Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 13 AL 330/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AL 97/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 31.03.2003 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Arbeitslosengeld, welches der deutsche Kläger mit Wohnsitz in Italien von dort aus schriftlich beantragt hat.
Der am 00.00.1954 geborene Kläger ist Deutscher und hat seinen Wohnsitz seit 1995 in Italien. Er war seit 1978 bei der N AG als Konzernrepräsentanz tätig, meist im Ausland in der UdSSR, den USA, in China, in Russland und seit 1995 in Italien. Mit Ausnahme seines Aufenthalts in den USA wurden seine Sozialversicherungsbeiträge in Deutschland entrichtet. Als N von W übernommen wurde, war der Kläger noch vom 01.01.1999 bis 31.03.2001 für diese Firma in Mailand mit gleicher Funktion tätig. Mit Zustimmung der deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung-Ausland wurden Beiträge zur Sozialversicherung als Ausnahmeregelung weiterhin in Deutschland entrichtet. Im Zusammenhang mit der Neu-Strukturierung des Konzernes sah der Kläger für sich dort keine Perspektive mehr. Um einer erwarteten Kündigung zuvorzukommen, kündigte der Kläger sein Arbeitsverhältnis selbst zum 31.03.2001 und erhielt eine Abfindung in Höhe von 140.000 DM.
Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses meldete sich der Kläger eigenen Angaben zufolge am 09.04.2001 in B/Italien arbeitslos. Der offiziell registrierte Antrag datiert vom 17.04.2001 und wurde von der nationalen Versicherungsanstalt in Cuneo (INPS) mit Bescheid vom 19.07.2001 abgelehnt. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, dass nach italienischem Recht bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen eigener Kündigung kein Anspruch auf Bezug von Arbeitslosengeld erwachse. Der Kläger legte gegen diesen Bescheid in Italien keine Rechtsmittel ein, weil er nach anwaltlicher Beratung den Hinweis erhalten hatte, der Bescheid sei nach italienischem Recht nicht zu beanstanden.
Der Kläger hatte sich bereits unter dem 03.04.2001 an das Arbeitsamt in E gewandt und um die Übersendung einer Bescheinigung E 301 gebeten, weil er seinen Lebensmittelpunkt in Italien sehe und dort Leistungen beantragen wolle. Dem kam das Arbeitsamt am 22.05.2001 nach. Nach der Ablehnung seines Antrags in Italien wandte sich der Kläger von Italien aus unter dem 23.08.2001 erneut schriftlich an das Arbeitsamt E und beantragte Arbeitslosengeld nach deutschem Recht ab 17.04.2001. Er wies auf seine jahrelange Beitragszahlung in Deutschland hin.
Mit Bescheid vom 17.05.2002 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, der Kläger habe keinen Wohnsitz im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuches (SGB). Es wurde auf § 30 SGB I Bezug genommen. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und begründete ihn damit, dass es nicht sein könne, dass er in Deutschland keine Leistungen erhalte, weil er hier keinen Wohnsitz habe und in Italien ebenfalls keine Leistungen erhalte, weil er dort keine Beiträge entrichtet habe. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.07.2002 zurück und führte zur Begründung aus, dass es bereits an einer persönlichen Arbeitslosmeldung fehle und die Erfüllung eines Mitnahmeanspruchs nach den Bestimmungen der EWG-Verordnung (VO) 1408/71 voraussetzen, dass der Kläger im Geltungsbereich des SGB III mindestens einen Tag vor der Arbeitslosmeldung in einem Versicherungsverhältnis gestanden habe.
Hiergegen hat der Kläger am 14.08.2002 Klage vor dem Sozialgericht Nürnberg erhoben, die mit Beschluss vom 25.11.2002 an das Sozialgericht Düsseldorf verwiesen worden ist. Der Kläger hat sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und ergänzend auf § 2 Abs. 2 SGB I hingewiesen. Die Behörde habe alles zu tun, um die Rechtsvorschriften im Sinne der Versicherten auszulegen, damit deren soziale Ansprüche verwirklicht werden könnten. Auch erscheine es nicht zulässig, dass die Beklagte zwar die Existenz eines sogenannten Mitnahmeanspruchs einräume, aber davon ausgehe, der Kläger erfülle dessen Voraussetzungen nicht. Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.05.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.07.2002 zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld ab 17.04.2001 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat an ihrer im Verwaltungsverfahren vertretenen Rechtsauffassung festgehalten.
Mit Gerichtsbescheid vom 31.03.2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat darauf hingewiesen, dass der Kläger schon deshalb keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld habe, weil er sich in Deutschland nicht persönlich arbeitslos gemeldet habe. Auf Vorschriften des europäischen Rechtes, insbesondere auf die EWG-VO 1408/71 könne sich der Kläger nicht berufen. Wegen der Begründung wird auf den Inhalt der Entscheidungsgründe Bezug genommen. Auch aus § 2 Abs. 2 SGB I ergebe sich keine Rechtsgrundlage auf Gewährung von Arbeitslosengeld. Bei dieser Vorschrift handele es sich um einen Programmsatz.
Gegen diesen ihm am 07.04.2003 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 06.05.2003 eingegangene Berufung des Klägers. Der Kläger meint weiterhin, er sei Opfer der Freizügigkeit in Europa. In Italien sei er der italienischen Arbeitslosenversicherung unbekannt geblieben mangels Beitragszahlung. In Deutschland seien jahrelang Beiträge kassiert worden und nun würden ihm selbst Mitnahmeansprüche verwehrt. Bei verständiger Würdigung des europäischen Rechts müsse eine Lösung gefunden werden, notfalls eben über § 2 Abs. 2 SGB I.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 31.03.2003 zu ändern und nach seinem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Sie sieht weiterhin keinen Verstoß gegen europäisches Recht. In Italien habe der Kläger keinen Anspruch, weil er sein Arbeitsverhältnis selbst gelöst habe. Er werde genauso behandelt wie jeder, der in Italien seine Beiträge gezahlt habe. In Deutschland habe sich der Kläger nie persönlich arbeitslos gemeldet. So würde auch jeder andere Europäer behandelt. Der Mitnahmeanspruch nach Artikel 69 EWG-VO scheitere daran, dass er sich hier nicht persönlich arbeitslos gemeldet habe. Zudem würde sich ein möglicher Anspruch durch den Eintritt einer Sperrzeit auf wenige Tage reduzieren. Auf den Schriftsatz vom 13.01.2004 wird Bezug genommen.
Der Senat hat eine Auskunft der Firma W vom 01.09.2003 über das dortige Arbeitsverhältnis des Klägers eingeholt. Der Auskunft lag eine Stellungnahme der deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung-Ausland vom 15.03.1999 über die Umstände der Versicherungsentrichtung der Beiträge in Deutschland bei. Der Senat hat ferner den Ablehnungsbescheid der nationalen Sozialversicherungsanstalt in Cuneo (INPS) über die Ablehnung des Arbeitslosengeldes des Klägers in Italien beigezogen und in die deutsche Sprache übersetzt. Auf Blatt 124 und 125 der Gerichtsakten wird Bezug genommen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten sowie der vom Kläger eingereichten italienischen Unterlagen Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht und die Beklagte haben zutreffend entschieden, dass dem Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Arbeitslosengeld zusteht. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des europäischen Rechts, denn mit dem Kläger ist der Senat der Ansicht, dass es nicht rechtens sein kann, dass der Anspruch des Klägers allein daran scheitert, dass Wohnsitzland und Beitragsentrichtungsland auseinanderfallen. Dieser Umstand spielt aber im Fall des Klägers keine Rolle. Der Kläger wird nicht anders behandelt als jeder Italiener, der nur in Italien seine Beiträge entrichtet hat.
1. Dem Kläger steht nach deutschen Rechtsvorschriften kein Arbeitslosengeld zu. Nach § 117 Abs. 1 SGB III hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer arbeitslos ist, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet hat und die Anwartschaft erfüllt hat. Nach § 122 Abs. 1 Satz 1 SGB III hat sich der Arbeitslose persönlich beim zuständigen Arbeitsamt arbeitslos zu melden. An dieser Voraussetzung fehlt es hier. Der Kläger hat sich nur schriftlich an die deutsche Arbeitsverwaltung gewendet. Dies reicht für eine persönliche Arbeitslosmeldung nicht aus (vgl. Niesel, SGB III, 2. Auflage 2002, § 122 Randnr. 2). Die Arbeitslosmeldung in Italien kann eine persönliche Arbeitslosmeldung beim zuständigen deutschen Arbeitsamt nicht ersetzen.
2. Dem Kläger stehen Leistungen wegen Arbeitslosigkeit auch nach italienischem Recht nicht zu. Dies folgt aus dem bestandskräftigen Bescheid des INPS vom 19.07.2001, mit dem der Antrag auf Leistungen abgelehnt worden ist, weil der Kläger sein Arbeitsverhältnis wegen eigener Kündigung beendet hat. Dies entspricht den italienischen Rechtsbestimmungen, wie der Kläger selbst nach Rücksprache mit einem Anwalt einräumt, und wie auch die Beklagte nach Rücksprache mit der INPS in Bozen in einem Telefonvermerk vom 16.02.2004 ermittelt hat. Auf Blatt 116 der Gerichtsakte wird Bezug genommen.
3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch unter Berücksichtigung von Art. 69 EWG-VO 1408/71. Hiernach behält ein voll arbeitsloser Arbeitnehmer oder Selbständiger, der die Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaates erfüllt und sich in einen oder mehrere andere Mitgliedsstaaten begibt, um dort eine Beschäftigung zu suchen, den Anspruch auf diese Leistungen unter gewissen Voraussetzungen. Eine dieser Voraussetzungen ist, dass der Arbeitslose sich vor seiner Abreise während mindestens 4 Wochen nach Beginn der Arbeitslosigkeit der Arbeitsverwaltung des zuständigen Staates als Arbeitssuchender zur Verfügung gestellt hat und als Arbeitssuchender gemeldet gewesen ist. Der Leistungsanspruch wird dann für höchstens 3 Monate aufrecht erhalten. Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht. Um einen Leistungsanspruch in Deutschland nach dieser Vorschrift zu erwerben, hätte der Kläger einen Anspruch in Italien haben müssen und hätte diesen Anspruch für maximal 3 Monate mit nach Deutschland nehmen können, wenn er sich zur Arbeitssuche persönlich nach Deutschland begeben hätte. Dies hat er nicht getan. Alternativ hätte der Kläger zunächst durch persönliche Arbeitslosmeldung in Deutschland einen Anspruch erwerben müssen, den er dann für maximal 3 Monate mit nach Italien hätte nehmen können. Auch dieser Fall liegt nicht vor.
Ein Anspruch folgt auch nicht aus Artikel 71 EWG-VO 1408/71. Diese Vorschrift regelt die Gewährung von Leistungen an arbeitslose Arbeitnehmer, die während ihrer letzten Beschäftigung im Gebiet eines anderen Mitgliedsstaates als des zuständigen Staates wohnten. Diese Vorschrift ist einschlägig, weil der Kläger in Italien wohnte und Beschäftigungsland wegen der Beitragsentrichtung Deutschland war. Hier soll einmal unterstellt werden, dass die Beitragsentrichtung in Deutschland rechtmäßig und zutreffend war, was durchaus zweifelhaft sein könnte. Würde man diese Unterstellung nicht machen, wäre die Prüfung des Artikel 71 bereits zu Ende, weil dann Wohnortland und Beschäftigungsland nicht auseinanderfielen, was Artikel 71 voraussetzt. Nach Artikel 71 Abs. 1 Buchst. b) ii) EWG-VO 1408/71 erhalten Arbeitnehmer, die nicht Grenzgänger sind und die sich der Arbeitsverwaltung des Mitgliedsstaates zur Verfügung stellen, in dessen Gebiet sie wohnen, oder in das Gebiet dieses Staates zurückkehren, bei Vollarbeitslosigkeit Leistungen nach den Rechtsvorschriften dieses Staates, als ob sie dort zuletzt beschäftigt gewesen wären. Diese Leistungen gewährt der Träger des Wohnortes zu seinen Lasten. Dies bedeutet also, dass der Kläger trotz der Beitragsentrichtung in Deutschland Leistungen vom italienischen Träger nach den dortigen Vorschriften erhalten kann, wenn er die italienischen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt. Dies aber ist gerade, wie oben unter 2. ausgeführt, nicht der Fall, so dass auch eine Leistungsgewährung nach Artikel 71 nicht in Betracht kommt.
4. Das gefundene Ergebnis verstößt auch nicht gegen allgemeine Grundsätze des europäischen Rechts. Nach Artikel 42 EG-Vertrag (Amsterdamer Fassung) und Artikel 19 EWG-VO 1408/71 darf der Wohnsitz allein keine entscheidende Rolle spielen. Das europäische Gemeinschaftsrecht will verhindern, dass ein Arbeitnehmer durch alle sozialen Maschen fällt, wenn Wohnsitzland und Beschäftigungsland auseinanderfallen. Dies aber muss der einzige Grund sein. So ist es aber im Fall des Klägers nicht. Der Kläger irrt, wenn er meint, Leistungen ständen ihm nur deshalb nicht zu, weil Italien sein Wohnsitzland ist und Deutschland als sein Beschäftigungsland gilt. Er erhält in Italien nicht deshalb keine Leistungen, weil er dort keine Beiträge abgeführt hat, sondern weil er sein Arbeitsverhältnis selbst beendet hat. Auf den bindenden Bescheid des INPS vom 19.07.2001 wird hingewiesen. In Deutschland erhält er nicht deshalb keine Leistungen, weil er seinen Wohnsitz in Italien hat, sondern deshalb, weil er sich nicht persönlich arbeitslos in Deutschland gemeldet und der Arbeitsverwaltung zur Verfügung gestellt hat. Beides beruht auf persönlichen Entscheidungen des Klägers, die nichts mit Ungereimtheiten des europäischen Rechtes zu tun haben, so dass eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nicht in Betracht kam. Auch eine Korrektur über § 2 SGB I ist nicht möglich, worauf bereits das SG zutreffend hingewiesen hat.
Klage und Berufung konnten somit keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Ziffern 1 oder 2 SGG nicht vorliegen. Es war hier nicht über grundsätzliche Auslegungsfragen deutscher Vorschriften zu entscheiden. Streitentscheidend ist hier letztlich die Regelung des italienischen Rechts, wonach Leistungen wegen Arbeitslosigkeit bei Eigenkündigung überhaupt nicht gewährt werden und nicht nur, wie in Deutschland, eine Sperrzeit eintritt. Diese Vorschriften kann aber auch das Bundessozialgericht nicht überprüfen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Arbeitslosengeld, welches der deutsche Kläger mit Wohnsitz in Italien von dort aus schriftlich beantragt hat.
Der am 00.00.1954 geborene Kläger ist Deutscher und hat seinen Wohnsitz seit 1995 in Italien. Er war seit 1978 bei der N AG als Konzernrepräsentanz tätig, meist im Ausland in der UdSSR, den USA, in China, in Russland und seit 1995 in Italien. Mit Ausnahme seines Aufenthalts in den USA wurden seine Sozialversicherungsbeiträge in Deutschland entrichtet. Als N von W übernommen wurde, war der Kläger noch vom 01.01.1999 bis 31.03.2001 für diese Firma in Mailand mit gleicher Funktion tätig. Mit Zustimmung der deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung-Ausland wurden Beiträge zur Sozialversicherung als Ausnahmeregelung weiterhin in Deutschland entrichtet. Im Zusammenhang mit der Neu-Strukturierung des Konzernes sah der Kläger für sich dort keine Perspektive mehr. Um einer erwarteten Kündigung zuvorzukommen, kündigte der Kläger sein Arbeitsverhältnis selbst zum 31.03.2001 und erhielt eine Abfindung in Höhe von 140.000 DM.
Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses meldete sich der Kläger eigenen Angaben zufolge am 09.04.2001 in B/Italien arbeitslos. Der offiziell registrierte Antrag datiert vom 17.04.2001 und wurde von der nationalen Versicherungsanstalt in Cuneo (INPS) mit Bescheid vom 19.07.2001 abgelehnt. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, dass nach italienischem Recht bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen eigener Kündigung kein Anspruch auf Bezug von Arbeitslosengeld erwachse. Der Kläger legte gegen diesen Bescheid in Italien keine Rechtsmittel ein, weil er nach anwaltlicher Beratung den Hinweis erhalten hatte, der Bescheid sei nach italienischem Recht nicht zu beanstanden.
Der Kläger hatte sich bereits unter dem 03.04.2001 an das Arbeitsamt in E gewandt und um die Übersendung einer Bescheinigung E 301 gebeten, weil er seinen Lebensmittelpunkt in Italien sehe und dort Leistungen beantragen wolle. Dem kam das Arbeitsamt am 22.05.2001 nach. Nach der Ablehnung seines Antrags in Italien wandte sich der Kläger von Italien aus unter dem 23.08.2001 erneut schriftlich an das Arbeitsamt E und beantragte Arbeitslosengeld nach deutschem Recht ab 17.04.2001. Er wies auf seine jahrelange Beitragszahlung in Deutschland hin.
Mit Bescheid vom 17.05.2002 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, der Kläger habe keinen Wohnsitz im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuches (SGB). Es wurde auf § 30 SGB I Bezug genommen. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und begründete ihn damit, dass es nicht sein könne, dass er in Deutschland keine Leistungen erhalte, weil er hier keinen Wohnsitz habe und in Italien ebenfalls keine Leistungen erhalte, weil er dort keine Beiträge entrichtet habe. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.07.2002 zurück und führte zur Begründung aus, dass es bereits an einer persönlichen Arbeitslosmeldung fehle und die Erfüllung eines Mitnahmeanspruchs nach den Bestimmungen der EWG-Verordnung (VO) 1408/71 voraussetzen, dass der Kläger im Geltungsbereich des SGB III mindestens einen Tag vor der Arbeitslosmeldung in einem Versicherungsverhältnis gestanden habe.
Hiergegen hat der Kläger am 14.08.2002 Klage vor dem Sozialgericht Nürnberg erhoben, die mit Beschluss vom 25.11.2002 an das Sozialgericht Düsseldorf verwiesen worden ist. Der Kläger hat sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und ergänzend auf § 2 Abs. 2 SGB I hingewiesen. Die Behörde habe alles zu tun, um die Rechtsvorschriften im Sinne der Versicherten auszulegen, damit deren soziale Ansprüche verwirklicht werden könnten. Auch erscheine es nicht zulässig, dass die Beklagte zwar die Existenz eines sogenannten Mitnahmeanspruchs einräume, aber davon ausgehe, der Kläger erfülle dessen Voraussetzungen nicht. Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.05.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.07.2002 zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld ab 17.04.2001 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat an ihrer im Verwaltungsverfahren vertretenen Rechtsauffassung festgehalten.
Mit Gerichtsbescheid vom 31.03.2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat darauf hingewiesen, dass der Kläger schon deshalb keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld habe, weil er sich in Deutschland nicht persönlich arbeitslos gemeldet habe. Auf Vorschriften des europäischen Rechtes, insbesondere auf die EWG-VO 1408/71 könne sich der Kläger nicht berufen. Wegen der Begründung wird auf den Inhalt der Entscheidungsgründe Bezug genommen. Auch aus § 2 Abs. 2 SGB I ergebe sich keine Rechtsgrundlage auf Gewährung von Arbeitslosengeld. Bei dieser Vorschrift handele es sich um einen Programmsatz.
Gegen diesen ihm am 07.04.2003 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 06.05.2003 eingegangene Berufung des Klägers. Der Kläger meint weiterhin, er sei Opfer der Freizügigkeit in Europa. In Italien sei er der italienischen Arbeitslosenversicherung unbekannt geblieben mangels Beitragszahlung. In Deutschland seien jahrelang Beiträge kassiert worden und nun würden ihm selbst Mitnahmeansprüche verwehrt. Bei verständiger Würdigung des europäischen Rechts müsse eine Lösung gefunden werden, notfalls eben über § 2 Abs. 2 SGB I.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 31.03.2003 zu ändern und nach seinem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Sie sieht weiterhin keinen Verstoß gegen europäisches Recht. In Italien habe der Kläger keinen Anspruch, weil er sein Arbeitsverhältnis selbst gelöst habe. Er werde genauso behandelt wie jeder, der in Italien seine Beiträge gezahlt habe. In Deutschland habe sich der Kläger nie persönlich arbeitslos gemeldet. So würde auch jeder andere Europäer behandelt. Der Mitnahmeanspruch nach Artikel 69 EWG-VO scheitere daran, dass er sich hier nicht persönlich arbeitslos gemeldet habe. Zudem würde sich ein möglicher Anspruch durch den Eintritt einer Sperrzeit auf wenige Tage reduzieren. Auf den Schriftsatz vom 13.01.2004 wird Bezug genommen.
Der Senat hat eine Auskunft der Firma W vom 01.09.2003 über das dortige Arbeitsverhältnis des Klägers eingeholt. Der Auskunft lag eine Stellungnahme der deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung-Ausland vom 15.03.1999 über die Umstände der Versicherungsentrichtung der Beiträge in Deutschland bei. Der Senat hat ferner den Ablehnungsbescheid der nationalen Sozialversicherungsanstalt in Cuneo (INPS) über die Ablehnung des Arbeitslosengeldes des Klägers in Italien beigezogen und in die deutsche Sprache übersetzt. Auf Blatt 124 und 125 der Gerichtsakten wird Bezug genommen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten sowie der vom Kläger eingereichten italienischen Unterlagen Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht und die Beklagte haben zutreffend entschieden, dass dem Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Arbeitslosengeld zusteht. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des europäischen Rechts, denn mit dem Kläger ist der Senat der Ansicht, dass es nicht rechtens sein kann, dass der Anspruch des Klägers allein daran scheitert, dass Wohnsitzland und Beitragsentrichtungsland auseinanderfallen. Dieser Umstand spielt aber im Fall des Klägers keine Rolle. Der Kläger wird nicht anders behandelt als jeder Italiener, der nur in Italien seine Beiträge entrichtet hat.
1. Dem Kläger steht nach deutschen Rechtsvorschriften kein Arbeitslosengeld zu. Nach § 117 Abs. 1 SGB III hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer arbeitslos ist, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet hat und die Anwartschaft erfüllt hat. Nach § 122 Abs. 1 Satz 1 SGB III hat sich der Arbeitslose persönlich beim zuständigen Arbeitsamt arbeitslos zu melden. An dieser Voraussetzung fehlt es hier. Der Kläger hat sich nur schriftlich an die deutsche Arbeitsverwaltung gewendet. Dies reicht für eine persönliche Arbeitslosmeldung nicht aus (vgl. Niesel, SGB III, 2. Auflage 2002, § 122 Randnr. 2). Die Arbeitslosmeldung in Italien kann eine persönliche Arbeitslosmeldung beim zuständigen deutschen Arbeitsamt nicht ersetzen.
2. Dem Kläger stehen Leistungen wegen Arbeitslosigkeit auch nach italienischem Recht nicht zu. Dies folgt aus dem bestandskräftigen Bescheid des INPS vom 19.07.2001, mit dem der Antrag auf Leistungen abgelehnt worden ist, weil der Kläger sein Arbeitsverhältnis wegen eigener Kündigung beendet hat. Dies entspricht den italienischen Rechtsbestimmungen, wie der Kläger selbst nach Rücksprache mit einem Anwalt einräumt, und wie auch die Beklagte nach Rücksprache mit der INPS in Bozen in einem Telefonvermerk vom 16.02.2004 ermittelt hat. Auf Blatt 116 der Gerichtsakte wird Bezug genommen.
3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch unter Berücksichtigung von Art. 69 EWG-VO 1408/71. Hiernach behält ein voll arbeitsloser Arbeitnehmer oder Selbständiger, der die Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaates erfüllt und sich in einen oder mehrere andere Mitgliedsstaaten begibt, um dort eine Beschäftigung zu suchen, den Anspruch auf diese Leistungen unter gewissen Voraussetzungen. Eine dieser Voraussetzungen ist, dass der Arbeitslose sich vor seiner Abreise während mindestens 4 Wochen nach Beginn der Arbeitslosigkeit der Arbeitsverwaltung des zuständigen Staates als Arbeitssuchender zur Verfügung gestellt hat und als Arbeitssuchender gemeldet gewesen ist. Der Leistungsanspruch wird dann für höchstens 3 Monate aufrecht erhalten. Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht. Um einen Leistungsanspruch in Deutschland nach dieser Vorschrift zu erwerben, hätte der Kläger einen Anspruch in Italien haben müssen und hätte diesen Anspruch für maximal 3 Monate mit nach Deutschland nehmen können, wenn er sich zur Arbeitssuche persönlich nach Deutschland begeben hätte. Dies hat er nicht getan. Alternativ hätte der Kläger zunächst durch persönliche Arbeitslosmeldung in Deutschland einen Anspruch erwerben müssen, den er dann für maximal 3 Monate mit nach Italien hätte nehmen können. Auch dieser Fall liegt nicht vor.
Ein Anspruch folgt auch nicht aus Artikel 71 EWG-VO 1408/71. Diese Vorschrift regelt die Gewährung von Leistungen an arbeitslose Arbeitnehmer, die während ihrer letzten Beschäftigung im Gebiet eines anderen Mitgliedsstaates als des zuständigen Staates wohnten. Diese Vorschrift ist einschlägig, weil der Kläger in Italien wohnte und Beschäftigungsland wegen der Beitragsentrichtung Deutschland war. Hier soll einmal unterstellt werden, dass die Beitragsentrichtung in Deutschland rechtmäßig und zutreffend war, was durchaus zweifelhaft sein könnte. Würde man diese Unterstellung nicht machen, wäre die Prüfung des Artikel 71 bereits zu Ende, weil dann Wohnortland und Beschäftigungsland nicht auseinanderfielen, was Artikel 71 voraussetzt. Nach Artikel 71 Abs. 1 Buchst. b) ii) EWG-VO 1408/71 erhalten Arbeitnehmer, die nicht Grenzgänger sind und die sich der Arbeitsverwaltung des Mitgliedsstaates zur Verfügung stellen, in dessen Gebiet sie wohnen, oder in das Gebiet dieses Staates zurückkehren, bei Vollarbeitslosigkeit Leistungen nach den Rechtsvorschriften dieses Staates, als ob sie dort zuletzt beschäftigt gewesen wären. Diese Leistungen gewährt der Träger des Wohnortes zu seinen Lasten. Dies bedeutet also, dass der Kläger trotz der Beitragsentrichtung in Deutschland Leistungen vom italienischen Träger nach den dortigen Vorschriften erhalten kann, wenn er die italienischen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt. Dies aber ist gerade, wie oben unter 2. ausgeführt, nicht der Fall, so dass auch eine Leistungsgewährung nach Artikel 71 nicht in Betracht kommt.
4. Das gefundene Ergebnis verstößt auch nicht gegen allgemeine Grundsätze des europäischen Rechts. Nach Artikel 42 EG-Vertrag (Amsterdamer Fassung) und Artikel 19 EWG-VO 1408/71 darf der Wohnsitz allein keine entscheidende Rolle spielen. Das europäische Gemeinschaftsrecht will verhindern, dass ein Arbeitnehmer durch alle sozialen Maschen fällt, wenn Wohnsitzland und Beschäftigungsland auseinanderfallen. Dies aber muss der einzige Grund sein. So ist es aber im Fall des Klägers nicht. Der Kläger irrt, wenn er meint, Leistungen ständen ihm nur deshalb nicht zu, weil Italien sein Wohnsitzland ist und Deutschland als sein Beschäftigungsland gilt. Er erhält in Italien nicht deshalb keine Leistungen, weil er dort keine Beiträge abgeführt hat, sondern weil er sein Arbeitsverhältnis selbst beendet hat. Auf den bindenden Bescheid des INPS vom 19.07.2001 wird hingewiesen. In Deutschland erhält er nicht deshalb keine Leistungen, weil er seinen Wohnsitz in Italien hat, sondern deshalb, weil er sich nicht persönlich arbeitslos in Deutschland gemeldet und der Arbeitsverwaltung zur Verfügung gestellt hat. Beides beruht auf persönlichen Entscheidungen des Klägers, die nichts mit Ungereimtheiten des europäischen Rechtes zu tun haben, so dass eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nicht in Betracht kam. Auch eine Korrektur über § 2 SGB I ist nicht möglich, worauf bereits das SG zutreffend hingewiesen hat.
Klage und Berufung konnten somit keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Ziffern 1 oder 2 SGG nicht vorliegen. Es war hier nicht über grundsätzliche Auslegungsfragen deutscher Vorschriften zu entscheiden. Streitentscheidend ist hier letztlich die Regelung des italienischen Rechts, wonach Leistungen wegen Arbeitslosigkeit bei Eigenkündigung überhaupt nicht gewährt werden und nicht nur, wie in Deutschland, eine Sperrzeit eintritt. Diese Vorschriften kann aber auch das Bundessozialgericht nicht überprüfen.
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