Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 10 R 1924/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 18 R 1112/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt eine rückwirkende Rentenerhöhung ab dem 01.09.2009, d.h. ab Inkrafttreten des Versorgungsausgleichsgesetzes (VersAusglG), und zwar im Wege eines Rückausgleichs der aufgrund eines Versorgungsausgleichs im Jahre 1984 an seine geschiedene Ehefrau übertragenen Anwartschaften.
Der am 24.12.1938 geborene Kläger bezieht seit März 1996 Rente, seit Januar 1999 eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Die geschiedene Ehefrau erhielt bis zu ihrem Tod am 09.08.2000 erhielt insgesamt für 36 Monate Leistungen ihres Rentenversicherungsträgers, und zwar vom 01.09.2000 bis zum 31.08.2003. Nach dem Tod der geschiedenen Ehefrau beantragte der Kläger eine Beseitigung der durch den Versorgungsausgleich eingetretenen Kürzung der Versorgung nach § 4 Abs. 1 und 2 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG). Dieser Antrag wurde seitens der Beklagten mit Bescheid vom 30.09.2003 abgelehnt, da durch den Leistungsbezug der Ehefrau der Grenzwert gemäß § 4 Abs. 2 VAHRG von 2 Jahren überschritten werde. Den gegen diese Entscheidung erhobenen Widerspruch nahm der Kläger mit Schreiben vom 18.12.2003 zurück.
Am 03.04.2012 stellte der Kläger erneut den Antrag, die Kürzung seiner Altersrente aufgrund des Versorgungsausgleichs aufzuheben.
Mit Bescheid vom 16.04.2012 wurde die Altersrente des Klägers ohne Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs für die Zeit ab 01.05.2012 neu berechnet. Gemäß §§ 37 und 38 VersAusglG werde die Rente ab 01.05.2012 ungekürzt gezahlt, weil die frühere Ehegattin verstorben sei und nur für 36 Kalendermonate Leistungen aus dem durchgeführten Versorgungsausgleich erhalten habe. Der Zahlbetrag erhöhte sich um monatlich 286,26 EUR auf insgesamt 1.175,58 EUR.
Der Kläger erhob am 26. 4. 2012 Widerspruch gegen den Bescheid vom 16.04.2012. So sei die Gewährung einer höheren Rente erst ab 01.05.2012 nicht korrekt. Die Änderung der Verhältnisse sei durch die Änderung des VAHRG eingetreten, so dass der Rentenbescheid nach § 48 SGB X seit Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden müsse. Im Übrigen bestehe eine Informationspflichtverletzung, da er über die Gesetzesänderung zu seinen Gunsten nicht informiert worden sei. Die deutsche Rentenversicherung habe ihre Hinweispflicht gemäß § 115 Abs. 6 SGB VI verletzt, so dass sich gegebenenfalls ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch ergebe.
Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 02.11.2012 als sachlich unbegründet zurückgewiesen. In der Begründung wird ausgeführt, die Anpassung erfolge gemäß § 38 Abs. 2 VersAusglG i.V.m. § 34 Abs. 3 und 4 VersAusglG ab dem 1. Tag des Monats, der auf den Monat der Antragstellung folge. Bei einer rechtzeitigen Antragstellung – spätestens im August 2009 – hätte die Wiederaufnahme der ungekürzten Rentenzahlung gemäß §§ 37 und 38 VersAusglG bereits mit Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelungen zum 01.09.2009 erfolgen können. Es bestehe entgegen der Auffassung des Sozialgerichts Münster in dem Urteil vom 17.02.2012 - S 14 R 744/10 - keine Hinweispflicht gemäß § 115 Abs. 6 SGB VI. Ein rechtzeitiger Rentenantrag sei von daher nicht im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu fingieren. Über die Neuregelungen aufgrund der Strukturreform des Versorgungsausgleichs sei in Form von Pressemitteilungen und Broschüren ausreichend informiert worden. Zudem sei der "Rückausgleich" gemäß §§ 37, 38 VersAusglG keine Leistung im Sinne des § 115 Abs. 6 SGB VI. Diese Norm regle ausschließlich eine Hinweispflicht in Bezug auf Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Ein Rückausgleich gemäß §§ 37, 38 VersAusglG erfolge zwar auf der Basis von Entgeltpunkten, sei jedoch selbst keine Leistung der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem Sozialgesetzbuch. Dies sei bereits daran erkennbar, dass die Aufhebung der Kürzung von Versorgungsanrechten aufgrund eines Versorgungsausgleichs in den Sondervorschriften des VersAusglG mit einer eigenständigen Antragsregelung normiert sei. Kennzeichnend für den Anwendungsbereich der Vorschrift des §§ 115 Abs. 6 SGB VI sei, dass eine andere Sozialleistung im Sinne einer neuen und zugleich zahlbetragsmäßig höheren Rentenart im Rahmen einer Rentenumwandlung beansprucht werden könnte. Aufgrund der Wiederaufnahme einer ungekürzten Rentenzahlung ab 01.05.2012 ergebe sich aber keine tatsächliche Verbesserung der Rentenleistung, denn diese resultiere nicht aus einer Neuermittlung von Entgeltpunkten. Bei den Regelungen zum Versorgungsausgleich handle es sich nicht um eine sozialversicherungsrechtliche, sondern um eine familienrechtliche Materie. Im Übrigen sei das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nicht mit Mitteln der EDV aus dem Datenbestand der deutschen Rentenversicherung erkennbar gewesen. Entsprechende Daten über den Ausgleichsberechtigten seien dem zuständigen Versicherungsträger regelmäßig nicht bekannt.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der am 12.11.2012 erhobenen Klage. Zur Begründung macht er geltend, die Beklagte sei als Sozialleistungsträger im Rahmen ihrer gesetzlichen Zuständigkeit verpflichtet, alles zu veranlassen, damit die im SGB umschriebenen sozialen Rechte verwirklicht würden. Bei der Rückübertragung handle es sich entgegen der Ansicht der Beklagten um ein soziales Recht und nicht um eine familienrechtliche Angelegenheit. Ein Sozialleistungsträger müsse eine Beratung vornehmen, wenn sich aufgrund von konkreten Fallgestaltungen unschwer ergebe, dass eine klar zu Tage liegende Dispositionsmöglichkeit bestehe. Vorliegend sei bereits kurz vor der Gesetzesänderung bei der Beklagten wegen des Todes seiner geschiedenen Ehefrau eine Erhöhung seiner Rente beantragt worden. Hieraus resultierte eine Pflicht zu einer konkreten individuellen Beratung. Die Rentenversicherung sei gehalten gewesen, ihm nach Eintritt der Gesetzesänderung darauf hinzuweisen, dass er nunmehr eine neue Antragsmöglichkeit habe. Das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 07.01.2013 (LSG NRW – L 3 R 274/12 -) sei in weiten Teilen nicht überzeugend. So dürfe er nicht dadurch benachteiligt werden, dass die EDV der Beklagten die erforderlichen Daten angeblich nicht abbilde. Soweit entsprechende Fallgestaltungen in der EDV nicht abgebildet würden, liege hierin ein schwer wiegendes organisatorisches Verschulden.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.11.2012 zu verurteilen, ihm bei Rückausgleich der aufgrund des Versorgungsausgleichs an seine geschiedene Ehefrau übertragenen Anwartschaften auch in der Zeit vom 01.09.2009 bis 30.04.2012 eine entsprechend erhöhte Altersrente zu gewähren, hilfsweise die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 16.04.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02.11.2012 zu verurteilen, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Unter Vorlage der Verwaltungsakte hält die Beklagte die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen weiterhin für rechtmäßig. Sie wiederholt die Argumentation im Widerspruchsbescheid und bezieht sich auf die Entscheidung des LSG NRW – L 3 R 274/12 - vom 07.01.2013, von der ein Doppel zu den Gerichtsakten gereicht wird. Der Entscheidung liege ein vergleichbarer Sachverhalt zu Grunde. Ein "geeigneter Fall" im Sinne des § 115 Abs. 6 SGB VI und damit eine Hinweispflicht der Rentenversicherung sei nicht gegeben. Zudem falle die vorliegende Fallgestaltung von vornherein nicht unter den Anwendungsbereich des §§ 115 Abs. 6 SGB VI, denn nach dem Gesetzeswortlaut gehe es in dieser Vorschrift darum, dass die Träger der Rentenversicherung in geeigneten Fällen Hinweise auf die mögliche Beantragung einer Leistung gäben. Die Rechtsprechung sehe die Vorschrift des § 115 Abs. 6 SGB IV im Zusammenhang mit § 115 Abs. 1 SGB IV, der die generelle Antragspflicht für Leistungen nach dem SGB 6 begründe und als Korrektiv zu § 99 SGB VI, der die Antragsabhängigkeit in Bezug auf Renten aus eigener Versicherung, also ebenfalls Leistungen nach dem SGB VI, regele. Im Übrigen stehe der Umfang der Daten, über den ein Rentenversicherungsträger "verfüge" nicht in seinem Ermessen, sondern sei gemäß § 148 SGB VI auf die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben begrenzt.
Die Beklagte übersendet zur Vorbereitung des Termins einen Gesamtkontospiegel mit Erläuterungen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte bzw. auf die den Beteiligten erteilten Ablichtungen und Abschriften.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten im Sinne des § 54 Absatz ein S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen sind nicht zu beanstanden, denn die Beklagte hat zu Recht entschieden, dass dem Kläger die bei Anwendung von § 37 Absatz ein S. 1 und Abs. 2 VersAusglG ungekürzte Altersrente gemäß § 38 Abs. 2 i.V.m. § 34 Abs. 3 VersAusglG erst ab dem 1. Tag des Monats, der auf den Monat der Antragstellung folgt, zusteht. Die Beklagte hat die vom Kläger begehrte Rentenanpassung zutreffend ab dem 01.05.2012 vorgenommen, denn die Antragstellung erfolgte am 03.04.2012. Eine rückwirkend gewährte ungekürzte Rente bereits ab Inkrafttreten des VersAusglG zum 01.09.2009 steht dem Kläger hingegen mangels rechtzeitiger Antragstellung nicht zu.
Zunächst kann sich der Kläger nicht – wie im Widerspruchsverfahren geltend gemacht – auf § 48 Abs. 1 S. 2 SGB X berufen. Nach der genannten gesetzlichen Regelung soll ein Dauerverwaltungsakt im Falle einer nachträglichen wesentlichen Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die bei Erlass vorgelegen haben, vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufgehoben werden, soweit die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt. Diese Regelung gilt allerdings dann nicht, wenn der Gesetzgeber eine rückwirkende Feststellung durch das Erfordernis und das Abstellen auf den Zeitpunkt einer Antragstellung begrenzt (vgl. Wiesner in von Wulffen, SGB X Kommentar, § 48 Rn. 22). Genau dieser Fall ist vorliegend durch das in §§ 38 Abs. 2, 34 Abs. 3 VersAusglG geregelte Antragserfordernis gegeben.
Der Kläger kann im vorliegenden Verfahren auch nicht so gestellt werden, als habe er rechtzeitig vor Inkrafttreten des VersAusglG zum 01.09.2009 einen Antrag auf Rückübertragung der im Rahmen des Versorgungsausgleichs übertragenen Rentenanwartschaften gestellt. Er kann insoweit weder ein Wiedereinsetzungsgesuch gemäß § 37 SGB X geltend machen noch sich in Zusammenhang mit einem Fehlverhalten der Beklagten auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch berufen.
Die Kammer nimmt zur Begründung ausdrücklich Bezug auf die als überzeugend angesehene Argumentation des LSG NRW in der den Beteiligten bekannten Entscheidung vom 07.01.2013 – L 3 R 274/12 -. Die der Entscheidung des LSG zu Grunde liegende Fallgestaltung ist mit dem Sachverhalt des vorliegenden Verfahrens in jeder Hinsicht vergleichbar. Auch in dem vom LSG entschiedenen Verfahren war der Antrag des betroffenen Klägers auf eine Rückübertragung der im Rahmen eines Versorgungsausgleichs übertragenen Rentenanwartschaften nach § 4 VAHRG abgelehnt worden, dort mit Bescheid vom 12.11.2001. Dass im vorliegenden Verfahren die ablehnende Entscheidung nach § 4 VAHRG knapp 2 Jahre später am 30.09.2003 erfolgt ist, hat keine rechtliche Relevanz. In beiden Fällen ist die Entscheidung des Rentenversicherungsträgers zeitlich mit deutlichem Abstand zu den am 01.09.2009 in Kraft getretenen gesetzlichen Neuregelungen im VersAusglG erfolgt. So hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs im Jahre 2008 in den Bundestag eingebracht (vgl. Bundestagsdrucksache 16/10144 vom 20.08.2008).
Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen die Argumentationsführung des LSG NRW in der zitierten Entscheidung vom 07.01.2013 verwiesen und ergänzend zusammenfassend festgestellt:
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 37 SGB X, denn nach dem Grundsatz der formellen Publizität gilt auch das VersAusglG mit der Verkündung im Bundesgesetzblatt allen Normadressaten als bekannt, ohne Rücksicht darauf, ob und wann diese tatsächlich Kenntnis davon erhalten haben (vgl. weitere Nachweise zitiert in der Entscheidung des LSG).
Der Kläger kann auch nicht aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt werden, als habe er den Antrag auf Anpassung nach § 37 VersAusglG bereits zu einem früheren Zeitpunkt gestellt. Erforderlich wäre ein Fehlverhalten der Beklagten, was nicht feststellbar ist. Die Beklagte hat weder infolge eines konkreten Beratungsbegehrens ihre Beratungspflichten nach § 14 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) verletzt, noch ergab sich ein Anlass zur so genannten "Spontanenberatung". Das Verwaltungsverfahren des Klägers nach dem VAHRG aus dem Jahre 2003 war schon geraume Zeit vor den Aktivitäten der Bundesregierung zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs im Jahre 2008 als Grundlage für die Neuregelung ab 01.09.2009 abgeschlossen.
Letztlich hat die Beklagte keine Beratungspflicht aus § 115 Abs. 6 SGB VI verletzt. Entsprechend dem Sachverhalt, der Entscheidung des LSG vom 07.01.2013 zu Grunde lag, kann auch dem Gesamtkontospiegel bzw. dem Rentenkonto des Klägers nicht entnommen werden, während welcher Zeit seine ausgleichsberechtigte geschiedene Ehefrau eine Rentenleistung unter Einbeziehung der übertragenen Anwartschaften bezogen hat. Dass die Daten der Ehefrau im Anschluss an das im Jahre 2003 geführte Verfahren nach dem VAHRG nicht im Rentenkonto des Klägers gespeichert wurden, kann dem Rentenversicherungsträger im Hinblick auf die seinerzeitige Gesetzeslage gerade nicht vorgeworfen werden, denn nach den damals geltenden gesetzlichen Bestimmungen waren die übertragenen Rentenanwartschaften für den Kläger dauerhaft "verloren".
Die Kostenentscheidung beruht auf § 183,193 SGG.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt eine rückwirkende Rentenerhöhung ab dem 01.09.2009, d.h. ab Inkrafttreten des Versorgungsausgleichsgesetzes (VersAusglG), und zwar im Wege eines Rückausgleichs der aufgrund eines Versorgungsausgleichs im Jahre 1984 an seine geschiedene Ehefrau übertragenen Anwartschaften.
Der am 24.12.1938 geborene Kläger bezieht seit März 1996 Rente, seit Januar 1999 eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Die geschiedene Ehefrau erhielt bis zu ihrem Tod am 09.08.2000 erhielt insgesamt für 36 Monate Leistungen ihres Rentenversicherungsträgers, und zwar vom 01.09.2000 bis zum 31.08.2003. Nach dem Tod der geschiedenen Ehefrau beantragte der Kläger eine Beseitigung der durch den Versorgungsausgleich eingetretenen Kürzung der Versorgung nach § 4 Abs. 1 und 2 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG). Dieser Antrag wurde seitens der Beklagten mit Bescheid vom 30.09.2003 abgelehnt, da durch den Leistungsbezug der Ehefrau der Grenzwert gemäß § 4 Abs. 2 VAHRG von 2 Jahren überschritten werde. Den gegen diese Entscheidung erhobenen Widerspruch nahm der Kläger mit Schreiben vom 18.12.2003 zurück.
Am 03.04.2012 stellte der Kläger erneut den Antrag, die Kürzung seiner Altersrente aufgrund des Versorgungsausgleichs aufzuheben.
Mit Bescheid vom 16.04.2012 wurde die Altersrente des Klägers ohne Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs für die Zeit ab 01.05.2012 neu berechnet. Gemäß §§ 37 und 38 VersAusglG werde die Rente ab 01.05.2012 ungekürzt gezahlt, weil die frühere Ehegattin verstorben sei und nur für 36 Kalendermonate Leistungen aus dem durchgeführten Versorgungsausgleich erhalten habe. Der Zahlbetrag erhöhte sich um monatlich 286,26 EUR auf insgesamt 1.175,58 EUR.
Der Kläger erhob am 26. 4. 2012 Widerspruch gegen den Bescheid vom 16.04.2012. So sei die Gewährung einer höheren Rente erst ab 01.05.2012 nicht korrekt. Die Änderung der Verhältnisse sei durch die Änderung des VAHRG eingetreten, so dass der Rentenbescheid nach § 48 SGB X seit Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden müsse. Im Übrigen bestehe eine Informationspflichtverletzung, da er über die Gesetzesänderung zu seinen Gunsten nicht informiert worden sei. Die deutsche Rentenversicherung habe ihre Hinweispflicht gemäß § 115 Abs. 6 SGB VI verletzt, so dass sich gegebenenfalls ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch ergebe.
Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 02.11.2012 als sachlich unbegründet zurückgewiesen. In der Begründung wird ausgeführt, die Anpassung erfolge gemäß § 38 Abs. 2 VersAusglG i.V.m. § 34 Abs. 3 und 4 VersAusglG ab dem 1. Tag des Monats, der auf den Monat der Antragstellung folge. Bei einer rechtzeitigen Antragstellung – spätestens im August 2009 – hätte die Wiederaufnahme der ungekürzten Rentenzahlung gemäß §§ 37 und 38 VersAusglG bereits mit Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelungen zum 01.09.2009 erfolgen können. Es bestehe entgegen der Auffassung des Sozialgerichts Münster in dem Urteil vom 17.02.2012 - S 14 R 744/10 - keine Hinweispflicht gemäß § 115 Abs. 6 SGB VI. Ein rechtzeitiger Rentenantrag sei von daher nicht im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu fingieren. Über die Neuregelungen aufgrund der Strukturreform des Versorgungsausgleichs sei in Form von Pressemitteilungen und Broschüren ausreichend informiert worden. Zudem sei der "Rückausgleich" gemäß §§ 37, 38 VersAusglG keine Leistung im Sinne des § 115 Abs. 6 SGB VI. Diese Norm regle ausschließlich eine Hinweispflicht in Bezug auf Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Ein Rückausgleich gemäß §§ 37, 38 VersAusglG erfolge zwar auf der Basis von Entgeltpunkten, sei jedoch selbst keine Leistung der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem Sozialgesetzbuch. Dies sei bereits daran erkennbar, dass die Aufhebung der Kürzung von Versorgungsanrechten aufgrund eines Versorgungsausgleichs in den Sondervorschriften des VersAusglG mit einer eigenständigen Antragsregelung normiert sei. Kennzeichnend für den Anwendungsbereich der Vorschrift des §§ 115 Abs. 6 SGB VI sei, dass eine andere Sozialleistung im Sinne einer neuen und zugleich zahlbetragsmäßig höheren Rentenart im Rahmen einer Rentenumwandlung beansprucht werden könnte. Aufgrund der Wiederaufnahme einer ungekürzten Rentenzahlung ab 01.05.2012 ergebe sich aber keine tatsächliche Verbesserung der Rentenleistung, denn diese resultiere nicht aus einer Neuermittlung von Entgeltpunkten. Bei den Regelungen zum Versorgungsausgleich handle es sich nicht um eine sozialversicherungsrechtliche, sondern um eine familienrechtliche Materie. Im Übrigen sei das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nicht mit Mitteln der EDV aus dem Datenbestand der deutschen Rentenversicherung erkennbar gewesen. Entsprechende Daten über den Ausgleichsberechtigten seien dem zuständigen Versicherungsträger regelmäßig nicht bekannt.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der am 12.11.2012 erhobenen Klage. Zur Begründung macht er geltend, die Beklagte sei als Sozialleistungsträger im Rahmen ihrer gesetzlichen Zuständigkeit verpflichtet, alles zu veranlassen, damit die im SGB umschriebenen sozialen Rechte verwirklicht würden. Bei der Rückübertragung handle es sich entgegen der Ansicht der Beklagten um ein soziales Recht und nicht um eine familienrechtliche Angelegenheit. Ein Sozialleistungsträger müsse eine Beratung vornehmen, wenn sich aufgrund von konkreten Fallgestaltungen unschwer ergebe, dass eine klar zu Tage liegende Dispositionsmöglichkeit bestehe. Vorliegend sei bereits kurz vor der Gesetzesänderung bei der Beklagten wegen des Todes seiner geschiedenen Ehefrau eine Erhöhung seiner Rente beantragt worden. Hieraus resultierte eine Pflicht zu einer konkreten individuellen Beratung. Die Rentenversicherung sei gehalten gewesen, ihm nach Eintritt der Gesetzesänderung darauf hinzuweisen, dass er nunmehr eine neue Antragsmöglichkeit habe. Das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 07.01.2013 (LSG NRW – L 3 R 274/12 -) sei in weiten Teilen nicht überzeugend. So dürfe er nicht dadurch benachteiligt werden, dass die EDV der Beklagten die erforderlichen Daten angeblich nicht abbilde. Soweit entsprechende Fallgestaltungen in der EDV nicht abgebildet würden, liege hierin ein schwer wiegendes organisatorisches Verschulden.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.11.2012 zu verurteilen, ihm bei Rückausgleich der aufgrund des Versorgungsausgleichs an seine geschiedene Ehefrau übertragenen Anwartschaften auch in der Zeit vom 01.09.2009 bis 30.04.2012 eine entsprechend erhöhte Altersrente zu gewähren, hilfsweise die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 16.04.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02.11.2012 zu verurteilen, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Unter Vorlage der Verwaltungsakte hält die Beklagte die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen weiterhin für rechtmäßig. Sie wiederholt die Argumentation im Widerspruchsbescheid und bezieht sich auf die Entscheidung des LSG NRW – L 3 R 274/12 - vom 07.01.2013, von der ein Doppel zu den Gerichtsakten gereicht wird. Der Entscheidung liege ein vergleichbarer Sachverhalt zu Grunde. Ein "geeigneter Fall" im Sinne des § 115 Abs. 6 SGB VI und damit eine Hinweispflicht der Rentenversicherung sei nicht gegeben. Zudem falle die vorliegende Fallgestaltung von vornherein nicht unter den Anwendungsbereich des §§ 115 Abs. 6 SGB VI, denn nach dem Gesetzeswortlaut gehe es in dieser Vorschrift darum, dass die Träger der Rentenversicherung in geeigneten Fällen Hinweise auf die mögliche Beantragung einer Leistung gäben. Die Rechtsprechung sehe die Vorschrift des § 115 Abs. 6 SGB IV im Zusammenhang mit § 115 Abs. 1 SGB IV, der die generelle Antragspflicht für Leistungen nach dem SGB 6 begründe und als Korrektiv zu § 99 SGB VI, der die Antragsabhängigkeit in Bezug auf Renten aus eigener Versicherung, also ebenfalls Leistungen nach dem SGB VI, regele. Im Übrigen stehe der Umfang der Daten, über den ein Rentenversicherungsträger "verfüge" nicht in seinem Ermessen, sondern sei gemäß § 148 SGB VI auf die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben begrenzt.
Die Beklagte übersendet zur Vorbereitung des Termins einen Gesamtkontospiegel mit Erläuterungen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte bzw. auf die den Beteiligten erteilten Ablichtungen und Abschriften.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten im Sinne des § 54 Absatz ein S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen sind nicht zu beanstanden, denn die Beklagte hat zu Recht entschieden, dass dem Kläger die bei Anwendung von § 37 Absatz ein S. 1 und Abs. 2 VersAusglG ungekürzte Altersrente gemäß § 38 Abs. 2 i.V.m. § 34 Abs. 3 VersAusglG erst ab dem 1. Tag des Monats, der auf den Monat der Antragstellung folgt, zusteht. Die Beklagte hat die vom Kläger begehrte Rentenanpassung zutreffend ab dem 01.05.2012 vorgenommen, denn die Antragstellung erfolgte am 03.04.2012. Eine rückwirkend gewährte ungekürzte Rente bereits ab Inkrafttreten des VersAusglG zum 01.09.2009 steht dem Kläger hingegen mangels rechtzeitiger Antragstellung nicht zu.
Zunächst kann sich der Kläger nicht – wie im Widerspruchsverfahren geltend gemacht – auf § 48 Abs. 1 S. 2 SGB X berufen. Nach der genannten gesetzlichen Regelung soll ein Dauerverwaltungsakt im Falle einer nachträglichen wesentlichen Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die bei Erlass vorgelegen haben, vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufgehoben werden, soweit die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt. Diese Regelung gilt allerdings dann nicht, wenn der Gesetzgeber eine rückwirkende Feststellung durch das Erfordernis und das Abstellen auf den Zeitpunkt einer Antragstellung begrenzt (vgl. Wiesner in von Wulffen, SGB X Kommentar, § 48 Rn. 22). Genau dieser Fall ist vorliegend durch das in §§ 38 Abs. 2, 34 Abs. 3 VersAusglG geregelte Antragserfordernis gegeben.
Der Kläger kann im vorliegenden Verfahren auch nicht so gestellt werden, als habe er rechtzeitig vor Inkrafttreten des VersAusglG zum 01.09.2009 einen Antrag auf Rückübertragung der im Rahmen des Versorgungsausgleichs übertragenen Rentenanwartschaften gestellt. Er kann insoweit weder ein Wiedereinsetzungsgesuch gemäß § 37 SGB X geltend machen noch sich in Zusammenhang mit einem Fehlverhalten der Beklagten auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch berufen.
Die Kammer nimmt zur Begründung ausdrücklich Bezug auf die als überzeugend angesehene Argumentation des LSG NRW in der den Beteiligten bekannten Entscheidung vom 07.01.2013 – L 3 R 274/12 -. Die der Entscheidung des LSG zu Grunde liegende Fallgestaltung ist mit dem Sachverhalt des vorliegenden Verfahrens in jeder Hinsicht vergleichbar. Auch in dem vom LSG entschiedenen Verfahren war der Antrag des betroffenen Klägers auf eine Rückübertragung der im Rahmen eines Versorgungsausgleichs übertragenen Rentenanwartschaften nach § 4 VAHRG abgelehnt worden, dort mit Bescheid vom 12.11.2001. Dass im vorliegenden Verfahren die ablehnende Entscheidung nach § 4 VAHRG knapp 2 Jahre später am 30.09.2003 erfolgt ist, hat keine rechtliche Relevanz. In beiden Fällen ist die Entscheidung des Rentenversicherungsträgers zeitlich mit deutlichem Abstand zu den am 01.09.2009 in Kraft getretenen gesetzlichen Neuregelungen im VersAusglG erfolgt. So hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs im Jahre 2008 in den Bundestag eingebracht (vgl. Bundestagsdrucksache 16/10144 vom 20.08.2008).
Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen die Argumentationsführung des LSG NRW in der zitierten Entscheidung vom 07.01.2013 verwiesen und ergänzend zusammenfassend festgestellt:
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 37 SGB X, denn nach dem Grundsatz der formellen Publizität gilt auch das VersAusglG mit der Verkündung im Bundesgesetzblatt allen Normadressaten als bekannt, ohne Rücksicht darauf, ob und wann diese tatsächlich Kenntnis davon erhalten haben (vgl. weitere Nachweise zitiert in der Entscheidung des LSG).
Der Kläger kann auch nicht aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt werden, als habe er den Antrag auf Anpassung nach § 37 VersAusglG bereits zu einem früheren Zeitpunkt gestellt. Erforderlich wäre ein Fehlverhalten der Beklagten, was nicht feststellbar ist. Die Beklagte hat weder infolge eines konkreten Beratungsbegehrens ihre Beratungspflichten nach § 14 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) verletzt, noch ergab sich ein Anlass zur so genannten "Spontanenberatung". Das Verwaltungsverfahren des Klägers nach dem VAHRG aus dem Jahre 2003 war schon geraume Zeit vor den Aktivitäten der Bundesregierung zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs im Jahre 2008 als Grundlage für die Neuregelung ab 01.09.2009 abgeschlossen.
Letztlich hat die Beklagte keine Beratungspflicht aus § 115 Abs. 6 SGB VI verletzt. Entsprechend dem Sachverhalt, der Entscheidung des LSG vom 07.01.2013 zu Grunde lag, kann auch dem Gesamtkontospiegel bzw. dem Rentenkonto des Klägers nicht entnommen werden, während welcher Zeit seine ausgleichsberechtigte geschiedene Ehefrau eine Rentenleistung unter Einbeziehung der übertragenen Anwartschaften bezogen hat. Dass die Daten der Ehefrau im Anschluss an das im Jahre 2003 geführte Verfahren nach dem VAHRG nicht im Rentenkonto des Klägers gespeichert wurden, kann dem Rentenversicherungsträger im Hinblick auf die seinerzeitige Gesetzeslage gerade nicht vorgeworfen werden, denn nach den damals geltenden gesetzlichen Bestimmungen waren die übertragenen Rentenanwartschaften für den Kläger dauerhaft "verloren".
Die Kostenentscheidung beruht auf § 183,193 SGG.
Rechtskraft
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