L 11 KR 3553/17 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 27 KR 1227/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 3553/17 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts St. vom 03.08.2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen einen Bescheid über Beiträge, Säumniszuschläge und Mahngebühren und die Einstellung der Vollstreckung.

Die Antragstellerin ist zum 01.04.2006 Mitglied bei den Antragsgegnerinnen geworden. Seit dem 01.11.2017 ist sie bei der AOK kranken- und pflegeversichert.

Die von den Antragsgegnerinnen geltend gemachten Beitragsrückstände betreffen zum einen den Zeitraum vom 01.04.2006 bis zum 28.10.2009, in dem die Antragstellerin aufgrund einer hauptberuflich selbständigen Tätigkeit freiwillig versichert war und die Beiträge ab Oktober 2008 nicht vollständig bezahlte (zu diesem Zeitraum unter a). Danach wurde die Antragstellerin im Jahr 2010 Alleingesellschaftergeschäftsführerin der S.-Büro-Service-GmbH mit dem Sitz in St. (HRB 1 ...) und bezog die Antragstellerin Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bis zum 31.03.2015. Zum anderen betreffen die Beitragsrückstände den dann folgenden Zeitraum ab dem 01.04.2015 (zu diesem Zeitraum unter b).

a) Zeitraum 01.04.2006 bis 28.10.2009 Mit Bescheid vom 05.09.2013 machten die Antragsgegnerinnen rückständige Beitragsforderungen zuzüglich Säumniszuschlägen und Mahngebühren für den Zeitraum bis Oktober 2009 in Höhe von insgesamt 8.852,63 EUR geltend. Mit Bescheid vom 28.03.2014 reduzierten die Antragsgegnerinnen auf den Antrag der Antragstellerin auf Erlass der Beitragsschulden und Säumniszuschläge die Säumniszuschläge nach § 256a Abs 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) von 5% auf 1% und die Forderung um 4.898,00 EUR auf 4.112,13 EUR. Am 01.04.2014 erhob die Antragstellerin hiergegen Klage beim Sozialgericht Stuttgart (S 27 KR 2102/14) und beantragte die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (S 27 KR 2101/14). Sie sei im Arbeitslosengeld-II-Bezug und erziele mit ihrer Selbständigkeit kein Einkommen. Die Antragsgegnerinnen setzten die Vollstreckung zunächst aus und die Antragstellerin nahm den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zurück. Mit Bescheid vom 29.04.2014 stellten die Antragsgegnerinnen auf einen Antrag auf Überprüfung der Beitragsbemessung vom 01.04.2006 bis 28.10.2009 nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) fest, dass die Beiträge ordnungsgemäß festgesetzt worden seien. Mit Bescheid vom 28.10.2014 wurde auf einen erneuten Antrag der Antragstellerin nach § 44 SGB X eine Beitragsreduzierung abgelehnt. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2016 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 28.03.2014 zurückgewiesen. Es bestehe kein Anspruch auf Erlass der für den Zeitraum April 2007 bis Oktober 2009 bestandskräftig festgesetzten Beiträge zur KV und PV sowie darauf entfallender Säumniszuschläge und Mahngebühren in Höhe von insgesamt 3.581,88 EUR.

b) Zeitraum ab 01.04.2015 Bis zum 31.03.2015 bezog die Antragstellerin Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Am 07.04.2015 teilte das Job-Center B. den Antragsgegnerinnen mit, die Krankenversicherungspflicht der Antragstellerin ende wegen Einstellung der SGB-II-Leistungen. Die Antragsgegnerinnen forderten die Antragstellerin hierauf mit Schreiben vom 18.05.2015, 08.06.2015, 22.06.2015, 06.07.2015, 04.08.2015 auf, den Bewilligungsbescheid über Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vorzulegen und Angaben zu den Einkommensverhältnissen zu machen. Nachdem keine Antworten eingingen, wandten sich die Antragstellerinnen an das Job Center B. Mit Schreiben vom 21.08.2015 teilte dieses mit, dass die Antragstellerin ab dem 01.04.2015 auf Arbeitslosengeld-II-Leistungen verzichtet habe. Die Antragsgegnerinnen teilten der Antragstellerin mit Bescheid vom 04.11.2015 mit, dass für sie eine obligatorische Anschlussversicherung als freiwillige Versicherung geführt werde (§ 188 Abs 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, SGB V). Mangels Einkommensnachweisen sei davon auszugehen, dass die monatlichen beitragspflichtigen Einnahmen über der Beitragsbemessungsgrenze lägen. Wenn die tatsächlichen beitragspflichtigen Einnahmen innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheides vorgelegt würden, werde der Beitrag rückwirkend neu berechnet. Festgesetzt wurden Beiträge ab 01.04.2015 in Höhe von 614,63 EUR für die KV und 107,25 EUR für die PV, insgesamt 721,88 EUR. Rechtsmittel hiergegen wurden nicht eingelegt. Mit Bescheid vom 14.01.2016 wurde der Beitrag für 2016 festgesetzt in Höhe von 639,86 EUR für die KV und 110,18 EUR für die PV, insgesamt 750,04 EUR. Rechtsmittel hiergegen wurden nicht eingelegt. Mit Bescheid vom 04.01.2017 wurden Beiträge für das Jahr 2017 festgesetzt in Höhe von 656,85 EUR für die KV und 121,80 EUR für die PV, insgesamt 778,65 EUR.

In der Folge mahnten die Antragsgegnerinnen mehrfach erfolglos die Zahlung der Beitragsrückstände an.

Am 02.06.2016 beantragte die Antragstellerin die Überprüfung der Beitragserhebung ab dem 01.04.2015. Der Anspruch bestehe nicht, da sie nicht mehr bei den Antragsgegnerinnen versichert sei. Bis zum 31.03.2015 seien die Beiträge im Rahmen der SGB-II-Leistungen erbracht worden. Die Mitgliedschaft habe sie mit Schreiben vom 25.03.2015 gekündigt. Beigefügt war eine Kopie eines auf den 25.03.2015 datieren Kündigungsschreibens.

Mit Schreiben vom 19.07.2016 wurde die Antragstellerin erneut zur Beitragsfestsetzung angehört und ihr Gelegenheit gegeben, Nachweise vorzulegen, was sie nicht tat, sondern zur Beilegung des Rückstandes eine Einmalzahlung in Höhe von 1.000 EUR anbot. Die Antragsgegnerinnen müssten im Gegenzug rechtsverbindlich erklären, dass damit sämtliche gegenseitigen Ansprüche bis einschließlich August 2016 erledigt seien. Dann würde die Kündigung zurückgenommen und auf Basis der aktuellen Möglichkeiten eine Weiterversicherung ab dem 01.09.2016 geklärt.

Der Antrag der Antragstellerin nach § 44 SGB X auf Überprüfung bzw Aufhebung von Beiträgen ab dem 01.04.2015 wurde von den Antragsgegnerinnen mit Bescheid vom 06.09.2016 abgelehnt.

Auf den hiergegen am 11.09.2016 erhobenen Widerspruch legten die Antragsgegnerinnen der Antragstellerin mit Schreiben vom 13.09.2016 (Bl 80 Verwaltungsakte) die Forderungshöhe über insgesamt 15.736,58 EUR dar und wiesen mit Widerspruchsbescheid vom 25.01.2017 den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Antragstellerin sei verpflichtet, für die Zeit vom 01.04. bis 31.12.2015 Beiträge zur KV in Höhe von 614,03 EUR und ab dem 01.01.2016 in Höhe von 639,86 EUR monatlich zu entrichten. Für die Zeit ab dem 01.04.2015 seien trotz diesbezüglicher Aufforderungen keine Nachweise über die beitragspflichtigen Einnahmen vorgelegt worden. Daher seien für die Beitragsbemessung kalendertäglich beitragspflichtige Einnahmen in Höhe von 1/30 der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze zu Grunde zu legen.

Hiergegen hat die Antragstellerin am 06.03.2017 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben (Az S 27 KR 1117/17). Sie habe die Mitgliedschaft zum 01.04.2015 gekündigt. Sie habe verschiedentlich auf ihre finanzielle Situation hingewiesen. Sie habe seit März 2015 versucht, ihre Schulden zu reduzieren. Sie habe mitgeteilt, dass sie überwiegend selbständig tätig sei, aus diesem Grunde könne sie nicht zwangsversichert werden.

Am 13.03.2017 hat die Antragstellerin beim SG einstweiligen Rechtsschutz beantragt und die sofortige Einstellung der Vollstreckung bis zur endgültigen Klärung des Verfahrens vor dem Sozialgericht Stuttgart beantragt. Sie hat eine Vollstreckungsankündigung des Hauptzollamts H. vom 07.03.2017 über einen Gesamtbetrag in Höhe von 18.171,70 EUR vorgelegt.

Die Antragsgegnerinnen sind dem Antrag entgegengetreten und haben auf den Widerspruchsbescheid vom 25.01.2017 Bezug genommen. Zur Begründung haben sie ausgeführt, es bestünden keine ernsthaften Zweifel an der Feststellung, dass die Antragstellerin ab dem 01.04.2015 im Rahmen der sogenannten "obligatorischen Anschlussversicherung" nach § 188 Abs 4 SGB V im Status eines freiwilligen Mitglieds mit der damit verbundenen Pflicht zur monatlichen Beitragszahlung an die Antragsgegnerinnen versichert sei. Die Antragsgegnerinnen haben dem SG eine monatsweise Aufstellung der Beiträge aus der Vollstreckungsankündigung vorgelegt (Bl 38 f. SG-Akte). Was die behauptete Kündigung der Antragstellerin angehe, werde diese nur wirksam, wenn ein anderweitiger Krankenversicherungsschutz nachgewiesen werde, was nicht geschehen sei. Auf die Austrittsmöglichkeit nach § 188 Abs 4 SGB V sei die Antragstellerin mit Schreiben vom 22.06.2015 und 06.07.2015 gesondert hingewiesen worden. Ebenfalls sei sie gebeten worden, für die freiwillige Weiterversicherung ihr Einkommen zu erklären und nachzuweisen. Da keine Reaktion eingegangen sei, seien die Beiträge ab 01.04.2015 gemäß § 240 Abs 1 Satz 2 SGB V nach beitragspflichtigen Einnahmen in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze festgesetzt worden. Es möge eine Nichtveranlagungsbescheinigung des Finanzamtes oder der schriftliche Verzicht auf Abgabe einer Einkommensteuererklärung oder ein Einkommensteuervorauszahlungsbescheid vorgelegt werden. Der letzte Einkommensteuerbescheid sei die Grundlage für eine einkommensbezogene Beitragseinstufung freiwillig Versicherter.

Das SG hat an die Antragstellerin ausführliche Fragen zur Klärung ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse gerichtet. Auf diese hat die Antragstellerin mitgeteilt, sie sei seit 2010 selbständig tätig als 100 %- Gesellschafter-Geschäftsführerin der S.-Büro-Service GmbH. Seit dem 01.04.2015 beziehe sie keine Leistungen nach dem SGB II, dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) oder Renten. Sie habe keine Einkünfte aus Kapitalvermögen, Vermietungen und Verpachtungen oder abhängiger Beschäftigung.

Auf erneute Aufforderung des SG, die weiteren Fragen zur Ermittlung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu beantworten, hat die Antragstellerin vorgetragen, das Finanzamt übermittle ihr seit Jahren keinen Einkommensteuerbescheid, daher könne sie auch keinen vorlegen. Auch das Finanzamt habe ihr Nicht-Einkommen verstanden und akzeptiert. Wenn sie keine Einkünfte aus Kapitalvermögen, Vermietungen und Verpachtungen etc. habe, könne sie auch nichts vorlegen. Die Umsätze der GmbH seien nicht so, dass ein Geschäftsführergehalt bezahlt werden könne. Sie habe auf ihr Geschäftsführergehalt eine Verzichtserklärung abgegeben. Hierzu hat sie eine Erklärung, datiert auf den 01.11.2011, vorgelegt. Weiter hat sie für 2016 und 2017 vorläufige Zahlen für die Bilanzerstellung vorgelegt (Bl 51 f SG-Akte). Danach habe die S.-Büro-Service-GmbH im Jahr 2016 ein Ergebnis vor Steuern in Höhe von 4.733,59 EUR erwirtschaftet. Für den Zeitraum Januar bis Juni 2017 wird ein Ergebnis von 8.495,61 EUR mitgeteilt. Die vorläufigen Berechnung prognostisch bis Dezember 2017 weisen einen Verlust von 1.456,15 EUR aus. Im Übrigen hat die Antragstellerin vorgebracht, die Einstufung zum Höchstsatz sei willkürlich. Es seien seit dem 01.04.2015 keinerlei Leistungen in Anspruch genommen worden. Sie habe mit Schreiben vom 25.03.2015 die Kündigung zugeschickt. Ohne Kündigungsbestätigung der Antragsgegnerin könne keine neue Krankenversicherung abgeschlossen werden. Auf den Altbetrag habe sie eine Einmalzahlung in Höhe von 1.000 EUR angeboten.

Mit Beschluss vom 08.08.2017 hat das SG den Antrag abgelehnt. Ein Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht. Soweit die Antragstellerin die Einstellung der Vollstreckung der seit 01.04.2015 mit Bescheiden vom 04.11.2015 und 14.01.2016 bestandskräftig festgesetzter Beiträge zur KV und PV im Zeitraum 01.04.2015 bis 31.12.2016 und darauf beruhender Säumniszuschläge sowie Kosten und Gebühren begehre, schließe zwar die Bestandskraft der Bescheide nicht generell aus, dass diese auf Rechtsfehler hin untersucht und gegebenenfalls zurückgenommen werden könnten. Für den einstweiligen Rechtsschutz im Rahmen eines solchen Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X sei jedoch eine offensichtliche Rechtswidrigkeit der belastenden Bescheide zu fordern, an der es vorliegend fehle. Die Antragstellerin gehe nach summarischer Prüfung zu Unrecht davon aus, dass aufgrund Kündigung des Versicherungsverhältnisses seit dem 01.04.2015 kein eine Beitragspflicht begründendes Versicherungsverhältnis mit den Antragsgegnerinnen mehr besteht. Nach dem Ende der Versicherungspflicht aufgrund des Bezuges von Leistungen nach dem SGB II (§ 5 Abs 1 Nr 2a SGB V) zum 31.03.2015 sei ab dem 01.04.2015 nach § 188 Abs 4 SGB V mit dem Tag nach dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht eine Mitgliedschaft als freiwillige Versicherte begründet worden. Hierauf sei die Antragstellerin hingewiesen worden. Sie habe keinen Nachweis einer anderen Absicherung im Krankheitsfall erbracht. Die Beiträge seien in zutreffender Höhe festgesetzt worden. Die Antragstellerin habe auf die Schreiben der Antragsgegnerin im Jahr 2015 nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen keine Angaben gemacht und bis zum Erlass der Beitragsbescheide vom 04.11.2015 und 14.01.2016 keinerlei Unterlagen vorgelegt, insbesondere habe sie keine Unterlagen der Finanzverwaltung vorgelegt. Sie habe auch auf Nachfrage des SG keinerlei Belege zu ihren Vermögensverhältnissen sowie denen ihres Ehemannes vorgelegt und keine belastbaren Angaben zu ihren Einkommensverhältnissen gemacht. Es seien nur vorläufigen Zahlen für die Bilanzerstellung für 2016 und 2017 mitgeteilt worden, ohne dass ersichtlich sei, ob diese Aufstellung zumindest von einem Steuerberater stammten. Aus welchen Einnahmen die Antragstellerin und ihr Ehemann ihren Lebensunterhalt deckten, sei nicht nachvollziehbar.

Gegen den ihr am 10.08.2017 zugestellten Beschluss des SG hat die Antragstellerin am 11.09.2017 (Montag) Beschwerde beim Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, es gehe nicht um die Festsetzung des Höchstbetrages, sondern ausschließlich um die Frage ihrer Kündigung im März 2015 (Bl 2 Senatsakte). Das SG sei im Beschluss vom 08.08.2017 von völlig falschen Voraussetzungen ausgegangen. Ihre Krankenkasse halte ihr seit dem 25.03.2015 die Kündigungsbestätigung vor bzw verweigere grundlos eine Kündigungsbestätigung. Bezüglich ihrer Einkünfte sei es zwar so, dass ihre GmbH über Einkünfte verfüge, sie selbst jedoch nicht. Sie habe auf das Geschäftsführergehalt verzichtet. Außer Schutzbehauptungen und Unwahrheiten könne die beklagte Krankenkasse dem nichts entgegensetzen. Ihre neue Krankenkasse habe sie zum Mindestbeitrag versichert. Da sie zu 100 % Geschäftsführerin und Gesellschafterin der S.-Büro-Service GmbH sei, könne sie gar nicht Sozialversicherungspflicht unterliegen. Die GmbH selber könne auch nicht sozialversicherungspflichtig sein.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 08.08.2017 aufzuheben und die Antragsgegnerinnen im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihre Vollstreckungsmaßnahmen vollständig einzustellen.

Die Antragsgegnerinnen beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie nehmen auf die Ausführungen des SG und auf den Widerspruchsbescheid vom 25.01.2017 Bezug.

Der Berichterstatter hat in einem Erörterungstermin am 09.11.2017 die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten eingehend erörtert. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen (Blatt 51 Senatsakte).

Nach dem Erörterungstermin hat die Antragstellerin mitgeteilt, sie habe am 22.11.2017 das für sie zuständige Finanzamt St. II aufgesucht. Dort sei ihr mitgeteilt worden, dass ihre Steuernummer im Jahr 2011 gelöscht worden sei. Der Sachbearbeiter habe ihr mitgeteilt, eine Steuererklärung für das Jahr 2015 habe sie nicht eingereicht. Dies sei aber unzutreffend. Sie habe das getan. Warum ihre Steuernummer gelöscht worden sei, habe man ihr nicht mitteilen können. Sie sei ob dieser neuen Erkenntnisse und Informationen vom Finanzamt St. II ratlos. Sie habe dem Finanzamt erneut Kopien ihrer Steuererklärung 2015 vorgelegt und auch die Einkommensteuererklärung für das Jahr 2016 beigelegt. Sie werde dem Gericht den Steuerbescheid oder ein wie auch immer gelagertes Schreiben des Finanzamts zu ihren Einkünften sowohl für das Jahr 2015 als auch für das Jahr 2016 vorlegen, sobald dieses bei ihr eingehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakte erster Instanz Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.

Der Senat entscheidet durch Beschluss (§ 176 Sozialgerichtsgesetz). Eine mündliche Verhandlung wird nicht für erforderlich gehalten (§§ 153 Abs 1, 124 Abs 3 SGG). Die form- und fristgerecht (§ 173 SGG) und auch ansonsten nach § 172 SGG statthafte Beschwerde ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Das SG hat den Antrag zu Recht abgelehnt.

Nach § 86a Abs 1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage zwar grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt jedoch gemäß § 86a Abs 2 Nr 1 SGG bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten.

Die Frage, ob die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage aufgrund von § 86b Abs 1 Nr 2 SGG anzuordnen ist, ist anhand einer Interessenabwägung zu beurteilen. Die öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug des Verwaltungsaktes und die privaten Interessen an der Aussetzung der Vollziehung sind gegeneinander abzuwägen. Dabei ist zu beachten, dass das Gesetz mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung dem öffentlichen Interesse einer sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheids Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung einräumt. Diese typisierend zu Lasten des Einzelnen ausgestaltete Interessenabwägung kann aber auch im Einzelfall zugunsten des Betroffenen ausfallen. Die konkreten gegeneinander abzuwägenden Interessen ergeben sich in der Regel aus den konkreten Erfolgsaussichten des Hauptsachverfahrens, dem konkreten Vollziehungsinteresse und der für die Dauer einer möglichen aufschiebenden Wirkung drohenden Rechtsbeeinträchtigung (st Rspr des Senats; vgl Beschlüsse vom 06.05.2010, L 11 R 1806/10 ER-B, und 11.05.2010, L 11 KR 1125/10 ER-B, veröffentlicht in juris). Dabei sind auch stets die Maßstäbe des § 86a Abs 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen. Demgemäß hat eine Aussetzung der Vollziehung zu erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabepflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Wirkung der gerichtlich angeordneten aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs tritt rückwirkend ab Erlass des mit dem Widerspruch angefochtenen Bescheides ein und endet in den Fällen, in denen Klage erhoben wird, erst mit Eintritt der Unanfechtbarkeit der Hauptsacheentscheidung (Beschlüsse des Senats vom 03.08.2012, L 11 KR 2566/12 ER-B, juris; 11.05.2010, L 11 KR 1125/10 ER-B, juris; LSG Baden-Württemberg 20.03.2006, L 8 AS 369/06 ER-B, juris).

Nach dem gegenwärtigen Stand ist es für den Senat nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 06.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.01.2017 Erfolg haben wird. Die Voraussetzungen des § 44 SGB X auf Rücknahme der Beitragsbescheide für die Zeit ab dem 01.04.2015 liegen nicht vor, wie das SG eingehend und zutreffend ausgeführt hat, da die Antragsgegnerinnen mit den Beitragsbescheiden für die Jahre 2015 und 2016 das Recht weder unrichtig angewendet haben noch von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen sind.

Der Senat teilt die Auffassung der Antragsgegnerinnen und des SG, wonach die Antragstellerin ab dem 01.04.2015 als freiwilliges Mitglied bei den Antragsgegnerinnen versichert gewesen ist und nimmt vollumfänglich auf die Ausführungen des SG Bezug und weist die Beschwerde aus den Gründen der Entscheidung des SG als unbegründet zurück (§ 153 Abs 2 SGG). Für Personen, deren Versicherungspflicht endet, wie dies bei der Antragstellerin zum 31.03.2015 der Fall war, setzt sich die Versicherung mit dem Tag nach dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht als freiwillige Mitgliedschaft fort, es sei denn, das Mitglied erklärt innerhalb von zwei Wochen nach Hinweis der Krankenkasse über die Austrittsmöglichkeiten seinen Austritt; der Austritt wird aber nur wirksam, wenn das Mitglied das Bestehen eines anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall nachweist (§ 188 Abs 4 Satz 1 und 2 SGB V). An letzterem fehlt es vorliegend, so dass es auf den Zugang einer etwaigen Kündigung der Antragstellerin im März 2015 gar nicht ankommt.

Für freiwillige Mitglieder wird die Beitragsbemessung seit 2009 nach § 240 Abs 1 Satz 1 SGB V einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt. Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt; sofern und solange Mitglieder Nachweise über die beitragspflichtigen Einnahmen auf Verlangen der Krankenkasse nicht vorlegen, gilt als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der dreißigste Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze. Bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sind mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind (§ 240 Abs 2 Satz 1 SGB V). Für freiwillige Mitglieder, die hauptberuflich selbstständig tätig sind, gilt als beitragspflichtige Einnahme für den Kalendertag der dreißigste Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze, bei Nachweis niedrigerer Einnahmen jedoch mindestens der vierzigste, für freiwillige Mitglieder, die einen monatlichen Gründungszuschuss nach § 93 des Dritten Buches oder eine entsprechende Leistung nach § 16b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) erhalten, der sechzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße (§ 240 Abs 4 Satz 2 SGB V). Dabei können Veränderungen der Beitragsbemessung auf Grund eines vom Versicherten geführten Nachweises nach Satz 2 nur zum ersten Tag des auf die Vorlage dieses Nachweises folgenden Monats wirksam werden, § 240 Abs 4 Satz 6 SGB V. Aus der gesetzlichen Regelung folgt, dass für die Beitragsbemessung bei nicht vorgelegten Nachweisen als Höchstbeitrag der dreißigste Teil der jeweils gültigen Beitragsbemessungsgrenze nach § 223 SGB V in Ansatz zu bringen ist (KassKomm/Peters, § 240 SGB V RdNr 28).

So liegt der Fall hier. Die Antragstellerin hat trotz zahlreicher Nachfragen keine substantiierten und nachvollziehbaren Nachweise vorgelegt, so dass die Antragsgegnerinnen für die Zeit ab 01.04.2015 nur Höchstbeiträge festsetzen konnten. Soweit die Antragstellerin erstmals im Beschwerdeverfahren im November 2017 das für sie zuständige Finanzamt aufgesucht und dem Senat mitgeteilt hat, sie werde nach Erhalt die Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2015 und 2016 vorlegen, führt dies nicht zu einer veränderten Betrachtung, da Veränderungen der Beitragsbemessung auf Grund eines vom Versicherten geführten Nachweises nur zum ersten Tag des auf die Vorlage dieses Nachweises folgenden Monats wirksam werden (§ 240 Abs 4 S 6 SGB V). Die Beiträge sind nach in zutreffender Höhe festgesetzt worden, wie das SG ausführlich unter Nennung der einschlägigen Rechtsgrundlagen und der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler dargelegt hat. Der Senat nimmt insoweit vollumfänglich auf die Ausführungen des SG Bezug und weist die Beschwerde aus den Gründen der Entscheidung des SG als unbegründet zurück (§ 153 Abs 2 SGG).

Die Höhe der festgesetzten Säumniszuschläge ist ebenfalls nicht offensichtlich rechtswidrig. Rechtsgrundlage hierfür ist § 24 SGB Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Die Antragstellerin hat im Übrigen keine Umstände geltend gemacht hat, die eine unbillige Härte, die mit den guten Sitten nicht vereinbar wäre, begründen würde (Rechtsgedanke des § 86a Abs 3 Satz 2 SGG bzw des § 756a ZPO). Allein die mit der Zahlung auf eine rechtmäßige Beitragsforderung für sie verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen führen nicht zu einer solchen Härte, da sie lediglich Ausfluss der Erfüllung gesetzlich auferlegter Pflichten sind (vgl Senatsbeschluss vom 04.09.2013, L 11 R 2315/13 ER-B). Aus demselben Grund begründet auch die Höhe einer Beitragsforderung allein keine unbillige Härte (zum Ganzen Beschluss des Senats vom 30.07.2015, L 11 KR 3149/15 ER, juris).

Auch soweit die Antragstellerin die Einstellung der Zwangsvollstreckung und damit den Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt, ist die Beschwerde nicht begründet.

Nach § 86b Abs 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist Voraussetzung, dass ein dem Antragsteller zustehendes Recht oder rechtlich geschütztes Interesse vorliegen muss (Anordnungsanspruch), das ohne Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes vereitelt oder wesentlich erschwert würde, so dass dem Antragsteller schwere, unzumutbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund müssen glaubhaft gemacht sein (§ 86b Abs 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs 2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Glaubhaftmachung liegt vor, wenn das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrunds überwiegend wahrscheinlich sind. Dabei dürfen sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (BVerfG 13.04.2010, 1 BvR 216/07; BVerfG, 06.08.2014, 1 BvR 1453/12, juris).

Da die angefochtenen Bescheide der Antragsgegnerinnen nach summarischer Prüfung rechtmäßig sind, fehlt es am Anordnungsanspruch wie das SG zutreffend ausgeführt hat. Der Senat nimmt auch insoweit vollumfänglich auf die Ausführungen des SG Bezug und weist die Beschwerde aus den Gründen der Entscheidung des SG als unbegründet zurück (§ 153 Abs 2 SGG). Auch ein Anordnungsgrund ist nicht glaubhaft gemacht, da zum einen nicht ersichtlich ist, dass bereits vollstreckt wird und zum anderen die Antragstellerin nach erstmals im Beschwerdeverfahren im November 2017 Kontakt mit dem für sie zuständigen Finanzamt aufgenommen und damit nach Auffassung des Senats hat erkennen lassen, dass die Klärung des Sachverhalts aus ihrer Sicht nicht eilig ist. Die bisherigen Unklarheiten im Sachverhalt hinsichtlich ihrer Einkommensverhältnisse hat die Antragstellerin zu vertreten, weshalb was bei der Frage der Eilbedürftigkeit in die Abwägung einzustellen ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017,§ 86b RdNr 29a mwN).

Soweit die Rechtsprechung in Ausnahmefällen einen Anspruch nach § 86b Abs 2 Satz 1 SGG auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung für Sachverhalte offensichtlich rechtswidriger Beitragsbescheide anerkannt hat (vgl Thüringer LSG 10.06.2015, L 6 KR 430/15 B ER; LSG Berlin-Brandenburg 13.11.2013, L 9 KR 254/13 B ER), sind diese Voraussetzungen vorliegend nach dem Vorstehenden nicht gegeben.

Auch die Voraussetzungen eines Vollzugsbeseitigungsanspruchs gemäß § 86b Abs 1 Satz 2 SGG liegen nicht vor. Zwar hat die Antragstellerin eine Vollstreckungsankündigung des Hauptzollamtes H. vom 07.03.2017 vorgelegt. Ob jedoch tatsächlich vollstreckt wird ist anhand der Akten nicht ersichtlich und wurde von der Antragstellerin auch im Antrags- und Beschwerdeverfahren nicht vorgetragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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