Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
-
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 14/01 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 21. März 2001 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Streitig ist, ob der Kläger freiwilliges Mitglied der beklagten Krankenkasse geworden ist.
Der 1952 geborene Kläger leidet an einer Psychose. Sie äußert sich darin, dass er Ereignisse oder Erlebnisse als existent begreift, die sich tatsächlich anders oder nur in seiner Fantasie ereignet haben. Das Amtsgericht (AG) bestellte dem Kläger deswegen im April 1996 einen Berufsbetreuer zum Betreuer. Sein Aufgabengebiet umfasst die Sorge für die Gesundheit, die Aufenthaltsbestimmung und die Vermögenssorge. Das AG ordnete außerdem an, dass Willenserklärungen des Betreuten im Bereich der Vermögenssorge der Einwilligung des Betreuers bedürfen.
Der Kläger war zunächst über seine Ehefrau bei der Beklagten familienversichert. Seine Ehe wurde durch Urteil vom 28. August 1996 geschieden. Mit Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsurteils am 4. Oktober 1996 endete die Familienversicherung. Der Betreuer zeigte mit einem am 11. Februar 1997 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 9. Februar 1997 den Beitritt des Klägers zur Versicherung an und beantragte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Er habe den Kläger am 21. September 1996 aufgefordert, sich bei der Beklagen zu melden und der Versicherung beizutreten. Der Kläger habe ihm (wahrheitswidrig) berichtet, er habe den Beitritt erklärt und werde demnächst eine neue Chipkarte erhalten. Im November 1996 habe ihm der Kläger eine Chipkarte gezeigt. Erst anlässlich eines Krankenhausaufenthalts im Februar 1997 habe sich herausgestellt, dass es sich dabei um die Chipkarte zu der früheren Familienversicherung gehandelt habe. - Die Beklagte stellte hierauf fest, durch die Beitrittserklärung des Betreuers vom 9. Februar 1997 sei eine Mitgliedschaft des Klägers bei ihr nicht zu Stande gekommen. Der Kläger habe es versäumt, ihr den Beitritt innerhalb der Drei-Monats-Frist des § 9 Abs 2 Nr 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) nach Erlöschen der Familienversicherung anzuzeigen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme nicht in Betracht, weil der Betreuer die Frist nicht ohne Verschulden versäumt habe (Bescheid vom 14. Juli 1997, Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 1997).
Der Kläger hat, vertreten durch seinen Betreuer, Klage erhoben. Er hat geltend gemacht, bei der Frage der schuldhaften Fristversäumnis komme es auf sein eigenes Verhalten an, weil der Beitritt zur Versicherung nicht vom Aufgabenkreis des Betreuers umfasst sei. Ihn (den Kläger) persönlich treffe wegen seiner Krankheit kein Verschulden. Wenn der Betreuer für ihn habe handeln müssen, treffe diesen ebenfalls kein Verschulden. Der Betreuer habe ihn aufgefordert, sich bei der Beklagten zu melden und den Beitritt zu erklären; er habe sich auch die Chipkarte zeigen lassen. Gegenüber seinem Betreuer habe er sich früher durchaus in der Lage gezeigt, Termine einzuhalten und andere Angelegenheiten verlässlich zu erledigen.
Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 28. Mai 1999 den Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger seit dem 5. Oktober 1996 freiwilliges Mitglied der Beklagten ist. Der Aufgabenbereich seines Betreuers umfasse mit der Vermögenssorge auch krankenversicherungsrechtliche Angelegenheiten. Dem Kläger sei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 21. März 2001 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Betreuer sei nicht ohne Verschulden gehindert gewesen, die Frist einzuhalten.
Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 1896 Abs 2 Satz 1 und der §§ 1901 bis 1903 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Die Beitrittserklärung gehöre nicht zum Aufgabenkreis der mit einem Einwilligungsvorbehalt versehenen Vermögenssorge, sondern zu dem der Gesundheitsvorsorge. Er (der Kläger) sei daher befugt gewesen, die Erklärung selbst und ohne Einwilligung seines Betreuers abzugeben. Im Übrigen sei der Beitritt für ihn lediglich rechtlich vorteilhaft gewesen, zumal die Beiträge vom Sozialamt übernommen worden seien. Ordne man den Beitritt der Vermögenssorge zu, habe er die Beitrittserklärung des Betreuers jedenfalls als Bote überbringen können. Der Betreuer habe davon ausgehen dürfen, dass er (der Kläger) die Sache zuverlässig erledigt habe. Er habe seinen (des Klägers) Interessen Rechnung getragen, indem er eine Angelegenheit, die er (der Kläger) selbst habe erledigen wollen, "lediglich als Außenstehender kontrolliert" und damit seinen Willen respektiert habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG vom 21. März 2001 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG vom 28. Mai 1999 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das LSG hat das Urteil des SG zu Recht aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 14. Juli 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 1997 abgewiesen. Die Beklagte hat zutreffend entschieden, dass der Kläger nicht ihr Mitglied geworden ist.
1. Die Familienversicherung des Klägers nach § 10 Abs 1 Satz 1 SGB V endete mit der Rechtskraft des Scheidungsurteils am 4. Oktober 1996 (vgl Kasseler Komm-Peters, § 10 SGB V RdNr 25, Stand März 2001). Gemäß § 9 Abs 1 Nr 2 SGB V in der damals geltenden Fassung konnten Personen, deren Versicherung nach § 10 SGB V erlosch, beitreten und damit eine eigene freiwillige Versicherung begründen. Der Kläger hat jedoch den Beitritt nicht rechtzeitig angezeigt.
2. Das LSG hat zu Recht angenommen, dass die Anzeige des Beitritts Sache des Betreuers war. Sie war von der angeordneten Betreuung umfasst. Das AG hat angeordnet, dass der Aufgabenbereich des Betreuers die "Sorge für die Gesundheit" umfasst. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff konkretisiert den § 1896 Abs 2 BGB und unterliegt der revisionsgerichtlichen Prüfung iS des § 162 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Der Betreuer hat mit der Sorge für die Gesundheit die Vertretungsmacht für alle Rechtsgeschäfte erlangt, die erforderlich sind, um für die Gesundheit des Betreuten sorgen zu können. Hierzu gehört nicht nur der Abschluss einzelner Arzt-, Krankenhaus- und Transportverträge (vgl zB Bienwald, Betreuungsrecht, 3. Aufl 1999, § 1896 RdNr 214 Stichwort Gesundheit; ders in Staudinger, BGB, 13. Aufl 1999, § 1896 RdNr 90; ähnlich Damrau/Zimmermann, Betreuung und Vormundschaft, 2. Aufl 1995, § 1896 RdNr 17; Knittel, Betreuungsgesetz, § 1896 Anm 32g, Stand 15. Ergänzungslieferung; Schwab in Münchener Komm zum BGB, 3. Aufl 1992, § 1896 RdNr 42). Vielmehr zählt dazu, wenn die Krankenversicherung des Betreuten endet, auch und sogar in erster Linie die Abgabe der Erklärung, die zur Fortsetzung der Krankenversicherung erforderlich ist. Erst danach und hierauf aufbauend ist es dann Sache des Betreuers, je nach Erforderlichkeit über die einzelnen Behandlungs- und Gesundheitsmaßnahmen und die hierzu erforderlichen Rechtsgeschäfte zu entscheiden (zB einzelne Behandlungsverträge, Einwilligung in Operationen). Der Betreute erwirbt durch eine Weiterversicherung umfassende Leistungsansprüche in einer unbestimmten Zahl von künftigen Behandlungsfällen, die durch die Inanspruchnahme einzelner Maßnahmen konkretisiert werden. Erst die Weiterführung einer Krankenversicherung schafft mithin die Voraussetzung dafür, dass der Betreuer seiner Aufgabe, für konkrete Gesundheitsmaßnahmen des Betreuten zu sorgen, dauerhaft nachkommen kann.
Der Zugehörigkeit des Beitritts zum Aufgabenbereich "Sorge für die Gesundheit" steht nicht entgegen, dass die Weiterversicherung auch Auswirkungen auf das Vermögen des Betreuten hat, weil sie nicht nur mit Leistungsansprüchen, sondern auch mit Beitragspflichten verbunden ist. Selbst wenn die Beiträge durch den Träger der Sozialhilfe übernommen werden, bleibt der versicherte Betreute Schuldner der Beiträge (vgl BSG SozR 5910 § 13 Nr 1). Der Zusammenhang der Beitragspflicht mit dem Leistungsrecht kann dafür sprechen, dass der Betreuer schon mit dem Aufgabenkreis "Sorge für die Gesundheit" die beitragsrechtlichen Folgen eines Beitritts zur Krankenversicherung mitbegründen darf und es der zusätzlichen Anordnung einer Betreuung zur Vermögenssorge insofern nicht bedarf (so wohl Bienwald, Betreuungsrecht, § 1896 RdNr 214 Stichwort Gesundheit). Aber auch wenn zusätzlich die Anordnung von Vermögenssorge erforderlich sein sollte (Knittel, aaO, § 1896 Anm 32g; Raack/Thar, Betreuungsrecht, 3. Aufl 2001, S 63 unter 4.1), hatte das AG beim Kläger auch sie verfügt.
Nach allem fiel die Abgabe der Erklärung nach § 9 Abs 1 Nr 2 SGB V in den Aufgabenkreis des Betreuers. Dieser war damit im Übrigen auch berechtigt, den Kläger im Falle seiner Geschäfts- und Prozessunfähigkeit im vorliegenden Rechtsstreit zu vertreten (vgl § 71 Abs 6 SGG iVm § 53 der Zivilprozessordnung; BGH NJW 1988, 49, 51; Palandt/Diederichsen, BGB, 61. Aufl 2002, § 1902 RdNr 3).
3. Bis zum Ablauf der Frist des § 9 Abs 2 Nr 2 SGB V hat weder der Kläger selbst noch sein Betreuer den Beitritt erklärt. Nach dieser Vorschrift ist der Beitritt der Krankenkasse innerhalb von drei Monaten nach Beendigung der Familienversicherung anzuzeigen. Nach Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsurteils am 4. Oktober 1996 hätte der Beitritt, da der 4. Januar 1997 ein Samstag war, gemäß § 26 Abs 3 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren (SGB X) spätestens am 6. Januar 1997 erklärt werden müssen. Eine Beitrittserklärung ist jedoch erst am 11. Februar 1997 bei der Beklagten eingegangen.
4. Das LSG hat es zu Recht gebilligt, dass die Beklagte dem Kläger keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt hat.
War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen (§ 27 Abs 1 SGB X). Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine Wiedereinsetzung auch in die materiell-rechtliche Frist des § 9 Abs 2 SGB V in Betracht kommt. Dies hat das Bundessozialgericht für ein Ausscheiden aus der Familienhilfe des § 205 der Reichsversicherungsordnung bereits entschieden (BSG SozR 3-2200 § 176b Nr 1; vgl auch BSGE 64, 153 = SozR 1300 § 27 Nr 4). Für ein Ausscheiden aus der Familienversicherung des § 10 SGB V gilt nichts anderes. Aus § 9 SGB V ergibt sich nicht, dass die Wiedereinsetzung iS des § 27 Abs 5 SGB X ausgeschlossen ist.
Entgegen der Ansicht der Revision ist bei der Frage, ob die Voraussetzungen des § 27 Abs 1 SGB X erfüllt sind, nicht allein auf den Kläger selbst abzustellen. Dabei kann offen bleiben, ob der Kläger die Beitrittserklärung selbst und unabhängig von einem Auftrag seines Betreuers hätte abgeben können, weil er mit der Bestellung eines Betreuers seine Geschäftsfähigkeit im Aufgabenbereich "Sorge für die Gesundheit", für den der Einwilligungsvorbehalt nicht angeordnet war, nicht schon kraft Gesetzes eingebüßt hatte (vgl Palandt/Diederichsen, aaO, Einführung vor § 1896 RdNr 13 mwN). Ist eine Betreuung angeordnet und umfasst der Aufgabenkreis des Betreuers die Abgabe fristgebundener Erklärungen, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur in Betracht, wenn sowohl der (handlungsfähige) Betreute als auch der Betreuer ohne Verschulden verhindert waren, die Frist einzuhalten. Hieran fehlt es.
Der Kläger selbst hat den Beitritt innerhalb der Frist nicht erklärt. Sein Betreuer hatte sich entschlossen, für den Kläger nach dessen Ausscheiden aus der Familienversicherung eine Versicherung zu begründen. Die Art und Weise, wie er den Beitritt des Klägers zur Versicherung erklärte, stand in seinem Ermessen. Er hat sich hier dafür entschieden, den Kläger aufzufordern, sich um die Weiterversicherung zu bemühen. Entgegen der Ansicht der Revision konnte er damit seine Aufgabe, für den Erhalt des Krankenversicherungsschutzes zu sorgen, nicht mit befreiender Wirkung auf den Kläger übertragen. Verantwortlich für den rechtzeitigen Beitritt blieb der Betreuer.
Das LSG hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass der Betreuer nicht ohne Verschulden gehindert war, die Frist einzuhalten. Es sei nicht ausreichend, dass sich der Betreuer zur Kontrolle des Klägers lediglich die Chipkarte habe vorlegen lassen. Der Betreuer habe zumindest Zweifel haben müssen, ob der Kläger tatsächlich bei der Beklagten vorstellig geworden sei. Denn die Psychose des Klägers führe dazu, dass er Ereignisse oder Erlebnisse als existent begreife, die sich tatsächlich anders oder in seiner Fantasie ereignet haben. Bei einer derartigen Grunderkrankung sei der Betreuer verpflichtet gewesen, bei der Beklagten nachzufragen, ob der Kläger dort vorstellig geworden ist. Im Übrigen habe er bei der Beklagten nachfragen müssen, warum kein Beitragseinzug erfolge. Denn der Beitragseinzug und die Überwachung des vorhandenen Vermögens nebst der Kontrolle des Eingangs von Sozialhilfeleistungen gehöre zum Aufgabenkreis des Betreuers.
Soweit die Revision vorträgt, diese Ausführungen des LSG ließen keine Interessenabwägung erkennen, die sich "aus dem Nähe- und Vertrauensverhältnis des Betreuungsverhältnisses ergibt und welches nach § 1901 BGB vom Betreuer nicht außer Acht gelassen werden darf", vermag der Senat Rechtsfehler des LSG nicht zu erkennen. Die Revision hat keine Feststellungen des LSG dafür angeführt, dass und weshalb das Vertrauensverhältnis zwischen dem Kläger und seinem Betreuer durch eine rechtzeitige Nachfrage bei der Beklagten hätte gestört werden können und den Betreuer an einer solchen Rückversicherung gehindert hätte. Zwar hat der Betreuer bei der Erledigung seiner Aufgaben so weit wie möglich den Wünschen des Betreuten entgegenzukommen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass er sich aus Rücksichtnahme auf den Betreuten bei dessen Einschaltung zur Erledigung bestimmter Aufgaben ohne weiteres auf ihn verlassen darf.
5. Entgegen dem Vorbringen der Revision ist das rechtliche Gehör nicht verletzt. Insofern wird gemäß § 170 Abs 3 Satz 1 SGG von einer Begründung abgesehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe:
I
Streitig ist, ob der Kläger freiwilliges Mitglied der beklagten Krankenkasse geworden ist.
Der 1952 geborene Kläger leidet an einer Psychose. Sie äußert sich darin, dass er Ereignisse oder Erlebnisse als existent begreift, die sich tatsächlich anders oder nur in seiner Fantasie ereignet haben. Das Amtsgericht (AG) bestellte dem Kläger deswegen im April 1996 einen Berufsbetreuer zum Betreuer. Sein Aufgabengebiet umfasst die Sorge für die Gesundheit, die Aufenthaltsbestimmung und die Vermögenssorge. Das AG ordnete außerdem an, dass Willenserklärungen des Betreuten im Bereich der Vermögenssorge der Einwilligung des Betreuers bedürfen.
Der Kläger war zunächst über seine Ehefrau bei der Beklagten familienversichert. Seine Ehe wurde durch Urteil vom 28. August 1996 geschieden. Mit Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsurteils am 4. Oktober 1996 endete die Familienversicherung. Der Betreuer zeigte mit einem am 11. Februar 1997 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 9. Februar 1997 den Beitritt des Klägers zur Versicherung an und beantragte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Er habe den Kläger am 21. September 1996 aufgefordert, sich bei der Beklagen zu melden und der Versicherung beizutreten. Der Kläger habe ihm (wahrheitswidrig) berichtet, er habe den Beitritt erklärt und werde demnächst eine neue Chipkarte erhalten. Im November 1996 habe ihm der Kläger eine Chipkarte gezeigt. Erst anlässlich eines Krankenhausaufenthalts im Februar 1997 habe sich herausgestellt, dass es sich dabei um die Chipkarte zu der früheren Familienversicherung gehandelt habe. - Die Beklagte stellte hierauf fest, durch die Beitrittserklärung des Betreuers vom 9. Februar 1997 sei eine Mitgliedschaft des Klägers bei ihr nicht zu Stande gekommen. Der Kläger habe es versäumt, ihr den Beitritt innerhalb der Drei-Monats-Frist des § 9 Abs 2 Nr 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) nach Erlöschen der Familienversicherung anzuzeigen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme nicht in Betracht, weil der Betreuer die Frist nicht ohne Verschulden versäumt habe (Bescheid vom 14. Juli 1997, Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 1997).
Der Kläger hat, vertreten durch seinen Betreuer, Klage erhoben. Er hat geltend gemacht, bei der Frage der schuldhaften Fristversäumnis komme es auf sein eigenes Verhalten an, weil der Beitritt zur Versicherung nicht vom Aufgabenkreis des Betreuers umfasst sei. Ihn (den Kläger) persönlich treffe wegen seiner Krankheit kein Verschulden. Wenn der Betreuer für ihn habe handeln müssen, treffe diesen ebenfalls kein Verschulden. Der Betreuer habe ihn aufgefordert, sich bei der Beklagten zu melden und den Beitritt zu erklären; er habe sich auch die Chipkarte zeigen lassen. Gegenüber seinem Betreuer habe er sich früher durchaus in der Lage gezeigt, Termine einzuhalten und andere Angelegenheiten verlässlich zu erledigen.
Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 28. Mai 1999 den Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger seit dem 5. Oktober 1996 freiwilliges Mitglied der Beklagten ist. Der Aufgabenbereich seines Betreuers umfasse mit der Vermögenssorge auch krankenversicherungsrechtliche Angelegenheiten. Dem Kläger sei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 21. März 2001 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Betreuer sei nicht ohne Verschulden gehindert gewesen, die Frist einzuhalten.
Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 1896 Abs 2 Satz 1 und der §§ 1901 bis 1903 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Die Beitrittserklärung gehöre nicht zum Aufgabenkreis der mit einem Einwilligungsvorbehalt versehenen Vermögenssorge, sondern zu dem der Gesundheitsvorsorge. Er (der Kläger) sei daher befugt gewesen, die Erklärung selbst und ohne Einwilligung seines Betreuers abzugeben. Im Übrigen sei der Beitritt für ihn lediglich rechtlich vorteilhaft gewesen, zumal die Beiträge vom Sozialamt übernommen worden seien. Ordne man den Beitritt der Vermögenssorge zu, habe er die Beitrittserklärung des Betreuers jedenfalls als Bote überbringen können. Der Betreuer habe davon ausgehen dürfen, dass er (der Kläger) die Sache zuverlässig erledigt habe. Er habe seinen (des Klägers) Interessen Rechnung getragen, indem er eine Angelegenheit, die er (der Kläger) selbst habe erledigen wollen, "lediglich als Außenstehender kontrolliert" und damit seinen Willen respektiert habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG vom 21. März 2001 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG vom 28. Mai 1999 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das LSG hat das Urteil des SG zu Recht aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 14. Juli 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 1997 abgewiesen. Die Beklagte hat zutreffend entschieden, dass der Kläger nicht ihr Mitglied geworden ist.
1. Die Familienversicherung des Klägers nach § 10 Abs 1 Satz 1 SGB V endete mit der Rechtskraft des Scheidungsurteils am 4. Oktober 1996 (vgl Kasseler Komm-Peters, § 10 SGB V RdNr 25, Stand März 2001). Gemäß § 9 Abs 1 Nr 2 SGB V in der damals geltenden Fassung konnten Personen, deren Versicherung nach § 10 SGB V erlosch, beitreten und damit eine eigene freiwillige Versicherung begründen. Der Kläger hat jedoch den Beitritt nicht rechtzeitig angezeigt.
2. Das LSG hat zu Recht angenommen, dass die Anzeige des Beitritts Sache des Betreuers war. Sie war von der angeordneten Betreuung umfasst. Das AG hat angeordnet, dass der Aufgabenbereich des Betreuers die "Sorge für die Gesundheit" umfasst. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff konkretisiert den § 1896 Abs 2 BGB und unterliegt der revisionsgerichtlichen Prüfung iS des § 162 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Der Betreuer hat mit der Sorge für die Gesundheit die Vertretungsmacht für alle Rechtsgeschäfte erlangt, die erforderlich sind, um für die Gesundheit des Betreuten sorgen zu können. Hierzu gehört nicht nur der Abschluss einzelner Arzt-, Krankenhaus- und Transportverträge (vgl zB Bienwald, Betreuungsrecht, 3. Aufl 1999, § 1896 RdNr 214 Stichwort Gesundheit; ders in Staudinger, BGB, 13. Aufl 1999, § 1896 RdNr 90; ähnlich Damrau/Zimmermann, Betreuung und Vormundschaft, 2. Aufl 1995, § 1896 RdNr 17; Knittel, Betreuungsgesetz, § 1896 Anm 32g, Stand 15. Ergänzungslieferung; Schwab in Münchener Komm zum BGB, 3. Aufl 1992, § 1896 RdNr 42). Vielmehr zählt dazu, wenn die Krankenversicherung des Betreuten endet, auch und sogar in erster Linie die Abgabe der Erklärung, die zur Fortsetzung der Krankenversicherung erforderlich ist. Erst danach und hierauf aufbauend ist es dann Sache des Betreuers, je nach Erforderlichkeit über die einzelnen Behandlungs- und Gesundheitsmaßnahmen und die hierzu erforderlichen Rechtsgeschäfte zu entscheiden (zB einzelne Behandlungsverträge, Einwilligung in Operationen). Der Betreute erwirbt durch eine Weiterversicherung umfassende Leistungsansprüche in einer unbestimmten Zahl von künftigen Behandlungsfällen, die durch die Inanspruchnahme einzelner Maßnahmen konkretisiert werden. Erst die Weiterführung einer Krankenversicherung schafft mithin die Voraussetzung dafür, dass der Betreuer seiner Aufgabe, für konkrete Gesundheitsmaßnahmen des Betreuten zu sorgen, dauerhaft nachkommen kann.
Der Zugehörigkeit des Beitritts zum Aufgabenbereich "Sorge für die Gesundheit" steht nicht entgegen, dass die Weiterversicherung auch Auswirkungen auf das Vermögen des Betreuten hat, weil sie nicht nur mit Leistungsansprüchen, sondern auch mit Beitragspflichten verbunden ist. Selbst wenn die Beiträge durch den Träger der Sozialhilfe übernommen werden, bleibt der versicherte Betreute Schuldner der Beiträge (vgl BSG SozR 5910 § 13 Nr 1). Der Zusammenhang der Beitragspflicht mit dem Leistungsrecht kann dafür sprechen, dass der Betreuer schon mit dem Aufgabenkreis "Sorge für die Gesundheit" die beitragsrechtlichen Folgen eines Beitritts zur Krankenversicherung mitbegründen darf und es der zusätzlichen Anordnung einer Betreuung zur Vermögenssorge insofern nicht bedarf (so wohl Bienwald, Betreuungsrecht, § 1896 RdNr 214 Stichwort Gesundheit). Aber auch wenn zusätzlich die Anordnung von Vermögenssorge erforderlich sein sollte (Knittel, aaO, § 1896 Anm 32g; Raack/Thar, Betreuungsrecht, 3. Aufl 2001, S 63 unter 4.1), hatte das AG beim Kläger auch sie verfügt.
Nach allem fiel die Abgabe der Erklärung nach § 9 Abs 1 Nr 2 SGB V in den Aufgabenkreis des Betreuers. Dieser war damit im Übrigen auch berechtigt, den Kläger im Falle seiner Geschäfts- und Prozessunfähigkeit im vorliegenden Rechtsstreit zu vertreten (vgl § 71 Abs 6 SGG iVm § 53 der Zivilprozessordnung; BGH NJW 1988, 49, 51; Palandt/Diederichsen, BGB, 61. Aufl 2002, § 1902 RdNr 3).
3. Bis zum Ablauf der Frist des § 9 Abs 2 Nr 2 SGB V hat weder der Kläger selbst noch sein Betreuer den Beitritt erklärt. Nach dieser Vorschrift ist der Beitritt der Krankenkasse innerhalb von drei Monaten nach Beendigung der Familienversicherung anzuzeigen. Nach Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsurteils am 4. Oktober 1996 hätte der Beitritt, da der 4. Januar 1997 ein Samstag war, gemäß § 26 Abs 3 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren (SGB X) spätestens am 6. Januar 1997 erklärt werden müssen. Eine Beitrittserklärung ist jedoch erst am 11. Februar 1997 bei der Beklagten eingegangen.
4. Das LSG hat es zu Recht gebilligt, dass die Beklagte dem Kläger keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt hat.
War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen (§ 27 Abs 1 SGB X). Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine Wiedereinsetzung auch in die materiell-rechtliche Frist des § 9 Abs 2 SGB V in Betracht kommt. Dies hat das Bundessozialgericht für ein Ausscheiden aus der Familienhilfe des § 205 der Reichsversicherungsordnung bereits entschieden (BSG SozR 3-2200 § 176b Nr 1; vgl auch BSGE 64, 153 = SozR 1300 § 27 Nr 4). Für ein Ausscheiden aus der Familienversicherung des § 10 SGB V gilt nichts anderes. Aus § 9 SGB V ergibt sich nicht, dass die Wiedereinsetzung iS des § 27 Abs 5 SGB X ausgeschlossen ist.
Entgegen der Ansicht der Revision ist bei der Frage, ob die Voraussetzungen des § 27 Abs 1 SGB X erfüllt sind, nicht allein auf den Kläger selbst abzustellen. Dabei kann offen bleiben, ob der Kläger die Beitrittserklärung selbst und unabhängig von einem Auftrag seines Betreuers hätte abgeben können, weil er mit der Bestellung eines Betreuers seine Geschäftsfähigkeit im Aufgabenbereich "Sorge für die Gesundheit", für den der Einwilligungsvorbehalt nicht angeordnet war, nicht schon kraft Gesetzes eingebüßt hatte (vgl Palandt/Diederichsen, aaO, Einführung vor § 1896 RdNr 13 mwN). Ist eine Betreuung angeordnet und umfasst der Aufgabenkreis des Betreuers die Abgabe fristgebundener Erklärungen, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur in Betracht, wenn sowohl der (handlungsfähige) Betreute als auch der Betreuer ohne Verschulden verhindert waren, die Frist einzuhalten. Hieran fehlt es.
Der Kläger selbst hat den Beitritt innerhalb der Frist nicht erklärt. Sein Betreuer hatte sich entschlossen, für den Kläger nach dessen Ausscheiden aus der Familienversicherung eine Versicherung zu begründen. Die Art und Weise, wie er den Beitritt des Klägers zur Versicherung erklärte, stand in seinem Ermessen. Er hat sich hier dafür entschieden, den Kläger aufzufordern, sich um die Weiterversicherung zu bemühen. Entgegen der Ansicht der Revision konnte er damit seine Aufgabe, für den Erhalt des Krankenversicherungsschutzes zu sorgen, nicht mit befreiender Wirkung auf den Kläger übertragen. Verantwortlich für den rechtzeitigen Beitritt blieb der Betreuer.
Das LSG hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass der Betreuer nicht ohne Verschulden gehindert war, die Frist einzuhalten. Es sei nicht ausreichend, dass sich der Betreuer zur Kontrolle des Klägers lediglich die Chipkarte habe vorlegen lassen. Der Betreuer habe zumindest Zweifel haben müssen, ob der Kläger tatsächlich bei der Beklagten vorstellig geworden sei. Denn die Psychose des Klägers führe dazu, dass er Ereignisse oder Erlebnisse als existent begreife, die sich tatsächlich anders oder in seiner Fantasie ereignet haben. Bei einer derartigen Grunderkrankung sei der Betreuer verpflichtet gewesen, bei der Beklagten nachzufragen, ob der Kläger dort vorstellig geworden ist. Im Übrigen habe er bei der Beklagten nachfragen müssen, warum kein Beitragseinzug erfolge. Denn der Beitragseinzug und die Überwachung des vorhandenen Vermögens nebst der Kontrolle des Eingangs von Sozialhilfeleistungen gehöre zum Aufgabenkreis des Betreuers.
Soweit die Revision vorträgt, diese Ausführungen des LSG ließen keine Interessenabwägung erkennen, die sich "aus dem Nähe- und Vertrauensverhältnis des Betreuungsverhältnisses ergibt und welches nach § 1901 BGB vom Betreuer nicht außer Acht gelassen werden darf", vermag der Senat Rechtsfehler des LSG nicht zu erkennen. Die Revision hat keine Feststellungen des LSG dafür angeführt, dass und weshalb das Vertrauensverhältnis zwischen dem Kläger und seinem Betreuer durch eine rechtzeitige Nachfrage bei der Beklagten hätte gestört werden können und den Betreuer an einer solchen Rückversicherung gehindert hätte. Zwar hat der Betreuer bei der Erledigung seiner Aufgaben so weit wie möglich den Wünschen des Betreuten entgegenzukommen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass er sich aus Rücksichtnahme auf den Betreuten bei dessen Einschaltung zur Erledigung bestimmter Aufgaben ohne weiteres auf ihn verlassen darf.
5. Entgegen dem Vorbringen der Revision ist das rechtliche Gehör nicht verletzt. Insofern wird gemäß § 170 Abs 3 Satz 1 SGG von einer Begründung abgesehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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