L 6 KR 190/14

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Meiningen (FST)
Aktenzeichen
S 16 KR 84/10
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 190/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 19. November 2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe der Krankenhausvergütung.

Die Klägerin betreibt ein nach § 108 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelas-senes Krankenhaus, in dem die bei der Beklagten versicherte E. D. (im Folgenden: Versicherte) vom 17. November bis 8. Dezember 2008 stationär behandelt wurde.

Die 1940 geborene Versicherte befand sich zuvor vom 2. bis 10. Oktober 2008 wegen einer Harnstauungsniere in stationärer Behandlung im Krankenhaus der Klägerin. Während des Aufenthalts zeigte sich nach Koloskopie ein breitbasiges Rektumkarzinom. Am 30. Oktober 2008 verordnete der behandelnde Facharzt für Urologie Dipl.-Med. H. Krankenhausbehandlung wegen der Diagnosen ICD-10-GM Version 2008 (im Folgenden ICD-10) N20.0 (Nierenstein) und N20.10 (Ureterstein). Im ambulanten präoperativen Untersuchungsbogen des Krankenhauses vom 14. November 2008 werden als Hauptdiagnose (=HD) Uretersteine links, als Nebendiagnose (=ND) u.a. ein Adenokarzinom, als Procedere u.a. URS (Ureterorenoskopie = Harnleiterspiegelung) links und ein internistisches Konsil postoperativ genannt.

Im Arztbrief der Klinik für Urologie vom 18. November 2008 (stationäre Behandlung vom 17. bis 18. November 2008; Diagnosen: Ureterolithiasis links, Zustand nach septischer Harn-stauungsniere links 10/08 (N20.), Adenokarzinom des Rektums, Rektumpolyp, bakterieller Harnwegsinfekt mit Enterococcus faecalis, Nephrolithiasis beidseits, Hyperthyreose, Verdacht auf Hyperparathyreoidismus bei Hyperkalzämie und Urolithiasis, Zustand nach distaler Unterarmfraktur links 10/08) wurde ausgeführt, die stationäre Aufnahme sei planmäßig zur endoskopischen Therapie der Ureterolithiasis links erfolgt. Der operative Eingriff sei ohne Komplikationen durchgeführt worden. Absprachegemäß werde die Versicherte in die Klinik für Innere Medizin II zur Diagnostik und Therapieplanung eines malignen Rektumpolypen, der am 8. Oktober 2008 bereits bioptisch gesichert wurde, verlegt. Im Arztbrief der Klinik für Innere Medizin II vom 21. November 2008 (stationäre Behandlung vom 17. bis 21. November 2008) wurde als Diagnose das Adenokarzinom genannt. Die stationäre Aufnahme der Versicherten sei initial zur endoskopischen Therapie bei Uretherolithiasis in der Klinik für Urologie im Hause erfolgt. Diese sei operativ und antibiotisch behandelt worden. Die Versicherte sei zur weiteren Diagnostik und Therapieplanung bei einem histologisch gesicherten malignen Rektumpolypen in die Klinik für Innere Medizin II verlegt worden. Die Verlegung sei wie in der Tumorkonferenz besprochen zur weiteren operativen Versorgung erfolgt. Im Arztbrief vom 8. Dezember 2008 anlässlich der stationären Behandlung vom 17. November bis 8. Dezember 2008 teilte die Klinik für Chirurgie mit, es sei eine tiefe anteriore Rektumresektion mit totaler mesorektaler Exzision und Anlage eines doppelläufigen protektiven Ileostomas sowie simultane Stanzbiopsien eines Leberherdes im Segment 5 am 24. November 2008 durchgeführt worden. Am 21. November 2008 sei die Versicherte aus der Klinik für Innere Medizin II des Krankenhauses zur operativen Therapie eines diagnostizierten Rektumkarzinoms übernommen worden.

Die Klägerin stellte der Beklagten mit Rechnung vom 6. Januar 2009 für die Behandlung 8.882,28 EUR (Fallpauschale - German Diagnosis Related Group Version 2008 (G-DRG) G17Z (Andere Rektumresektion)) in Rechnung. Diese zahlte den Betrag und beauftragte den M. D. der Krankenversicherung Th. (MDK) mit der Überprüfung des Behandlungsfalles. In der Stellungnahme vom 27. April 2009 führte er aus, die vom Krankenhaus angegebene Hauptdi-agnose (C20 (Bösartige Neubildung des Rektums)) könne gutachterlich nicht bestätigt werden. Die stationäre Aufnahme sei primär in der Klinik für Urologie zur endoskopischen Therapie bei Ureterolithiasis links bei Zustand nach septischer Harnstauungsniere links 10/08 erfolgt. Erst während des Aufenthalts sei "absprachegemäß" eine Verlegung in die Klinik für Innere Medizin zur weiteren Diagnostik und Therapieplanung vereinbart und dann vollzogen worden. Das Adenokarzinom des Rektums sei nicht hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes verantwortlich. Die korrekte Hauptdiagnose laute: N20.1 L (Ureterstein); zutreffend sei die G-DRG L20A (Transurethrale Eingriffe außer Prostataresektion und komplexe Ureteroenoskopien, mit äußerst schweren CC). Nach Widerspruch der Klägerin holte die Beklagte eine weitere Stellungnahme des MDK vom 9. Oktober 2009 ein und verrechnete am 6. November 2009 einen Betrag in Höhe von 4.887,68 EUR.

Am 13. Januar 2010 hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Klage auf Zahlung von 4.867,99 EUR erhoben und ausgeführt, als Hauptdiagnose sei ICD-10 C20 zu verschlüsseln. Die stationäre Aufnahme der Versicherten sei über die Notfallaufnahme zur Therapie der Ureterolithiasis und des Rektumkarzinoms erfolgt. Sie sei bereits im Oktober 2008 aufgrund einer septischen Harnstauungsniere behandelt worden. Während dieses Aufenthalts sei eine Koloskopie erfolgt, die ein breitbasiges Rektumkarzinom gezeigt habe. Die histologische Aufarbeitung der Biopsie habe ein mäßig gut differenziertes Rektumkarzinom gezeigt. Somit kämen beide Diagnosen als Hauptdiagnose in Betracht, weil das Rektumkarzinom jedoch die meisten Ressourcen verbraucht habe, sei dieses als Hauptdiagnose zu verschlüsseln. Nach einer Stellungnahme des Dipl.-Med. K. vom 4. August 2009 erfolgte bereits am Aufnahmetag der urologische Eingriff. Absprachegemäß sei die Versicherte zur weiteren Diagnostik/Therapie des Rektumkarzinoms in die Klinik für Innere Medizin II verlegt worden. Hauptsächlich verantwortlich für den stationären Aufenthalt und den Voraufenthalt sei zweifelsfrei das Rektumkarzinom. Daher sei die Abrechnung der DRG G17Z zu Recht erfolgt.

Die Beklagte hat auf Anfrage des Gerichts mitgeteilt, bei gesonderter Abrechnung des chirur-gischen und des urologischen Aufenthalts käme zusätzlich die G-DRG L20C zur Abrechnung. Die Versicherte sei wegen Nierensteinen in die Klinik der Klägerin zur vollstationären Behandlung aufgenommen und nach diversen Eingriffen am 8. Dezember 2008 wieder entlassen worden. Der MDK verweise auf die Grundsätze der Kodierrichtlinie D002f, in der die Festlegung der Hauptdiagnose eindeutig definiert werde. Nach einem weiteren Gutachten des MDK vom 6. Oktober 2010 erfolgte die stationäre Aufnahme zur Steinsanierung; eine Notaufnahme sei nicht erfolgt. Entscheidend sei der Zeitpunkt der Aufnahme zur stationären Behandlung. Es genüge gerade nicht, dass nur bei Gelegenheit eine bereits länger vorher bekannte Erkrankung mitbehandelt werde. Unter Berücksichtigung der vorgelegten Unterlagen sei klar erkennbar, dass das Rektumkarzinom nicht für die Veranlassung der vollstationären Aufnahme verantwortlich gewesen sei. Allein die vorgeplante internistische Konsiliaruntersuchung aufgrund des vorbekannten Befundes habe nicht die besonderen Mittel eines Krankenhauses erfordert und hätte ambulant erfolgen können. Das internistische Konsil sei dann am 18. November 2008 erfolgt. Erst nach erneuter Koloskopie und weiterer Befunde sei am 24. November 2008 die operative Therapie des Rektumkarzinoms durchgeführt worden. Nach dem Nachweis eines mäßig gut differenzierten Rektumkarzinoms durch Biopsie am 8. Oktober 2008 habe die Indikation zur weiteren gastroenterologischen Diagnosesicherung bestanden, die die Festlegung der weiteren Therapie zur Folge hatte. Diese Maßnahmen allein seien nicht an die besonderen Mittel des Krankenhauses gebunden und hätten ambulant erfolgen müssen. Erst nach Abschluss der notwendigen präoperativen Vorbereitung wäre dann die Aufnahme der Versicherten zur operativen Therapie des Rektumkarzinoms in der chirurgischen Klinik notwendig gewesen. Die Frage konkurrierender Hauptdiagnosen stelle sich nicht, weil solche nicht vorgelegen hätten.

Mit Urteil vom 19. November 2013 hat das SG die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 4.867,99 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 7. November 2009 zu zahlen. Zur Begründung wird ausgeführt, nach der Definition der Hauptdiagnose in D002f der Kodierrichtlinien müsse die Hautdiagnose der maßgebliche (= verantwortliche) Grund (=Veranlassung) für den stationären Aufenthalt gewesen sein. Aus der Formulierung "nach Analyse" folge, dass erst am Ende des stationären Aufenthalts die Hauptdiagnose definiert werden könne. Sie müsse bei Aufnahme bereits bestanden haben, auch wenn zu diesem Zeitpunkt die Diagnose noch nicht gestellt war. Der Begriff bezeichne weiter den Umstand, dass durchzuführende Untersuchungen und deren Ergebnisse noch am Ende der Behandlung die Festlegung der Hauptdiagnose beeinflussen könnten. Die Hauptdiagnose müsse vom Grundsatz her auch keine Einweisungsdiagnose sein. Die Neubildung des Rektums sei danach als Hauptdiagnose zu kodieren, weil es tatsächlich behandelt wurde und die Dauer des stationären Aufenthaltes maßgeblich beeinflusst habe. Nach den Kodierrichtlinien sei für die Definition der Hauptdiagnose ausdrücklich auf die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Versicherten und nicht, wie die Beklagte mehrfach betone, auf die Veranlassung der stationären Krankenhausaufnahme abzustellen. Nach den vorliegenden ärztlichen Unterlagen sei in der Dokumentation nicht eindeutig nachgewiesen, dass nur der Harnleiterstein links mit Harnstauungsniere hauptsächlich den stationären Krankenhausaufenthalt veranlasst habe, da auch das Rektumkarzinom operativ zu behandeln war. Es erfüllten daher sowohl die Diagnose ICD-10 N20 als auch die ICD-10 C20 die Definition der Hauptdiagnose. In diesem Fall müsse der behandelnde Arzt entscheiden, welche Diagnose am besten der Hauptdiagnosedefinition entspreche.

Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, allein der Ureterstein sei Anlass für die Krankenhausbehandlung gewesen. Darin liege die Ursache für den Aufenthalt. Dass während des Aufenthaltes das Rektumkarzinom "bei Gelegenheit" mit-behandelt wurde, ändere an der zu kodierenden Hauptdiagnose nichts. Es sei nicht Aufgabe der Gerichte, korrigierend in die festgeschriebenen Regelungen der DKR einzugreifen. Soweit das SG die Hauptdiagnose vollkommen von der Aufnahme abtrenne, interpretiere es die Definition der DKR deutlich fehl. Nur in dem Fall, dass zwei oder mehrere Diagnosen in Bezug zu Aufnahme, Untersuchungsbefunden und/oder der durchgeführten Therapie gleichermaßen die Kriterien für die Hauptdiagnose erfüllten und ICD-10-Verzeichnisse und Kodierrichtlinien keine Verschlüsselungsanweisungen geben, müsse vom behandelnden Arzt entschieden werden, welche Diagnose am besten der Hauptdiagnosedefinition entspreche. Nur in diesem Fall sei vom behandelnden Arzt diejenige auszuwählen, die für Untersuchung und/oder Behandlung die meisten Ressourcen verbraucht habe. Eine solche Konstellation liege hier gerade nicht vor. Zudem werde noch auf die DKR D005d verwiesen. Den Krankenunterlagen sei eindeutig zu entnehmen, dass die Diagnose des Rektumkarzinoms nicht primär zur Veranlassung der stationären Aufnahme am 17. Januar 2008 geführt habe, weil zu diesem Zeitpunkt noch das gesamte Vorgehen in Bezug auf die ermittelten histologischen Untersuchungen unbekannt war und erst durch die internistischen Kollegen geklärt werden sollte. Ein Aufenthalt in der Klinik für Innere Medizin II sei nicht bereits geplant gewesen, sondern lediglich in Erwägung gezogen und von den Ergebnissen des histologischen Befundes abhängig gemacht worden. Sie überreicht eine Stellungnahme des MDK vom 13. März 2014.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 19. November 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist im Ergebnis auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozess- und der beigezogenen Ver-waltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Streitgegenstand ist der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung der weiteren Vergütung für die vollstationäre Behandlung eines Versicherten in Höhe von 4.867,99 EUR (richtig: 4.887,68?). Diesen Anspruch macht sie zu Recht mit der (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) geltend. Die Klage eines Krankenhausträgers - wie der Klägerin - auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten gegen eine Krankenkasse ist ein Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und keine Klagefrist zu beachten ist (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - Az.: B 1 KN 3/08 KR R m.w.N., nach juris). Die Klägerin hat den Zahlungsanspruch auch mit 4.867,99 EUR beziffert.

Der ursprünglich entstandene Anspruch der Klägerin auf Vergütung der stationären Kranken-hausbehandlung erlosch dadurch in Höhe von 4.867,68 EUR, dass die Beklagte wirksam mit ihrem Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung der Versicherten aufrechnete. Der Klägerin stand kein Anspruch auf eine weitere Vergütung in Höhe des Differenzbetrages zwischen der DRG G17Z Version 2008 und DRG L20A Version 2008 zu.

Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass der Klägerin aufgrund der Behandlung anderer Versicherter zunächst ein Anspruch auf die abgerechnete Vergütung zustand; eine nähere Prüfung des erkennenden Senats ist daher nicht erforderlich (vgl. insoweit z.B. BSG, Urteil vom 3. Juli 2012 - Az.: B 1 KR 16/11 R, nach juris). Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes (§ 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V), wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und i.S.v. § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. z.B. Urteil vom 17. Dezember 2013 - Az.: B 1 KR 57/12 R m.w.N., nach juris). Die Krankenhausvergütung bemisst sich nach den in Rechnung gestellten vertraglichen Fallpauschalen einschließlich Zusatzentgelten und sonstiger Entgelte auf gesetzlicher Grundlage (vgl. BSG, Urteil vom 8. November 2011 - Az.: B 1 KR 8/11 R, nach juris).

Der Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlung eines Versicherten der Beklagten erlosch dadurch in Höhe von 4.887,68 EUR, dass sie wirksam mit ihrem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung des Versicherten analog § 387 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) aufrechnete. Der Vergü-tungsanspruch und der von der Beklagten aufgerechnete öffentlich-rechtliche Erstattungsan-spruch waren fällig und der Vergütungsanspruch der Klägerin erfüllbar. Die Voraussetzungen des Gegenanspruchs aus öffentlich-rechtlicher Erstattung in Höhe von 4.887,68 EUR waren erfüllt, weil die von der Beklagten bezahlte Rechnung über die Behandlung des Versicherten um diesen Betrag überhöht war und sie diesen ohne Rechtsgrund an die Klägerin gezahlt hat.

Rechtsgrundlage des von der Beklagten abgerechneten und von der Klägerin durch Zahlung erfüllten Vergütungsanspruchs aus der im Jahr 2008 erfolgten stationären Behandlung des Versicherten ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V (i.d.F. durch Art. 1 Nr. 74 des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG) vom 26. März 2007 - BGBl. I 2007, Seite 378 ff) i.V.m. § 7 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG (i.d.F. durch Art. 2 Nr. 5 des Zweiten Fallpauschalenänderungsgesetzes (2. FPÄndG) vom 15. Dezember 2004, BGBl I 3429) sowie § 17b des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG, i.d.F. durch Art. 18 Nr. 4 GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) vom 26. März 2007, BGBl I Seite 378). Der Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Normenverträ-ge/Fallpauschalenverordnungen) konkretisiert. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als "Vertragsparteien auf Bundesebene" mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner vereinbarten sie insoweit Abrechnungsbestimmungen in den Fallpau-schalenvereinbarungen auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KHEntgG (hier: Ver-einbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2008 (FPV 2008)).

Der in Ausführung der genannten gesetzlichen Verpflichtung vereinbarte Fallpauschalenkatalog 2008 sieht für die Zuordnung eines bestimmten Behandlungsfalls zu einer DRG zwei Schritte vor: Zunächst ist die durchgeführte Behandlung nach Gegenstand und prägenden Merkmalen nach einem vom DIMDI herausgegebenen Kode zu verschlüsseln. Dazu haben die Vertragspartner Kodierrichtlinien beschlossen, die ebenfalls jährlich überprüft und angepasst werden. Der sich ergebende Kode ist in zu diesen Zwecken entwickelte Computerprogramme (sog. Grouper) einzugeben, die dann nach bestimmten vorgegebenen, vom Krankenhaus nicht zu beeinflussenden Kriterien die Zuordnung zu einer bestimmten DRG vornehmen. Aus dieser wird dann nach Maßgabe des Fallpauschalenkatalogs und der Pflegesatzvereinbarung die von dem Krankenhaus zu zahlende Vergütung berechnet (vgl. BSG, Urteil vom 8. November 2011 - Az.: B 1 KR 8/11 R, nach juris). Nach der Rechtsprechung des 1. und (jetzt hierfür nicht mehr zuständigen) 3. Senats des BSG ist der ausdifferenzierte Algorithmus, mit dem die verschlüsselten Prozeduren und Diagnosen in eine bestimmte DRG "übersetzt" werden, einer wertenden Betrachtung im Einzelfall nicht zugänglich. Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht. Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiter zu entwickelndes und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (vgl. BSG, Urteil vom 8. November 2011 - Az.: B 1 KR 8/11 R, nach juris).

Maßgebend sind hier die Fallpauschalenvereinbarung 2008 und die DKR in der Version 2008. Die Klägerin durfte die erfolgte stationäre Behandlung des Versicherten - ausgehend von den generellen Vorgaben - nicht nach der G-DRG G17Z abrechnen. Hierbei ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der Grouper bei Kodierung der ICD-10 C20 als Hauptdiagnose die DRG G17Z und bei Kodierung der ICD-10 N20.1 als Hauptdiagnose, die DRG L20A ansteuert. Die Klägerin hat zu Unrecht als Hauptdiagnose die ICD-10 C20 kodiert. Sie war nicht Anlass für die stationäre Aufnahme der Versicherten am 17. November 2009, auch nicht "nach Analyse" der vorliegenden Unterlagen.

Nach den Deutschen Kodierrichtlinien Version 2008 D002f wird die Hauptdiagnose definiert als: "Die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthalt des Patienten verantwortlich ist". Der Begriff "nach Analyse" bezeichnet die Evaluation der Befunde am Ende des stationären Aufenthaltes, um diejenige Krankheit festzustellen, die hauptsächlich verantwortlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes war. Die dabei evaluierten Befunde können Informationen enthalten, die aus der medizinischen und pflegerischen Anamnese, einer psychiatrischen Untersuchung, Konsultationen von Spezialisten, einer körperlichen Untersuchung, diagnostischen Tests oder Prozeduren, chirurgischen Eingriffen und pathologischen oder radiologischen Untersuchungen gewonnen wurden. Für die Abrechnung relevante Befunde, die nach der Entlassung eingehen, sind für die Kodierung heranzuziehen. Die nach Analyse festgestellte Hauptdiagnose muss nicht der Aufnahmediagnose oder Einweisungsdiagnose entsprechen. Zu der gleich lautenden Definition der Hauptdiagnose in den DKR 2007 führt das BSG in seinem Urteil vom 5. Juli 2016 - Az.: B 1 KR 40/15 R (Rn. 14ff) aus:

"Bestehen bei der Aufnahme ins Krankenhaus zwei oder mehrere Krankheiten oder Be-schwerden, die jeweils für sich genommen bereits stationärer Behandlung bedurften, kommt es darauf an, welche von ihnen bei retrospektiver Betrachtung objektiv nach medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnis hauptsächlich die stationäre Behandlung erforderlich machte. Das ist die Diagnose mit dem größten Ressourcenverbrauch. Dies folgt aus Wortlaut und System der DKR. Dabei kommt auch den in den DKR enthaltenen Erläuterungen zu den einzelnen Kodierrichtlinien normative Wirkung zu, soweit sie ergänzende Regelungen enthalten (vgl zum Ganzen BSGE 118, 225 = SozR 4-2500 § 109 Nr 45, RdNr 15 ff, dort zu DKR D002d). Für den Fall, dass - so die Zwischenüberschrift in DKR D002f - "Zwei oder mehr Diagnosen ( ) gleichermaßen der Definition der Hauptdiagnose entsprechen", findet sich folgende - mit DKR D002d übereinstimmende - Erläuterung: "Wenn zwei oder mehrere Diagnosen in Bezug zu Aufnahme, Untersuchungsbefunden und/oder der durchgeführten Therapie gleichermaßen die Kriterien für die Hauptdiagnose erfüllen und ICD-10-Verzeichnisse und Kodierrichtlinien keine Verschlüsselungsanweisungen geben, muss vom behandelnden Arzt entschieden werden, welche Diagnose am besten der Hauptdiagnose-Definition entspricht. Nur in diesem Fall ist vom behandelnden Arzt diejenige auszuwählen, die für Untersuchung und/oder Behandlung die meisten Ressourcen verbraucht hat. Hierbei ist es unerheblich, ob die Krankheiten verwandt sind oder nicht. Soweit die Erläuterung hierbei darauf verweist, dass "der behandelnde Arzt" die Hauptdiagnose auszuwählen hat, ist dies nur in einem tatsächlichen Sinn zu verstehen. Die Beurteilung, ob eine Diagnose als Hauptdiagnose zu kodieren ist, bemisst sich nach objektiven Maßstäben. Sie erfordert kein an eine bestimmte Person gebundenes höchstpersönliches Fachurteil, sondern kann jederzeit durch einen unabhängigen Sachverständigen nachvollzogen werden. Sie unterliegt im Streitfall der vollen richterlichen Nachprüfung (vgl zu den Grundsätzen auch BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 § 39 Nr 10, RdNr 30 f). Ein anderes Verständnis widerspräche höherrangigem Recht (vgl BSGE 118, 225 = SozR 4-2500 § 109 Nr 45, RdNr 18). Maßgeblich ist dabei allein der Ressourcenverbrauch. Hingegen spielt die zeitliche Abfolge der stationären Behandlung zweier oder mehrerer im Zeitpunkt der Krankenhausaufnahme stationär behandlungsbedürftiger Diagnosen keine Rolle. Das zweite wesentliche Definitionsmerkmal der Hauptdiagnose ist der Begriff "nach Analyse". Er verdeutlicht, dass es weder auf die subjektive oder objektiv erzielbare Einweisungs- oder Aufnahmediagnose ankommt, sondern allein auf die objektive expost-Betrachtung der Aufnahmegründe am Ende der Krankenhausbehandlung. Es ist für die Bestimmung der Hauptdiagnose ohne Belang, dass die Diagnose des einweisenden Arztes und des aufnehmenden Krankenhausarztes unter Berücksichtigung der ex ante vorhandenen Informationen objektiv lege artis erfolgte. Maßgeblich ist allein die objektiv zutreffende expost-Betrachtung (vgl BSGE 118, 225 = SozR 4-2500 § 109 Nr 45, RdNr 19)."

Entscheidend ist danach, der Zeitpunkt der Krankenhausaufnahme und die zu diesem Zeitpunkt bestehende(n) Diagnose(n), die gegebenenfalls auch erst "nach Analyse" benannt werden können.

Die Versicherte wurde planmäßig am 17. November 2008 zur endoskopischen Therapie der Ureterolithiasis links stationär im Krankenhaus der Klägerin aufgenommen. Eine weitere Hauptdiagnose zur stationären Aufnahme der Versicherten ist zu diesem Zeitpunkt nicht do-kumentiert. In dem Arztbrief der Klinik für Urologie vom 18. November 2008 wird ausgeführt, dass die stationäre Aufnahme der Versicherten planmäßig zur endoskopischen Therapie der Ureterolithiasis links erfolgte. Der MDK - Facharzt für Urologie Winter - weist in seiner Stellungnahme vom 6. Oktober 2010 zu Recht darauf hin, dass in dem ärztlichen Aufnahmes-tatus vom 14. November 2008 als Einweisungsdiagnose in der Spalte "HD" (= Hauptdiagnose) - tiefer Ureterstein links N20.1 in der Spalte "ND" (= Nebendiagnose) DfK links 2.10.08. Nephrolithiasis bds. Kolo 08.10.08 mäßig gut differenziertes Adenokarzinom" eingetragen ist. Als geplantes Procedere ist ausgeführt: U-Status, Kultur (= Urinstatus, Urinkultur), ZMAV (= Zentrale medizinische Aufnahme), URS links 17.11.2008, somit 7:00 S 31 (Station). Internistisches Konsil postoperativ". Es ist auch richtig, dass die Versicherte in der ZMA am gleichen Tag mit den Diagnosen: "Ureterstein links, HST Niere, Eingriff: URS links für die stationäre Aufnahme vorbereitet wurde. Es erfolgten Labordiagnostik und EKG. Die Versicherte wurde dann am 18. November 2008 zur Diagnostik und Therapieplanung eines Rektumkarzinoms in die Klinik für Innere Medizin II verlegt. Die OP-Indikation wurde erst am 22. November 2008 gestellt. Sie bestand insoweit bei Aufnahme der Versicherten am 17. November 2008 gerade nicht. Dass das Rektumkarzinom nach der stationären Aufnahme, die stationäre Behandlung maßgeblich bestimmte, ist insoweit für die Bestimmung der Hauptdiagnose nicht entscheidend.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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