Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
49
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 49 AS 1653/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beigeladene wird im Wege einstweiliger Anordnung vorläufig dazu verpflichtet, der Antragstellerin für die Zeit vom 19.04.2016 bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, längstens jedoch für sechs Monate, Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel des Zwölften Buch Sozialgesetzbuch [SGB XII] in Form des jeweiligen Regelsatzes unter Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Beigeladene hat der Antragstellerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu 1/3 erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens um die Verpflichtung der Antragsgegnerin bzw. der Beigeladenen, der Antragstellerin vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch [SGB II] oder Hilfe zum Lebensunterhalt nach Maßgabe der Bestimmungen des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch [SGB XII] zu gewähren.
Die am 15.11.19xx in Afghanistan geborene Antragstellerin ist norwegische Staatsbürgerin. Sie ist in Pakistan aufgewachsen bevor ihre Familie nach Norwegen auswanderte. Dort ist die Antragstellerin von ihren Eltern mit einem Afghanen verheiratet worden, von dem sie in der Folgezeit körperlich misshandelt wurde. Die Antragstellerin unternahm mehrere Suizidversuche.
Nach Erhalt der norwegischen Staatsbürgerschaft reiste die Antragstellerin Ende 2014 bzw. Anfang 2015 nach Deutschland, um dort bei einem Verwandten zu leben. Ob es sich bei diesem Verwandten um den Bruder oder einen Vetter der Antragstellerin handelt, konnte nicht abschließend geklärt werden, da die Antragstellerin hierzu unterschiedliche Angaben macht. Seit dem 03.06.2015 wohnte die Antragstellerin bei diesem Verwandten in Essen, H.-Str ... Sie selbst arbeitete zu keinem Zeitpunkt in Deutschland.
Die Antragstellerin beantragte am 11.06.2015 Leistungen bei der Antragsgegnerin, welche ihr mit Bescheid vom 25.08.2015 für den Zeitraum vom 01.09.2015 bis zum 31.03.2016 bewilligt worden sind.
Am 03.08.2015 unterschrieb die Antragstellerin eine Eingliederungsvereinbarung für den Zeitraum vom 03.08.2015 bis zum 02.02.2016, längstens jedoch bis zum Ende des Leistungsanspruches. Seit dem 19.10.2015 nahm die Antragstellerin an einem Vollzeitintegrationskurs teil, welcher von der Antragsgegnerin zuvor vermittelt und bewilligt worden war. Die Antragstellerin erwarb im Rahmen dessen bei der schriftlichen und mündlichen Deutschprüfung der Niveau-Stufen A1 und A2 die Noten "Befriedigend" und "Gut".
Zum 01.12.2015 zog die Antragstellerin in ein Frauenhaus in E ... Den Grund hierfür bildeten nach der Darstellung der Antragstellerin gewaltige Übergriffe ihres Verwandten und dessen Absicht sie gegen ihren Willen zwangszuverheiraten. Der Verwandte habe gegenwärtig keine Kenntnis vom Verbleib der Antragstellerin.
Am 30.03.2016 stellte die Antragstellerin einen Weiterbewilligungsantrag bei der Antragsgegnerin. Diese lehnte den Antrag durch Bescheid vom 04.04.2016 ab. Zur Begründung trug die Antragsgegnerin vor, dass die Antragstellerin nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen sei.
Zusätzlich sprach die Antragstellerin am 14.04.2016 beim Sozialamt der Stadt E. vor. Dort erklärte man ihr, es könne nur eine Fahrkarte nach Norwegen finanziert werden.
Mit Schreiben vom 21.04.2016 erhob die Antragstellerin Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid der Antragsgegnerin. Zur Begründung führte sie aus, dass sie sich seit dem 01.04.2016 in einer akuten Notlage befinde. Sie könne keine Miete für den Aufenthalt im Frauenhaus mehr zahlen. Sie sei mittel- und wohnungslos. Sie habe sich in ärztlicher Behandlung befunden, habe diese aber abbrechen müssen, da sie nicht mehr krankenversichert gewesen sei. Sie sei auf ein Sozialticket angewiesen, um die Schule zu besuchen. Ihre Familie habe seit Dezember 2015 den Kontakt zu ihr abgebrochen. Nach Abschluss des Integrationskurses im Juni 2016 wolle sie sich umgehend eine Arbeitsstelle suchen. Sie lebe seit neun Monaten in E., habe in Norwegen alles aufgegeben und ihren Aufenthalt in Deutschland verfestigt. In Norwegen sei sie möglicherweise schlimmeren, familiären Anfeindungen ausgesetzt. Sie sei bereit, sich weiterhin in die deutsche Gesellschaft und den deutschen Arbeitsmarkt zu integrieren und hier zu bleiben.
Am 19.04.2016 hat die Antragstellerin einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Zur Begründung ihres Antrages trägt die Antragstellerin vor, sie erhalte seit dem 01.04.2016 keine Leistungen mehr und befinde sich deshalb in akuter Notlage. Auch das Frauenhaus erhalte keine Leistungen in Form von Miete oder Wohnkosten mehr. Die Antragstellerin suche intensiv nach einer Arbeit; z.B. habe sie schon erfolglos bei Primark, H&M, Espirit, diversen Restaurants und Reinigungsfirmen vorgesprochen. Es sei überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragstellerin sozialhilfeberechtigt sei, weil sie ihren Lebensunterhalt nicht im Sinne der §§ 19 Abs. 1, 27 Abs. 1 SGB XII aus eigenen Mitteln decken könne. Sie verfüge weder über Einkommen noch über anrechenbares Vermögen. Seit dem 01.04.2016 beziehe sie keine Leistungen mehr. Angesichts des Umstandes, dass sich die Antragstellerin bereits länger als 6 Monate in der Bundesrepublik Deutschland aufhalte, seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, die gegen eine Ermessensreduzierung auf Null sprechen. Es liege ein verfestigter Aufenthalt in Deutschland vor. Dass die Antragstellerin nicht mehr mit ihrem Verwandten in einem Haushalt wohne, sondern in das Frauenhaus geflüchtet sei, spreche nicht gegen eine Verfestigung. Denn die Antragstellerin habe bewusst Norwegen verlassen, um die von ihren Eltern arrangierte Ehe faktisch zu beenden. Sie habe nicht damit gerechnet, dass sie von ihrem Verwandten hier in Deutschland zu einem ähnlichen Verhalten gedrängt werden würde. Sie sei daher in das Frauenhaus gezogen, um ihr freies und selbstbestimmtes Leben nicht erneut zu verlieren. Die Verfestigung lasse sich auch an ihrer erfolgreichen Teilnahme an Deutschkursen erkennen. Die Antragstellerin sei auch nicht nach §§ 21, 23 SGB XII von Leistungen ausgeschlossen. Es bestünde kein Aufenthaltsrecht aus §§ 2, 3, 4, 4a i.V.m. § 12 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern [FreizügG/EU]. Die Beigeladene sei nach § 98 Abs. 1 S. 1 SGB XII als örtlicher Träger zuständig, da sich die Antragstellerin gegenwärtig in ihrem Zuständigkeitsbereich aufhalte.
Die Antragsstellerin beantragt sinngemäß,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (ALG II) in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
Die Antragsgegnerin beantragt mit Schriftsatz vom 29.04.2016,
1. den Antrag abzulehnen und 2. zu entscheiden, dass Kosten gemäß § 193 Sozialgerichtsgesetz [SGG] nicht zu erstatten sind.
Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, es bestünde kein Anordnungsanspruch, da ein Ausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II vorliege. Ein anderes materielles Aufenthaltsrecht sei nicht ersichtlich. Zwar könne sich die Antragstellerin als norwegische Staatsangehörige über § 12 FreizügG/EU als Staatsangehörige eines EWR-Staates grds. auf die Einreise- und Aufenthaltsrechte für Unionsbürger nach § 2 FreizügG/EU berufen, in dem konkreten Fall der Antragstellerin sei aber kein Recht aus § 2 Abs. 2 FreizügG/EU einschlägig. Insbesondere falle die Teilnahme an einem Integrationskurs nicht unter § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 3 FreizügG/EU, da die Antragstellerin dadurch nicht zur Erbringerin oder Empfängerin von Dienstleistungen werde. Auch wenn die Einreise ursprünglich mit dem Zusammenziehen mit dem Verwandten der Antragstellerin stand, scheide § 7 Abs. 2 Nr. 6 FreizügG bereits deshalb aus, da die Antragstellerin den Haushalt ihres Bruders verlassen habe. Überdies seien keine ausreichenden Finanzmittel vorhanden. Die Fünfjahresgrenze aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 FreizügG/EU i.V.m. § 4a FreizügG/EU sei noch nicht erreicht. Auch aus dem Aufenthaltsgesetz, dessen Anwendung nach § 11 FreizügG/EU grundsätzlich möglich bliebe, ergebe sich kein materielles Aufenthaltsrecht der Antragstellerin. Ein solches Recht folge auch nicht aus dem Umstand, dass die Antragstellerin durch ihren Bruder gewaltsam zur Heirat gezwungen werden sollte. Denn mögliche strafbare Handlungen in diesem Zusammenhang seien in Deutschland begangen worden.
Das Gericht hat durch Beschluss vom 20.05.2016 die Stadt E., Amt für Soziales und Wohnen notwendig nach § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG] beigeladen. Die Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag. Sie ist der Ansicht, die Antragstellerin sei als unstreitig erwerbsfähige Person nach § 21 SGB XII von Leistungen nach dem SGB XII ausgeschlossen. SGB II und SGB XII stünden hinsichtlich ihrer Leistungen zur Existenzsicherung zueinander nicht im Vorrang-Nachrang-Verhältnis, sondern vielmehr gleichrangig und selbstständig nebeneinander in einem Ausschließlichkeitsverhältnis. Die Abgrenzung erfolge grundsätzlich über den Begriff der Erwerbsfähigkeit und solle unter anderem durch § 21 SGB XII gewährleistet werden. Die Beigeladene beruft sich hinsichtlich ihrer Rechtsauffassung auf verschiedene Entscheidungen aus der Rechtsprechung (u.a. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 07.03.2016 – L 12 SO 79/16 B ER; SG Duisburg, Beschl. v. 17.05.2016 – S 33 AS 871/16 ER). Der Ausschluss von EU Ausländern, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe, verstoße nicht gegen Art. 1 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz [GG]. Der Gesetzgeber habe mit dem Leistungsausschluss den Nachrang des deutschen Sozialversicherungssystems gegenüber dem des Herkunftslandes nominiert. Dieser Ausschluss sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Antragstellerin könne jederzeit in ihr Herkunftsland Norwegen zurückreisen. Norwegen sei zwar kein Mitgliedstaat der Europäischen Union, habe sich jedoch durch den Beitritt als EWR-Staat verpflichtet, die Werte des Art. 2 Vertrag über die Europäische Union (EUV) einzuhalten. Die Antragstellerin könne dort ihren Lebensunterhalt sicherstellen. Gründe, die eine Rückkehr ins Heimatland unzumutbar erscheinen lassen würden, seien weder vorgetragen noch seien diese nach dem vorliegenden Sachverhalt erkennbar. Der Beigeladenen erschließe sich die Aussage der Antragstellerin nicht, dass sie in Norwegen familiären Repressalien unterliegen würde, obwohl sie angegeben habe, aufgrund der Familienzusammenführung nach Deutschland gekommen zu sein und auch dort vor der Familie ins Frauenhaus habe flüchten müssen. Der Schutz vor häuslicher Gewalt werde auch in Norwegen geboten und sei aufgrund der Entfernung zu Essen wirksamer, als der Aufenthalt im Frauenhaus in Essen, da auch zufällige Begegnungen wahrscheinlich seien. Das LSG Nordrhein-Westfalen stelle weiter fest, dass eine Prüfung, inwiefern ein Hilfebedürftiger in seinem Heimatland das Existenzminimum nach deutschen Maßstäben sichern könne, nicht anzustellen sei. Auf Leistungen der Bundesrepublik Deutschland seien EWR Staatsangehörige zu Sicherung einer menschenwürdigen Existenz regelmäßig nicht angewiesen. Insoweit sei die Beigeladene bereit, für die Antragstellerin gemäß § 73 SGB XII eine Rückkehrhilfe in Form einer Fahrkarte nach Norwegen und eines Verzehrgeldes zu leisten. Eine mehr als kurzfristige Hilfeleistung sei aus Sicht der Beigeladenen nicht erforderlich, da die Antragstellerin über keinen eigenen Haushalt verfüge und sich auch somit die Frage des verfestigten Aufenthaltes in Deutschland stelle. Woran die Antragstellerin außer an der Dauer des Aufenthalts es in Deutschland fest machen wolle, dass ein verfestigte Aufenthalt vorliege, vermöge die Beigeladene nicht zu erkennen, da die Antragstellerin weder über feste familiäre noch weitere soziale Kontakte verfüge, keine Arbeitsstelle oder Wohnung habe. Weiterhin sei auf den Referentenentwurf vom 28.4.2016 zur Änderung des SGB II und SGB XII für ausländische Person hingewiesen. Dieser stelle die Rechtslage nochmals im Sinne der Rechtsauffassung der Beigeladenen klar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Leistungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen. Diese Inhalte sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.
II.
Der Antrag der Antragstellerin ist nach § 86b Abs. 2 S. SGG zulässig und hinsichtlich der Beigeladenen teilweise begründet.
1. Der Antrag ist analog § 123 SGG im Sinne des Meistbegünstigungsprinzips so auszulegen, dass inhaltlich auch Leistungen nach dem SGB XII beansprucht werden. Dass die Antragstellerin trotz erfolgter Beiladung der Stadt Essen, Amt für Soziales und Wohnen nicht zumindest hilfsweise deren Verpflichtung zur Leistungserbringung nach dem SGB XII beantragt hat, ändert nichts daran, dass ein derartiger (Hilfs-) Antrag nach dem Meistbegünstigungsprinzip stillschweigend unterstellt werden kann, wenn – wie hier - ein Fall der notwendigen Beiladung vorliegt (BSG, Urt. v. 03.12.2015 – B 4 AS 44/15 R, juris, Rn. 13; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 75 SGG, Rn. 18a m.w.N.). Etwas anderes gilt nur dann, wenn ein Antragsteller diese Verurteilung ausdrücklich abgelehnt haben sollte (BSG, Urt. v. 15.01.1959 - 4 RJ 111/57 - BSGE 9, 67, 70; BSG, Urt. v. 02.11.2000 - B 11 AL 25/00 R, juris, Rn. 25).
Für die Begehren der Antragstellerin eine Verpflichtung bzgl. noch nicht bewilligter Leistungen zu erhalten ist die Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG statthaft. In einem Hauptsacheverfahren wäre hierfür eine allgemeine Leistungsklage zu erheben, so dass kein Fall eines vorrangigen einstweiligen Rechtsschutzes nach § 86b Abs. 1 SGG vorliegt.
2. Bezüglich einer vorrangig geltend gemachten Verpflichtung der Antragsgegnerin hinsichtlich Leistungen nach dem SGB II ist der Eilantrag unbegründet.
Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zu Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass das geltend gemachte Begehren im Rahmen der beim einstweiligen Rechtsschutz allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung begründet erscheint (Anordnungsanspruch) und erfordert zusätzlich die besondere Eilbedürftigkeit der Durchsetzung des Begehrens (Anordnungsgrund). Eilbedarf besteht, wenn dem Betroffenen ohne die Eilentscheidung eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.05.2005 - 1 BvR 569/05; Beschl. v. 16.05.1995 - 1 BvR 1087/91). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO). Wenn die Hauptsacheklage offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist, ist ein Recht, das geschützt werden muss, nicht vorhanden (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 86b SGG, Rn. 29). Hat die Hauptsache hingegen offensichtlich Aussicht auf Erfolg, ist dem Eilantrag stattzugeben, wenn die Angelegenheit eine gewisse Eilbedürftigkeit aufweist. Bei offenem Ausgang muss das Gericht anhand einer Folgenabwägung entscheiden, die die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend einstellt (BVerfG, Beschl. v. 12.05.2005 - 1 BvR 569/05; vgl. auch Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 86b SGG, Rn. 29 f.).
Im vorliegenden Fall ist kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin erscheint nach summarischer Prüfung vielmehr über § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von den Leistungen des SGB II ausgeschlossen.
Nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sind von den Leistungen des SGB II Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, ausgenommen. Diese Ausschlussvoraussetzungen sind im Fall der Antragstellerin erfüllt. Die Antragstellerin ist keine deutsche Staatsbürgerin, sondern besitzt die norwegische Staatsbürgerschaft. Sie hält sich allenfalls auch allein zum Zweck der Arbeitssuche in Deutschland auf, da jedenfalls keine anderen Aufenthaltsrechte für die Antragstellerin ersichtlich sind. Der Ausschlussgrund des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ist dabei systematisch im Hinblick auf die Vorschriften des FreizügG/EU zu bestimmen, wonach das Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche (§ 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizüG/EU) in Abgrenzung zu den anderen Aufenthaltsrechten des FreizügG/EU so auszulegen ist, dass ein Aufenthalt nicht allein zur Arbeitssuche erfolgt, wenn (auch) die Voraussetzungen eines anderen Aufenthaltsrechts verwirklicht sind (vgl. BSG, Urt. v. 03.12.2015 - B 4 AS 44/15 R, juris, Rn. 17 ff.). Das FreizügG/EU findet dabei über § 12 FreizügG/EU auch auf norwegische Staatsangehörige Anwendung, da Norwegen zu den Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums [EWR] zählt.
Es kann im vorliegenden Verfahren offen bleiben, ob der Antragstellerin ein Aufenthaltsrecht (allein) zur Arbeitssuche oder überhaupt kein materielles Aufenthaltsrecht mehr zusteht, denn selbst wenn ihr ein solches nicht zustehen würde, wäre sie gem. § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen (BSG, Urt. v. 03.12.2015 - B 4 AS 44/15 R, juris, Rn. 19 ff.).
Andere Aufenthaltsrechte als zum Zwecke der Arbeitssuche nach § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU kommen für die Antragstellerin jedenfalls nicht in Betracht.
a) Die Antragstellerin ist nicht Arbeitnehmerin i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 FreizügG/EU, da zu keinen Zeitpunkt nach ihrer Einreise in der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich gearbeitet hat.
b) Die Antragstellerin ist nicht auch nicht wegen ihrer Teilnahme am Vollzeitintegrationskurs Empfängerin von Dienstleistungen i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 4 FreizügG/EU. Der Besuch eines Vollzeitintegrationskurses, zu dessen Teilnahme die Antragstellerin zudem durch eine Eingliederungsvereinbarung verpflichtet worden ist, stellt keine marktrelevante, wirtschaftlich geprägte Tätigkeit nach dem europäischen Dienstleistungsbegriff dar (vgl. auch: SG Duisburg, Beschl. v. 10.03.2016 – S 47 AS 49/16 ER).
c) Die Antragstellerin hat ferner kein Daueraufenthaltsrecht in Deutschland nach § 2 Abs. 2 Nr. 7 i.V.m. § 4a FreizügG/EU erworben, da sie sich frühestens erst seit Ende 2014 in Deutschland aufgehalten hat.
d) Das Gericht kann im vorliegenden Fall offenlassen, ob es sich bei dem Verwandten der Antragstellerin in Essen um den Bruder oder Vetter der Antragstellerin handelt. Denn selbst wenn es sich vorliegend um den Bruder der Antragstellerin handeln sollte, ist dies kein Verwandter i.S.d. § 3 FreizügG/EU (vgl. zu dieser Frage auch: VG Berlin, Urt. v. 19.03.2015 – 4 K 622.13 V, juris, Rn. 15). Darüberhinaus ist nicht glaubhaft gemacht, dass sich hieraus für die Antragstellerin ein Aufenthaltsrecht aus § 2 Abs. 2 Nr. 6 i.V.m. §§ 3, 4 FreizügG/EU ergebe, da nicht glaubhaft gemacht ist, dass ausreichende Finanzmittel vorhanden sind, um den Lebensunterhalt sicherzustellen. Schließlich kann auch das vorausgesetzte Ziel einer Familienzusammenführung nicht mehr erreicht werden, nachdem die Antragstellerin vor diesem Verwandten in das Frauenhaus geflohen ist.
e) Desweiteren teilt das Gericht die Ansicht der Antragsgegnerin, dass auch kein Aufenthaltsrecht aus dem Aufenthaltsgesetz [AufenthG] – dessen teilweise Anwendbarkeit durch § 11 FreizügG/EU ausdrücklich angeordnet wird - ersichtlich ist. Sofern zwar nach dem Vortrag der Antragstellerin auch in Norwegen bereits Straftaten seitens ihrer Familie begangen worden sind, hat die Antragstellerin jedenfalls nicht geltend gemacht, dass sie gerade in Norwegen so erheblich (mehr-) gefährdet wäre, dass ihr eine Rückkehr nicht zugemutet werden könne. Es sind keine Anzeichen dafür vorhanden, dass der norwegische Staat nicht in der Lage wäre die Antragstellerin – in vergleichbarer Weise wie der deutsche Staat – vor Übergriffen ihrer Familie zu schützen.
3. Hinsichtlich einer Verpflichtung der Beigeladenen ist der Antrag teilweise begründet. Die Beigeladene war zu verpflichten, Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel des SGB XII in Form des jeweiligen Regelsatzes zu gewähren. Die Verpflichtung der Beigeladenen war jedoch auf die jeweiligen Regelsätze nach § 27 Abs. 3 SGB XII zu beschränken, da hinsichtlich weiterer Bedarfe – wie bspw. Unterkunftskosten - kein Anordnungsgrund gegeben ist.
Die Beigeladene kann im vorliegenden Verfahren zur Leistung verpflichtet werden. § 75 Abs. 2 und 5 SGG finden im Eilverfahren entsprechende Anwendung (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 75 SGG, Rn. 4). Ob im Fall einer sog. Optionskommune eine Beiladung vor Verpflichtung des Sozialhilfeträgers erforderlich bzw. möglich ist, da dieser mit dem Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende identisch ist, ist umstritten. Von einer Beiladungsnotwendigkeit auch bei Optionskommunen scheint gegenwärtig u.a. der 14. Senat des Bundessozialgerichts und der 6. Senat des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen auszugehen (BSG, Urt. v. 16.12.2015 – B 14 AS 15/14 R, Rn. 41 ff. m.w.N.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 27.04.2016 – L 6 AS 407/16 B ER, juris, Rn. 32). Gegen eine eigene Beiladung des Sozialhilfeträgers bei Optionskommunen hat sich hingegen u.a. das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen ausgesprochen (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 12.05.2014 – L 8 SO 31/14 B ER, juris, Rn. 17). Das Gericht schließt sich in dieser Frage einer vermittelnden Ansicht an, wie sie bspw. vom Sozialgericht Wiesbaden vertreten wird (vgl. SG Wiesbaden, Beschl. v. 15.01.2008 – S 16 AS 690/07 ER), nach der eine Beiladung als Klarstellung jedenfalls im Hinblick auf die alternative Behandlung der Leistungssysteme des SGB II und SGB XII durch die Rechtsprechung angezeigt ist. Wenn das Bundessozialgericht zumindest im Hauptsacheverfahren bei alternativ zur Anwendung kommenden Ansprüchen nach SGB II und SGB XII einen Fall der notwendigen Beiladung sieht (vgl. BSG, Urt. v. 07.11.2006 - B 7b AS 14/06 R, juris, Rn. 11; so wohl auch: BSG, Urt. v. 03.12.2015 – B 4 AS 44/15 R, juris, Rn. 13) kann diese Grundentscheidung nicht mit der rein verwaltungsorganisationsrechtliche Regelung des § 6a SGB II überspielt werden. Mit dieser Regelung sollte kein "Sonderprozessrecht" geschaffen. Insofern ist es aus Sicht des Gerichtes nicht angezeigt im Fall einer sog. Optionskommune von den allgemeinen Grundsätzen abzuweichen, wie sie auch in den anderen Situationen anerkannt ist. Daher können die Rechtsfolgen der § 75 Abs. 2 und 5 SGG auch auf den Antragsgegner als Optionskommune angewandt werden, da sich die Frage nach dem anzuwendenden Leistungssystem anhand verschiedener Einzelfallumstände bestimmt und insoweit eine einheitliche Entscheidung geboten bleibt. Diese Einheitlichkeit soll durch § 75 Abs. 2 und 5 SGG sichergestellt werden (vgl. BSG, Urteil vom 15. Januar 1959 – 4 RJ 111/57, juris, Rn. 18). Zudem verwirklicht die Beiladung effektiv die prozessualen Rechte des Antragsgegners auf rechtliches Gehör und trägt dem Umstand Rechnung, dass die betroffenen Behörden oder Einrichtungen desselben Rechtsträgers eine gewisse Verselbstständigung erfahren haben und Inhaber eigener Rechte und Pflichten im Verhältnis zueinander sind, über die im Streitfall von der gemeinsamen Spitze nicht verbindlich entschieden werden kann (so im Ergebnis auch: BSG, Urt. v. 16.12.2015 – B 14 AS 15/14 R, Rn. 43 m.w.N.). Denn die jeweiligen Fachkammern beinhalten auch die jeweils größte Sachkunde zu einem Rechtsgebiet. Durch die Beiladung des jeweils anderen Trägers existenzsichernder Leistungen erhält so die Optionskommune die Möglichkeit deren Stellungnahmen in einen Prozess einfließen zu lassen. Allein durch die organisatorische Ausgestaltung dürfen diese Rechte zur umfassenden Stellungnahme nicht beschnitten werden, wenn das Gericht beabsichtigt eine ressortübergreifende Entscheidung zu treffen.
Für die Dauer der gerichtlichen Regelungsanordnung bestimmt das Gericht den Zeitraum von längstens sechs Monaten ab dem 19.04.2016. Maßgeblich für den Beginn der Regelungsanordnung ist dabei der Tag der Antragstellung bei Gericht, da im einstweiligen Rechtsschutz eine Verpflichtung des Antragsgegners für Zeiträume, die vor der Antragstellung bei Gericht liegen, nicht in Betracht kommt (vgl. zur ausführlichen Herleitung: Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Aufl., Rn. 259 m.w.N.). Für den Endzeitpunkt der Regelungswirkung der gerichtlichen Regelungsanordnung hält das Gericht bei seiner gerichtlichen Ermessensentscheidung (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 938 Abs. 1 ZPO) den Zeitraum von sechs Monaten für ausreichend, um die Rechte der Antragstellerin einstweilen zu sichern.
a) Nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage (s. unter 2.), spricht viel dafür, dass die Antragstellerin einen Anspruch auf Leistungen zu ihrem Lebensunterhalt gegen die Beigeladene nach dem 3. Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch (SGB XII) hat. Der Anordnungsanspruch ist insofern glaubhaft gemacht.
Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf Leistungen nach § 27 Abs. 1 SGB XII. Nach dieser Vorschrift ist Hilfe zum Lebensunterhalt an Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln bestreiten können. Die Antragstellerin erfüllt diese Voraussetzungen, denn sie verfügt weder über Einkommen noch über Vermögen (vgl. LSG NRW, Beschl. v. 27.04.2016 - L 6 AS 407/16 B ER; Beschl. v. 21.04.2016 - L 6 AS 389/16 B ER; Beschl. v. 24.03.2016 - L 19 AS 289/16 B ER).
aa) Die Antragstellerin ist auch nicht gem. § 21 SGB XII vom Leistungsbezug nach dem SGB XII ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift erhalten Personen, die nach dem Zweiten Buch als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt. Die Antragstellerin erfüllt diese Ausschlussvoraussetzung nicht, da sie gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen ist (s. unter 2.). Der Leistungsausschluss im SGB II eröffnet nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts den Weg ins SGB XII, denn § 21 SGB XII greift für den Ausschlussgrund des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II nicht ein. Das Gericht schließt sich in diesem Zusammenhang der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts an, nach der § 21 SGB XII nicht auf Erwerbsfähige anzuwenden ist, die nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind (grundlegend: BSG, Urt. v. 03.12.2015 - B 4 AS 44/15 R, juris, Rn. 40 ff.; so u.a. auch: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 16.12.2015 - L 7 AS 1466/15 B ER; SG Neuruppin, Beschl. v. 22.03.2016 - S 26 AS 378/16 ER; SG Karlsruhe, Beschl. v. 13.01.2016 - S 17 AS 4258/15 ER; SG Dortmund, Beschl. v. 11.02.2016 - S 62 SO 43/16 ER; andere Ansicht: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 07.03.2016 – L 12 SO 79/16 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 07.03.2016 - L 15 AS 185/15 B ER; SG Duisburg, Beschl. v. 17.05.2016 – S 33 AS 871/16 ER; SG Freiburg, Beschl. v. 14.04.2016 - S 7 SO 773/16 ER; SG Berlin, Beschl. v. 07.04.2016 - S 92 AS 359/16 ER; Beschl. v. 02.03.2016 - S 205 AS 1365/16 ER; SG Reutlingen, Urt. v. 23.03.2016 - S 4 AS 114/14; SG Dortmund, Beschl. v. 11.02.2016 - S 35 AS 5396/15 ER). Die Annahme der Gegenansicht, dass § 21 SGB XII eine trennscharfe Abgrenzung zwischen erwerbsfähigen und nichterwerbsfähigen Personen vornähme, nach der erwerbsfähige Personen allenfalls einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II geltend machen könnten, entsprach in dieser Pauschalität nie der Rechtswirklichkeit. Auch in anderen Zusammenhängen werden erwerbsfähigen Personen – entgegen des Wortlautes des § 21 SGB XII – Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII gewährt (bspw. für den Ausschluss eines Erwerbsfähigen nach § 7 Abs. 4 S. 1 SGB II wegen einer ausländischen Altersrente: BSG, Urt. v. 16.05.2012 – B 4 AS 105/11 R, juris, Rn. 23 ff.; vgl. allgemein: Eicher, in: jurisPK, § 21 SGB XII, Rn. 34 ff. m.w.N. aus der Rechtsprechung). Für den Fall des Ausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ist eine weitere Ausnahme vom Grundsatz des § 21 SGB XII zuzulassen. Die Annahme der grundsätzlichen Möglichkeit eines Rückgriffes auf die Vorschriften des SGB XII, sofern eine erwerbsfähige Person von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist, erscheint insbesondere auch vor dem Hintergrund systematisch stimmig, dass § 21 SGB XII als Sonderregelung erwerbsfähige Personen, die ansonsten ohne diese Regelung von dem SGB XII erfasst werden würden, ausdrücklich zugunsten des SGB II aus dem Anwendungsbereich des SGB XII herausnimmt.
bb) Die Antragstellerin ist auch nicht über § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII vom Leistungsbezug nach dem SGB XII ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift haben Ausländer, die eingereist sind um Sozialhilfe zu erlangen, oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, sowie ihre Familienangehörigen keinen Anspruch auf Sozialhilfe. Die Antragstellerin erfüllt zwar die Voraussetzungen dieser Vorschrift, da sich ihr Aufenthaltsrecht entweder allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt oder sie bei nicht bestehenden materiellen Aufenthaltsrecht "erst recht" vom Leistungsbezug ausgeschlossen wäre. Der Ausschluss ist jedoch im Hinblick auf das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG) teleologisch in der Weise eingeschränkt anzuwenden, dass er sich nur auf die Pflichtleistungen nach § 23 Abs. 1 S. 1 SGB XII bezieht, nicht jedoch auf die Ermessensleistungen nach § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII (BSG, Urt. v. 03.12.2015 - B 4 AS 44/15 R, juris, Rn. 44 ff., 57). Dies ergibt sich auch aus der Systematik des § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII im Verhältnis zu § 23 Abs. 1 S. 1 und 3 SGB XII (BSG, Urteil vom 03.12.2015 - B 4 AS 44/15 R, juris, Rn. 44 ff., 53 ff.).
cc) Nach § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII kann im Übrigen Sozialhilfe geleistet werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. Die Vorschrift räumt dem Sozialhilfeträger grundsätzlich Ermessen ein. Das Ermessen des Sozialhilfeträgers ist jedoch dem Grunde und der Höhe nach hinsichtlich der Hilfe zum Lebensunterhalt auf Null reduziert, wenn sich das Aufenthaltsrecht des ausgeschlossenen Ausländers verfestigt hat. Davon ist regelmäßig ab einem sechsmonatigen Aufenthalt in Deutschland auszugehen (BSG, Urt. v. 03.12.2015, Az.: B 4 AS 44/15 R, juris, Rn. 53).
Im vorliegenden Verfahren ist das Ermessen der Beigeladenen hinsichtlich der Antragstellerin auf Null reduziert, da sie sich jedenfalls seit dem 03.06.2015 in Deutschland aufhält und insofern eine ausreichende Aufenthaltsverfestigung vorliegt. Die Frage, ob auch aus anderen Gründen von einer Aufenthaltsverfestigung auszugehen ist (bspw. weil der Antragstellerin eine Rückkehr nach Norwegen nicht zugemutet werden kann), kann das Gericht daher offenlassen. Entgegen der Ansicht der Beigeladenen bedarf es bei einem Aufenthalt von über sechs Monaten gerade nicht des Vorliegens fester familiärer oder anderer sozialer Kontakte. Darüber hinaus dürften die festesten sozialen Kontakte der Antragstellerin nach dem Bruch mit ihrer Familie in Norwegen gegenwärtig in Deutschland liegen, selbst wenn man die Ansicht der Beigeladenen teilen sollte.
b) Die Antragstellerin hat hinsichtlich der Hilfe zum Lebensunterhalt auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Es liegt eine besondere Eilbedürftigkeit vor, denn die Antragstellerin, die über kein Einkommen oder Vermögen verfügt, erhält derzeit keine Leistungen, so dass sein Existenzminimum nicht gesichert ist. Vor diesem Hintergrund ist ihr ein Abwarten auf die Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten.
Es kommt zwar grundsätzlich auch ein Anspruch auf Übernahme von Unterkunfts- und Heizkosten nach § 35 SGB XII in Betracht. Die Antragstellerin hat diesbezüglich eine besondere Eilbedürftigkeit jedoch nicht glaubhaft gemacht. Allein der Umstand, dass ansonsten Leistungsanteile nicht sofort erbracht werden würden, begründet noch keine gesteigerte Eilbedürftigkeit, da dies im Rahmen der Leistungsverwaltung den typischen Fall bildet, in dem gerichtlicher Rechtsschutz begehrt wird. Im Fall der Antragstellerin ist zusätzlich zu bedenken, dass ihr Verbleib im Frauenhaus (und damit die Erfüllung des Grundbedürfnisses Wohnen) nicht von der sofortigen Zahlung der Kosten abhängen dürfte. Da der Aufenthalt im Frauenhaus nicht auf Dauer ausgerichtet ist, hat die Antragstellerin derzeit keine Wohnung, deren Verbleib gegenwärtig durch laufende Mietzahlungen gesichert werden müsste. Vielmehr können diese Zahlungen nach einer vollständigen Klärung im Hauptsacheverfahren auch noch nachträglich entrichtet werden. Schutzgut des SGB XII oder SGB II ist jedenfalls nicht eine vollständige Schuldenfreiheit der Leistungsberechtigten.
c) Durch die Verpflichtung der Beigeladenen zur Zahlung der Hilfe zum Lebensunterhalt wird die Hauptsacheentscheidung nicht in unzulässiger Weise vorweggenommen. Maßstab hierfür ist, ob die fragliche Maßnahme noch nachträglich für die Vergangenheit korrigiert werden könnte (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 21.12.2005 – L 20 (9) B 37/05 SO ER; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 86b SGG, Rn. 31 m.w.N.). Die Antragstellerin ist im Falle eines späteren Unterliegens im Hauptsacheverfahren entsprechend § 50 Abs. 2 SGB X zur vollumfänglichen Rückzahlung (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 09.06.2010 – L 13 AS 147/10 B ER; Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Aufl., Rn. 334; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 86b SGG, Rn. 22, 49 m.w.N.) und ggf. zum Schadensersatz (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 945 ZPO) verpflichtet, so dass insoweit auch eine vollumfängliche Korrektur für die Vergangenheit möglich bleibt. Sofern sich nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens eine Zuständigkeit der Antragsgegnerin herausstellen sollte, verbleiben der Beigeladenen die Ansprüche nach §§ 102 ff. Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X].
4. Die Kostenentscheidung beruht auf der analogen Anwendung des § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.
5. Die Beschwerde gegen diesen Beschluss ist gemäß § 172 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulässig, weil der Beschwerdewert von 750,00 Euro erreicht wird.
Die Beigeladene hat der Antragstellerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu 1/3 erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens um die Verpflichtung der Antragsgegnerin bzw. der Beigeladenen, der Antragstellerin vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch [SGB II] oder Hilfe zum Lebensunterhalt nach Maßgabe der Bestimmungen des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch [SGB XII] zu gewähren.
Die am 15.11.19xx in Afghanistan geborene Antragstellerin ist norwegische Staatsbürgerin. Sie ist in Pakistan aufgewachsen bevor ihre Familie nach Norwegen auswanderte. Dort ist die Antragstellerin von ihren Eltern mit einem Afghanen verheiratet worden, von dem sie in der Folgezeit körperlich misshandelt wurde. Die Antragstellerin unternahm mehrere Suizidversuche.
Nach Erhalt der norwegischen Staatsbürgerschaft reiste die Antragstellerin Ende 2014 bzw. Anfang 2015 nach Deutschland, um dort bei einem Verwandten zu leben. Ob es sich bei diesem Verwandten um den Bruder oder einen Vetter der Antragstellerin handelt, konnte nicht abschließend geklärt werden, da die Antragstellerin hierzu unterschiedliche Angaben macht. Seit dem 03.06.2015 wohnte die Antragstellerin bei diesem Verwandten in Essen, H.-Str ... Sie selbst arbeitete zu keinem Zeitpunkt in Deutschland.
Die Antragstellerin beantragte am 11.06.2015 Leistungen bei der Antragsgegnerin, welche ihr mit Bescheid vom 25.08.2015 für den Zeitraum vom 01.09.2015 bis zum 31.03.2016 bewilligt worden sind.
Am 03.08.2015 unterschrieb die Antragstellerin eine Eingliederungsvereinbarung für den Zeitraum vom 03.08.2015 bis zum 02.02.2016, längstens jedoch bis zum Ende des Leistungsanspruches. Seit dem 19.10.2015 nahm die Antragstellerin an einem Vollzeitintegrationskurs teil, welcher von der Antragsgegnerin zuvor vermittelt und bewilligt worden war. Die Antragstellerin erwarb im Rahmen dessen bei der schriftlichen und mündlichen Deutschprüfung der Niveau-Stufen A1 und A2 die Noten "Befriedigend" und "Gut".
Zum 01.12.2015 zog die Antragstellerin in ein Frauenhaus in E ... Den Grund hierfür bildeten nach der Darstellung der Antragstellerin gewaltige Übergriffe ihres Verwandten und dessen Absicht sie gegen ihren Willen zwangszuverheiraten. Der Verwandte habe gegenwärtig keine Kenntnis vom Verbleib der Antragstellerin.
Am 30.03.2016 stellte die Antragstellerin einen Weiterbewilligungsantrag bei der Antragsgegnerin. Diese lehnte den Antrag durch Bescheid vom 04.04.2016 ab. Zur Begründung trug die Antragsgegnerin vor, dass die Antragstellerin nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen sei.
Zusätzlich sprach die Antragstellerin am 14.04.2016 beim Sozialamt der Stadt E. vor. Dort erklärte man ihr, es könne nur eine Fahrkarte nach Norwegen finanziert werden.
Mit Schreiben vom 21.04.2016 erhob die Antragstellerin Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid der Antragsgegnerin. Zur Begründung führte sie aus, dass sie sich seit dem 01.04.2016 in einer akuten Notlage befinde. Sie könne keine Miete für den Aufenthalt im Frauenhaus mehr zahlen. Sie sei mittel- und wohnungslos. Sie habe sich in ärztlicher Behandlung befunden, habe diese aber abbrechen müssen, da sie nicht mehr krankenversichert gewesen sei. Sie sei auf ein Sozialticket angewiesen, um die Schule zu besuchen. Ihre Familie habe seit Dezember 2015 den Kontakt zu ihr abgebrochen. Nach Abschluss des Integrationskurses im Juni 2016 wolle sie sich umgehend eine Arbeitsstelle suchen. Sie lebe seit neun Monaten in E., habe in Norwegen alles aufgegeben und ihren Aufenthalt in Deutschland verfestigt. In Norwegen sei sie möglicherweise schlimmeren, familiären Anfeindungen ausgesetzt. Sie sei bereit, sich weiterhin in die deutsche Gesellschaft und den deutschen Arbeitsmarkt zu integrieren und hier zu bleiben.
Am 19.04.2016 hat die Antragstellerin einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Zur Begründung ihres Antrages trägt die Antragstellerin vor, sie erhalte seit dem 01.04.2016 keine Leistungen mehr und befinde sich deshalb in akuter Notlage. Auch das Frauenhaus erhalte keine Leistungen in Form von Miete oder Wohnkosten mehr. Die Antragstellerin suche intensiv nach einer Arbeit; z.B. habe sie schon erfolglos bei Primark, H&M, Espirit, diversen Restaurants und Reinigungsfirmen vorgesprochen. Es sei überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragstellerin sozialhilfeberechtigt sei, weil sie ihren Lebensunterhalt nicht im Sinne der §§ 19 Abs. 1, 27 Abs. 1 SGB XII aus eigenen Mitteln decken könne. Sie verfüge weder über Einkommen noch über anrechenbares Vermögen. Seit dem 01.04.2016 beziehe sie keine Leistungen mehr. Angesichts des Umstandes, dass sich die Antragstellerin bereits länger als 6 Monate in der Bundesrepublik Deutschland aufhalte, seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, die gegen eine Ermessensreduzierung auf Null sprechen. Es liege ein verfestigter Aufenthalt in Deutschland vor. Dass die Antragstellerin nicht mehr mit ihrem Verwandten in einem Haushalt wohne, sondern in das Frauenhaus geflüchtet sei, spreche nicht gegen eine Verfestigung. Denn die Antragstellerin habe bewusst Norwegen verlassen, um die von ihren Eltern arrangierte Ehe faktisch zu beenden. Sie habe nicht damit gerechnet, dass sie von ihrem Verwandten hier in Deutschland zu einem ähnlichen Verhalten gedrängt werden würde. Sie sei daher in das Frauenhaus gezogen, um ihr freies und selbstbestimmtes Leben nicht erneut zu verlieren. Die Verfestigung lasse sich auch an ihrer erfolgreichen Teilnahme an Deutschkursen erkennen. Die Antragstellerin sei auch nicht nach §§ 21, 23 SGB XII von Leistungen ausgeschlossen. Es bestünde kein Aufenthaltsrecht aus §§ 2, 3, 4, 4a i.V.m. § 12 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern [FreizügG/EU]. Die Beigeladene sei nach § 98 Abs. 1 S. 1 SGB XII als örtlicher Träger zuständig, da sich die Antragstellerin gegenwärtig in ihrem Zuständigkeitsbereich aufhalte.
Die Antragsstellerin beantragt sinngemäß,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (ALG II) in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
Die Antragsgegnerin beantragt mit Schriftsatz vom 29.04.2016,
1. den Antrag abzulehnen und 2. zu entscheiden, dass Kosten gemäß § 193 Sozialgerichtsgesetz [SGG] nicht zu erstatten sind.
Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, es bestünde kein Anordnungsanspruch, da ein Ausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II vorliege. Ein anderes materielles Aufenthaltsrecht sei nicht ersichtlich. Zwar könne sich die Antragstellerin als norwegische Staatsangehörige über § 12 FreizügG/EU als Staatsangehörige eines EWR-Staates grds. auf die Einreise- und Aufenthaltsrechte für Unionsbürger nach § 2 FreizügG/EU berufen, in dem konkreten Fall der Antragstellerin sei aber kein Recht aus § 2 Abs. 2 FreizügG/EU einschlägig. Insbesondere falle die Teilnahme an einem Integrationskurs nicht unter § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 3 FreizügG/EU, da die Antragstellerin dadurch nicht zur Erbringerin oder Empfängerin von Dienstleistungen werde. Auch wenn die Einreise ursprünglich mit dem Zusammenziehen mit dem Verwandten der Antragstellerin stand, scheide § 7 Abs. 2 Nr. 6 FreizügG bereits deshalb aus, da die Antragstellerin den Haushalt ihres Bruders verlassen habe. Überdies seien keine ausreichenden Finanzmittel vorhanden. Die Fünfjahresgrenze aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 FreizügG/EU i.V.m. § 4a FreizügG/EU sei noch nicht erreicht. Auch aus dem Aufenthaltsgesetz, dessen Anwendung nach § 11 FreizügG/EU grundsätzlich möglich bliebe, ergebe sich kein materielles Aufenthaltsrecht der Antragstellerin. Ein solches Recht folge auch nicht aus dem Umstand, dass die Antragstellerin durch ihren Bruder gewaltsam zur Heirat gezwungen werden sollte. Denn mögliche strafbare Handlungen in diesem Zusammenhang seien in Deutschland begangen worden.
Das Gericht hat durch Beschluss vom 20.05.2016 die Stadt E., Amt für Soziales und Wohnen notwendig nach § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG] beigeladen. Die Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag. Sie ist der Ansicht, die Antragstellerin sei als unstreitig erwerbsfähige Person nach § 21 SGB XII von Leistungen nach dem SGB XII ausgeschlossen. SGB II und SGB XII stünden hinsichtlich ihrer Leistungen zur Existenzsicherung zueinander nicht im Vorrang-Nachrang-Verhältnis, sondern vielmehr gleichrangig und selbstständig nebeneinander in einem Ausschließlichkeitsverhältnis. Die Abgrenzung erfolge grundsätzlich über den Begriff der Erwerbsfähigkeit und solle unter anderem durch § 21 SGB XII gewährleistet werden. Die Beigeladene beruft sich hinsichtlich ihrer Rechtsauffassung auf verschiedene Entscheidungen aus der Rechtsprechung (u.a. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 07.03.2016 – L 12 SO 79/16 B ER; SG Duisburg, Beschl. v. 17.05.2016 – S 33 AS 871/16 ER). Der Ausschluss von EU Ausländern, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe, verstoße nicht gegen Art. 1 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz [GG]. Der Gesetzgeber habe mit dem Leistungsausschluss den Nachrang des deutschen Sozialversicherungssystems gegenüber dem des Herkunftslandes nominiert. Dieser Ausschluss sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Antragstellerin könne jederzeit in ihr Herkunftsland Norwegen zurückreisen. Norwegen sei zwar kein Mitgliedstaat der Europäischen Union, habe sich jedoch durch den Beitritt als EWR-Staat verpflichtet, die Werte des Art. 2 Vertrag über die Europäische Union (EUV) einzuhalten. Die Antragstellerin könne dort ihren Lebensunterhalt sicherstellen. Gründe, die eine Rückkehr ins Heimatland unzumutbar erscheinen lassen würden, seien weder vorgetragen noch seien diese nach dem vorliegenden Sachverhalt erkennbar. Der Beigeladenen erschließe sich die Aussage der Antragstellerin nicht, dass sie in Norwegen familiären Repressalien unterliegen würde, obwohl sie angegeben habe, aufgrund der Familienzusammenführung nach Deutschland gekommen zu sein und auch dort vor der Familie ins Frauenhaus habe flüchten müssen. Der Schutz vor häuslicher Gewalt werde auch in Norwegen geboten und sei aufgrund der Entfernung zu Essen wirksamer, als der Aufenthalt im Frauenhaus in Essen, da auch zufällige Begegnungen wahrscheinlich seien. Das LSG Nordrhein-Westfalen stelle weiter fest, dass eine Prüfung, inwiefern ein Hilfebedürftiger in seinem Heimatland das Existenzminimum nach deutschen Maßstäben sichern könne, nicht anzustellen sei. Auf Leistungen der Bundesrepublik Deutschland seien EWR Staatsangehörige zu Sicherung einer menschenwürdigen Existenz regelmäßig nicht angewiesen. Insoweit sei die Beigeladene bereit, für die Antragstellerin gemäß § 73 SGB XII eine Rückkehrhilfe in Form einer Fahrkarte nach Norwegen und eines Verzehrgeldes zu leisten. Eine mehr als kurzfristige Hilfeleistung sei aus Sicht der Beigeladenen nicht erforderlich, da die Antragstellerin über keinen eigenen Haushalt verfüge und sich auch somit die Frage des verfestigten Aufenthaltes in Deutschland stelle. Woran die Antragstellerin außer an der Dauer des Aufenthalts es in Deutschland fest machen wolle, dass ein verfestigte Aufenthalt vorliege, vermöge die Beigeladene nicht zu erkennen, da die Antragstellerin weder über feste familiäre noch weitere soziale Kontakte verfüge, keine Arbeitsstelle oder Wohnung habe. Weiterhin sei auf den Referentenentwurf vom 28.4.2016 zur Änderung des SGB II und SGB XII für ausländische Person hingewiesen. Dieser stelle die Rechtslage nochmals im Sinne der Rechtsauffassung der Beigeladenen klar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Leistungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen. Diese Inhalte sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.
II.
Der Antrag der Antragstellerin ist nach § 86b Abs. 2 S. SGG zulässig und hinsichtlich der Beigeladenen teilweise begründet.
1. Der Antrag ist analog § 123 SGG im Sinne des Meistbegünstigungsprinzips so auszulegen, dass inhaltlich auch Leistungen nach dem SGB XII beansprucht werden. Dass die Antragstellerin trotz erfolgter Beiladung der Stadt Essen, Amt für Soziales und Wohnen nicht zumindest hilfsweise deren Verpflichtung zur Leistungserbringung nach dem SGB XII beantragt hat, ändert nichts daran, dass ein derartiger (Hilfs-) Antrag nach dem Meistbegünstigungsprinzip stillschweigend unterstellt werden kann, wenn – wie hier - ein Fall der notwendigen Beiladung vorliegt (BSG, Urt. v. 03.12.2015 – B 4 AS 44/15 R, juris, Rn. 13; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 75 SGG, Rn. 18a m.w.N.). Etwas anderes gilt nur dann, wenn ein Antragsteller diese Verurteilung ausdrücklich abgelehnt haben sollte (BSG, Urt. v. 15.01.1959 - 4 RJ 111/57 - BSGE 9, 67, 70; BSG, Urt. v. 02.11.2000 - B 11 AL 25/00 R, juris, Rn. 25).
Für die Begehren der Antragstellerin eine Verpflichtung bzgl. noch nicht bewilligter Leistungen zu erhalten ist die Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG statthaft. In einem Hauptsacheverfahren wäre hierfür eine allgemeine Leistungsklage zu erheben, so dass kein Fall eines vorrangigen einstweiligen Rechtsschutzes nach § 86b Abs. 1 SGG vorliegt.
2. Bezüglich einer vorrangig geltend gemachten Verpflichtung der Antragsgegnerin hinsichtlich Leistungen nach dem SGB II ist der Eilantrag unbegründet.
Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zu Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass das geltend gemachte Begehren im Rahmen der beim einstweiligen Rechtsschutz allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung begründet erscheint (Anordnungsanspruch) und erfordert zusätzlich die besondere Eilbedürftigkeit der Durchsetzung des Begehrens (Anordnungsgrund). Eilbedarf besteht, wenn dem Betroffenen ohne die Eilentscheidung eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.05.2005 - 1 BvR 569/05; Beschl. v. 16.05.1995 - 1 BvR 1087/91). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO). Wenn die Hauptsacheklage offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist, ist ein Recht, das geschützt werden muss, nicht vorhanden (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 86b SGG, Rn. 29). Hat die Hauptsache hingegen offensichtlich Aussicht auf Erfolg, ist dem Eilantrag stattzugeben, wenn die Angelegenheit eine gewisse Eilbedürftigkeit aufweist. Bei offenem Ausgang muss das Gericht anhand einer Folgenabwägung entscheiden, die die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend einstellt (BVerfG, Beschl. v. 12.05.2005 - 1 BvR 569/05; vgl. auch Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 86b SGG, Rn. 29 f.).
Im vorliegenden Fall ist kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin erscheint nach summarischer Prüfung vielmehr über § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von den Leistungen des SGB II ausgeschlossen.
Nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sind von den Leistungen des SGB II Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, ausgenommen. Diese Ausschlussvoraussetzungen sind im Fall der Antragstellerin erfüllt. Die Antragstellerin ist keine deutsche Staatsbürgerin, sondern besitzt die norwegische Staatsbürgerschaft. Sie hält sich allenfalls auch allein zum Zweck der Arbeitssuche in Deutschland auf, da jedenfalls keine anderen Aufenthaltsrechte für die Antragstellerin ersichtlich sind. Der Ausschlussgrund des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ist dabei systematisch im Hinblick auf die Vorschriften des FreizügG/EU zu bestimmen, wonach das Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche (§ 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizüG/EU) in Abgrenzung zu den anderen Aufenthaltsrechten des FreizügG/EU so auszulegen ist, dass ein Aufenthalt nicht allein zur Arbeitssuche erfolgt, wenn (auch) die Voraussetzungen eines anderen Aufenthaltsrechts verwirklicht sind (vgl. BSG, Urt. v. 03.12.2015 - B 4 AS 44/15 R, juris, Rn. 17 ff.). Das FreizügG/EU findet dabei über § 12 FreizügG/EU auch auf norwegische Staatsangehörige Anwendung, da Norwegen zu den Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums [EWR] zählt.
Es kann im vorliegenden Verfahren offen bleiben, ob der Antragstellerin ein Aufenthaltsrecht (allein) zur Arbeitssuche oder überhaupt kein materielles Aufenthaltsrecht mehr zusteht, denn selbst wenn ihr ein solches nicht zustehen würde, wäre sie gem. § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen (BSG, Urt. v. 03.12.2015 - B 4 AS 44/15 R, juris, Rn. 19 ff.).
Andere Aufenthaltsrechte als zum Zwecke der Arbeitssuche nach § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU kommen für die Antragstellerin jedenfalls nicht in Betracht.
a) Die Antragstellerin ist nicht Arbeitnehmerin i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 FreizügG/EU, da zu keinen Zeitpunkt nach ihrer Einreise in der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich gearbeitet hat.
b) Die Antragstellerin ist nicht auch nicht wegen ihrer Teilnahme am Vollzeitintegrationskurs Empfängerin von Dienstleistungen i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 4 FreizügG/EU. Der Besuch eines Vollzeitintegrationskurses, zu dessen Teilnahme die Antragstellerin zudem durch eine Eingliederungsvereinbarung verpflichtet worden ist, stellt keine marktrelevante, wirtschaftlich geprägte Tätigkeit nach dem europäischen Dienstleistungsbegriff dar (vgl. auch: SG Duisburg, Beschl. v. 10.03.2016 – S 47 AS 49/16 ER).
c) Die Antragstellerin hat ferner kein Daueraufenthaltsrecht in Deutschland nach § 2 Abs. 2 Nr. 7 i.V.m. § 4a FreizügG/EU erworben, da sie sich frühestens erst seit Ende 2014 in Deutschland aufgehalten hat.
d) Das Gericht kann im vorliegenden Fall offenlassen, ob es sich bei dem Verwandten der Antragstellerin in Essen um den Bruder oder Vetter der Antragstellerin handelt. Denn selbst wenn es sich vorliegend um den Bruder der Antragstellerin handeln sollte, ist dies kein Verwandter i.S.d. § 3 FreizügG/EU (vgl. zu dieser Frage auch: VG Berlin, Urt. v. 19.03.2015 – 4 K 622.13 V, juris, Rn. 15). Darüberhinaus ist nicht glaubhaft gemacht, dass sich hieraus für die Antragstellerin ein Aufenthaltsrecht aus § 2 Abs. 2 Nr. 6 i.V.m. §§ 3, 4 FreizügG/EU ergebe, da nicht glaubhaft gemacht ist, dass ausreichende Finanzmittel vorhanden sind, um den Lebensunterhalt sicherzustellen. Schließlich kann auch das vorausgesetzte Ziel einer Familienzusammenführung nicht mehr erreicht werden, nachdem die Antragstellerin vor diesem Verwandten in das Frauenhaus geflohen ist.
e) Desweiteren teilt das Gericht die Ansicht der Antragsgegnerin, dass auch kein Aufenthaltsrecht aus dem Aufenthaltsgesetz [AufenthG] – dessen teilweise Anwendbarkeit durch § 11 FreizügG/EU ausdrücklich angeordnet wird - ersichtlich ist. Sofern zwar nach dem Vortrag der Antragstellerin auch in Norwegen bereits Straftaten seitens ihrer Familie begangen worden sind, hat die Antragstellerin jedenfalls nicht geltend gemacht, dass sie gerade in Norwegen so erheblich (mehr-) gefährdet wäre, dass ihr eine Rückkehr nicht zugemutet werden könne. Es sind keine Anzeichen dafür vorhanden, dass der norwegische Staat nicht in der Lage wäre die Antragstellerin – in vergleichbarer Weise wie der deutsche Staat – vor Übergriffen ihrer Familie zu schützen.
3. Hinsichtlich einer Verpflichtung der Beigeladenen ist der Antrag teilweise begründet. Die Beigeladene war zu verpflichten, Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel des SGB XII in Form des jeweiligen Regelsatzes zu gewähren. Die Verpflichtung der Beigeladenen war jedoch auf die jeweiligen Regelsätze nach § 27 Abs. 3 SGB XII zu beschränken, da hinsichtlich weiterer Bedarfe – wie bspw. Unterkunftskosten - kein Anordnungsgrund gegeben ist.
Die Beigeladene kann im vorliegenden Verfahren zur Leistung verpflichtet werden. § 75 Abs. 2 und 5 SGG finden im Eilverfahren entsprechende Anwendung (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 75 SGG, Rn. 4). Ob im Fall einer sog. Optionskommune eine Beiladung vor Verpflichtung des Sozialhilfeträgers erforderlich bzw. möglich ist, da dieser mit dem Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende identisch ist, ist umstritten. Von einer Beiladungsnotwendigkeit auch bei Optionskommunen scheint gegenwärtig u.a. der 14. Senat des Bundessozialgerichts und der 6. Senat des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen auszugehen (BSG, Urt. v. 16.12.2015 – B 14 AS 15/14 R, Rn. 41 ff. m.w.N.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 27.04.2016 – L 6 AS 407/16 B ER, juris, Rn. 32). Gegen eine eigene Beiladung des Sozialhilfeträgers bei Optionskommunen hat sich hingegen u.a. das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen ausgesprochen (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 12.05.2014 – L 8 SO 31/14 B ER, juris, Rn. 17). Das Gericht schließt sich in dieser Frage einer vermittelnden Ansicht an, wie sie bspw. vom Sozialgericht Wiesbaden vertreten wird (vgl. SG Wiesbaden, Beschl. v. 15.01.2008 – S 16 AS 690/07 ER), nach der eine Beiladung als Klarstellung jedenfalls im Hinblick auf die alternative Behandlung der Leistungssysteme des SGB II und SGB XII durch die Rechtsprechung angezeigt ist. Wenn das Bundessozialgericht zumindest im Hauptsacheverfahren bei alternativ zur Anwendung kommenden Ansprüchen nach SGB II und SGB XII einen Fall der notwendigen Beiladung sieht (vgl. BSG, Urt. v. 07.11.2006 - B 7b AS 14/06 R, juris, Rn. 11; so wohl auch: BSG, Urt. v. 03.12.2015 – B 4 AS 44/15 R, juris, Rn. 13) kann diese Grundentscheidung nicht mit der rein verwaltungsorganisationsrechtliche Regelung des § 6a SGB II überspielt werden. Mit dieser Regelung sollte kein "Sonderprozessrecht" geschaffen. Insofern ist es aus Sicht des Gerichtes nicht angezeigt im Fall einer sog. Optionskommune von den allgemeinen Grundsätzen abzuweichen, wie sie auch in den anderen Situationen anerkannt ist. Daher können die Rechtsfolgen der § 75 Abs. 2 und 5 SGG auch auf den Antragsgegner als Optionskommune angewandt werden, da sich die Frage nach dem anzuwendenden Leistungssystem anhand verschiedener Einzelfallumstände bestimmt und insoweit eine einheitliche Entscheidung geboten bleibt. Diese Einheitlichkeit soll durch § 75 Abs. 2 und 5 SGG sichergestellt werden (vgl. BSG, Urteil vom 15. Januar 1959 – 4 RJ 111/57, juris, Rn. 18). Zudem verwirklicht die Beiladung effektiv die prozessualen Rechte des Antragsgegners auf rechtliches Gehör und trägt dem Umstand Rechnung, dass die betroffenen Behörden oder Einrichtungen desselben Rechtsträgers eine gewisse Verselbstständigung erfahren haben und Inhaber eigener Rechte und Pflichten im Verhältnis zueinander sind, über die im Streitfall von der gemeinsamen Spitze nicht verbindlich entschieden werden kann (so im Ergebnis auch: BSG, Urt. v. 16.12.2015 – B 14 AS 15/14 R, Rn. 43 m.w.N.). Denn die jeweiligen Fachkammern beinhalten auch die jeweils größte Sachkunde zu einem Rechtsgebiet. Durch die Beiladung des jeweils anderen Trägers existenzsichernder Leistungen erhält so die Optionskommune die Möglichkeit deren Stellungnahmen in einen Prozess einfließen zu lassen. Allein durch die organisatorische Ausgestaltung dürfen diese Rechte zur umfassenden Stellungnahme nicht beschnitten werden, wenn das Gericht beabsichtigt eine ressortübergreifende Entscheidung zu treffen.
Für die Dauer der gerichtlichen Regelungsanordnung bestimmt das Gericht den Zeitraum von längstens sechs Monaten ab dem 19.04.2016. Maßgeblich für den Beginn der Regelungsanordnung ist dabei der Tag der Antragstellung bei Gericht, da im einstweiligen Rechtsschutz eine Verpflichtung des Antragsgegners für Zeiträume, die vor der Antragstellung bei Gericht liegen, nicht in Betracht kommt (vgl. zur ausführlichen Herleitung: Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Aufl., Rn. 259 m.w.N.). Für den Endzeitpunkt der Regelungswirkung der gerichtlichen Regelungsanordnung hält das Gericht bei seiner gerichtlichen Ermessensentscheidung (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 938 Abs. 1 ZPO) den Zeitraum von sechs Monaten für ausreichend, um die Rechte der Antragstellerin einstweilen zu sichern.
a) Nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage (s. unter 2.), spricht viel dafür, dass die Antragstellerin einen Anspruch auf Leistungen zu ihrem Lebensunterhalt gegen die Beigeladene nach dem 3. Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch (SGB XII) hat. Der Anordnungsanspruch ist insofern glaubhaft gemacht.
Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf Leistungen nach § 27 Abs. 1 SGB XII. Nach dieser Vorschrift ist Hilfe zum Lebensunterhalt an Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln bestreiten können. Die Antragstellerin erfüllt diese Voraussetzungen, denn sie verfügt weder über Einkommen noch über Vermögen (vgl. LSG NRW, Beschl. v. 27.04.2016 - L 6 AS 407/16 B ER; Beschl. v. 21.04.2016 - L 6 AS 389/16 B ER; Beschl. v. 24.03.2016 - L 19 AS 289/16 B ER).
aa) Die Antragstellerin ist auch nicht gem. § 21 SGB XII vom Leistungsbezug nach dem SGB XII ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift erhalten Personen, die nach dem Zweiten Buch als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt. Die Antragstellerin erfüllt diese Ausschlussvoraussetzung nicht, da sie gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen ist (s. unter 2.). Der Leistungsausschluss im SGB II eröffnet nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts den Weg ins SGB XII, denn § 21 SGB XII greift für den Ausschlussgrund des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II nicht ein. Das Gericht schließt sich in diesem Zusammenhang der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts an, nach der § 21 SGB XII nicht auf Erwerbsfähige anzuwenden ist, die nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind (grundlegend: BSG, Urt. v. 03.12.2015 - B 4 AS 44/15 R, juris, Rn. 40 ff.; so u.a. auch: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 16.12.2015 - L 7 AS 1466/15 B ER; SG Neuruppin, Beschl. v. 22.03.2016 - S 26 AS 378/16 ER; SG Karlsruhe, Beschl. v. 13.01.2016 - S 17 AS 4258/15 ER; SG Dortmund, Beschl. v. 11.02.2016 - S 62 SO 43/16 ER; andere Ansicht: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 07.03.2016 – L 12 SO 79/16 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 07.03.2016 - L 15 AS 185/15 B ER; SG Duisburg, Beschl. v. 17.05.2016 – S 33 AS 871/16 ER; SG Freiburg, Beschl. v. 14.04.2016 - S 7 SO 773/16 ER; SG Berlin, Beschl. v. 07.04.2016 - S 92 AS 359/16 ER; Beschl. v. 02.03.2016 - S 205 AS 1365/16 ER; SG Reutlingen, Urt. v. 23.03.2016 - S 4 AS 114/14; SG Dortmund, Beschl. v. 11.02.2016 - S 35 AS 5396/15 ER). Die Annahme der Gegenansicht, dass § 21 SGB XII eine trennscharfe Abgrenzung zwischen erwerbsfähigen und nichterwerbsfähigen Personen vornähme, nach der erwerbsfähige Personen allenfalls einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II geltend machen könnten, entsprach in dieser Pauschalität nie der Rechtswirklichkeit. Auch in anderen Zusammenhängen werden erwerbsfähigen Personen – entgegen des Wortlautes des § 21 SGB XII – Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII gewährt (bspw. für den Ausschluss eines Erwerbsfähigen nach § 7 Abs. 4 S. 1 SGB II wegen einer ausländischen Altersrente: BSG, Urt. v. 16.05.2012 – B 4 AS 105/11 R, juris, Rn. 23 ff.; vgl. allgemein: Eicher, in: jurisPK, § 21 SGB XII, Rn. 34 ff. m.w.N. aus der Rechtsprechung). Für den Fall des Ausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ist eine weitere Ausnahme vom Grundsatz des § 21 SGB XII zuzulassen. Die Annahme der grundsätzlichen Möglichkeit eines Rückgriffes auf die Vorschriften des SGB XII, sofern eine erwerbsfähige Person von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist, erscheint insbesondere auch vor dem Hintergrund systematisch stimmig, dass § 21 SGB XII als Sonderregelung erwerbsfähige Personen, die ansonsten ohne diese Regelung von dem SGB XII erfasst werden würden, ausdrücklich zugunsten des SGB II aus dem Anwendungsbereich des SGB XII herausnimmt.
bb) Die Antragstellerin ist auch nicht über § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII vom Leistungsbezug nach dem SGB XII ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift haben Ausländer, die eingereist sind um Sozialhilfe zu erlangen, oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, sowie ihre Familienangehörigen keinen Anspruch auf Sozialhilfe. Die Antragstellerin erfüllt zwar die Voraussetzungen dieser Vorschrift, da sich ihr Aufenthaltsrecht entweder allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt oder sie bei nicht bestehenden materiellen Aufenthaltsrecht "erst recht" vom Leistungsbezug ausgeschlossen wäre. Der Ausschluss ist jedoch im Hinblick auf das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG) teleologisch in der Weise eingeschränkt anzuwenden, dass er sich nur auf die Pflichtleistungen nach § 23 Abs. 1 S. 1 SGB XII bezieht, nicht jedoch auf die Ermessensleistungen nach § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII (BSG, Urt. v. 03.12.2015 - B 4 AS 44/15 R, juris, Rn. 44 ff., 57). Dies ergibt sich auch aus der Systematik des § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII im Verhältnis zu § 23 Abs. 1 S. 1 und 3 SGB XII (BSG, Urteil vom 03.12.2015 - B 4 AS 44/15 R, juris, Rn. 44 ff., 53 ff.).
cc) Nach § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII kann im Übrigen Sozialhilfe geleistet werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. Die Vorschrift räumt dem Sozialhilfeträger grundsätzlich Ermessen ein. Das Ermessen des Sozialhilfeträgers ist jedoch dem Grunde und der Höhe nach hinsichtlich der Hilfe zum Lebensunterhalt auf Null reduziert, wenn sich das Aufenthaltsrecht des ausgeschlossenen Ausländers verfestigt hat. Davon ist regelmäßig ab einem sechsmonatigen Aufenthalt in Deutschland auszugehen (BSG, Urt. v. 03.12.2015, Az.: B 4 AS 44/15 R, juris, Rn. 53).
Im vorliegenden Verfahren ist das Ermessen der Beigeladenen hinsichtlich der Antragstellerin auf Null reduziert, da sie sich jedenfalls seit dem 03.06.2015 in Deutschland aufhält und insofern eine ausreichende Aufenthaltsverfestigung vorliegt. Die Frage, ob auch aus anderen Gründen von einer Aufenthaltsverfestigung auszugehen ist (bspw. weil der Antragstellerin eine Rückkehr nach Norwegen nicht zugemutet werden kann), kann das Gericht daher offenlassen. Entgegen der Ansicht der Beigeladenen bedarf es bei einem Aufenthalt von über sechs Monaten gerade nicht des Vorliegens fester familiärer oder anderer sozialer Kontakte. Darüber hinaus dürften die festesten sozialen Kontakte der Antragstellerin nach dem Bruch mit ihrer Familie in Norwegen gegenwärtig in Deutschland liegen, selbst wenn man die Ansicht der Beigeladenen teilen sollte.
b) Die Antragstellerin hat hinsichtlich der Hilfe zum Lebensunterhalt auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Es liegt eine besondere Eilbedürftigkeit vor, denn die Antragstellerin, die über kein Einkommen oder Vermögen verfügt, erhält derzeit keine Leistungen, so dass sein Existenzminimum nicht gesichert ist. Vor diesem Hintergrund ist ihr ein Abwarten auf die Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten.
Es kommt zwar grundsätzlich auch ein Anspruch auf Übernahme von Unterkunfts- und Heizkosten nach § 35 SGB XII in Betracht. Die Antragstellerin hat diesbezüglich eine besondere Eilbedürftigkeit jedoch nicht glaubhaft gemacht. Allein der Umstand, dass ansonsten Leistungsanteile nicht sofort erbracht werden würden, begründet noch keine gesteigerte Eilbedürftigkeit, da dies im Rahmen der Leistungsverwaltung den typischen Fall bildet, in dem gerichtlicher Rechtsschutz begehrt wird. Im Fall der Antragstellerin ist zusätzlich zu bedenken, dass ihr Verbleib im Frauenhaus (und damit die Erfüllung des Grundbedürfnisses Wohnen) nicht von der sofortigen Zahlung der Kosten abhängen dürfte. Da der Aufenthalt im Frauenhaus nicht auf Dauer ausgerichtet ist, hat die Antragstellerin derzeit keine Wohnung, deren Verbleib gegenwärtig durch laufende Mietzahlungen gesichert werden müsste. Vielmehr können diese Zahlungen nach einer vollständigen Klärung im Hauptsacheverfahren auch noch nachträglich entrichtet werden. Schutzgut des SGB XII oder SGB II ist jedenfalls nicht eine vollständige Schuldenfreiheit der Leistungsberechtigten.
c) Durch die Verpflichtung der Beigeladenen zur Zahlung der Hilfe zum Lebensunterhalt wird die Hauptsacheentscheidung nicht in unzulässiger Weise vorweggenommen. Maßstab hierfür ist, ob die fragliche Maßnahme noch nachträglich für die Vergangenheit korrigiert werden könnte (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 21.12.2005 – L 20 (9) B 37/05 SO ER; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 86b SGG, Rn. 31 m.w.N.). Die Antragstellerin ist im Falle eines späteren Unterliegens im Hauptsacheverfahren entsprechend § 50 Abs. 2 SGB X zur vollumfänglichen Rückzahlung (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 09.06.2010 – L 13 AS 147/10 B ER; Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Aufl., Rn. 334; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 86b SGG, Rn. 22, 49 m.w.N.) und ggf. zum Schadensersatz (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 945 ZPO) verpflichtet, so dass insoweit auch eine vollumfängliche Korrektur für die Vergangenheit möglich bleibt. Sofern sich nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens eine Zuständigkeit der Antragsgegnerin herausstellen sollte, verbleiben der Beigeladenen die Ansprüche nach §§ 102 ff. Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X].
4. Die Kostenentscheidung beruht auf der analogen Anwendung des § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.
5. Die Beschwerde gegen diesen Beschluss ist gemäß § 172 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulässig, weil der Beschwerdewert von 750,00 Euro erreicht wird.
Rechtskraft
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