom Gericht in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck von der Person der Klägerin über das individuelle Vermögen, diese einfachsten, ganz nahe liegenden Überlegungen anzustellen und die dargestellten Zusammenhänge zu erkennen. Es ergaben sich keinerlei Verständnisschwierigkeiten. Soweit die Klägerin im Verwaltungsverfahren vorgetragen hat, dass sie nicht davon ausgegangen sei, dass diese Zahlungen beitragsrelevant seien, ist dies für die Bewertung unerheblich. Denn die rechtliche Einordnung, ob eine Einnahme beitragsrelevant ist, obliegt der Beklagten und nicht der Klägerin.

Die Beklagte hat im Rahmen des Widerspruchsbescheides auch das ihr zustehende Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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