Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 30 KR 754/10
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 472/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 26. November 2012 aufgehoben und die Klage der Klägerin abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist im Berufungsverfahren nunmehr noch streitig, ob die Beklagte der Klägerin die Kosten für eine operative Brustverkleinerung beidseits in Höhe von 4.560,27 Euro zu erstatten hat.
Die 1957 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Mit Schreiben vom 19. Februar 2009 beantragte sie bei der Beklagten die Kostenübernahme einer Brustverkleinerung. Zur Begründung führte sie aus, sie leide seit Jahren täglich an Schmerzen im Nackenbereich, an den Schultern, am Rücken und zeitweise auch an Kopfschmerzen. In den letzten zwei Jahren habe sie verschiedene Kurse, wie Rückenschule, Aquajogging, Schwimmen, Nordic-Walking und Ernährungskurse zur Gewichtsreduzierung sowie Pilateskurse besucht. Die behandelnde Orthopädin habe sie mit Massagen und Spritzen behandelt, die jedoch nur eine begrenzte bzw. kurzzeitige Schmerzlinderung zur Folge gehabt hätten. Es bestehe ein großer psychischer Leidensdruck wegen ständiger Schmerzen. Sie legte ein "Attest" der behandelnden Orthopädin Dipl.-Med. M. sowie eine "Ärztliche Begutachtung" des Brustzentrums V. des Klinikums O. in R., jeweils vom 12. Februar 2009, vor.
Dipl.-Med. M. führte in ihrem "Attest" aus, die Klägerin leide an einem Lumbalsyndrom mit statischer Insuffizienz bei Übergangswirbel, an Osteochondrose und starker Spondylose mit schnabelförmiger Spangenbildung, einem Beckentiefstand links, einem Cervikalsyndrom sowie an einem vertebragenen Schmerzsyndrom der Brustwirbelsäule. Des Weiteren diagnostizierte sie eine Mammahyperplasie, die sich negativ auf die zum größten Teil statischen Beschwerden der Patientin auswirke bzw. die Fehlbelastung und damit die daraus sich entwickelnden degenerativen Veränderungen fordere. Eine Mammareduktionsplastik würde sich positiv auf die Statik auswirken und daher auch die orthopädischen Beschwerden positiv beeinflussen. Im "Gutachten" des Brustzentrums V. wurde bei der Klägerin eine ausgeprägte Makromastie sowie eine erhebliche Ptosis Mammae (erschlaffte Brust, Maße: Abstand Jugulum/Mamille beidseits 35 cm, Abstand Mamille/lnframammärfalte beidseitig 18 cm) diagnostiziert. Beide Befunde hätten vom Ausmaß her krankhaften Charakter, da sie zu erheblichen statischen Problemen im Bereich der Halswirbelsäule geführt hätten. In den oberen Anteilen der BWS sei es zu Rundrückenbildung gekommen, was durch eine Hyperlordose im Bereich der LWS ausgeglichen werde. Zudem lasse sich ein erhebliches Einschneiden der BH-Träger im Bereich der Schulter erkennen. Bei der Klägerin (Größe 1,70 m, Gewicht 97 kg) sei es leider nicht möglich, durch eine allgemeine Gewichtsreduktion der Makromastie vorzubeugen bzw. diese dadurch zu beeinflussen. Bei einer Operation sei vorgesehen, etwa 800 g Brustdrüsengewebe von jeder Brustseite zu entfernen.
Die Beklagte holte daraufhin ein Gutachten des M. D. der Krankenversicherung Th. (MDK) ein. Dipl.-Med. M. diagnostizierte in dem Gutachten vom 24. März 2009 bei der Klägerin eine Adipositas (E66.9) und eine Spondylose, nicht näher bezeichnet (M47.99), und verneinte im Ergebnis die medizinischen Voraussetzungen für die Leistungsgewährung. Bisher existiere keine einzige wissenschaftliche Studie im Sinne der Evidence Based Medicine, welche einen Zusammenhang zwischen der Größe der Brüste und dem Auftreten von Wirbelsäulen-beschwerden belege. Die Klägerin habe mindestens 17 kg Übergewicht (BMI 33,6). Damit relativiere sich die angegebene Brustgröße bei lediglich geschätzten 800 g Resektionsgewicht je Seite. Die mitgeteilte Brustlast könne nicht im Sinne einer Gigantomastie gewertet werden, welche im seltenen Einzelfall operationsbegründend sein könne. Vor einer operativen Brustverkleinerung stehe eine allgemeine Gewichtsreduktion im Vordergrund. Es sei zu erwarten, dass mit Abnahme des Körpergewichtes auch das Mammagewicht abnehme und damit auch eine Besserung der statischen Beschwerden eintreten werde. Letztere resultierten auch durch die schwere körperliche Arbeit der Versicherten in der Tierpflege. Aus den vorliegenden Befundberichten seien keine Aktivitäten hinsichtlich einer Gewichtsreduktion ersichtlich, sodass festzustellen sei, dass konservative Behandlungsmöglichkeiten bisher nicht ausgeschöpft worden seien.
Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag der Klägerin auf eine Kostenübernahme für eine Mammareduktionsplastik mit Bescheid vom 31. März 2009 ab und bezog sich zur Begründung auf das Gutachten des MDK.
Mit ihrem Widerspruch vom 27. April 2009 machte die Klägerin ergänzend geltend, dass sie bereits verschiedene Möglichkeiten genutzt habe um ihr Gewicht zu reduzieren sowie die Muskulatur zur Unterstützung zu trainieren. Des Weiteren befinde sie sich stetig in Behandlung und werde am 12. Mai 2009 eine psychosomatisch-orthopädische Reha-Maßnahme beginnen. Sie legte eine Bestätigung der Diät- und Ernährungsberatung R. vom 27. April 2009 vor, die die Teilnahme an einem Kurs der Ernährungsberatung seit März 2008 und eine Gewichtsabnahme in Höhe von 8,4 kg bestätigt. Die Beklagte zog den Entlassungsbericht der Fachklinik B. vom 5. August 2009 betreffend die Reha-Maßnahme vom 12. Mai bis 16. Juni 2009 bei. Als Diagnosen wurden u.a. ein chronisches HWS-Syndrom (M53.90), ein chronisches LWS-Syndrom (M54.4) und eine depressive Episode (F32.9) gestellt. Als Empfehlung zur Entlassung wurde eine Brustverkleinerung wegen der Schmerzsymptomatik dringend empfohlen. Die Beklagte veranlasste daraufhin eine weitere Begutachtung durch den MDK. Dieser kam im Gutachten vom 20. August 2009 aufgrund körperlicher Untersuchung der Klägerin erneut zum Ergebnis, dass die medizinischen Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung nicht erfüllt seien. Als Diagnosen wurden eine Hypertrophie der Mamma (N62), ein HWS-Syndrom (M54.2) und eine Adipositas (E66.9) gestellt sowie eine weitere Gewichtsreduktion und Fortführung der wirbelsäulen-zentrierten Bewegungsübungen empfohlen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2010 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück und führte zur Begründung aus, dass aus den vorliegenden Befundberichten keine Aktivitäten hinsichtlich einer Gewichtsreduktion ersichtlich seien. Die konservativen Behandlungsmöglichkeiten seien bisher nicht ausgeschöpft worden. Bei der erneuten Begut-achtung im August 2009 habe die Klägerin ein Gewicht von 91,7 kg bei einer Körpergröße von 1,68 m gehabt. Dies entspreche einem BMI von 30. Auch das Bundessozialgericht (BSG) habe in seiner Entscheidung vom 19. Oktober 2004 (Az.: B 1 KR 9/04 R) bestätigt, dass kein Anspruch auf Krankenbehandlung in Form einer operativen Brustverkleinerung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung bestehe, wenn kein krankheitswertiger Zustand festgestellt werden könne. Bei der Klägerin liege kein krankheitswertiger, behandlungsbedürftiger Brustbefund vor.
Hiergegen hat die Klägerin am 1. März 2010 Klage vor dem Sozialgericht Altenburg (SG) erhoben und diese damit begründet, dass sie entgegen der Ausführungen der Beklagten seit langer Zeit um eine Gewichtsreduktion bemüht sei und eine derartige auch erreicht habe. Sie habe insgesamt 10 kg Gewicht verloren, jedoch ohne Auswirkung auf das Gewicht der Brüste selbst. In einer Auflistung hat die Klägerin dargelegt, welche Behandlungsalternativen sie bereits durchgeführt bzw. ausprobiert hat.
Das SG hat zur Sachaufklärung Befundberichte der behandelnden Ärzte sowie das MDK-Gutachten vom 24. Januar 2012 beigezogen. In Letzterem ist der MDK erneut zum Ergebnis gekommen, dass die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung nicht erfüllt seien und die Empfehlung ausgesprochen werde, weitere Maßnahmen durchzuführen. Als Diagnosen sind wiederum eine Hypertrophie der Mammae (N62), eine Adipositas (E66.9) und ein chronisch rezidivierendes Wirbelsäulenschmerzsyndrom (M54.2) gestellt worden. Des Weiteren hat das SG eine Begutachtung der Klägerin durch Prof. Dr. Dr. H. vom H.-Brustzentrum E. veranlasst. Dieser ist im Gutachten vom 25. Juli 2012 zum Ergebnis gelangt, dass aus frauenfach-ärztlicher Sicht die medizinische Indikation zweifelsfrei gegeben sei. Bei den vorgefundenen Maßen und dem damit korrelierenden voraussichtlichen Resektionsgewicht laute die Diagnose Makromastie. Aufgrund des beschriebenen Befundes und der von der Patientin angegebenen Beschwerden sei die Verkleinerung der Mammae medizinisch erforderlich.
Das SG hat daraufhin die Beklagte mit Urteil vom 26. November 2012 verurteilt, die Kosten für eine beidseitige Mammareduktionsplastik zu übernehmen, und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, unter dem maßgeblichen Gesichtspunkt der körperlichen Fehlfunktion stellten die Form und die Größe der Brust der Klägerin keine körperliche Anomalie oder gar eine Entstellung dar, die als Krankheit zu bewerten wäre. Dies sei weder den eingeholten Befundberichten, den MDK-Gutachten noch dem Sachverständigengutachten des Prof. Dr. Dr. H. zu entnehmen. Die von der Klägerin geltend gemachten orthopädischen Beschwerden erfüllten jedoch die Voraussetzungen für eine sog. mittelbare Therapie. In Anwendung der vom BSG aufgestellten Grundsätze ergebe die Abwägung, dass die Art und Schwere der von der Klägerin geltend gemachten Wirbelsäulenerkrankung und die Dringlichkeit der Intervention hoch anzusetzen seien. Dagegen seien die Risiken nicht allzu hoch einzuschätzen und der zu erwartende Nutzen der Therapie in keiner Weise zweifelhaft. Im Fall der Klägerin stünden auch keine wirtschaftlichen Behandlungsalternativen zur Verfügung, die vorzuziehen seien. Die Kammer sei aufgrund der vorgenannten Diagnosen davon überzeugt, dass die geltend gemachten orthopädischen Beschwerden erheblich seien und die Notwendigkeit eines operativen Eingriffs begründeten. Die bislang verordneten konservativen Behandlungen (Physiotherapie, Massagen, Spritzen) hätten in keiner Weise auch nur eine geringfügige Linderung gebracht. Ein weiteres Indiz für die geltend gemachten Wirbelsäulenbeschwerden sei der Leidensdruck der Klägerin, die seit längerem an psychischen Problemen leide.
Gegen das ihr am 21. Februar 2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19. März 2013 Berufung eingelegt und zur Begründung geltend gemacht, dass im Falle der Klägerin zwar verschiedene orthopädische Leiden diagnostiziert worden seien. Es sei jedoch nicht wissenschaftlich erwiesen, ob diese durch die Mammareduktion gelindert oder beseitigt werden könnten. Die vom SG zur Begründung seiner Entscheidung angeführten psychischen Probleme der Klägerin dienten nach der Rechtsprechung des BSG nicht zur Rechtfertigung des begehrten chirurgischen Eingriffs. Dem von der Klägerin eingereichten Privatgutachten der Dipl.-Med. M. vom 2. Juli 2014 sei nicht zu folgen, da die darin beschriebenen vielseitigen Beschwerden der Klägerin nicht allein dem Brustgewicht zugeschrieben werden könnten. Auch der gerichtliche Gutachter Dr. D., der zwar davon ausgehe, dass es sich bei der begehrten Mammareduktion um keine kosmetische Korrektur handele, konstatiere, dass diese auch nicht die ultima ratio sei. Sein Einwand, dass ein Zusammenhang zwischen Rückenbeschwerden und übergroßen Brüsten weder zu beweisen noch zu widerlegen sei, reiche für die Begründung einer besonderen Rechtfertigung für den Eingriff jedenfalls nicht aus.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 26. November 2012 aufzuheben und die Klage der Klägerin abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf ihr erstinstanzliches Vorbringen sowie die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils. Ergänzend führt sie aus, dass die degenerativen Veränderungen an ihrer Wirbelsäule voran schritten. Sie leide sowohl körperlich als auch seelisch erheblich unter ihren übergroßen Brüsten. Hinzu kämen ständige Entzündungen und Ekzeme im Sinne einer Intertrigo im Bereich der Submammärfalten. Bereits anhand des Gewichts ihrer Brüste stehe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass ihre orthopädischen Beschwerden allein im Zusammenhang mit ihren übergroßen Brüsten zu sehen seien. Sie befinde sich in ständiger orthopädischer Behandlung und unternehme alles ihr Mögliche, um ihre Wirbelsäulenbeschwerden zu lindern. So nehme sie fortlaufend physiotherapeutische Behandlungen in Anspruch und nehme auch an Nordic-Walking-Kursen, Aquajogging-Kursen und Reha-Sport teil. Daneben gehe sie regelmäßig walken und schwimmen und übe zu Hause unter Anleitung ein DVD-Pilates aus. Eine Besserung ihrer Beschwerden sei hierdurch nicht eingetreten, vielmehr hätten sich diese aufgrund des extremen Brustgewichts noch verschlimmert. Sie legt einen Psychotherapiebericht der Dipl.-Psych. R. vom 3. Mai 2013, ein "Attest" der Dipl.-Med. M. vom 9. August 2013, einen Arztbrief der Hautärztin Dr. R. vom 22. November 2013, diverse Physiotherapie- und Aquajogging-Bescheinigungen sowie eine Trainingsanmeldung zum Reha-Sport vom 8. Oktober 2013 vor. Zudem übersendet sie ein "Orthopädisches Gutachten" der Dipl.-Med. M. vom 2. Juli 2014 sowie eine Kopie des Aufsatzes "Die Mammareduktionsplastik - orthopädische Aspekte" von C. C.arstens und F. Schröter, MedSach 2/2015, S. 76ff ... Schließlich teilt sie mit, dass sie sich die streitgegenständliche Leistung am 26. November 2015 selbst beschafft hat und legt einen "Vorläufigen Arztbrief" des Prof. Dr. R., Direktor der Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Universitätsklinik J., vom 1. Dezember 2015 sowie die OP-Rechnung vom 15. Januar 2016 über 4.560,27 Euro vor.
Der Senat hat im Laufe des Berufungsverfahrens ein orthopädisches Sachverständigengutachten bei Dr. D. eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 19. November 2014 bei der Klägerin eine vermehrte Brustwirbelsäulenkyphose mit beginnender ventraler spondylotischer Ausziehung der Brustwirbelsäule bei Gigantomastie, eine reaktive symptomatische funktionelle Fehlhaltung der Hals- und Lendenwirbelsäule bei Brustwirbelsäulenkyphose, einen vermehrten Verschleiß der Halswirbelsäule mit vorderen Ausziehungen (Ventrale Spondylose) mit punctum maximum HWK 5/6 sowie eine übergewichtige Konstitution mit einem BMI von 38 diagnostiziert und geringe Zeichen einer Pilzinfektion der Haut im Bereich der Brust beschrieben. Auch eine Mammareduktionsplastik könne diese Diagnosen nicht mehr rückgängig machen, jedoch einer Verschlimmerung vorbeugen. Damit solle entsprechend der Fachliteratur eine Linderung der Beschwerden einhergehen. Die Klägerin habe physiothera-peutische Übungsbehandlungen zwar absolviert, dadurch aber keine Kompensation erreicht. Aufgrund der übergroßen Brüste sei die sportliche Betätigung erheblich eingeschränkt. Lediglich durch Schwimmen sei eine Kompensation in begrenztem Umfang möglich. Auch dies sei, ebenso wie Aquajogging, von der Klägerin bereits versucht worden. Letztlich seien diese Maßnahmen jedoch nicht geeignet, den Krankheitsverlauf ohne Operation zu verzögern oder aufzuhalten. Als konkurrierende Ursache für die Beschwerden verbleibe einzig die Adipositas der Klägerin mit einem BMI von 38. Insoweit erschienen die Empfehlungen zur weiteren Gewichtsreduktion zunächst praktikabel. Die Klägerin habe dies bereits versucht, indem sie eine Ernährungsberatung aufgesucht, sich sportlich betätigt und Physiotherapie absolviert habe. Dies hätte jedoch trotz Gewichtsreduktion von bis zu 10 kg im Maximum keine wesentliche Veränderung der Brustgröße erbracht. Eine substantielle Verringerung der Brustlast sei damit jedenfalls nicht möglich. Bei der Mammareduktionsplastik handele es sich im Falle der Klägerin um keine kosmetische Korrektur, sie sei vielmehr medizinisch notwendig, jedoch nicht im Sinne einer ultima ratio.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet, denn die Klage der Klägerin ist nicht begründet und daher das angefochtene Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klage ist auch, nachdem die Klägerin sich nach Ablehnung der Sachleistung durch die Beklagte die gewünschte Leistung im Lauf des Berufungsverfahrens selbst beschafft hat und nunmehr sinngemäß noch die Kostenerstattung klageweise geltend macht, als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig. Es fehlt nicht an dem für die Zulässigkeit erfor-derlichen Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren (vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 2008 - Az.: B 1 KR 19/07 R, nach juris).
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch nach § 13 Abs. 3 Alternative 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) auf Erstattung der Kosten für die Mamareduktionsplastik der Brust in Höhe von insgesamt 4.560,27 Euro. Die Kosten für die ärztliche Behandlung sind nicht dadurch entstanden, dass die Beklagte eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat.
Nach § 13 Abs. 3 SGB V sind Versicherten Kosten zu erstatten, die dadurch entstehen, dass die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann (Alternative 1) oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (Alternative 2) und sich Versicherte deshalb die Leistung selbst beschaffen. Die Alternative 1 kommt hier von vornherein als Anspruchsgrundlage nicht in Betracht.
Wie sich aus § 13 Abs. 1 SGB V ergibt, tritt der Kostenerstattungsanspruch an die Stelle des Anspruchs auf eine Sach- oder Dienstleistung; er besteht deshalb nur, soweit die selbst be-schaffte Leistung ihrer Art nach zu den Leistungen gehört, die von den gesetzlichen Kran-kenkassen als Sachleistung zu erbringen sind. Mit der Durchbrechung des Sachleistungs-grundsatzes (§ 2 Abs. 2 SGB V) trägt § 13 Abs. 3 SGB V dem Umstand Rechnung, dass die gesetzlichen Krankenkassen eine umfassende medizinische Versorgung ihrer Mitglieder si-cherstellen müssen (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1, § 27 Abs. 1 Satz 1, § 70 Abs. 1 Satz 1 SGB V) und infolgedessen für ein Versagen des Beschaffungssystems - sei es im medizinischen Notfall (vgl. § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V) oder infolge eines anderen unvorhergesehenen Mangels - einzustehen haben. Wortlaut und Zweck der Vorschrift lassen die Abweichung vom Sachleistungsprinzip nur in dem Umfang zu, in dem sie durch das Systemversagen verursacht ist (vgl. BSG in SozR 3-2500 § 135 Nr. 4 S. 10, 11 m.w.N.).
Die hier erbrachte operative Behandlung durch das Universitätsklinikum Jena konnte die Klägerin nicht als Dienst- und Sachleistung in Anspruch nehmen. Die operative Mammareduktionsplastik war nicht wegen einer Krankheit im Sinne des SGB V notwendig.
Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Krankheit im Sinne dieser Norm ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder - zugleich oder ausschließlich - Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat (vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 2008 - Az.: B 1 KR 19/07 R m.w.N., nach juris).
Krankheitswert im Rechtssinne kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit zu. Erforderlich ist vielmehr, dass Versicherte in ihren Körperfunktionen beeinträchtigt sind oder dass sie an einer Abweichung vom Regelfall leiden, die entstellend wirkt (vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 2008, a.a.O.). Die Klägerin ist durch die Makromastie beider Brüste nicht in ihren Körperfunktionen beeinträchtigt. Eine Beeinträchtigung der Brustfunktion wurde von der Klägerin nicht geltend gemacht. Auch die behandelnden Ärzte und der MDK sowie letztlich auch die gerichtlichen Sachverständigen Dres. H. und D. gingen nicht von einer Beeinträchtigung der Brustfunktion aus.
Bei der Klägerin lag entgegen ihrer Einschätzung keine Entstellung vor. Hierfür genügt nicht jede körperliche Anormalität. Vielmehr muss es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit und damit zugleich erwarten lässt, dass die Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Beachtung anderer wird und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückziehen und zu vereinsamen droht, sodass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist. Um eine Auffälligkeit eines solchen Ausmaßes zu erreichen, muss eine beachtliche Erheblichkeitsschwelle überschritten sein und in einer solchen Ausprägung vorhanden sein, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi "im Vorbeigehen" bemerkbar macht und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führt. Dies gilt gerade auch vor dem Hintergrund, dass die Rechtsordnung im Interesse der Eingliederung behinderter Menschen fordert, dass Nichtbehinderte ihre Wahrnehmung von Behinderung korrigieren müssen. Die Rechtsprechung hat als Beispiele für eine Entstellung z.B. das Fehlen natürlichen Kopfhaares bei einer Frau, eine Wangenathrophie oder Narben im Lippenbereich angenommen oder erörtert, während bei der Fehlanlage eines Hodens eines männlichen Versicherten eine Entstellung in der Rechtsprechung nicht einmal für erörterungswürdig angesehen wurde. Die Feststellung, dass im Einzelfall ein Versicherter wegen einer körperlichen Anormalität an einer Entstellung leidet, ist in erster Linie Tatfrage (vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 2008, a.a.O.). Der Senat geht davon aus, dass bei der Klägerin, die vor Durchführung der Mammareduktionsplastik unter einer erheblichen Adipositas mit einem BMI von 38 litt, eine solche Entstellung im Sinne der Rechtsprechung des BSG schon deshalb nicht vorlag, weil dieser Körperbereich in der Regel durch Kleidung verdeckt ist (vgl. Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19. Januar 2006 - Az.: L 5 KR 65/05, nach juris).
Eine psychische Belastung, wie von der Klägerin zudem geltend gemacht, rechtfertigt keinen operativen Eingriff auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Sie könnte, kommt ihr Krankheitswert zu, nur einen Anspruch auf Behandlung mit den Mitteln der Psychiatrie, nicht aber auf eine Mammareduktionsplastik begründen (vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 2008, a.a.O.). Die GKV muss Versicherten nicht mit jeglichem Mittel versorgen, das ihrer Gesundheit förderlich ist oder für sich in Anspruch nimmt, auf die Krankheit einzuwirken; vielmehr mutet das Gesetz den Versicherten zu, teilweise selbst für ihre Gesundheit zu sorgen (vgl. § 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB V, § 2 Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V). Auch deshalb verneint die Rechtsprechung einen Anspruch auf Heilbehandlung in Form körperlicher Eingriffe, wenn diese Maßnahmen nicht durch einen regelwidrigen Körperzustand veranlasst werden (vgl. BSG, Urteil vom 9. Juni 1998 - Az.: B 1 KR 18/96 R, nach juris). Damit wertet sie Operationen am - krankenversicherungsrechtlich betrachtet - gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen sollen, nicht als "Behandlung" i.S. von § 27 Abs. 1 SGB V und weist derartige Maßnahmen der Eigenverantwortung des Versicherten zu (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004 - Az.: B 1 KR 3/03 R, nach juris). Operationen am gesunden Körper bedürfen gerade wegen der mit ihnen verbundenen Risiken einer besonderen Rechtfertigung, weil damit nicht gezielt gegen die eigentliche Krankheit selbst vorgegangen wird, sondern nur mittelbar die Besserung eines einzig einem anderen Bereich zugehörigen gesundheitlichen Defizits erreicht werden soll (vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 2003 - Az.: B 1 KR 1/02 R, nach juris). Eine solche Rechtfertigung hat das BSG für Operationen am gesunden Körper zur Behebung von psychischen Störungen zu Recht verneint (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004, a.a.O.).
Auch die von der Klägerin zur Begründung ihres Begehrens geltend gemachten orthopädischen Beschwerden begründen nicht die Notwendigkeit eines operativen Eingriffs im Bereich der Brust. Eine Mammareduktionsplastik würde lediglich eine mittelbare Behandlung der Erkrankungen der Klägerin auf orthopädischem Fachgebiet darstellen. Lediglich mittelbare Behandlungen einer Krankheit bedürfen einer speziellen Rechtfertigung, wobei die Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit der Intervention, die Risiken und der zu erwartende Nutzen der Therapie sowie etwaige Folgekosten für die Krankenversicherung gegeneinander abzuwägen sind (vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 2003, a.a.O.). Eine chirurgische Behandlung in Form der Brustverkleinerung darf danach nur die ultima ratio sein, zumal ein operativer Eingriff stets mit einem erheblichen Risiko (Narkose, Operationsfolgen wie z.B. Entzündungen, Thrombose bzw. Lungenembolie, operationsspezifische Komplikationen) verbunden ist. Zu fordern ist auf jeden Fall eine schwerwiegende Erkrankung der Wirbelsäule und die erfolglose Ausschöpfung aller konservativen orthopädischen Behandlungsmaßnahmen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21. September 2011 - Az.: L 11 KR 33/09 m.w.N., nach juris, sowie die Rechtsprechung des erkennenden Senats, z.B. Urteil vom 29. Oktober 2013 - Az.: L 6 KR 158/11 nach juris).
Im Falle der Klägerin kann dahinstehen, ob die von ihr angegebenen und von den behandeln-den Ärzten sowie den gerichtlichen Gutachter bestätigten orthopädischen Beschwerden nach den oben dargestellten Maßstäben einen Anspruch auf eine beidseitige Mammareduktionsplastik begründen könnten. Hierfür könnten z.B. die von Dr. D. im Rahmen seiner Begutachtung festgestellte vermehrte Brustwirbelsäulenkyphose mit beginnender ventraler spondylotischer Ausziehung der Brustwirbelsäule, reaktive symptomatische funktionelle Fehlhaltung der Hals- und Lendenwirbelsäule sowie vermehrten Verschleiß der Halswirbelsäule mit vorderen Ausziehungen sprechen. Fraglich bliebe insoweit allerdings, ob die begehrte Mammareduktionsplastik tatsächlich geeignet wäre, zumindest die weitere Progredienz der festgestellten Beschwerden aufzuhalten. Auch Dr. D. stellt hierzu fest, dass es aktuell keine wissenschaftlichen Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen Rückenbeschwerden und übergroßen Brüsten gibt.
Jedenfalls ist für den Senat jedoch nicht erkennbar, dass die Klägerin die konservativen Be-handlungsmöglichkeiten vollständig ausgeschöpft hat, mithin die von ihr begehrte und inzwischen durchgeführte Mammareduktionsplastik die ultima ratio im Sinne der eingangs zitierten Rechtsprechung des BSG darstellt. Zwar hat die Klägerin geltend gemacht, dass sie sich vor Durchführung der Mammareduktionsplastik im November 2015 in ständiger orthopädischer Behandlung befunden und alles ihr Mögliche unternommen habe, um ihre Wirbelsäulenbe-schwerden zu lindern. So habe sie fortlaufend physiotherapeutische Behandlungen in Anspruch genommen und auch an Nordic-Walking-Kursen, Aquajogging-Kursen und Reha-Sport teilgenommen. Daneben sei sie regelmäßig walken und schwimmen gegangen und habe zu Hause unter Anleitung ein DVD-Pilates ausgeübt. Eine Besserung ihrer Beschwerden sei hierdurch nicht eingetreten, vielmehr hätten sich diese aufgrund des extremen Brustgewichts noch verschlimmert. Zur Glaubhaftmachung hat sie diverse Bestätigungen vorgelegt. Ob diese Maßnahmen als ausreichend zu bezeichnen sind, lässt der Senat jedoch im Hinblick auf ihr starkes Übergewicht dahinstehen. Diesbezüglich konnte von der Klägerin vor Stellung einer Operationsindikation zunächst eine erhebliche Gewichtsreduktion verlangt werden. Nachdem sie bei einer Körpergröße von 1,68 m bis 2009 im Rahmen einer Ernährungsberatung zunächst 10 kg abgenommen und im August 2009 noch 92 kg gewogen haben will, hatte sich ihr Gewicht bis November 2014 wieder auf 110 kg (BMI 38) erhöht. Entgegen der Auffassung des Dr. D. in dessen Gutachten vom 19. November 2014, wonach durch eine Gewichtsreduktion keine substantielle Verringerung der Brustlast möglich sei, geht der Senat mit der Beklagten und dem MDK davon aus, dass eine wesentliche Gewichtsreduzierung Voraussetzung gewesen wäre, um bei einer dann eventuell ausbleibenden Besserung der Beschwerden überhaupt von einer ultima ratio der Mammareduktion sprechen zu können. Letztlich konstatiert auch Dr. D. ausdrücklich, dass es sich bei der von der Klägerin begehrten Mammareduktionsplastik nicht um die ultima ratio für die Behandlung ihrer orthopädischen Beschwerden handelt bzw. gehandelt hat. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom SG erstinstanzlich eingeholten Gutachten des Gynäkologen Prof. Dr. Dr. H. Dieser hält zwar eine Brustverkleinerung für medizinisch indiziert, stützt sich dabei aber maßgeblich auf die durch die Klägerin geltend gemachten orthopädischen Beschwerden, ohne eigene Befunde zu erheben, sowie auf die von ihm festgestellte Makromastie. Dies ist im Hinblick auf die obigen Ausführungen jedoch nicht überzeugend, zumal eine gynäkologische Begutachtung aufgrund der bei der Klägerin nicht vorhandenen Funktionsbeeinträchtigungen ihrer Brust als fachfremd und damit ungeeignet anzusehen ist.
Soweit die Klägerin schließlich auf ihre Hautbeschwerden hinweist, ist dem entgegen zu halten, dass sie sich ausweislich des Entlassungsberichts der Klinik F./V. vom 2. August 2010 im Juli/August 2010 einer stationären dermatologischen Behandlung wegen eines Ganzkörperek-zems unterzogen hat und deshalb die nunmehr geltend gemachten Hautbeschwerden im Bereich der Brust schwerlich allein auf die Größe der Brust zurück zu führen sind. Im Übrigen bestehen diesbezüglich dermatologische Behandlungsmöglichkeiten. Die Notwendigkeit der Mammareduktionsplastik folgt hieraus jedenfalls nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist im Berufungsverfahren nunmehr noch streitig, ob die Beklagte der Klägerin die Kosten für eine operative Brustverkleinerung beidseits in Höhe von 4.560,27 Euro zu erstatten hat.
Die 1957 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Mit Schreiben vom 19. Februar 2009 beantragte sie bei der Beklagten die Kostenübernahme einer Brustverkleinerung. Zur Begründung führte sie aus, sie leide seit Jahren täglich an Schmerzen im Nackenbereich, an den Schultern, am Rücken und zeitweise auch an Kopfschmerzen. In den letzten zwei Jahren habe sie verschiedene Kurse, wie Rückenschule, Aquajogging, Schwimmen, Nordic-Walking und Ernährungskurse zur Gewichtsreduzierung sowie Pilateskurse besucht. Die behandelnde Orthopädin habe sie mit Massagen und Spritzen behandelt, die jedoch nur eine begrenzte bzw. kurzzeitige Schmerzlinderung zur Folge gehabt hätten. Es bestehe ein großer psychischer Leidensdruck wegen ständiger Schmerzen. Sie legte ein "Attest" der behandelnden Orthopädin Dipl.-Med. M. sowie eine "Ärztliche Begutachtung" des Brustzentrums V. des Klinikums O. in R., jeweils vom 12. Februar 2009, vor.
Dipl.-Med. M. führte in ihrem "Attest" aus, die Klägerin leide an einem Lumbalsyndrom mit statischer Insuffizienz bei Übergangswirbel, an Osteochondrose und starker Spondylose mit schnabelförmiger Spangenbildung, einem Beckentiefstand links, einem Cervikalsyndrom sowie an einem vertebragenen Schmerzsyndrom der Brustwirbelsäule. Des Weiteren diagnostizierte sie eine Mammahyperplasie, die sich negativ auf die zum größten Teil statischen Beschwerden der Patientin auswirke bzw. die Fehlbelastung und damit die daraus sich entwickelnden degenerativen Veränderungen fordere. Eine Mammareduktionsplastik würde sich positiv auf die Statik auswirken und daher auch die orthopädischen Beschwerden positiv beeinflussen. Im "Gutachten" des Brustzentrums V. wurde bei der Klägerin eine ausgeprägte Makromastie sowie eine erhebliche Ptosis Mammae (erschlaffte Brust, Maße: Abstand Jugulum/Mamille beidseits 35 cm, Abstand Mamille/lnframammärfalte beidseitig 18 cm) diagnostiziert. Beide Befunde hätten vom Ausmaß her krankhaften Charakter, da sie zu erheblichen statischen Problemen im Bereich der Halswirbelsäule geführt hätten. In den oberen Anteilen der BWS sei es zu Rundrückenbildung gekommen, was durch eine Hyperlordose im Bereich der LWS ausgeglichen werde. Zudem lasse sich ein erhebliches Einschneiden der BH-Träger im Bereich der Schulter erkennen. Bei der Klägerin (Größe 1,70 m, Gewicht 97 kg) sei es leider nicht möglich, durch eine allgemeine Gewichtsreduktion der Makromastie vorzubeugen bzw. diese dadurch zu beeinflussen. Bei einer Operation sei vorgesehen, etwa 800 g Brustdrüsengewebe von jeder Brustseite zu entfernen.
Die Beklagte holte daraufhin ein Gutachten des M. D. der Krankenversicherung Th. (MDK) ein. Dipl.-Med. M. diagnostizierte in dem Gutachten vom 24. März 2009 bei der Klägerin eine Adipositas (E66.9) und eine Spondylose, nicht näher bezeichnet (M47.99), und verneinte im Ergebnis die medizinischen Voraussetzungen für die Leistungsgewährung. Bisher existiere keine einzige wissenschaftliche Studie im Sinne der Evidence Based Medicine, welche einen Zusammenhang zwischen der Größe der Brüste und dem Auftreten von Wirbelsäulen-beschwerden belege. Die Klägerin habe mindestens 17 kg Übergewicht (BMI 33,6). Damit relativiere sich die angegebene Brustgröße bei lediglich geschätzten 800 g Resektionsgewicht je Seite. Die mitgeteilte Brustlast könne nicht im Sinne einer Gigantomastie gewertet werden, welche im seltenen Einzelfall operationsbegründend sein könne. Vor einer operativen Brustverkleinerung stehe eine allgemeine Gewichtsreduktion im Vordergrund. Es sei zu erwarten, dass mit Abnahme des Körpergewichtes auch das Mammagewicht abnehme und damit auch eine Besserung der statischen Beschwerden eintreten werde. Letztere resultierten auch durch die schwere körperliche Arbeit der Versicherten in der Tierpflege. Aus den vorliegenden Befundberichten seien keine Aktivitäten hinsichtlich einer Gewichtsreduktion ersichtlich, sodass festzustellen sei, dass konservative Behandlungsmöglichkeiten bisher nicht ausgeschöpft worden seien.
Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag der Klägerin auf eine Kostenübernahme für eine Mammareduktionsplastik mit Bescheid vom 31. März 2009 ab und bezog sich zur Begründung auf das Gutachten des MDK.
Mit ihrem Widerspruch vom 27. April 2009 machte die Klägerin ergänzend geltend, dass sie bereits verschiedene Möglichkeiten genutzt habe um ihr Gewicht zu reduzieren sowie die Muskulatur zur Unterstützung zu trainieren. Des Weiteren befinde sie sich stetig in Behandlung und werde am 12. Mai 2009 eine psychosomatisch-orthopädische Reha-Maßnahme beginnen. Sie legte eine Bestätigung der Diät- und Ernährungsberatung R. vom 27. April 2009 vor, die die Teilnahme an einem Kurs der Ernährungsberatung seit März 2008 und eine Gewichtsabnahme in Höhe von 8,4 kg bestätigt. Die Beklagte zog den Entlassungsbericht der Fachklinik B. vom 5. August 2009 betreffend die Reha-Maßnahme vom 12. Mai bis 16. Juni 2009 bei. Als Diagnosen wurden u.a. ein chronisches HWS-Syndrom (M53.90), ein chronisches LWS-Syndrom (M54.4) und eine depressive Episode (F32.9) gestellt. Als Empfehlung zur Entlassung wurde eine Brustverkleinerung wegen der Schmerzsymptomatik dringend empfohlen. Die Beklagte veranlasste daraufhin eine weitere Begutachtung durch den MDK. Dieser kam im Gutachten vom 20. August 2009 aufgrund körperlicher Untersuchung der Klägerin erneut zum Ergebnis, dass die medizinischen Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung nicht erfüllt seien. Als Diagnosen wurden eine Hypertrophie der Mamma (N62), ein HWS-Syndrom (M54.2) und eine Adipositas (E66.9) gestellt sowie eine weitere Gewichtsreduktion und Fortführung der wirbelsäulen-zentrierten Bewegungsübungen empfohlen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2010 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück und führte zur Begründung aus, dass aus den vorliegenden Befundberichten keine Aktivitäten hinsichtlich einer Gewichtsreduktion ersichtlich seien. Die konservativen Behandlungsmöglichkeiten seien bisher nicht ausgeschöpft worden. Bei der erneuten Begut-achtung im August 2009 habe die Klägerin ein Gewicht von 91,7 kg bei einer Körpergröße von 1,68 m gehabt. Dies entspreche einem BMI von 30. Auch das Bundessozialgericht (BSG) habe in seiner Entscheidung vom 19. Oktober 2004 (Az.: B 1 KR 9/04 R) bestätigt, dass kein Anspruch auf Krankenbehandlung in Form einer operativen Brustverkleinerung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung bestehe, wenn kein krankheitswertiger Zustand festgestellt werden könne. Bei der Klägerin liege kein krankheitswertiger, behandlungsbedürftiger Brustbefund vor.
Hiergegen hat die Klägerin am 1. März 2010 Klage vor dem Sozialgericht Altenburg (SG) erhoben und diese damit begründet, dass sie entgegen der Ausführungen der Beklagten seit langer Zeit um eine Gewichtsreduktion bemüht sei und eine derartige auch erreicht habe. Sie habe insgesamt 10 kg Gewicht verloren, jedoch ohne Auswirkung auf das Gewicht der Brüste selbst. In einer Auflistung hat die Klägerin dargelegt, welche Behandlungsalternativen sie bereits durchgeführt bzw. ausprobiert hat.
Das SG hat zur Sachaufklärung Befundberichte der behandelnden Ärzte sowie das MDK-Gutachten vom 24. Januar 2012 beigezogen. In Letzterem ist der MDK erneut zum Ergebnis gekommen, dass die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung nicht erfüllt seien und die Empfehlung ausgesprochen werde, weitere Maßnahmen durchzuführen. Als Diagnosen sind wiederum eine Hypertrophie der Mammae (N62), eine Adipositas (E66.9) und ein chronisch rezidivierendes Wirbelsäulenschmerzsyndrom (M54.2) gestellt worden. Des Weiteren hat das SG eine Begutachtung der Klägerin durch Prof. Dr. Dr. H. vom H.-Brustzentrum E. veranlasst. Dieser ist im Gutachten vom 25. Juli 2012 zum Ergebnis gelangt, dass aus frauenfach-ärztlicher Sicht die medizinische Indikation zweifelsfrei gegeben sei. Bei den vorgefundenen Maßen und dem damit korrelierenden voraussichtlichen Resektionsgewicht laute die Diagnose Makromastie. Aufgrund des beschriebenen Befundes und der von der Patientin angegebenen Beschwerden sei die Verkleinerung der Mammae medizinisch erforderlich.
Das SG hat daraufhin die Beklagte mit Urteil vom 26. November 2012 verurteilt, die Kosten für eine beidseitige Mammareduktionsplastik zu übernehmen, und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, unter dem maßgeblichen Gesichtspunkt der körperlichen Fehlfunktion stellten die Form und die Größe der Brust der Klägerin keine körperliche Anomalie oder gar eine Entstellung dar, die als Krankheit zu bewerten wäre. Dies sei weder den eingeholten Befundberichten, den MDK-Gutachten noch dem Sachverständigengutachten des Prof. Dr. Dr. H. zu entnehmen. Die von der Klägerin geltend gemachten orthopädischen Beschwerden erfüllten jedoch die Voraussetzungen für eine sog. mittelbare Therapie. In Anwendung der vom BSG aufgestellten Grundsätze ergebe die Abwägung, dass die Art und Schwere der von der Klägerin geltend gemachten Wirbelsäulenerkrankung und die Dringlichkeit der Intervention hoch anzusetzen seien. Dagegen seien die Risiken nicht allzu hoch einzuschätzen und der zu erwartende Nutzen der Therapie in keiner Weise zweifelhaft. Im Fall der Klägerin stünden auch keine wirtschaftlichen Behandlungsalternativen zur Verfügung, die vorzuziehen seien. Die Kammer sei aufgrund der vorgenannten Diagnosen davon überzeugt, dass die geltend gemachten orthopädischen Beschwerden erheblich seien und die Notwendigkeit eines operativen Eingriffs begründeten. Die bislang verordneten konservativen Behandlungen (Physiotherapie, Massagen, Spritzen) hätten in keiner Weise auch nur eine geringfügige Linderung gebracht. Ein weiteres Indiz für die geltend gemachten Wirbelsäulenbeschwerden sei der Leidensdruck der Klägerin, die seit längerem an psychischen Problemen leide.
Gegen das ihr am 21. Februar 2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19. März 2013 Berufung eingelegt und zur Begründung geltend gemacht, dass im Falle der Klägerin zwar verschiedene orthopädische Leiden diagnostiziert worden seien. Es sei jedoch nicht wissenschaftlich erwiesen, ob diese durch die Mammareduktion gelindert oder beseitigt werden könnten. Die vom SG zur Begründung seiner Entscheidung angeführten psychischen Probleme der Klägerin dienten nach der Rechtsprechung des BSG nicht zur Rechtfertigung des begehrten chirurgischen Eingriffs. Dem von der Klägerin eingereichten Privatgutachten der Dipl.-Med. M. vom 2. Juli 2014 sei nicht zu folgen, da die darin beschriebenen vielseitigen Beschwerden der Klägerin nicht allein dem Brustgewicht zugeschrieben werden könnten. Auch der gerichtliche Gutachter Dr. D., der zwar davon ausgehe, dass es sich bei der begehrten Mammareduktion um keine kosmetische Korrektur handele, konstatiere, dass diese auch nicht die ultima ratio sei. Sein Einwand, dass ein Zusammenhang zwischen Rückenbeschwerden und übergroßen Brüsten weder zu beweisen noch zu widerlegen sei, reiche für die Begründung einer besonderen Rechtfertigung für den Eingriff jedenfalls nicht aus.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 26. November 2012 aufzuheben und die Klage der Klägerin abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf ihr erstinstanzliches Vorbringen sowie die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils. Ergänzend führt sie aus, dass die degenerativen Veränderungen an ihrer Wirbelsäule voran schritten. Sie leide sowohl körperlich als auch seelisch erheblich unter ihren übergroßen Brüsten. Hinzu kämen ständige Entzündungen und Ekzeme im Sinne einer Intertrigo im Bereich der Submammärfalten. Bereits anhand des Gewichts ihrer Brüste stehe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass ihre orthopädischen Beschwerden allein im Zusammenhang mit ihren übergroßen Brüsten zu sehen seien. Sie befinde sich in ständiger orthopädischer Behandlung und unternehme alles ihr Mögliche, um ihre Wirbelsäulenbeschwerden zu lindern. So nehme sie fortlaufend physiotherapeutische Behandlungen in Anspruch und nehme auch an Nordic-Walking-Kursen, Aquajogging-Kursen und Reha-Sport teil. Daneben gehe sie regelmäßig walken und schwimmen und übe zu Hause unter Anleitung ein DVD-Pilates aus. Eine Besserung ihrer Beschwerden sei hierdurch nicht eingetreten, vielmehr hätten sich diese aufgrund des extremen Brustgewichts noch verschlimmert. Sie legt einen Psychotherapiebericht der Dipl.-Psych. R. vom 3. Mai 2013, ein "Attest" der Dipl.-Med. M. vom 9. August 2013, einen Arztbrief der Hautärztin Dr. R. vom 22. November 2013, diverse Physiotherapie- und Aquajogging-Bescheinigungen sowie eine Trainingsanmeldung zum Reha-Sport vom 8. Oktober 2013 vor. Zudem übersendet sie ein "Orthopädisches Gutachten" der Dipl.-Med. M. vom 2. Juli 2014 sowie eine Kopie des Aufsatzes "Die Mammareduktionsplastik - orthopädische Aspekte" von C. C.arstens und F. Schröter, MedSach 2/2015, S. 76ff ... Schließlich teilt sie mit, dass sie sich die streitgegenständliche Leistung am 26. November 2015 selbst beschafft hat und legt einen "Vorläufigen Arztbrief" des Prof. Dr. R., Direktor der Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Universitätsklinik J., vom 1. Dezember 2015 sowie die OP-Rechnung vom 15. Januar 2016 über 4.560,27 Euro vor.
Der Senat hat im Laufe des Berufungsverfahrens ein orthopädisches Sachverständigengutachten bei Dr. D. eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 19. November 2014 bei der Klägerin eine vermehrte Brustwirbelsäulenkyphose mit beginnender ventraler spondylotischer Ausziehung der Brustwirbelsäule bei Gigantomastie, eine reaktive symptomatische funktionelle Fehlhaltung der Hals- und Lendenwirbelsäule bei Brustwirbelsäulenkyphose, einen vermehrten Verschleiß der Halswirbelsäule mit vorderen Ausziehungen (Ventrale Spondylose) mit punctum maximum HWK 5/6 sowie eine übergewichtige Konstitution mit einem BMI von 38 diagnostiziert und geringe Zeichen einer Pilzinfektion der Haut im Bereich der Brust beschrieben. Auch eine Mammareduktionsplastik könne diese Diagnosen nicht mehr rückgängig machen, jedoch einer Verschlimmerung vorbeugen. Damit solle entsprechend der Fachliteratur eine Linderung der Beschwerden einhergehen. Die Klägerin habe physiothera-peutische Übungsbehandlungen zwar absolviert, dadurch aber keine Kompensation erreicht. Aufgrund der übergroßen Brüste sei die sportliche Betätigung erheblich eingeschränkt. Lediglich durch Schwimmen sei eine Kompensation in begrenztem Umfang möglich. Auch dies sei, ebenso wie Aquajogging, von der Klägerin bereits versucht worden. Letztlich seien diese Maßnahmen jedoch nicht geeignet, den Krankheitsverlauf ohne Operation zu verzögern oder aufzuhalten. Als konkurrierende Ursache für die Beschwerden verbleibe einzig die Adipositas der Klägerin mit einem BMI von 38. Insoweit erschienen die Empfehlungen zur weiteren Gewichtsreduktion zunächst praktikabel. Die Klägerin habe dies bereits versucht, indem sie eine Ernährungsberatung aufgesucht, sich sportlich betätigt und Physiotherapie absolviert habe. Dies hätte jedoch trotz Gewichtsreduktion von bis zu 10 kg im Maximum keine wesentliche Veränderung der Brustgröße erbracht. Eine substantielle Verringerung der Brustlast sei damit jedenfalls nicht möglich. Bei der Mammareduktionsplastik handele es sich im Falle der Klägerin um keine kosmetische Korrektur, sie sei vielmehr medizinisch notwendig, jedoch nicht im Sinne einer ultima ratio.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet, denn die Klage der Klägerin ist nicht begründet und daher das angefochtene Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klage ist auch, nachdem die Klägerin sich nach Ablehnung der Sachleistung durch die Beklagte die gewünschte Leistung im Lauf des Berufungsverfahrens selbst beschafft hat und nunmehr sinngemäß noch die Kostenerstattung klageweise geltend macht, als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig. Es fehlt nicht an dem für die Zulässigkeit erfor-derlichen Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren (vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 2008 - Az.: B 1 KR 19/07 R, nach juris).
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch nach § 13 Abs. 3 Alternative 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) auf Erstattung der Kosten für die Mamareduktionsplastik der Brust in Höhe von insgesamt 4.560,27 Euro. Die Kosten für die ärztliche Behandlung sind nicht dadurch entstanden, dass die Beklagte eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat.
Nach § 13 Abs. 3 SGB V sind Versicherten Kosten zu erstatten, die dadurch entstehen, dass die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann (Alternative 1) oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (Alternative 2) und sich Versicherte deshalb die Leistung selbst beschaffen. Die Alternative 1 kommt hier von vornherein als Anspruchsgrundlage nicht in Betracht.
Wie sich aus § 13 Abs. 1 SGB V ergibt, tritt der Kostenerstattungsanspruch an die Stelle des Anspruchs auf eine Sach- oder Dienstleistung; er besteht deshalb nur, soweit die selbst be-schaffte Leistung ihrer Art nach zu den Leistungen gehört, die von den gesetzlichen Kran-kenkassen als Sachleistung zu erbringen sind. Mit der Durchbrechung des Sachleistungs-grundsatzes (§ 2 Abs. 2 SGB V) trägt § 13 Abs. 3 SGB V dem Umstand Rechnung, dass die gesetzlichen Krankenkassen eine umfassende medizinische Versorgung ihrer Mitglieder si-cherstellen müssen (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1, § 27 Abs. 1 Satz 1, § 70 Abs. 1 Satz 1 SGB V) und infolgedessen für ein Versagen des Beschaffungssystems - sei es im medizinischen Notfall (vgl. § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V) oder infolge eines anderen unvorhergesehenen Mangels - einzustehen haben. Wortlaut und Zweck der Vorschrift lassen die Abweichung vom Sachleistungsprinzip nur in dem Umfang zu, in dem sie durch das Systemversagen verursacht ist (vgl. BSG in SozR 3-2500 § 135 Nr. 4 S. 10, 11 m.w.N.).
Die hier erbrachte operative Behandlung durch das Universitätsklinikum Jena konnte die Klägerin nicht als Dienst- und Sachleistung in Anspruch nehmen. Die operative Mammareduktionsplastik war nicht wegen einer Krankheit im Sinne des SGB V notwendig.
Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Krankheit im Sinne dieser Norm ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder - zugleich oder ausschließlich - Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat (vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 2008 - Az.: B 1 KR 19/07 R m.w.N., nach juris).
Krankheitswert im Rechtssinne kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit zu. Erforderlich ist vielmehr, dass Versicherte in ihren Körperfunktionen beeinträchtigt sind oder dass sie an einer Abweichung vom Regelfall leiden, die entstellend wirkt (vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 2008, a.a.O.). Die Klägerin ist durch die Makromastie beider Brüste nicht in ihren Körperfunktionen beeinträchtigt. Eine Beeinträchtigung der Brustfunktion wurde von der Klägerin nicht geltend gemacht. Auch die behandelnden Ärzte und der MDK sowie letztlich auch die gerichtlichen Sachverständigen Dres. H. und D. gingen nicht von einer Beeinträchtigung der Brustfunktion aus.
Bei der Klägerin lag entgegen ihrer Einschätzung keine Entstellung vor. Hierfür genügt nicht jede körperliche Anormalität. Vielmehr muss es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit und damit zugleich erwarten lässt, dass die Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Beachtung anderer wird und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückziehen und zu vereinsamen droht, sodass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist. Um eine Auffälligkeit eines solchen Ausmaßes zu erreichen, muss eine beachtliche Erheblichkeitsschwelle überschritten sein und in einer solchen Ausprägung vorhanden sein, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi "im Vorbeigehen" bemerkbar macht und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führt. Dies gilt gerade auch vor dem Hintergrund, dass die Rechtsordnung im Interesse der Eingliederung behinderter Menschen fordert, dass Nichtbehinderte ihre Wahrnehmung von Behinderung korrigieren müssen. Die Rechtsprechung hat als Beispiele für eine Entstellung z.B. das Fehlen natürlichen Kopfhaares bei einer Frau, eine Wangenathrophie oder Narben im Lippenbereich angenommen oder erörtert, während bei der Fehlanlage eines Hodens eines männlichen Versicherten eine Entstellung in der Rechtsprechung nicht einmal für erörterungswürdig angesehen wurde. Die Feststellung, dass im Einzelfall ein Versicherter wegen einer körperlichen Anormalität an einer Entstellung leidet, ist in erster Linie Tatfrage (vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 2008, a.a.O.). Der Senat geht davon aus, dass bei der Klägerin, die vor Durchführung der Mammareduktionsplastik unter einer erheblichen Adipositas mit einem BMI von 38 litt, eine solche Entstellung im Sinne der Rechtsprechung des BSG schon deshalb nicht vorlag, weil dieser Körperbereich in der Regel durch Kleidung verdeckt ist (vgl. Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19. Januar 2006 - Az.: L 5 KR 65/05, nach juris).
Eine psychische Belastung, wie von der Klägerin zudem geltend gemacht, rechtfertigt keinen operativen Eingriff auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Sie könnte, kommt ihr Krankheitswert zu, nur einen Anspruch auf Behandlung mit den Mitteln der Psychiatrie, nicht aber auf eine Mammareduktionsplastik begründen (vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 2008, a.a.O.). Die GKV muss Versicherten nicht mit jeglichem Mittel versorgen, das ihrer Gesundheit förderlich ist oder für sich in Anspruch nimmt, auf die Krankheit einzuwirken; vielmehr mutet das Gesetz den Versicherten zu, teilweise selbst für ihre Gesundheit zu sorgen (vgl. § 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB V, § 2 Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V). Auch deshalb verneint die Rechtsprechung einen Anspruch auf Heilbehandlung in Form körperlicher Eingriffe, wenn diese Maßnahmen nicht durch einen regelwidrigen Körperzustand veranlasst werden (vgl. BSG, Urteil vom 9. Juni 1998 - Az.: B 1 KR 18/96 R, nach juris). Damit wertet sie Operationen am - krankenversicherungsrechtlich betrachtet - gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen sollen, nicht als "Behandlung" i.S. von § 27 Abs. 1 SGB V und weist derartige Maßnahmen der Eigenverantwortung des Versicherten zu (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004 - Az.: B 1 KR 3/03 R, nach juris). Operationen am gesunden Körper bedürfen gerade wegen der mit ihnen verbundenen Risiken einer besonderen Rechtfertigung, weil damit nicht gezielt gegen die eigentliche Krankheit selbst vorgegangen wird, sondern nur mittelbar die Besserung eines einzig einem anderen Bereich zugehörigen gesundheitlichen Defizits erreicht werden soll (vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 2003 - Az.: B 1 KR 1/02 R, nach juris). Eine solche Rechtfertigung hat das BSG für Operationen am gesunden Körper zur Behebung von psychischen Störungen zu Recht verneint (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004, a.a.O.).
Auch die von der Klägerin zur Begründung ihres Begehrens geltend gemachten orthopädischen Beschwerden begründen nicht die Notwendigkeit eines operativen Eingriffs im Bereich der Brust. Eine Mammareduktionsplastik würde lediglich eine mittelbare Behandlung der Erkrankungen der Klägerin auf orthopädischem Fachgebiet darstellen. Lediglich mittelbare Behandlungen einer Krankheit bedürfen einer speziellen Rechtfertigung, wobei die Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit der Intervention, die Risiken und der zu erwartende Nutzen der Therapie sowie etwaige Folgekosten für die Krankenversicherung gegeneinander abzuwägen sind (vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 2003, a.a.O.). Eine chirurgische Behandlung in Form der Brustverkleinerung darf danach nur die ultima ratio sein, zumal ein operativer Eingriff stets mit einem erheblichen Risiko (Narkose, Operationsfolgen wie z.B. Entzündungen, Thrombose bzw. Lungenembolie, operationsspezifische Komplikationen) verbunden ist. Zu fordern ist auf jeden Fall eine schwerwiegende Erkrankung der Wirbelsäule und die erfolglose Ausschöpfung aller konservativen orthopädischen Behandlungsmaßnahmen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21. September 2011 - Az.: L 11 KR 33/09 m.w.N., nach juris, sowie die Rechtsprechung des erkennenden Senats, z.B. Urteil vom 29. Oktober 2013 - Az.: L 6 KR 158/11 nach juris).
Im Falle der Klägerin kann dahinstehen, ob die von ihr angegebenen und von den behandeln-den Ärzten sowie den gerichtlichen Gutachter bestätigten orthopädischen Beschwerden nach den oben dargestellten Maßstäben einen Anspruch auf eine beidseitige Mammareduktionsplastik begründen könnten. Hierfür könnten z.B. die von Dr. D. im Rahmen seiner Begutachtung festgestellte vermehrte Brustwirbelsäulenkyphose mit beginnender ventraler spondylotischer Ausziehung der Brustwirbelsäule, reaktive symptomatische funktionelle Fehlhaltung der Hals- und Lendenwirbelsäule sowie vermehrten Verschleiß der Halswirbelsäule mit vorderen Ausziehungen sprechen. Fraglich bliebe insoweit allerdings, ob die begehrte Mammareduktionsplastik tatsächlich geeignet wäre, zumindest die weitere Progredienz der festgestellten Beschwerden aufzuhalten. Auch Dr. D. stellt hierzu fest, dass es aktuell keine wissenschaftlichen Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen Rückenbeschwerden und übergroßen Brüsten gibt.
Jedenfalls ist für den Senat jedoch nicht erkennbar, dass die Klägerin die konservativen Be-handlungsmöglichkeiten vollständig ausgeschöpft hat, mithin die von ihr begehrte und inzwischen durchgeführte Mammareduktionsplastik die ultima ratio im Sinne der eingangs zitierten Rechtsprechung des BSG darstellt. Zwar hat die Klägerin geltend gemacht, dass sie sich vor Durchführung der Mammareduktionsplastik im November 2015 in ständiger orthopädischer Behandlung befunden und alles ihr Mögliche unternommen habe, um ihre Wirbelsäulenbe-schwerden zu lindern. So habe sie fortlaufend physiotherapeutische Behandlungen in Anspruch genommen und auch an Nordic-Walking-Kursen, Aquajogging-Kursen und Reha-Sport teilgenommen. Daneben sei sie regelmäßig walken und schwimmen gegangen und habe zu Hause unter Anleitung ein DVD-Pilates ausgeübt. Eine Besserung ihrer Beschwerden sei hierdurch nicht eingetreten, vielmehr hätten sich diese aufgrund des extremen Brustgewichts noch verschlimmert. Zur Glaubhaftmachung hat sie diverse Bestätigungen vorgelegt. Ob diese Maßnahmen als ausreichend zu bezeichnen sind, lässt der Senat jedoch im Hinblick auf ihr starkes Übergewicht dahinstehen. Diesbezüglich konnte von der Klägerin vor Stellung einer Operationsindikation zunächst eine erhebliche Gewichtsreduktion verlangt werden. Nachdem sie bei einer Körpergröße von 1,68 m bis 2009 im Rahmen einer Ernährungsberatung zunächst 10 kg abgenommen und im August 2009 noch 92 kg gewogen haben will, hatte sich ihr Gewicht bis November 2014 wieder auf 110 kg (BMI 38) erhöht. Entgegen der Auffassung des Dr. D. in dessen Gutachten vom 19. November 2014, wonach durch eine Gewichtsreduktion keine substantielle Verringerung der Brustlast möglich sei, geht der Senat mit der Beklagten und dem MDK davon aus, dass eine wesentliche Gewichtsreduzierung Voraussetzung gewesen wäre, um bei einer dann eventuell ausbleibenden Besserung der Beschwerden überhaupt von einer ultima ratio der Mammareduktion sprechen zu können. Letztlich konstatiert auch Dr. D. ausdrücklich, dass es sich bei der von der Klägerin begehrten Mammareduktionsplastik nicht um die ultima ratio für die Behandlung ihrer orthopädischen Beschwerden handelt bzw. gehandelt hat. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom SG erstinstanzlich eingeholten Gutachten des Gynäkologen Prof. Dr. Dr. H. Dieser hält zwar eine Brustverkleinerung für medizinisch indiziert, stützt sich dabei aber maßgeblich auf die durch die Klägerin geltend gemachten orthopädischen Beschwerden, ohne eigene Befunde zu erheben, sowie auf die von ihm festgestellte Makromastie. Dies ist im Hinblick auf die obigen Ausführungen jedoch nicht überzeugend, zumal eine gynäkologische Begutachtung aufgrund der bei der Klägerin nicht vorhandenen Funktionsbeeinträchtigungen ihrer Brust als fachfremd und damit ungeeignet anzusehen ist.
Soweit die Klägerin schließlich auf ihre Hautbeschwerden hinweist, ist dem entgegen zu halten, dass sie sich ausweislich des Entlassungsberichts der Klinik F./V. vom 2. August 2010 im Juli/August 2010 einer stationären dermatologischen Behandlung wegen eines Ganzkörperek-zems unterzogen hat und deshalb die nunmehr geltend gemachten Hautbeschwerden im Bereich der Brust schwerlich allein auf die Größe der Brust zurück zu führen sind. Im Übrigen bestehen diesbezüglich dermatologische Behandlungsmöglichkeiten. Die Notwendigkeit der Mammareduktionsplastik folgt hieraus jedenfalls nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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